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Dschizya arabisch جزية DMG ǧizya Kopfsteuer Tribut osmanisch جزيه cizye ist die Bezeichnung fur die den nichtmuslimischen Schutzbefohlenen Dhimmi unter islamischer Herrschaft auferlegte Steuer Ein Dokument von 1615 uber die Dschizya im damals osmanisch beherrschten Bulgarien Inhaltsverzeichnis 1 Die Dschizya im Koran und ihr altarabischer Hintergrund 2 Dschizya Praxis in fruhislamischer Zeit 3 Die Dschizya in der islamischen Jurisprudenz 3 1 Die Frage der Zahlungspflichtigkeit 3 2 Die Legitimitat der Besteuerung 4 Dschizya Praxis in spaterer Zeit 4 1 Osmanisches Reich 4 2 Jemen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDie Dschizya im Koran und ihr altarabischer Hintergrund BearbeitenDie Erhebung dieser Steuer von der unterworfenen nichtmuslimischen Bevolkerung sofern es sich um so genannte Schriftbesitzer ahl al kitab also Juden und Christen handelt grundet sich auf das Koranwort Sure 9 Vers 29 das Rudi Paret folgendermassen ubersetzt Kampft gegen diejenigen die nicht an Gott und den jungsten Tag glauben und nicht verbieten oder fur verboten erklaren was Gott und sein Gesandter verboten haben und nicht der wahren Religion angehoren von denen die die Schrift erhalten haben kampft gegen sie bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten ḥatta yuʾtu l ǧizyata ʿan yadin wa hum ṣaġirun Nach ubereinstimmenden Ausserungen der Koranexegese tafsir zu nennen sind hier u a at Tabari Ibn Kathir und az Zamachschari entstand dieser Vers vor dem historischen Hintergrund der Feldzuge Mohammeds gegen Byzanz und dessen arabischstammige Verbundete im Norden der Arabischen Halbinsel im Jahre 629 1 Hinsichtlich Parets Ubersetzung ist anzumerken dass sie den arabischen Ausdruck ḥatta yuʾtu l ǧizyata ʿan yadin wa hum ṣaġirun nur sehr ungenau wiedergibt Meir Bravmann hat anhand des Vergleichs mit ahnlich lautenden Stellen aus der altarabischen Literatur gezeigt dass der Ausdruck al ǧizyatu ʿan yadin hier die Gegenleistung ǧizya fur eine erfahrene Wohltat yad meint namlich die Schonung des Lebens der Schriftbesitzer ahl al kitab zu dem Zeitpunkt als sie von den Muslimen besiegt worden waren und sich in einem Zustand der Machtlosigkeit befanden wa hum ṣaġirun 2 Dementsprechend musste der Passus ubersetzt werden bis sie die Gegenleistung fur die erfahrene Wohltat entrichten die sie erfahren haben als sie machtlos waren Dschizya Praxis in fruhislamischer Zeit BearbeitenDie Art der Besteuerung war in der fruhislamischen Zeit unterschiedlich a Kopfsteuer in den durch einen Friedensvertrag sulh unterworfenen Gebieten so der Vertrag Mohammeds mit den Christen von Nadschran auf der Wustenroute zwischen Mekka und dem Jemen b die Kopfsteuer in den durch Gewalt ʿanwa unterworfenen Gebieten deren Bevolkerung sich den Muslimen nicht freiwillig ergab Bei der letzterwahnten Besteuerungsart lagen Umfang und Hohe der Steuern allein im Ermessen der muslimischen Obrigkeit sie waren keine Gemeinschafts sondern Personen Kopf steuern 3 Im Jemen hatten diejenigen die sich nicht zum Islam bekehrten einen einheitlichen Betrag von jeweils einem Dinar fur jede erwachsene Person an Dschizya zu entrichten ganz gleich ob es sich um Manner oder Frauen Freie oder Sklaven handelte 4 Die Dschizya in der islamischen Jurisprudenz BearbeitenSure 9 29 war die Grundlage juristischer Erorterungen in der Rechtsliteratur des spaten 7 und fruhen 8 Jahrhunderts 5 Die Hohe der Steuer war vom Umfang des jeweiligen personlichen Eigentums des Steuerpflichtigen abhangig und demnach keine Kollektivsteuer 6 Die islamische Jurisprudenz behandelt die Dschizya in den Kapiteln des Dschihad und in den Schriften uber das islamische Kriegsrecht in denen die Rechte und Pflichten der Nichtmuslime ausschliesslich aus islamischer Sicht naher geregelt sind Durch die Entrichtung dieser Kopfsteuer wurden sie zu Schutzbefohlenen die unter muslimischer Obrigkeit Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums dessen Umfang wiederum vom islamischen Recht festgelegt wurde sowie das Recht auf die freie Ausubung ihrer religiosen Brauche genossen welche ebenfalls den Einschrankungen der geltenden islamischen Gesetze unterworfen waren 7 Die altesten Rechtsbestimmungen uber die Besteuerung von Nicht Muslimen deren Entstehung in die umayyadische Zeit zuruckreicht und mit Namen wie al Auzaʿi Abu Hanifa Malik ibn Anas und asch Schafiʿi verbunden ist sind in at Tabaris Werk Die kontroversen Lehrmeinungen der Rechtsgelehrten erhalten 8 Welche immense Bedeutung diese Art der Besteuerung im islamischen Staatswesen und im Fiqh hatte bestatigen die umfangreichen Ausfuhrungen des Juristen Ibn Qayyim al Dschauziya 1292 1350 in seinem grundlegenden Buch unter dem Titel Ahkam ahl al dhimma أحكام أهل الذمة Aḥkam ahl al ḏimma Rechtsvorschriften fur die Schutzbefohlenen in dem er die Dschizya Frage auf uber 160 Seiten zusammenfassend darstellt Die Frage der Zahlungspflichtigkeit Bearbeiten Zahlungspflichtig waren erwachsene geistig und korperlich gesunde und zahlungsfahige Manner Frauen Kinder und Bettler aber auch Monche armer Kloster waren dschizya frei Die Kopfsteuer sollte bar oder in solchen Naturalien die islamrechtlich zulassig sind entrichtet werden Die Hohe der zu entrichtenden Steuer variierte je nach Region und Epoche des islamischen Reiches Die Befreiung Steuerpflichtiger von der dschizya war nur durch Ubertritt zum Islam moglich 9 Da die Abgaben der nicht muslimischen Bevolkerung unter islamischer Herrschaft den grossten Teil der steuerlichen Einnahmen der Muslime ausmachten bestand auf muslimischer Seite wenig Interesse an einer Islamisierung der jeweiligen Gebiete 10 Dies ging so weit dass zu Beginn des achten Jahrhunderts die Konversion von Nicht Muslimen zum Islam zeitweise verboten wurde 11 In der hanafitischen Rechtsschule wurde die Frage diskutiert ob im Falle dass der Dhimmi uber eine Anzahl von Jahren die Dschizya nicht entrichtet hat er sie fur die vergangenen Jahre nachbezahlen muss oder nicht Wahrend Abu Hanifa dies verneinte und meinte dass die Dschizya da keine Schuld immer nur fur das laufende Jahr entrichtet werden musse lehrten seine beiden Schuler Abu Yusuf und asch Schaibani dass die Dschizya auch fur die vergangenen Jahre entrichtet werden musse es sei denn die Unmoglichkeit der Entrichtung der Dschizya sei auf einen Umstand zuruckzufuhren den der Dhimmi nicht zu verschulden habe 12 Die Legitimitat der Besteuerung Bearbeiten Eingehend und kontrovers wurde in der islamischen Rechtslehre auch die Legitimitat dieser Steuererhebung diskutiert Einstimmigkeit herrscht unter den Rechtsgelehrten daruber dass die Legitimitat der Kopfsteuer sowohl im Koran in der oben genannten Sure 9 Vers 29 als auch in der Sunna von Mohammed und seinen Anweisungen begrundet sei Rechtsgelehrte wie asch Schafiʿi waren der Ansicht dass die Entrichtung der Kopfsteuer ein Zeichen der Unterwurfigkeit derjenigen sei die die Lehren des Islams nicht annehmen wollen bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten 13 Spatere islamische Juristen sahen in der Erhebung der Kopfsteuer einen Anreiz zur Rechtleitung derjenigen die vor die Wahl gestellt wurden entweder in den Islam einzutreten oder in ihrem Unglauben kufr zu verharren Schliesslich betrachtete man die Kopfsteuer unter welchen Bedingungen auch immer sie verhangt wurde als eine sichere Einnahmequelle fur den islamischen Staat Sie gilt als eine Art Erniedrigung fur sie Nicht Muslime und eine finanzielle Unterstutzung fur uns Im zeitgenossischen Verstandnis dieser Steuerpolitik in der islamischen Geschichte heisst es Die Geldeinnahme an sich ist bei der Legitimation der Dschizya nicht ausschlaggebend Ausschlaggebend ist vielmehr die Unterwerfung der Schutzbefohlenen ahl al dhimma der Herrschaft der Muslime in ihrem Kreis zu leben um die Vorzuge des Islams und die Gerechtigkeit der Muslime kennenzulernen Damit diese Vorzuge fur sie uberzeugende Beweise dafur sind sich vom Unglauben kufr abzuwenden und den Islam anzunehmen 14 Dschizya Praxis in spaterer Zeit BearbeitenOsmanisches Reich Bearbeiten Im Osmanischen Reich wurde ab Sultan Suleyman I ein grosser Teil der Einnahmen aus der dschizya zur Unterstutzung der Gelehrten in Mekka und Medina verwendet 15 Das Dschizya System bestand bis in die Zeit des Krimkrieges und wurde mit dem Hatt i Humayun خط همايون Grossherrliches Handschreiben vom 18 Februar 1856 durch eine Militarbefreiungssteuer bedel i askeri بدل عسکری ersetzt 16 Nach der Revolution Ataturks wurde die Dschizya endgultig abgeschafft seitdem leisten in der Turkei auch Christen Militardienst Jemen Bearbeiten Ausfuhrlichere Informationen uber die Dschizya Praxis liegen aus den judischen Gemeinden des Jemen vor So ist bekannt dass die judische Gemeinschaft von Aden vor der osmanischen Eroberung im 16 Jahrhundert jahrlich 10 000 Buqsheh an Dschizya entrichten musste 17 In der Stadt Rada a war im 18 Jahrhundert der Qadi fur die Einziehung der Steuer verantwortlich Er gab dieses Recht einem vornehmen Juden weiter Dieser Verantwortliche sammelte die Dschizya ein Mal im Monat ein bei Handlern zwei Mal Wenn die vereinbarte Gesamtsumme nicht zusammenkam musste er den Restbetrag selbst aufbringen Der Betrag der insgesamt zu zahlenden Dschizya Summe wurde im Voraus festgelegt und alle paar Jahre angepasst Innerhalb der judischen Gemeinschaft gab es drei Steuerklassen die hohere die mittlere und die niedere 18 Im fruhen 19 Jahrhundert wurden alle diejenigen die ein Pferd und einen Goldring besassen der hochsten Steuerklasse zugeordnet diejenigen die 16 Rial besassen der mittleren und alle anderen der niederen Steuerklasse 19 In der Zeit der Unsicherheit gegen Ende des 19 Jahrhunderts als osmanische Truppen das Land wiederzubesetzen versuchten mussten die Juden die Dschizya haufig an mehrere Seiten gleichzeitig entrichten 20 Die Dschizya Steuer wurde auch unter Imam Yahya Muhammad Hamid ad Din weiter aufrechterhalten Fur die Einziehung der Dschizya war in dieser Zeit ein judischer Beamter maʾmur zustandig dem mehrere Assistenten ʿuqqal zur Seite standen 21 Sie legten jahrlich uber die Dschizya Zahler in hebraischer Schrift Verzeichnisse an die dann ins Arabische ubertragen und dem Schatzamt bait al mal ubergeben wurden Nach Bestatigung durch den zustandigen Minister wurde dann auf Grundlage dieses Verzeichnisses die Dschizya eingesammelt 22 Literatur BearbeitenAbu Yusuf Yaqub ben Ibrahim Ancari E Fagnan Hrsg Ubersetzer Le livre de l impot foncier Kitab el Kharadj Paris 1921 Meir Bravmann The ancient Arab background of the Qur anic concept al ǧizyatu ʿan yadin In Arabica Band 13 1966 S 307 314 Band 14 1967 S 90 91 326 327 Neuabdruck in M Bravmann The spiritual background of early Islam Studies in Ancient Arab concepts Leiden 1972 S 199 212 Claude Cahen Art Djizya I In The Encyclopaedia of Islam New Edition Band II S 559a 562b Daniel C Dennett Conversion and the Poll Tax in Early Islam Harvard University Press 1950 Aviva Klein Franke Collecting the Djizya Poll Tax in the Yemen In Tudor Parfitt Hrsg Israel and Ishmael Studies in Muslim Jewish Relation St Martin s Press New York 2000 S 175 206 Adel Theodor Khoury Toleranz im Islam Munchen Mainz 1980 S 171 ff Einzelnachweise Bearbeiten Siehe auch Theodor Noldeke Geschichte des Qorans Band 1 Leipzig 1909 S 223 224 Vgl Bravmann 1972 199 f al mausuʿa al fiqhiyya Band 15 S 161 Alfred Guillaume The Life of Muhammad A translation of Ibn Ishaq s Sirat Rasul Allah Oxford 1955 Textarchiv Internet Archive al mausu a al fiqhiyya Band 15 S 149 207 Uri Rubin Quran and Tafsir The case of ʿan yadin In Der Islam Band 70 1993 S 133 144 Mark R Cohen Unter Kreuz und Halbmond die Juden im Mittelalter C H Beck Munchen 2005 S 71 Joseph Schacht Hrsg Das Konstantinopeler Fragment des Kitab Iḫtilaf al Fuqahaʾ des Abu Ǧaʿfar Muḥammad ibn Ǧarir aṭ Ṭabari Brill Leiden 1933 S 199 241 Zumindest temporar ausgenommen von der Zahlungspflicht waren in vereinzelten Ausnahmefallen Nichtmuslime die sich in verschiedener Form militarisch auf Seiten der muslimischen Herrscher engagierten Zu solchen Ausnahmefallen kam es vornehmlich unter osmanischer Herrschaft Siehe Claude Cahen Halil Inalcik Peter Hardy Djizya In The Encyclopaedia of Islam New Edition Band 2 Brill Leiden 1991 S 561 sowie S 564 f Albrecht Noth Fruher Islam In Ulrich Haarmann Hrsg Geschichte der arabischen Welt C H Beck 1987 S 92 f William Montgomery Watt Islamic Conceptions of the Holy War In Th P Murphy The Holy war Ohio State University Press 1974 S 149 Majid Khadduri The Islamic Law of Nations Shaybani s Siyar Baltimore The Johns Hopkins Press 1966 S 145 al mausuʿa al fiqhiyya Band 15 S 158 gemass der Koranexegese von asch Schafiʿi und anderen klassischen Quellen Zur Interpretation des Koranverses siehe Meir J Kister An yadin Qur an IX 29 In Arabica 11 1964 S 272 278 Auch in Rudi Paret Hrsg Der Koran Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1975 S 295 303 al mausuʿa al fiqhiyya Band 15 S 159 160 Ferdinand Wustenfeld Geschichte der Stadt Mekka Nach arabischen Chroniken bearbeitet Leipzig 1861 S 306 Halil Inalcik Cizye Osmanlilar da Cizye In Turkiye Diyanet Vakfi Islam Ansiklopedisi Band 8 TDV Yayini Istanbul 1993 S 48 Vgl Klein Franke 176 Vgl Klein Franke 177 Vgl Klein Franke 178 Vgl Klein Franke 177f Vgl Klein Franke 182 Vgl Klein Franke 184f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dschizya amp oldid 234481670