www.wikidata.de-de.nina.az
Luigi Lucheni 22 April 1873 in Paris 19 Oktober 1910 in Genf auch Louis Lucheni war ein italienischer Hilfsarbeiter und der Morder der osterreichischen Kaiserin Elisabeth Sisi Lucheni verstand sich als individueller Anarchist 1 als Anhanger von Bakunin und als Vertreter der Propaganda der Tat 2 Luchenis Polizeiakte 1898 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit und Jugend 1 2 Arbeiten in der Schweiz 1 3 Militardienst 1 4 Zweite Auswanderung in die Schweiz 1 5 Anarchismus und Attentatsplane 1 6 Das Attentat 1 7 Verurteilung und Haft 2 Die Tatwaffe 3 Komplizen 4 Untersuchung des Gehirns 5 Sonstiges 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit und Jugend Bearbeiten Lucheni wurde als Sohn einer alleinstehenden italienischstammigen Arbeiterin in Frankreich geboren und wuchs im Waisenhaus auf Dann kam er bei verschiedenen Pflegeeltern unter zunachst in Parma spater in dem kleinen Ort Varano bei Parma wo er zwei Jahre lang zur Schule ging Die Pflegeeltern hatten nach seiner eigenen Aussage nur Interesse am Pflegegeld das sie vom Staat fur ihn erhielten Schon als Schuler musste er arbeiten als Gartner und als Diener des Pfarrers einer Nachbargemeinde Das Geld musste er den Pflegeeltern abliefern Mit zehn Jahren verliess er die Schule und arbeitete als Gehilfe eines Steinmetzen 1889 schleppte er als 16 Jahriger schwere Eisenbahnschwellen und Schienen fur den Bahnbau an der Strecke Parma Spezia Im Herbst 1889 verliess er seine letzten Pflegeeltern 3 Arbeiten in der Schweiz Bearbeiten Lucheni ging nach Genua und fand im Hafen tageweise Arbeit Im Fruhjahr 1890 wanderte er in die Schweiz Im Tessin arbeitete er zwei Jahre lang im Strassenbau zuerst in Chiasso und spater in Airolo Im Fruhjahr 1892 wanderte er mit einem Kameraden uber den Gotthardpass Andermatt und den Furkapass bis ins Tal der Rhone und weiter zum Genfer See Lucheni behauptete spater bei seiner Vernehmung er sei den grossten Teil der Strecke ohne Schuhe gegangen Die Fusse in Lumpen gewickelt oder auf nackten Sohlen Uber Lausanne und Nyon kamen die beiden Arbeiter nach Versoix nahe Genf Dort fanden sie Beschaftigung im Strassenbau Lucheni blieb etwa zehn Monate in Versoix und besuchte von dort aus auch Genf Anfang 1893 wanderte er weiter nach Norden Er wurde auf Baustellen in Uetikon am Zurichsee und an einer grossen Brucke in Sonnenberg tatig 4 Im Fruhjahr 1894 wanderte Lucheni schliesslich nach Budapest mit zwei Tagen Aufenthalt in Wien 5 In Budapest fand er jedoch keine Arbeit und blieb deshalb nur zwei Wochen Zusammen mit einem Kameraden ersuchte er Hilfe im italienischen Konsulat Der Konsul fullte einen Gutschein aus den sie in eine Fahrkarte fur eine Zugfahrt nach Fiume eintauschen konnten Von Fiume aus marschierte Lucheni allein weiter nach Triest Dort griff ihn die osterreichische Polizei auf und schob ihn nach einigen Tagen in Haft uber die Grenze nach Italien ab 6 Militardienst Bearbeiten Im Juli 1894 kam Lucheni zum Militar und diente dreieinhalb Jahre lang 7 1896 nahm er in der italienischen Kavallerie am Abessinienfeldzug teil Er bekam auch einen Orden obwohl er an der Schlacht von Adua fur die er ausgezeichnet wurde gar nicht teilgenommen hatte 8 Seine Jahre im Militardienst waren ein Lichtblick in seinem Leben da er ordentliche Kleidung und regelmassiges Essen bekam auch wenn er wegen seiner Aufmupfigkeit von den Ausbildern schikaniert wurde Im Dezember 1897 endete Luchenis Militardienst Anschliessend beschaftigte ihn der Rittmeister seiner Eskadron ein Adeliger aus dem Hause Aragon dreieinhalb Monate privat als Diener in seinen Haushalten in Neapel und Palermo 9 Zweite Auswanderung in die Schweiz Bearbeiten Anfang April 1898 fuhr Lucheni mit einem Lastensegler nach Genua Von dort ging er zu Fuss uber Ventimiglia und Monte Carlo nach Turin Nachdem er dort vergeblich Arbeit gesucht hatte wanderte er wieder in die Schweiz Er uberquerte den Grossen Sankt Bernhard kam in Martigny an und arbeitete funf Wochen lang als Maurer in Salvan Im Mai wanderte er weiter nach Lausanne 10 Dort war er beim Bau des neuen Postgebaudes beschaftigt 11 nbsp Attentat auf Kaiserin Elisabeth zeitgenossische Darstellung nbsp Luigi Lucheni nach dem ersten VerhorAnarchismus und Attentatsplane Bearbeiten Die Armut der unteren Schichten und sein eigenes Leben am Existenzminimum liessen in Lucheni Hass auf die Obrigkeit wachsen Er begann sich fur den Anarchismus zu offnen und die Werke entsprechender Theoretiker zu studieren Obwohl er nicht mit anderen Anarchisten in Kontakt stand bezeichnete er sich selbst als solchen 12 Bald sah er in Monarchen und Fursten nur noch lastige Parasiten Als der italienische Konig Umberto I im Mai 1898 einen Arbeiteraufstand in Mailand blutig niederschlagen liess schwor Lucheni Rache und fasste Attentatsplane hatte allerdings kein Geld fur eine Reise nach Italien Auch sein Plan den Prinzen Henri Philippe Marie d Orleans zu ermorden scheiterte an dessen kurzfristig gestrichenem Aufenthalt in Genf Das Attentat Bearbeiten Als Lucheni schliesslich vom Besuch der osterreichischen Kaiserin in Genf erfuhr 13 anderte er seinen Attentatsplan und beschloss sie zu ermorden 14 Geduldig wartete er am 10 September 1898 vor dem Luxushotel Beau Rivage Als Elisabeth mit ihrer Hofdame Grafin Irma Sztaray auf dem Weg zu einem Dampfer am Genfersee war versetzte er ihr mit einer Feile eine 85 mm tiefe Stichwunde in den Herzbeutel 15 Nachdem die Wunde zunachst unbemerkt geblieben war starb die Kaiserin nach mehreren Ohnmachtsanfallen am gleichen Nachmittag Lucheni hatte damit sein Ziel erreicht ein Mitglied der ihm verhassten Aristokratie zu ermorden und die Offentlichkeit zu schockieren Wenige Minuten nach dem Ubergriff den man zunachst fur die Attacke eines Rowdys hielt wurde er von Passanten festgehalten und der Polizei ubergeben Bei seiner ersten Vernehmung bekannte er sich sofort stolz zu der Tat Als gegen 14 50 Uhr der Tod Elisabeths gemeldet wurde rief er triumphierend Es lebe die Anarchie Es leben die Anarchisten 16 Verurteilung und Haft Bearbeiten Am 10 November wurde Lucheni wegen Mordes an der Kaiserin zu lebenslanger Haft verurteilt Er selbst hatte fur sich mit dem zweischneidigen auch gegen den Adel gerichteten Argument wer nicht arbeite solle auch nicht essen die Todesstrafe gefordert moglicherweise auch um einen letzten offentlichen Auftritt unter der Guillotine zu haben und als Martyrer in die Anarchistenbewegung einzugehen Daher hatte der Attentater seine Auslieferung an Italien verlangt wo die Todesstrafe nicht wie im Kanton Genf abgeschafft war Dem wurde jedoch nicht entsprochen Seine Tat wiewohl als Einzelganger begangen hatte noch im selben Jahr die Internationale Konferenz von Rom fur die soziale Verteidigung gegen Anarchisten zur Folge 12 In der Haft verhielt sich Lucheni aggressiv vor allem nachdem man ihm seine Lebenserinnerungen weggenommen hatte Er griff wiederholt Gefangniswarter und den Gefangnisdirektor an Letzteren versuchte er mit einer Ahle zu erstechen mit der er wahrend des Pantoffelflechtens in seiner Zelle arbeitete Mehrmals wurde er in Einzelhaft genommen In einer Dunkelzelle erhangte sich Lucheni am 19 Oktober 1910 mit einem Gurtel 17 Die offizielle Suizidversion wurde angezweifelt die Umstande gelten als nicht restlos geklart 15 18 Die Tatwaffe Bearbeiten nbsp Die Tatwaffe LuchenisFur den Kauf eines Revolvers fehlten Lucheni die Mittel Auch fur einen Dolch reichte sein Geld nicht lediglich fur eine Feile 19 die auf drei Seiten geschliffen war und die gerade so lang war dass man mit einem prazisen Stich ins Herz einen todlichen Treffer setzen konnte Ein Bekannter Luchenis Martinelli brachte ihm einen festen Griff an der Feile an 20 Die originale Tatwaffe wird im Josephinum in Wien ausgestellt 21 Komplizen BearbeitenDie Historikerin Anna Maria Sigmund hat bis dato nicht zugangliche Dokumente ausgewertet Sie hat 2020 ein Buch Tatort Genfer See und 2018 einen Dokumentarfilm Spiegel Geschichte Sisi und der Anarchist Das Attentat auf die Kaiserin veroffentlicht Demnach hatte Lucheni Helfer moglicherweise sogar einen Auftraggeber Im September 1898 telegrafierte die osterreichische Gesandtschaft in Bern nach Wien man sei in Genf einem Komplott auf der Spur das wahrscheinlich in London angezettelt und dann nach Zurich ubertragen wurde Das Attentat sei lange vorbereitet gewesen die Action durch den von London hergeschickten Ciancabilla in Fluss gesetzt und die Ausfuhrung dem Lucheni anvertraut worden Der italienische Journalist Giuseppe Ciancabilla 1871 1904 war eine zentrale Figur der Anarchisten Er galt nach Florian Gassner als aufruhrerisch und gefahrlich In seiner in Neuenburg gegrundeten Zeitung L Agitatore feierte er den Mord an Elisabeth von Osterreich in einem Artikel mit dem Titel Ein Feilenstoss 22 Danach wiesen Schweizer Behorden ihn und 35 andere Anarchisten aus 23 Der Genfer Richter Lechet besuchte Lucheni nach der Verurteilung oft im Gefangnis Eines Tages ausserte Lucheni er habe Verbundete gehabt Zwei Italiener hatten am Bahnhof als Fluchthelfer auf ihn gewartet 22 Untersuchung des Gehirns BearbeitenLuchenis Kopf wurde von der Leiche abgetrennt Das Gehirn wurde phrenologisch untersucht wobei keine Auffalligkeiten festgestellt wurden Der Kopf wurde in einem mit Formalin gefullten Glasbehalter im Gerichtsmedizinischen Institut der Universitat Genf aufbewahrt und 1985 auf Ersuchen Osterreichs nach Wien ins Pathologisch anatomische Bundesmuseum den sogenannten Narrenturm gebracht Der Kopf wurde nicht offentlich ausgestellt und nicht weiter untersucht aber beispielsweise noch 1984 im Schweizer Fernsehen prasentiert Im Jahr 2000 wurde der Schadel in aller Stille auf dem Wiener Zentralfriedhof in den sogenannten Anatomiegrabern beigesetzt 18 24 Sonstiges BearbeitenDamals gab es in der ganzen westlichen Welt Anschlage auf Prominente siehe Liste anarchistischer Attentate In der Schweiz gab es besonders viele Anarchisten 23 Elisabeth von Osterreich wusste das Sie dichtete Schweizer Ihr Gebirg ist herrlich Ihre Uhren gehen gut Doch fur uns ist sehr gefahrlichIhre Konigsmorderbrut Der Polizeiprasident von Genf warnte sie vor der Gefahr und bot ihr funf Tage vor ihrer Ermordung den Schutz der Kantonspolizei an sie lehnte ab 22 Literatur BearbeitenSanto Cappon Hrsg Ich bereue nichts Die Aufzeichnungen des Sisi Morders Paul Zsolnay Verlag Wien 1998 ISBN 3 552 04913 4 Christian Koller Luigi Luccheni In Historisches Lexikon der Schweiz Johann Langhard Die anarchistische Bewegung in der Schweiz von ihren Anfangen bis zur Gegenwart und die internationalen Fuhrer O Haring Verlag Berlin 1903 Dritter Teil S 353 ff Digitalisat Maria Matray Answald Kruger Das Attentat Der Tod der Kaiserin Elisabeth und die Tat des Anarchisten Lucheni Langen Muller Munchen 1998 ISBN 3 7844 2694 8 25 Anna Maria Sigmund Tatort Genfer See Kaiserin Elisabeth im Fadenkreuz der Anarchisten Molden Verlag Wien 2020 ISBN 978 3 222 15053 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Luigi Lucheni Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Publikationen von und uber Luigi Lucheni im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek Textsammlung zur Ermordung der Kaiserin Sissi durch Luigi Lucheni PDF 111 Seiten Einzelnachweise Bearbeiten Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 40 48 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 23 f Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 40 f Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 41 43 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 43 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 45 f Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 46 f Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 64 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 46 f vgl Briefe S 51 53 81 83 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 47 f Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 14 a b Michael Newton Famous Assassinations in World History An Encyclopedia 2 Bande S 134 Zu der Frage wie er Kenntnis von Elisabeths Anwesenheit in Genf erlangt hat machte Lucheni in den Verhoren falsche Angaben Er sagte er habe die Kaiserin schon am Vortag des Mordes beobachtet was durch eine Zeugenaussage bestatigt wurde Texte aus der Akte Lucheni S 20 36 Den Aufenthalt der Kaiserin habe er aus den Zeitungen erfahren S 24 Der Besuch der Kaiserin wurde jedoch erst am Tag des Mordes in der Presse erwahnt S 74 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 59 a b Marc Tribelhorn Ich wurde die Tat noch einmal begehen In Neue Zurcher Zeitung vom 11 September 2017 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 13 16 Sigrid Maria Grossing Mord im Hause Habsburg a b Wolfgang Regal Michael Nanut Der Kopf des Morders Narrenturm 22 in Arzte Woche 30 2005 5 Dezember 2005 archivierte Webseite Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 37 Protokolle der Vernehmungen in der Akte Lucheni Archiv der Generalstaatsanwaltschaft Genf Zitiert in Textsammlung PDF S 58 Josephinum zeigt wieder weltweit einzigartige Wachsmodelle Abgerufen am 4 Oktober 2022 a b c zeit de Die Zeit 52 2020 Ein Komplott gegen Sisi a b Johann Langhard Die anarchistische Bewegung in der Schweiz von ihren Anfangen bis zur Gegenwart und die internationalen Fuhrer S 414 Digitalisat online Roland Sedivy Memento historiae 2008 von Gall Landsteiner Virchow Laborpest und Kaiserin Sissy Editorial in Wiener Medizinische Wochenschrift Band 158 11 12 2008 S 312 f Rezension pdf Normdaten Person GND 120183307 lobid OGND AKS LCCN n85284483 VIAF 95151084 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lucheni LuigiALTERNATIVNAMEN Lucheni Louis Luccheni LuigiKURZBESCHREIBUNG italienischer Anarchist und Morder von Kaiserin Elisabeth von Osterreich UngarnGEBURTSDATUM 22 April 1873GEBURTSORT ParisSTERBEDATUM 19 Oktober 1910STERBEORT Genf Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Luigi Lucheni amp oldid 234990382