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Als Gesetze der grossen Zahlen abgekurzt GGZ werden bestimmte Grenzwertsatze der Stochastik bezeichnet Visualisierung des starken Gesetzes der grossen Zahlen Auf der y Achse ist die relative Haufigkeit einer gewurfelten Sechs aufgetragen wahrend auf der x Achse die Anzahl der Durchgange angegeben ist Die horizontale graue Linie zeigt die Wahrscheinlichkeit eines Sechserwurfes von 16 67 1 6 die schwarze Linie den in einem konkreten Experiment gewurfelten Anteil aller Sechserwurfe bis zur jeweiligen Anzahl der Durchgange Visualisierung des schwachen Gesetzes der grossen Zahlen beim Wurfelbeispiel Fur wachsendes n zieht sich die Verteilung der relativen Haufigkeit einer gewurfelten Sechs immer enger auf den Wert 1 6 zusammen In ihrer einfachsten Form besagen diese Satze dass sich die relative Haufigkeit eines Zufallsergebnisses in der Regel um die theoretische Wahrscheinlichkeit eines Zufallsergebnisses stabilisiert wenn das zugrundeliegende Zufallsexperiment immer wieder unter denselben Voraussetzungen durchgefuhrt wird Die haufig verwendete Formulierung dass sich die relative Haufigkeit der Wahrscheinlichkeit immer mehr annahert ist dabei irrefuhrend da es auch bei einer grossen Anzahl von Wiederholungen Ausreisser geben kann Die Annaherung ist also nicht monoton Formal handelt es sich um Aussagen uber die Konvergenz des arithmetischen Mittels von Zufallsvariablen zumeist unterteilt in starke fast sichere Konvergenz und schwache Konvergenz in Wahrscheinlichkeit Gesetze der grossen Zahlen Inhaltsverzeichnis 1 Beispiel Wurf einer Munze 2 Schwaches Gesetz fur relative Haufigkeiten 3 Schwaches Gesetz der grossen Zahlen 4 Starkes Gesetz der grossen Zahlen 5 Interpretation der formalen Aussagen 6 Praktische Bedeutung 7 Geschichte der Gesetze der grossen Zahlen 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseBeispiel Wurf einer Munze BearbeitenDie Wahrscheinlichkeit dass eine Munze beim Werfen Kopf zeigt betrage Je haufiger die Munze geworfen wird desto unwahrscheinlicher wird es dass der Anteil der Wurfe bei denen Kopf erscheint also die relative Haufigkeit des Ereignisses Kopf um mehr als einen beliebigen vorgegebenen Wert von der theoretischen Wahrscheinlichkeit abweicht Dagegen ist es durchaus wahrscheinlich dass die absolute Differenz zwischen der Anzahl der Kopf Wurfe und der halben Gesamtzahl der Wurfe anwachst Insbesondere besagen diese Gesetze der grossen Zahlen nicht dass ein Ereignis welches bislang unterdurchschnittlich eintrat seinen Ruckstand irgendwann ausgleichen und folglich in Zukunft haufiger eintreten muss Dies ist ein bei Roulette und Lottospielern haufig verbreiteter Irrtum die saumige Zahl musse nun aber aufholen um wieder der statistischen Gleichverteilung zu entsprechen Es gibt daher kein Gesetz des Ausgleichs Ein Beispiel dazu Angenommen eine Serie von Munzwurfen beginne mit Kopf Zahl Kopf Kopf Dann wurde Kopf bis dahin dreimal geworfen Zahl einmal Kopf hat gewissermassen einen Vorsprung von zwei Wurfen Nach diesen vier Wurfen ist die relative Haufigkeit von Kopf die von Zahl Nach 96 weiteren Wurfen stelle sich ein Verhaltnis von 47 Mal Zahl zu 53 Mal Kopf ein Der Vorsprung von Kopf ist also nach 100 Wurfen sogar noch grosser als nach vier Wurfen jedoch hat sich der relative Abstand von Kopf und Zahl stark verringert genauer und das ist die Aussage des Gesetzes der grossen Zahlen der Unterschied der relativen Haufigkeit von Kopf zum Erwartungswert von Kopf Der Wert 53 100 0 53 displaystyle textstyle frac 53 100 0 53 nbsp liegt sehr viel naher beim Erwartungswert 0 5 als 0 75 Schwaches Gesetz fur relative Haufigkeiten BearbeitenDer einfachste Fall eines Gesetzes der grossen Zahlen das schwache Gesetz fur relative Haufigkeiten ist das Hauptergebnis in Jakob I Bernoullis Ars Conjectandi 1713 1 Ein Zufallsexperiment mit genau zwei Ausgangen genannt Erfolg und Misserfolg also ein Bernoulli Experiment werde n displaystyle n nbsp Mal unabhangig wiederholt Bezeichnet p 0 1 displaystyle p in 0 1 nbsp die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einer einzelnen Durchfuhrung dann ist die Anzahl X n displaystyle X n nbsp der Erfolge binomialverteilt mit den Parametern n displaystyle n nbsp und p displaystyle p nbsp Fur den Erwartungswert von X n displaystyle X n nbsp gilt dann E X n n p displaystyle operatorname E X n np nbsp und fur die Varianz Var X n n p 1 p displaystyle operatorname Var X n np 1 p nbsp Fur die relative Haufigkeit R n 1 n X n displaystyle R n tfrac 1 n X n nbsp folgt daraus E R n p displaystyle operatorname E R n p nbsp und s 2 Var R n 1 n 2 Var X n p 1 p n displaystyle sigma 2 operatorname Var R n tfrac 1 n 2 operatorname Var X n tfrac p 1 p n nbsp Die Tschebyscheff Ungleichung angewendet auf R n displaystyle R n nbsp lautet damit P R n p e s 2 e 2 p 1 p n e 2 displaystyle operatorname P left R n p geq varepsilon right leq frac sigma 2 varepsilon 2 frac p 1 p n varepsilon 2 nbsp fur alle e gt 0 displaystyle varepsilon gt 0 nbsp Da die rechte Seite der Ungleichung fur n displaystyle n to infty nbsp gegen null konvergiert folgt lim n P R n p e 0 displaystyle lim n to infty operatorname P left R n p geq varepsilon right 0 nbsp das heisst fur jedes noch so kleine e gt 0 displaystyle varepsilon gt 0 nbsp geht die Wahrscheinlichkeit dass die relative Haufigkeit der Erfolge nicht im Intervall p e p e displaystyle p varepsilon p varepsilon nbsp liegt gegen null wenn die Anzahl der Versuche gegen unendlich geht Schwaches Gesetz der grossen Zahlen Bearbeiten Hauptartikel Schwaches Gesetz der grossen Zahlen Man sagt eine Folge von Zufallsvariablen X 1 X 2 X 3 displaystyle X 1 X 2 X 3 dotsc nbsp mit E X i lt displaystyle E X i lt infty nbsp genuge dem schwachen Gesetz der grossen Zahlen wenn fur X n 1 n i 1 n X i E X i displaystyle overline X n tfrac 1 n textstyle sum limits i 1 n X i E X i nbsp fur alle positiven Zahlen e displaystyle varepsilon nbsp gilt lim n P X n gt e 0 displaystyle lim n rightarrow infty operatorname P left left overline X n right gt varepsilon right 0 nbsp also wenn die arithmetischen Mittel der zentrierten Zufallsvariablen X i E X i displaystyle X i E X i nbsp in Wahrscheinlichkeit gegen 0 displaystyle 0 nbsp konvergieren Es gibt verschiedene Voraussetzungen unter denen das schwache Gesetz der grossen Zahlen gilt Dabei werden teils Forderungen an die Momente oder an die Unabhangigkeit gestellt Bedeutsame Voraussetzungen sind Sind X i displaystyle X i nbsp paarweise unabhangige Zufallsvariablen die identisch verteilt sind und deren Erwartungswert existiert dann gilt das schwache Gesetz der grossen Zahlen Sind X i displaystyle X i nbsp paarweise unkorrelierte Zufallsvariablen und ist die Folge ihrer Varianzen beschrankt so gilt das schwache Gesetz der grossen Zahlen Weitere Formulierungen finden sich im Hauptartikel Insbesondere lasst sich in der zweiten Aussage die Forderung der Beschranktheit der Varianzen etwas allgemeiner fassen Starkes Gesetz der grossen Zahlen Bearbeiten Hauptartikel Starkes Gesetz der grossen Zahlen Man sagt eine Folge von Zufallsvariablen X n n N displaystyle X n n in mathbb N nbsp mit E X n lt displaystyle operatorname E X n lt infty nbsp genuge dem starken Gesetz der grossen Zahlen wenn fur X n 1 n i 1 n X i E X i displaystyle overline X n tfrac 1 n textstyle sum limits i 1 n X i E X i nbsp gilt P lim sup n X n 0 1 displaystyle operatorname P left limsup n rightarrow infty overline X n 0 right 1 nbsp also wenn die arithmetischen Mittel der zentrierten Zufallsvariablen fast sicher gegen 0 konvergieren Das starke Gesetz der grossen Zahlen gilt beispielsweise wenn einer der folgenden Falle zutrifft Die X i displaystyle X i nbsp sind paarweise unabhangig und identisch verteilt mit endlichem Erwartungswert Die X i displaystyle X i nbsp sind paarweise unkorreliert und es ist sup i N Var X i lt displaystyle sup i in mathbb N operatorname Var X i lt infty nbsp Das starke Gesetz der grossen Zahlen impliziert das schwache Gesetz der grossen Zahlen Eine allgemeinere Form des starken Gesetzes der grossen Zahlen die auch fur abhangige Zufallsvariablen gilt ist der individuelle Ergodensatz und der Lp Ergodensatz beide gelten fur stationare stochastische Prozesse Interpretation der formalen Aussagen BearbeitenAnders als bei klassischen Folgen wie sie in der Analysis untersucht werden kann es in der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Regel keine absolute Aussage uber die Konvergenz einer Folge von Zufallsergebnissen geben Der Grund hierfur ist dass zum Beispiel bei einer Serie von Wurfelversuchen Folgen von Zufallsergebnissen wie 6 6 6 nicht ausgeschlossen sind Bei einer solchen Folge von Zufallsergebnissen wurde die Folge der daraus gebildeten arithmetischen Mittel aber nicht gegen den Erwartungswert 3 5 konvergieren Allerdings besagt das starke Gesetz der grossen Zahlen dass das Ereignis bei dem die arithmetischen Mittelwerte nicht gegen den Erwartungswert 3 5 konvergieren die Wahrscheinlichkeit 0 besitzt Man nennt ein solches Ereignis auch fast unmogliches Ereignis Gegenstand der Gesetze der grossen Zahlen ist die zu einer gegebenen Folge von Zufallsvariablen X 1 X 2 X 3 displaystyle X 1 X 2 X 3 dotsc nbsp gebildete Folge der arithmetischen Mittel der zentrierten ZufallsvariablenX 1 X 1 E X 1 X 2 1 2 X 1 E X 1 X 2 E X 2 X 3 1 3 X 1 E X 1 X 3 E X 3 displaystyle overline X 1 X 1 E X 1 overline X 2 tfrac 1 2 X 1 E X 1 X 2 E X 2 overline X 3 tfrac 1 3 X 1 E X 1 dotsb X 3 E X 3 dotsc nbsp Aufgrund der beschriebenen Problematik muss die formale Charakterisierung der Konvergenz dieser Folge X 1 X 2 X 3 displaystyle overline X 1 overline X 2 overline X 3 dotsc nbsp gegen den Wert 0 nicht nur wie bei einer klassischen Folge von Zahlen von einem beliebig klein vorgegebenen Toleranzabstand e gt 0 displaystyle varepsilon gt 0 nbsp ausgehen Zusatzlich wird eine beliebig kleine Toleranzwahrscheinlichkeit p max gt 0 displaystyle p text max gt 0 nbsp vorgegeben Die Aussage des schwachen Gesetzes der grossen Zahlen bedeutet dann dass zu jeder beliebigen Vorgabe eines Toleranzabstands e displaystyle varepsilon nbsp und einer Toleranzwahrscheinlichkeit p max displaystyle p text max nbsp bei einem genugend gross gewahlten Index n displaystyle n nbsp eine Abweichung X n 0 X n displaystyle overline X n 0 overline X n nbsp die den Toleranzabstand e displaystyle varepsilon nbsp uberschreitet hochstens mit der Wahrscheinlichkeit p max displaystyle p text max nbsp eintritt Demgegenuber bezieht sich das starke Gesetz der grossen Zahlen auf das Ereignis dass irgendeine der Abweichungen X n X n 1 X n 2 displaystyle overline X n overline X n 1 overline X n 2 dotsc nbsp den Toleranzabstand e displaystyle varepsilon nbsp uberschreitet 2 Praktische Bedeutung BearbeitenVersicherungswesen Das Gesetz der grossen Zahlen hat bei Versicherungen eine grosse praktische Bedeutung Es erlaubt eine ungefahre Vorhersage uber den kunftigen Schadensverlauf Je grosser die Zahl der versicherten Personen Guter und Sachwerte die von der gleichen Gefahr bedroht sind desto geringer ist der Einfluss des Zufalls Das Gesetz der grossen Zahlen kann aber nichts daruber aussagen wer im Einzelnen von einem Schaden getroffen wird Unvorhersehbare Grossereignisse und Trends wie der Klimawandel die die Berechnungsbasis von Durchschnittswerten verandern konnen das Gesetz zumindest teilweise unbrauchbar machen 3 Medizin Beim Wirksamkeitsnachweis von medizinischen Verfahren kann man es nutzen um Zufallseinflusse auszuschalten Naturwissenschaften Der Einfluss von nicht systematischen Messfehlern kann durch haufige Versuchwiederholungen reduziert werden Siehe auch Gesetz der kleinen ZahlenGeschichte der Gesetze der grossen Zahlen BearbeitenErstmals formuliert wurde ein Gesetz der grossen Zahlen durch Jakob I Bernoulli im Jahr 1689 wobei die posthume Veroffentlichung erst 1713 erfolgte Bernoulli bezeichnete seine Version des schwachen Gesetzes der grossen Zahlen als Goldenes Theorem Die erste Version eines starken Gesetzes der grossen Zahlen fur den Spezialfall eines Munzwurfs wurde 1909 durch Emile Borel veroffentlicht 1917 bewies Francesco Cantelli als Erster eine allgemeine Version des starken Gesetzes der grossen Zahlen 4 Einen gewissen Abschluss erlangte die Geschichte des starken Gesetzes der grossen Zahlen mit dem 1981 bewiesenen Satz von N Etemadi 5 Der Satz von Etemadi zeigt die Gultigkeit des starken Gesetzes der grossen Zahlen unter der Annahme dass die Zufallsvariablen integrierbar sind also einen endlichen Erwartungswert besitzen jeweils dieselbe Verteilung haben und je zwei Zufallsvariablen unabhangig sind Die Existenz einer Varianz wird nicht vorausgesetzt Siehe auch BearbeitenGesetz der kleinen ZahlenLiteratur BearbeitenJorg Bewersdorff Statistik wie und warum sie funktioniert Ein mathematisches Lesebuch mit einer Einfuhrung in R Vieweg Teubner Verlag 2 Auflage 2021 ISBN 978 3 662 63711 1 doi 10 1007 978 3 662 63712 8 Rick Durrett Probability Theory and Examples 3 Auflage Thomson Brooks Cole Belmont CA u a 2005 ISBN 978 0 534 42441 1 Hans Otto Georgii Stochastik Einfuhrung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik 4 uberarbeitete und erweiterte Auflage de Gruyter Berlin u a 2009 ISBN 978 3 11 021526 7 doi 10 1515 9783110215274 Karl Mosler Friedrich Schmid Wahrscheinlichkeitsrechnung und schliessende Statistik 2 verbesserte Auflage Springer Berlin u a 2006 ISBN 978 3 540 27787 3 doi 10 1007 3 540 29441 4 Klaus D Schmidt Mass und Wahrscheinlichkeit Springer Berlin u a 2009 ISBN 978 3 540 89729 3 doi 10 1007 978 3 540 89730 9 Einzelnachweise Bearbeiten Norbert Henze Stochastik fur Einsteiger Eine Einfuhrung in die faszinierende Welt des Zufalls 10 uberarbeitete Auflage Springer Spektrum Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 658 03076 6 S 218 f Jorg Bewersdorff Statistik wie und warum sie funktioniert Ein mathematisches Lesebuch mit einer Einfuhrung in R 2 Auflage 2021 Kapitel 2 10 doi 10 1007 978 3 662 63712 8 S 81 88 Kerstin Awiszus Thomas Knispel Irina Penner Gregor Svindland Alexander Voss Stefan Weber Modeling and pricing cyber insurance In European Actuarial Journal Band 13 Nr 1 1 Juni 2023 ISSN 2190 9741 S 1 53 doi 10 1007 s13385 023 00341 9 doi org abgerufen am 7 Juni 2023 Fehler in Vorlage Literatur Parameterkonflikt Statt URL sollte etwas wie DOI angegeben werden Jorg Bewersdorff Statistik wie und warum sie funktioniert Ein mathematisches Lesebuch mit einer Einfuhrung in R 2 Auflage 2021 doi 10 1007 978 3 662 63712 8 Kapitel 2 8 und 2 10 S 70 74 81 88 Nasrollah Etemadi An elementary proof of the strong law of large numbers In Zeitschrift fur Wahrscheinlichkeitstheorie und verwandte Gebiete Online Ausgabe Probability Theory and Related Fields Continuation of Zeitschrift fur Wahrscheinlichkeitstheorie Bd 55 Nr 1 1981 S 119 122 doi 10 1007 BF01013465 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesetz der grossen Zahlen amp oldid 237236087