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Die Bodensatztheorie ist eine Theorie die die gedankliche Grundlage fur die Fristentransformation bei Kreditinstituten bildet Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Inhalt 3 Fristentransformation 4 Modifizierungen der Theorie 5 Aufsichtsrechtliche Anerkennung 6 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie Bodensatztheorie gehort zu den klassischen Theorien uber Refinanzierungsrisiken der Kreditinstitute Otto Hubner verlangte in seinem zweibandigen Werk Die Banken 1854 mit der Goldenen Bankregel noch vollstandige Fristenkongruenz Ziel der Fristenkongruenz ist die totale Ubereinstimmung der Fristen von Kapitalbindung und Kapitaluberlassung von Aktiva und Passiva in der Bilanz Dabei sind kurzfristige Kredite auch durch kurzfristige Einlagen langfristige Kredite entsprechend durch langfristige Einlagen refinanziert Hubner lehnte eine Fristentransformation sogar strikt ab Die Bank kann wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhalt ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen 1 Bereits drei Jahre spater ruckte Adolf Wagner in seinem 1857 veroffentlichten Buch Beitrage zu Lehre von den Banken teilweise hiervon ab Inhalt BearbeitenWagner hatte beobachtet dass bei Kreditinstituten ein systematischer Unterschied zwischen den formellen und den materiellen tatsachlichen Laufzeiten von Einlagen besteht 2 Formelle Laufzeiten und Kundigungsfristen etwa von Spareinlagen sind die zwischen Kreditinstitut und Sparer vereinbarten Nach Ende der Laufzeit beziehungsweise ohne Wahrnehmung der Kundigungsmoglichkeit verbleibt jedoch tatsachlich ein Teil der Einlagen auf den Konten und wird nicht abgerufen Nicht alle Einlagen werden gleichzeitig von den Glaubigern gekundigt oder abgehoben Prolongationsprinzip wahrend Abhebungen teilweise durch Einzahlungen kompensiert werden Substitutionsprinzip Bei der Gesamtheit der Depositen gilt die Wahrscheinlichkeitstheorie wobei die Kontobewegungen einzelner Einleger von Wagner als voneinander unabhangige Zufallsvariablen angesehen wurden Das Gesetz der grossen Zahlen kann im Bankwesen angewandt werden weil Banken uber eine sehr grosse Zahl sich voneinander unabhangig verhaltender geldanlegender Bankkunden verfugen Die Akkumulation vieler kurzfristiger Einlagen bewirkt dass die Ein und Auszahlungen relativ stetig und gut prognostizierbar sind 3 Die Bankkunden heben in Normalzeiten nicht alle taglich falligen Einlagen gleichzeitig und unabhangig voneinander ab sondern es verbleibt durch Prolongationen und Substitutionen ein stabiles Sockelguthaben der Bodensatz Damit verhalten sich die Geldanleger statistisch unabhangig voneinander und bewirken so die Erfullung des Erwartungswerts Bodensatz aus dem Gesetz der grossen Zahlen Auszahlungen und Einzahlungen gleichen sich bei normalverteilten Schwankungen aus wobei sich ein Guthaben Sockel bildet 4 Dieser Bodensatz ist dabei die Residualgrosse die sich als positiver Unterschiedsbetrag zwischen den formellen und den tatsachlichen Laufzeiten ergibt Die Bargeldbestande eines Kreditinstituts mussen entsprechend uber diesem Schwankungsbereich liegen der uber den Bodensatz hinausgeht Fristentransformation BearbeitenWird nun dieser Bodensatz deckungsgleich kongruent zur formellen Laufzeit der Geldanlage als Kredit ausgeliehen liegt noch Fristenkongruenz vor Fristentransformation beginnt erst wenn eine Bank die formal kurz oder mittelfristige Geldanlage tatsachlich langfristig als Kredit ausleiht und damit die Fristen nicht mehr gleichhalt und umwandelt Die Bodensatztheorie berucksichtigt dabei die Tatsache dass Einlagen zumindest teilweise langer als ihre nominale Bindungsdauer zur Verfugung stehen Ein Beispiel sind Girokonten auf denen Guthaben normalerweise langer als die eintagige Kundigungsfrist fur Sichteinlagen verbleiben Der Teil der nominal kurzfristigen Einlagen der nicht sofort wieder abgezogen wird kann als Bodensatz zur Refinanzierung langerfristiger Anlagen wie Kredite oder Wertpapierbestande verwendet werden Modifizierungen der Theorie BearbeitenDurch Karl Knies wurde 1873 die Bodensatztheorie erweitert als er auf die liquiditatspolitische Bedeutung des Aktivgeschafts der Banken in seiner Realisations oder Shiftabilitytheorie hinwies Konkret konnten die Banken durch die Grundung der Reichsbank im Marz 1875 auf eine weitere Refinanzierungsquelle zuruckgreifen so dass sich die Institute nicht mehr auf Einlagen als alleinige Quelle stutzen mussten Durch die Rediskontierung von Wechseln hatte die Reichsbank den Instituten eine Quelle der Beschaffung von Zentralbankgeld zur Verfugung gestellt bei der sie auch durch Monetarisierung von zirkulationsfahigen Aktiva wie Wechseln Liquiditat schaffen konnten 5 Die Goldene Bankregel Bodensatztheorie und die Realisationstheorie unterstellen eine dauerhafte Normalsituation wie sie der Normalverteilung zugrunde liegt Wolfgang Stutzel versuchte mit seinem Extremszenario der Maximalbelastungstheorie 1959 den plotzlichen Abzug aller Bankeinlagen zu berucksichtigen Nach seiner Hypothese werden die Einlagen weder prolongiert noch substituiert Die Maximalbelastung liege nun darin dass alle Einleger ihre Guthaben bei Falligkeit auch abheben wollen Da die Banken jedoch aufgrund der Bodensatztheorie Fristen im Aktivgeschaft transformiert hatten konnten sie zur Deckung ihres Liquiditatsbedarfs Kredite oder sonstige Aktivpositionen vor ihrer Falligkeit nur mit Verlusten Disagio veraussern Wenn die Summe dieser Verluste das Eigenkapital der Institute nicht uberschreite seien die Voraussetzungen seiner Maximalbelastungstheorie erfullt 6 Danach muss die Anlagepolitik von einer Bank stets so betrieben werden dass das Risiko in eine Situation zu geraten in der die Solvabilitatsbilanz keinen Uberschuss mehr aufweist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen bleibt 7 Stutzel hat gezeigt dass die Bodensatztheorie in Krisenzeiten insbesondere wenn es zu einem Bank Run kommt nicht anwendbar ist Aufsichtsrechtliche Anerkennung BearbeitenDie Bodensatztheorie hat bankaufsichtsrechtliche Anerkennung bereits seit Januar 1962 im fruheren Grundsatz II fur deutsche Kreditinstitute gefunden und wurde in der seit Januar 2007 in Kraft befindlichen Liquiditatsverordnung ubernommen Hiernach gelten gemass 4 Abs 1 LiqV 10 der taglich falligen Kundeneinlagen und 10 der Spareinlagen auch als taglich fallig Laufzeitband 1 Demnach konnen hiervon entsprechend jeweils 90 uber das Laufzeitband 1 hinaus als mittel oder langfristige Kredite ausgeliehen werden Einzelnachweise Bearbeiten Otto Hubner Die Banken 1854 S 28 Adolph Wagner Beitrage zu Lehre von den Banken 1857 S 162 ff Heinrich Otruba Gerhard Munduch Alfred Stiassny Makrookonomik 1996 S 140 Peter Betge Bankbetriebslehre 1996 S 220 Carl Knies Das Geld Darlegung der Grundlehren von dem Gelde 1873 S 154 ff Guido Ellenberger Bankbetriebswirtschaftslehre 2011 S 166 Wolfgang Stutzel Ist die Goldene Bankregel eine geeignete Richtschnur fur die Geschaftspolitik der Kreditinstitute in Vortrage fur Sparkassenprufer DSGV Hrsg 1959 S 43 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bodensatztheorie amp oldid 217150391