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Dieser Artikel bedarf einer grundsatzlichen Uberarbeitung Naheres sollte auf der Diskussionsseite angegeben sein Bitte hilf mit ihn zu verbessern und entferne anschliessend diese Markierung Unter der Bezeichnung Martyrer von Cordoba werden 49 Personen zusammengefasst die in den Jahren 851 bis 859 n Chr wegen der offentlichen Schmahung des Islam und Mohammeds sowie wegen ihres provokativen Bekenntnisses zum Christentum in Cordoba der damaligen Hauptstadt des Emirats von Cordoba hingerichtet wurden und nach christlichem Verstandnis als Martyrer starben Schrein mit den Reliquien der Martyrer in San Pedro Apostol in Cordoba Inhaltsverzeichnis 1 Uberlieferte Geschehnisse 2 Die Quellen und ihre Autoren 2 1 Uberlieferungs und Editionslage 2 2 Die Autoren 2 2 1 Eulogius 2 2 2 Paulus Alvarus 2 3 Quellenwert 3 Absicht und Methode der cordobeser Autoren 3 1 Stilisierung neuer Martyrerheiliger als Integrationsfiguren fur die cordobenser Gemeinde 3 2 Polemischer Kampf gegen den Islam 3 3 Starkung kultureller und religioser Identitat angesichts starker Akkulturationstendenzen unter den Christen in Cordoba 4 Erklarungsmodelle und Zugriffe der Forschung 4 1 Sozialpsychologisch Reaktion auf soziale religiose und kulturelle Identitatskrisen 4 2 Frommigkeitsgeschichtlich Perfektion des Busswerkes Selbstheiligung durch ultimative Askese und Selbstentsagung 4 3 Tiefenpsychologisch psychopathologisch Martyrien als auto aggressiver Akt des Selbstmords in psychischen Krisensituationen 4 4 Rechts und sozialgeschichtlich Rebellion gegen zunehmende Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung 5 Rezeptionsgeschichte und Nachleben 6 Einzelnachweise 7 Quellen 8 LiteraturUberlieferte Geschehnisse BearbeitenDer Umayyade Abd ar Rahman I erreichte im Jahr 756 in Al Andalus und hatte den Statthalter von Cordoba vertrieben Er grundete das Emirat von Cordoba Anscheinend nahmen in den 850er Jahren die Islamisierungstendenzen im Emirat stark zu sodass es auf Seiten der christlichen Bevolkerung Sorgen um den Erhalt einer eigenstandigen christlichen Gemeinde gab Dies loste einen religiosen Konflikt zwischen den mozarabischen Christen in Cordoba und Toledo und den muslimischen Machthabern aus Gemass der Legende wurde der Monch Perfectus 850 von zwei Muslimen gefragt welcher der beiden Propheten Jesus oder Mohammed der grossere sei Er weigerte sich der Legende nach zuerst zu antworten doch die beiden versprachen ihn vor Repressalien zu schutzen Er sagte ihnen auf Arabisch dass Mohammend ein falscher Prophet sei Die Muslime hielten zunachst ihr Wort aber einige Tage spater liessen sie Perfectus verhaften Perfectus wurde von einem islamischen Gericht wegen Blasphemie zum Tode verurteilt und am 18 April 850 gekopft In seinen letzten Worten soll er Jesus gepriesen und Mohammed und seinen Koran verdammt haben 1 Die Hinrichtung des Perfectus und weiterer Christen fuhrte nicht nur zu Spannungen zwischen Muslimen und Christen sondern auch innerhalb der christlichen Gemeinschaft Abd er Rahman II ordnete zunachst die Verhaftung und Inhaftierung der klerikalen Fuhrung der ortlichen christlichen Gemeinde an Als der zivile Ungehorsam nachzulassen schien wurden die Geistlichen im November 851 freigelassen Als einige Monate spater eine neue Protestwelle einsetzte wandte sich der Emir erneut an die christlichen Fuhrer die am ehesten in der Lage waren die christliche Gemeinschaft zu kontrollieren Anstatt sie zu inhaftieren befahl er ihnen ein Konzil in Cordoba einzuberufen um die Angelegenheit zu prufen und eine Strategie fur den Umgang mit den Dissidenten zu entwickeln Er stellte die Bischofe vor die Wahl Die Christen sollten den offentlichen Dissens beenden oder mit Schikanen Arbeitsplatzverlust und wirtschaftlicher Not rechnen Recafred der Bischof von Cordoba drangte wohl auf einen Kompromiss mit den muslimischen Behorden Der zeitgenossische Autor Eulogius von Cordoba sah den Bischof auf der Seite der muslimischen Behorden gegen die Christen Nach dem Tod von Abd ar Rahman II im Jahr 852 entfernte sein Sohn und Nachfolger Muhammad I alle christlichen Beamten aus ihren Amtern Die Hinrichtungen endeten erst im Jahr 859 so dass insgesamt achtundvierzig Christen hauptsachlich Monche den Tod fanden 858 wurde Eulogius angeblich zum Bischof von Toledo gewahlt der maurische Emir Muhammad I verweigerte aber die Bestatigung der Wahl Am 11 Marz 859 Eulogius in Cordoba als letzter und 49 der Martyrer von Cordoba hingerichtet Zeitgleich erfolgte die Schliessung von Klostern in denen einige der Martyrer gelebt hatten Dokumentiert wurden die Ereignisse von den zeitgenossischen Autoren Eulogius von Cordoba und Paulus Alvarus die in ihren Schriften das Bild einer regelrechten Martyrerbewegung entwerfen Da unabhangige Paralleluberlieferungen fehlen ist die Bewertung der tatsachlichen Geschehnisse jedoch umstritten Die Quellen und ihre Autoren BearbeitenUberlieferungs und Editionslage Bearbeiten Uber die angeblichen Geschehnisse berichten vornehmlich die beiden genannten zeitgenossischen Autoren Eulogius von Cordoba verfasste drei Schriften uber die Martyrer Das Documentum martiriale das Memoriale Sanctorum sowie den Liber apologeticus sanctorum martyrum Diese Texte waren bis ins 16 Jahrhundert in einer einzigen Handschrift in Oviedo uberliefert welche Ambrosio Morales seinem Erstdruck zugrunde legte Seit dieser editio princeps von 1574 ist das Manuskript jedoch verschollen Der gedruckte Text weist deutliche sprachliche Korrekturen von humanistischer Hand auf die offenkundig tief in den eigentumlichen Stil des ursprunglichen Textes eingreifen Von Eulogius existieren zudem einige Briefe an Empfanger in Cordoba wie auch im christlich beherrschten Norden der Iberischen Halbinsel in denen vereinzelt Details uber die cordobenser Geschehnisse der 850er Jahre berichtet werden Paulus Alvarus befasste sich zu Beginn der 860er Jahre vor allem in seinem Indiculus luminosus mit der Martyrerbewegung Auch dieser Text ist lediglich in einer einzigen mittelalterlichen Handschrift aus dem 10 oder 11 Jahrhundert uberliefert Der Erstdruck erfolgte 1753 im Rahmen der Espana Sagrada des Enrique Florez In der Vita sancti Eulogii schliesslich berichtet Alvarus uber das Leben und das Martyrium seines Freundes Eulogius von Cordoba welcher 859 selbst wegen der Forderung von Apostasie durch die muslimische Obrigkeit in Cordoba hingerichtet wurde Eine von diesen Zentralquellen unabhangige Paralleluberlieferung fehlt Aus der zeitgenossischen arabischen Tradition sind die Darstellungen des Eulogius und des Alvarus nicht zu verifizieren Vereinzelte Hinweise in lateinischen Quellen auf Martyrer von Cordoba wie z B im Translationsbericht des Usuard oder in dessen Vita aus der Feder Aimons aus der ersten Halfte des 9 Jahrhunderts erweisen sich als inhaltlich abhangig von den hagiographischen Schriften des Eulogius Die sparlichen Quellenbelege aus dem Frankenreich bestatigen damit lediglich die eingeschrankte Wirksamkeit einer Kultpropaganda um die Martyrer zur Rekonstruktion und Prufung ereignisgeschichtlicher Details des cordobeser Geschehens selbst sind sie hingegen ungeeignet Die Autoren Bearbeiten Eulogius Bearbeiten Eulogius wurde Anfang des 9 Jahrhunderts geboren Er entstammte einer vornehmen hispano romanischen Familie Nach seiner geistlichen Ausbildung durch den Abt Speraindeo im Kloster St Zoilus wurde er vom Bischof Recafred von Cordoba zuerst zum Diakon spater zum Priester geweiht Wohl um 850 unternahm er eine Reise in den Norden der iberischen Halbinsel von welcher er wichtige bis dahin unbekannte Schriften des kirchlichen Uberlieferungskanons nach Cordoba brachte Eulogius ermahnte die cordobenser Christen trotz ihres Lebens unter muslimischer Herrschaft zum offenen Bekenntnis ihres Glaubens 851 wurden er und weitere Geistliche auf Geheiss des Sevillaner Erzbischofs vorubergehend eingekerkert Vermutlich ist hierin bereits eine fruhe Reaktion des Emirats auf die ersten Falle provozierter Martyrerschaft unter Cordobeser Christen zu sehen fur die der Einfluss des Eulogius und seiner Gesinnungsgenossen verantwortlich gemacht wurde Eulogius verfasste mehrere Schriften die sich mit den Martyrern von Cordoba beschaftigen Ebenso sind zahlreiche Briefe an Zeitgenossen uberliefert die Details zu den Ereignissen berichten Sein fruhestes Werk Memoriale Sanctorum begann Eulogius schon vor seinem Haftantritt er vollendete es wahrend seiner Haftzeit In dieser Schrift verherrlicht er die hingerichteten Christen als Martyrer und rechtfertigt sie als Heilige Im Kerker verfasste er auch seine Schrift Documentum Martyriale Er wollte damit die mit ihm inhaftierten Jungfrauen Flora und Maria in ihrem Entschluss zum Martyrertod bestarken Nachdem die Martyrerbewegung im Juli 852 erneut aufflammte begann der islamische Herrschaftsapparat uber eine radikale Losung des Problems nachzudenken Eulogius versteckte sich daher zeitweise 857 verfasste er sein letztes Werk mit dem Titel Liber Apologeticus Sanctorum Martyrum 858 wurde Eulogius angeblich zum Erzbischof von Toledo gewahlt konnte jedoch wohl aufgrund des Vetos von Emir Muhammad I das Amt nie antreten Als er eine christliche Konvertitin aus muslimischem Elternhaus namens Leocritia in ihrem neuen Glauben unterwies und bestarkte und mit ihr gemeinsam vor muslimischem Zugriff floh wurde Eulogius 859 verhaftet und hingerichtet Der 11 Marz ist sein Gedenktag Paulus Alvarus Bearbeiten Paulus Alvarus Albarus wurde etwa um 800 geboren und starb am 7 November 861 oder 862 Seine Abstammung ist unklar doch beruft er sich selbst auf judische und gotische Wurzeln Er bekannte sich zum Christentum Gemeinsam mit seinem Freund und Zeitgenossen Eulogius wurde er von Abt Speraindeo erzogen Im Gegensatz zu Eulogius bekleidete er nach dieser Ausbildung kein kirchliches Amt Von Alvarus sind zwei Schriften uberliefert die Informationen zur Martyrerbewegung enthalten der Indiculus Luminosus in welchem er 854 die Martyrer von Cordoba verteidigte und Mohammed als den Antichristen darstellte sowie die Vita Eulogii in der er das Leben und Sterben seines Freundes der nach seiner Vorstellung ebenfalls zum Martyrer geworden war nacherzahlt Ausserdem sind einige Briefe von ihm erhalten die jedoch nicht auf das Martyrer Geschehen Bezug nehmen Paulus Alvarus selbst war kein Martyrer Nach dem Kalendarium des Bischofs Recemund von Elvira aus dem Jahr 961 wurde er dennoch im christlichen Andalus als Heiliger verehrt wobei sein Fest auf den 7 November fiel Quellenwert Bearbeiten Der Quellenwert der Schriften des Eulogius und des Alvarus wird kontrovers beurteilt Zu unterscheiden ist dabei einerseits ein Aussagewert fur die berichteten Geschehnisse im Rahmen einer angeblichen Martyrerbewegung im Cordoba des 9 Jahrhunderts sowie andererseits ein Aussagewert der Quellen hinsichtlich innergesellschaftlicher Diskurse und Konflikte in der cordobenser Gemeinde jener Zeit Der Quellenwert der Texte fur das Geschehen in Cordoba wurde in jungerer Zeit mehrfach grundsatzlich in Frage gestellt Einige Historiker und Philologen wie z B Ann Christys oder Juan Pedro Monferrer Sala beurteilen die Martyrerbewegung als rein literarische Fiktion des Eulogius eine koharente Bewegung habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben Eulogius habe eine solche aus unzusammenhangenden Einzelfallen deren Historizitat oftmals nicht zu prufen sei konstruiert Das so entworfene fiktive Szenario richte sich nicht an ein zeitgenossisches Publikum sondern intendiere eine mit den cordobenser Gegebenheiten nicht vertraute Leserschaft in nachfolgenden Generationen Eine solche radikale Beurteilung des Quellenwertes der einschlagigen Uberlieferung wird verstandlich vor dem Hintergrund einer langen Forschungsgeschichte in der die propagandistisch tendenzhaften Aspekte der Quellen oft zu sorglos ubergangen wurden Die Berichte des Eulogius und des Alvarus uber angebliche Christenverfolgungen im umayyadischen Cordoba bestimmten lange einseitig auch die wissenschaftliche Einschatzung der Lebensumstande von Christen in Al Andalus Einen Quellenwert fur den innergesellschaftlichen Diskurs zeigen die Briefe des Eulogius oder die Translatio Georgii Hinweise darauf dass das Aufbegehren der radikalen Christen auch von der muslimischen Offentlichkeit als Bewegung wahrgenommen wurde bieten Textstellen bei Eulogius welche dahingehend interpretiert werden konnen So wurden die Leichname von Petrus und Walabonsus verbrannt ein Akt der einen zukunftigen Reliquienkult um ihre Gebeine unmoglich machte Absicht und Methode der cordobeser Autoren BearbeitenAlvarus und Eulogius verfolgten mit ihren Schriften das Ziel die Gemeinschaft der Christen in Cordoba zusammenzufuhren und zu festigen Sie versuchten die christlich lateinische Kultur aufzuwerten den Glauben in der Gemeinde zu starken und sich dadurch vom Islam abzugrenzen was angesichts starker Akkulturationstendenzen der Christen an die muslimische Herrschaft im Andalus notig schien Ihr Anliegen verfolgten die Autoren uber verschiedene Teilstrategien Stilisierung neuer Martyrerheiliger als Integrationsfiguren fur die cordobenser Gemeinde Bearbeiten Zur Starkung des Zusammenhalts stilisierte Eulogius die Hingerichteten als Martyrerheilige Die Martyrer sollten als Identifikationsfiguren dienen um die christliche Gemeinschaft wieder zu festigen Die Autoren rechtfertigen die Martyrer durch die Schilderung einer regelrechten Christenverfolgung nach antikem Muster durch die Muslime Auch wenn es den Christen erlaubt war weiterhin ihrer Religion anzugehoren so war ihnen doch ein offentliches Bekenntnis zu ihrem Glauben verwehrt und auch die Mission ein wichtiger Bestandteil des Christentums konnte nicht vorgenommen werden Beide Autoren beschreiben massive gewalttatige Angriffe auf Christen sowie die Zerstorung von Kirchen durch die muslimische Obrigkeit Zeitgenossische Kritiker deren Positionen indirekt aus den Texten zu ersehen sind wandten ein dass die Christenverfolgung im antiken Rom nicht mit der Situation der Christen in Cordoba vergleichbar sei da das Bekenntnis zum Christentum in Cordoba nicht zwangslaufig die Hinrichtung nach sich zog Alvarus ging auf diesen Vorwurf ein indem er die Freiwilligkeit des Martyrertums hervorhob Erst die Freiwilligkeit verleihe dem Bekenntnis des Glaubens seine volle Verdienstlichkeit Da sich ein Kult um die neuen Heiligen in der cordobenser Gemeinde nicht nachweisen lasst scheint den beiden Autoren kein Erfolg beschieden gewesen zu sein Polemischer Kampf gegen den Islam Bearbeiten Eulogius und Alvarus stellen den Islam polemisch als den Wegbereiter fur den Antichristen und seine Glaubigen als Anhanger des Teufels dar Sie beschreiben Moslems als Haretiker und den Islam als eine diabolische Sekte Eulogius ubernahm in seinen Text eine fiktive Vita des Propheten Mohammed mit der er zu zeigen versuchte dass dieser ein falscher Prophet und der Islam eine Irrlehre sei Ebenso wie Alvarus betont er die Fehler des Islam der auf das Diesseits ausgerichtet sei und Gotteslasterung betreibe Die polemischen Ausfuhrungen beider Autoren lassen relativ gute Kenntnisse der islamischen Glaubenslehre erkennen die angesichts zahlreicher Andeutungen und Anspielungen im Text offenkundig auch bei der beabsichtigten Leserschaft vorausgesetzt wurden Starkung kultureller und religioser Identitat angesichts starker Akkulturationstendenzen unter den Christen in Cordoba Bearbeiten Alvarus beklagt in seinem Indiculus Luminosus die Akkulturation der christlichen cordobenser Jugend an die arabische Kultur und Sprache sowie die gleichzeitige Abwendung von der eigenen kulturellen Tradition Das Verhalten der Jugend sieht er als symptomatisch fur den Verfall des Christentums und seiner Kultur im Andalus und warnt vor der Vermischung Die beiden Autoren versuchen diesen Wandel aufzuhalten und sich vom Islam abzugrenzen indem sie in ihren lateinischen Texten einen kunstvollen und anspruchsvollen Stil verwenden um so die Attraktivitat der christlichen Tradition zu steigern und den drohenden Identitatsverlust aufzuhalten 2 Der komplizierte Schreibstil der Autoren und die gewahlte Polemik setzen einen hohen Bildungsgrad bei der beabsichtigten Leserschaft voraus Nach Igor Pochoshajew 3 richten sich die Darstellungen von Eulogius und Alvarus an die gebildete christliche Oberschicht und im Besonderen an den fuhrenden cordobenser Klerus Dieser hatte so der explizite Vorwurf eine Starkung der christlichen Gemeinde in Zeiten der muslimischen Herrschaft versaumt Erklarungsmodelle und Zugriffe der Forschung BearbeitenIn der Forschungsgeschichte wurde lange Zeit nicht zwischen den Motiven der Martyrer und denen der Autoren unterschieden Dies ist darauf zuruckzufuhren dass fur die Martyrerbewegung von Cordoba nur Eulogius und Alvarus Schriften uberliefert sind Jenseits der von den beiden Autoren prasentierten religiosen Erklarungsmodelle fur das Handeln der freiwilligen Martyrer werden in der neueren Forschung seit den spaten 1980er Jahren weitere Handlungsmotive diskutiert Diese betrachten das Martyrerphanomen aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln wobei auch diese neueren Ansatze selbstverstandlich nur auf die vorhandenen Quellen zuruckgreifen konnen Sozialpsychologisch Reaktion auf soziale religiose und kulturelle Identitatskrisen Bearbeiten Jessica A Coope 4 beleuchtet das Geschehen in Cordoba beispielsweise aus einer sozialpsychologischen Sicht sie stellt sich die Frage wie die Menschen auf religiose soziale und kulturelle Identitatskrisen reagierten Hierbei ist einmal der allgemeine Umgang der christlichen Bevolkerung mit der Problematik der Vermischung von sozialen kulturellen und religiosen Aspekten zu beachten und die Reaktion der Martyrer auf die Identitatsdiffusion Aus den Quellen wird deutlich dass es unterschiedliche Einstellungen von Christen zur islamischen Religion und zur arabischen Kultur und Gesellschaft gab Einerseits gab es eine Gruppe die zwischen ihrer kulturellen und ihrer religiosen Identitat unterschied also im Alltag die arabische Sprache und Kultur ubernahm in ihrem privaten Lebensbereich aber meist weiter den christlichen Traditionen folgte Eine solche Differenzierung der Identitaten barg in unterschiedlichen Kontexten Konfliktpotential in mischreligiosen Familien ebenso wie in offentlichen Funktionsbereichen z B der Verwaltung Andererseits gab es auch solche Christen welche sich von der standigen Prasenz der islamischen Religion und ihrer gesellschaftlichen Dominanz bedroht fuhlten und diese mitsamt der damit verbundenen Lebensweise kategorisch ablehnten Bekannteste Vertreter dieser Haltung waren die Martyrer und ihre Chronisten im 9 Jahrhundert Fur sie war religiose und kulturelle Identitat nicht trennbar Der gesellschaftliche Druck zur kulturellen Anpassung in einem muslimisch dominierten Umfeld loste daher bei vielen Identitatskrisen aus Wie das Beispiel der Martyrer zeigt reagierten viele Betroffene darauf mit einer ausschliesslichen Selbstdefinition uber ihr Christentum und der kategorischen Verweigerung jeglicher kulturellen Anpassungen trotz daraus erwachsender negativer sozialer Folgen Der Ruckzug aus der Welt ins Kloster bot dazu eine Moglichkeit die aber von vielen Martyrern offensichtlich als nicht ausreichend empfunden wurde Die durch die offentliche Schmahung des Islam provozierten Hinrichtungen konnen so letztlich als radikalste Form einer solchen Akkulturationsverweigerung zur Sicherung und Stabilisierung einer christlichen Identitat verstanden werden Frommigkeitsgeschichtlich Perfektion des Busswerkes Selbstheiligung durch ultimative Askese und Selbstentsagung Bearbeiten Kenneth Baxter Wolf 5 betrachtet das Geschehen im Cordoba des 9 Jahrhunderts zum Beispiel aus dem Blickwinkel der Frommigkeitsgeschichte In diesem Sinne sieht Wolf im Tod der Martyrer einen zielgerichteten Akt in Erwartung des Seelenheils und einen radikalen Ausdruck der Korperfeindlichkeit dieser Christen der vor dem Hintergrund zeitgenossischer und regional ublicher Bussrituale und ideale betrachtet werden muss Die Ablehnung des Islam war fur die Martyrer nur eine zusatzliche Dimension der Abkehr von ihrer sakularen Umwelt ein Schritt der oft mit dem Ruckzug in ein Kloster begann Der Martyrertod schloss jegliche Gefahr aus nach Abschluss des reinigenden Busswerkes noch einmal zu sundigen da man nicht mehr den Versuchungen des Diesseits erliegen konnte welche im speziellen Fall der cordobenser Martyrer vor allem von dem so bedrohlich wirkenden Islam auszugehen schienen Wolf sieht also die Beweggrunde der Martyrer auf einer viel individuelleren Ebene und damit weniger als Rebellion gegen den Islam als vielmehr eine Absicherung des eigenen Seelenheils welches durch diesen in Gefahr schien Tiefenpsychologisch psychopathologisch Martyrien als auto aggressiver Akt des Selbstmords in psychischen Krisensituationen Bearbeiten Clayton J Drees 6 interpretiert die Provokationen der Hinrichtung als selbstmorderischen Akt Als Ursache fur dieses pathologische Verhalten vermutet er psychische Storungen ausgelost von permanenten Gefuhlen der Angst Anspannung und tiefer Abneigung gegenuber der muslimischen Herrschaft und Kultur Diese nicht zu bewaltigenden Aggressionen hatten die Martyrer schliesslich gegen sich selbst gerichtet so argumentiert Drees mit Verweis auf moderne psychoanalytische Suizidtheorien Freud Favazza Menninger Was Drees nicht berucksichtigt ist der religiose Hintergrund der damaligen Zeit der mit der altkirchlichen Konzeption des Martyrertums ein positiv besetztes Modell mit Vorbildcharakter verband Das Streben nach dem Martyrertod musste damit fur Christen des 9 Jahrhunderts keine Verzweiflungstat sein sondern kann als Verwirklichung eines christlichen Ideals gedeutet werden Rechts und sozialgeschichtlich Rebellion gegen zunehmende Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung Bearbeiten Verschiedene Autoren erwagen eine Interpretation des Martyrer Geschehens als Akt der sozial politischen Rebellion gegen eine gesellschaftliche Unterdruckung der christlichen Minderheit im Andalus wie sie Eulogius und Alvarus in ihren Schriften beschreiben Eine genauere Betrachtung der Lebensbedingungen von Christen im muslimischen Spanien macht hier jedoch Differenzierungen notwendig Tatsachlich war der rechtliche Status der christlichen Minderheit im Andalus nach dem islamischen Dhimma Recht von einer bewussten Schlechterstellung und gesellschaftlichen Diskriminierung gepragt Diese ausserten sich z B sich in erhohten Sondersteuern Dschizya im Ausschluss der Christen von politischer Macht oder in Einschrankungen hinsichtlich der offentlichen Ausubung der christlichen Religion Im Einzelfall aber ist aus den Quellen so insbesondere auch aus den Schriften des Eulogius und des Alvarus immer wieder zu erkennen dass theoretische diskriminierende Bestimmungen des allgemeinen Minderheitenrechts im Alltag des Andalus nicht zur Anwendung kamen Gegen das von den genannten Quellenautoren gezeichnete Szenario einer regelrechten Christenverfolgung spricht zudem die grundsatzliche Toleranz des Islam gegenuber Angehorigen der monotheistischen Offenbarungsreligionen denen Kultusfreiheit gewahrt wird Die Verscharfung der Repressionen gegen Christen von Seiten der muslimischen Obrigkeit in Cordoba erfolgte als Reaktion auf die Anfange der ersten Martyrerbewegung Die insbesondere von Eulogius als Argument ins Feld gefuhrte Zerstorung von Kirchen und die Sauberung des Beamtenapparats von Christen kann daher nicht ursprunglicher Ausloser der Bewegung gewesen sein Parallele Entwicklungen im Orient 7 aber lassen insgesamt ein gesellschaftliches Klima vermuten in dem die islamische Obrigkeit angesichts einer fortschreitenden Akkulturation der christlichen Minderheit auf eine scharfere Segregation der Religionsgruppen drang Rezeptionsgeschichte und Nachleben BearbeitenDie wiederholten offentlichen Schmahungen und darauf folgenden Hinrichtungen schwachten das Ansehen der Mozaraber Die kirchlich christliche wie weltlich islamische Obrigkeit reagierte unter anderem mit einem vom Emir veranlassten christlichen Konzil in Sevilla bei dem die Verhaftung der Wortfuhrer unter anderem Eulogius wie auch ein Verbot fur Christen ein Martyrium anzustreben beschlossen wurde 8 9 Die Nachwirkungen der Martyrer von Cordoba und ihrer Hagiographen sind sehr gering Fur das muslimische Spanien selbst belegt lediglich der sogenannte Kalender von Cordoba in seiner lateinischen Fassung wohl aus dem Jahr 961 die liturgische Verehrung des Eulogius des Alvarus sowie des Speraindeo Weitere Zeugnisse sind hier nicht bekannt Auch ausserhalb des Andalus ist ein Kult um cordobenser Martyrer nur sparlich nachzuweisen Noch in den 850er Jahren erfolgte die Translation der Reliquien dreier Martyrer nach Saint Germain des Pres in deren Zuge auch Auszuge aus den hagiographischen Schriften des Eulogius ins Frankenreich gelangten Die Translation wird in frankischen Passionaren erwahnt zur Etablierung eines dauerhaften Kultes scheint es aber nicht gekommen zu sein 883 wurden auf Veranlassung Alfons III von Asturien Leon die Gebeine des Eulogius sowie der Leocritia nach Oviedo uberfuhrt und hier in der Kathedralkirche beigesetzt Auch die apologetisch polemischen Schriften des Eulogius und des Alvarus zeitigten kaum Nachwirkungen Aus dem Mittelalter ist lediglich eine unikale Handschrift der Eulogius Schriften bekannt die nach der Edition des Textes jedoch noch im 16 Jahrhundert verschollen ist Erst eine christlich nationalspanische Geschichtsschreibung der Neuzeit rekurrierte seit dem 17 Jahrhundert verstarkt auf die Martyrer von Cordoba und ihre Chronisten Einzelnachweise Bearbeiten Eulogius von Cordoba im Okumenischen Heiligenlexikon Roger Wright The end of written ladino in Al Andalus In Maribel Fierro Julio Samso eds The Formation of Al Andalus Part 2 Language Religion Culture and the Sciences London 1998 S 19 36 Igor Pochoshajew Die Martyrer von Cordoba Christen im muslimischen Spanien des 9 Jahrhunderts Frankfurt am Main 2007 Jessica A Coope 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ed Juan Gil In Corpus Scriptorum Muzarabicorum Consejo superior de investigaciones cientificas Manuales y anejos de Emerita 28 Madrid 1973 330 343 Eulogius von Cordoba Memoriale sanctorum sive libri III de martyribus Cordubensibus ed Juan Gil In Corpus Scriptorum Muzarabicorum Consejo superior de investigaciones cientificas Manuales y anejos de Emerita 28 vol II Madrid 1973 S 363 459 Eulogius von Cordoba Documentum martyriale ed Juan Gil In Corpus Scriptorum Muzarabicorum Consejo superior de investigaciones cientificas Manuales y anejos de Emerita 28 Madrid 1973 S 459 475 Eulogius von Cordoba Apologeticus sanctorum martyrum ed Juan Gil In Corpus Scriptorum Muzarabicorum Consejo superior de investigaciones cientificas Manuales y anejos de Emerita 28 Madrid 1973 S 475 495 Eulogius von Cordoba Epistolae ed Juan Gil In Corpus Scriptorum Muzarabicorum Consejo superior de investigaciones cientificas Manuales y anejos de Emerita 28 Madrid 1973 S 495 503 Literatur BearbeitenAnn Christys St Germain des Pres St Vincent and the Martyrs of Cordoba In Early Medieval Europe 7 1998 S 199 217 Ann Christys Christians in al Andalus 711 1000 Culture and Civilization in the Middle East Richmond 2002 S 52 79 Edward P Colbert The Martyrs of Cordoba Washington DC 1962 Jessica A Coope The Martyrs of Cordoba Community and Family Conflict in an Age of Mass Conversion Lincoln Nebraska 1995 A Cutler The Ninth Century Spanish Martyrs Movement and the Origins of Western Christian Missions to the Muslims In Muslim World 55 1965 S 321 339 Clayton J Drees Sainthood and Suicide The Motives of the Martyrs of Cordoba 850 859 In The Journal of Medieval and Renaissance Studies 20 1990 S 59 90 Franz Richard Franke Die freiwilligen Martyrer von Cordova und das Verhaltnis der Mozaraber zum Islam Nach den Schriften des Speraindeo Eulogius und Alvar In Spanische Forschungen der Gorresgesellschaft Reihe 1 13 1958 S 1 170 Eva Lapiedra Gutierrez Los martires de Cordoba y la politica anticristiana contemporanea en Oriente In Al Qantara 15 1994 S 453 462 Lucas Francisco Mateo Seco Paulo Alvaro de Cordoba Un personaje simbolo de la cultura mozarabe In Enrique de la Lama Cereceda Hrsg Dos mil anos de evangelizacion Los grandes ciclos evangelizadores XXI Simposio Internacional de la Teologia de la Universidad de Navarra Pamplona 3 5 mayo de 2000 Pamplona 2001 S 209 234 Juan Pedro Monferrer Sala Mitografia hagiomartirial De nuevo sobre los supuestos martires cordobeses del siglo XI In Maribel Fierro Hrsg De muerte violenta Politica religion y violencia en al Andalus Estudios onomastico biograficos de al Andalus 14 Madrid 2004 S 415 450 Igor Pochoshajew Die Martyrer von Cordoba Christen im muslimischen Spanien des 9 Jahrhunderts Lembeck Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 87476 540 4 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Jesus Miguel Saez Castan El movimiento martirial de Cordoba Notas sobre la bibliografia Alicante 2008 abgerufen am 15 September 2009 Carlton M Sage Paul Albar 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