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Als Lorenzinische Ampullen werden die Elektrorezeptoren der Knorpelfische Haie Rochen und Chimaren bezeichnet Sie gehoren zu den sogenannten ampullaren Organen einer bestimmten Art von Elektrorezeptoren die man auch in vielen anderen Wirbeltier Gruppen findet z B bei basalen Strahlenflossern Quastenflossern Lungenfischen und im Wasser lebenden Amphibien Durch sie konnen schwach elektrische Felder wahrgenommen werden Dies ermoglicht die passive Elektroortung von Feinden und Beutetieren sowie die Orientierung am Erdmagnetfeld Im Gegensatz dazu besitzen die meisten Knochenfische und an Land lebenden Wirbeltiere keine Elektrorezeptoren mehr 1 Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung und Geschichte 2 Aufbau 3 Lage 4 Elektrorezeption und Physiologie 5 Funktion 6 Evolution 7 Embryonalentwicklung 8 EinzelnachweiseEntdeckung und Geschichte BearbeitenDie ersten Untersuchungen an elektrorezeptiven Organen bei Fischen begannen im 17 Jahrhundert Nach der ersten morphologischen Beschreibung der ampullaren Organe bei Haien durch Stenonis 1664 folgte eine ausfuhrliche Beschreibung durch Lorenzini im Jahr 1678 dem die Lorenzinischen Ampullen bis heute ihren Namen verdanken Anfangs wurde ihnen eine mechanorezeptive Funktion zugesprochen spater wurden sie als Rezeptoren zur Messung der Temperatur oder des Salzgehaltes im Wasser angesehen Ihre eigentliche Funktion als Elektrorezeptoren konnte erst in den 1960er Jahren durch die Arbeiten von Murray und Dijkgraaf amp Kalmijn nachgewiesen werden 2 3 Aufbau Bearbeiten nbsp Schematischer Aufbau einer einfachen Lorenzinischen Ampulle Abbildung Simon Bauerle modifiziert nach Liem et al 2001 1 nbsp Semi schematischer Aufbau einer typischen Lorenzinischen Ampulle des Kleingefleckten Katzenhais Ampullengang AG Endampulle EA Alveole ALV Afferentes Nervenbundel N Abbildung Simon Bauerle modifiziert nach Andres amp von During 1988 4 nbsp Schematische Darstellung des Sinnesepithels einer Lorenzinischen Ampulle Charakteristisch fur die Rezeptorzellen ist die birnenartige Form das einzelne Kinocilium auf der apikalen Zellseite die Verbindung zu den benachbarten Stutzzellen durch Tight Junctions und die afferente Innervierung an den Synapsen der basalen Zellseite Rezeptorzelle RZ Nucleus N Kinocilium K Stutzzelle SZ Tight Junction TJ Synapse SY Afferente Nervenendigung AN Abbildung Simon Bauerle modifiziert nach Fields et al 1993 5 Eine Lorenzinische Ampulle besteht wie alle ampullaren Organe aus zwei Teilen Zum einen aus dem sogenannten Ampullengang einem Kanal der meist parallel zur Korperoberflache verlauft und in einer Pore auf der Haut mundet An der Basis dieses Kanals unter der Haut liegt der zweite Teil des Organs die sogenannte Endampulle Diese besteht meist aus mehreren blaschenformigen Aussackungen die Alveolen genannt werden Die Wand dieser Alveolen ist mit dem eigentlichen Sinnesepithel ausgekleidet bestehend aus hunderten Rezeptorzellen und umgebenden Stutzzellen 1 3 Zum Zentrum jeder Ampulle zieht ein Bundel afferenter Nervenendigungen um so Informationen von den Elektrorezeptoren ans Gehirn zu senden Efferente Fasern liegen nicht vor Das heisst dass nur Signale von den Sinneszellen zum Gehirn geleitet werden konnen nicht aber vom Gehirn zuruck an die Sinneszellen Die Nervenfasern stammen dabei aus verschiedenen Asten des vorderen Nervs des Seitenliniensystems anteriorer Lateralisnerv Aste des Lateralisnerv Ramus superficialis ophthalmicus R buccalis R mandibularis der auch die Neuromasten des Seitenliniensystems innerviert Fruher wurde die Innervierung der Lorenzinischen Ampullen falschlicherweise dem Nervus trigeminus V Kopfnerv und dem Nervus facialis VII Kopfnerv zugeschrieben Der Lateralisnerv wurde dabei als Ast dieser Kopfnerven und nicht als eigenstandiger Nerv angesehen Dies lag daran dass die Wurzeln dieser drei Nerven im Gehirn sehr nah beieinander liegen Der Lateralisnerv besitzt jedoch eigene Ganglien und zieht in andere Bereiche des Gehirns als der N facialis und N trigeminus und wird deshalb als eigenstandiger Nerv angesehen 4 6 1 Zwei besondere Eigenschaften der Lorenzinischen Ampullen ermoglichen ihre Funktion als Elektrorezeptoren Die Zellen die Kanal und Ampulle auskleiden sind durch sehr enge Zell Zell Verbindungen sogenannte Tight Junctions miteinander verbunden Dadurch wird das innere des Ampullen Lumens vom umgebenden Gewebe elektrisch isoliert Mit bis zu 6 Mio Ohm cm halten die Kanalzellen der Lorenzinischen Ampullen den Rekord fur den hochsten jemals in einem tierischen Gewebe gemessenen elektrischen Widerstand Das Lumen des Kanals und der Ampulle sind zudem mit einem klaren Gel aus Glykoproteinen gefullt das eine ahnliche Leitfahigkeit wie Wasser aufweist Dadurch konnen Spannungsanderungen im Wasser in der Umgebung des Tiers uber die Poren auf der Haut bis hin zu den Rezeptorzellen in den Ampullen ohne grosse zeitliche Verzogerung weitergeleitet werden 6 2 3 Nachdem ein Signal von einer Rezeptorzelle wahrgenommen und umgewandelt wurde wird es an der Unterseite der Zelle uber eine Synapse an ein afferentes Neuron weitergeleitet Dessen Axon zieht uber den vorderen Nerv des Seitenliniensystems bis ins Gehirn wo es im dorsalen octavolateralen Nucleus DON in der Medulla oblongata des Rautenhirns endet Vom DON ziehen aufsteigende Nervenbahnen zum kontralateralen Teil des Tectum Opticums und zu anderen Teilen des Mittelhirns und von dort wiederum weiter ins End und Kleinhirn zur weiteren Verarbeitung der wahrgenommenen Reize 2 nbsp Ruckseite eines Hautstucks von der ventralen Kopfseite des Dornhais Squalus acanthias neben der Nasenoffnung zu erkennen sind die Poren der Lorenzinischen Ampullen durchgezogener Pfeil die Ampullengange gestrichelter Pfeil und die Endampullen Stern bestehend aus vielen kleinen Alveolen Foto Simon Bauerle nbsp Ventrales Ampullenfeld eines Fleckhais Galeus melastomus gut zu erkennen sind die mit Gallerte gefullten Kanale Pfeil Foto Simon Bauerle nbsp Vergrosserte Aufnahme 40x von einem Cluster Lorenzinischer Ampullen des Dornhais Squalus acanthias zu erkennen sind zahlreiche Endampullen mit ihren blaschenformigen Aussackungen den Alveolen durchgezogener Pfeil sowie die Bundel afferenter Nervenfasern die zu den Zentren jeder Ampulle ziehen gestrichelter Pfeil Foto Simon Bauerle Lage Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung des Kopfbereichs eines Dornhais Squalus acanthias Am Kopf des Hais finden sich funf verschiedene Porenfelder von Lorenzinischen Ampullen die in direkter Nahe zu den am Kopf verlaufenden Seitenlinienkanalen liegen Abbildung Simon Bauerle modifiziert nach Marinelli amp Strenger 1959 7 Die Ampullen liegen stets in Clustern im Kopfbereich unter der Haut In einem Cluster konnen bis zu 400 Ampullen vorkommen Bei Haien und Chimaren finden sich drei bis funf bei Rochen vier bis sechs solcher Cluster die spiegelsymmetrisch angelegt sind Die Kanale strahlen ausgehend von diesen Ampullen Clustern in alle Richtungen aus und bestimmen so die Form und Ausrichtung des elektrorezeptiven Felds Bei Haien sind die Kanale auf den Kopfbereich beschrankt wahrend sie bei Rochen bis in die Brustflossen ziehen 8 2 Beim Dornhai Squalus acanthias liegen funf Ampullenfelder am Kopf vor Das grosse Rezeptorfeld auf der Stirn des Dornhais wird durch den dorsal verlaufenden Ramus superficialis ophthalmicus innerviert Die Porenfelder an der Unterseite der Schnauze und seitlich unter dem Auge werden durch den Ramus buccalis innerviert Der hinter dem Spritzloch verlaufende Ramus mandibularis innerviert schliesslich das zwischen Kiemen und Mund gelegene Porenfeld sowie das zwischen Spritzloch und Kiemen 7 1 nbsp Hautstuck eines Dornhais Squalus acanthias A Ansicht von aussen auf die Hautoberflache zu erkennen sind die Poren der Lorenzinischen Ampullen durchgezogener Pfeil und die Poren des Seitenlinienkanals gestrichelter Pfeil B Ansicht auf die Innenseite zu erkennen sind die Ampullengange der Lorenzinischen Ampullen durchgezogener Pfeil die unter der Haut von den Poren wegziehen hin zu dem Cluster aus Endampullen gestrichelter Pfeil Foto Simon Bauerle nbsp Kopfbereich eines Dornhais Squalus acanthias mit abgezogener Haut A Ansicht von unten zu erkennen ist der Ramus buccalis des vorderen Lateralisnervs Pfeil und die von ihm abgehenden Nervenfaserbundel die zu den Lorenzinischen Ampullen ziehen Diese wurden auf der linken Seite des Fotos zusammen mit der Haut abprapariert Auf der rechten Seite des Fotos ist das ventrale Porenfeld noch gut zu erkennen B Ansicht von oben zu erkennen ist der Ramus superficialis ophthalmicus des vorderen Lateralisnervs Pfeil und die von ihm abgehenden Nervenfaserbundel die zu den Lorenzinischen Ampullen des dorsalen Ampullenfelds ziehen Foto Simon Bauerle Elektrorezeption und Physiologie BearbeitenDie birnenformigen Rezeptorzellen in den Lorenzinischen Ampullen der Knorpelfische besitzen einen zentralen Zellkern und ein einzelnes Kinocilium an der oberen apikalen Zellseite welches in das Ampullen Lumen ragt Das Kinocilium weist dabei eine einzigartige Struktur aus 8 1 Mikrotubuli im Schaft und 9 0 Mikrotubuli an der Basis auf Jede Rezeptorzelle ist von Stutzzellen umgeben 9 6 10 Beim Grossaugigen Hundshai Iago omanensis einer relativ kleinen Hai Art Mannchen 40 cm Weibchen 80 cm maximale Lange konnten im Schnitt bis zu 9 3 Millionen dieser Sinneszellen pro Tier festgestellt werden 3 Die Sinneszellen geben im unerregten Zustand konstant eine gewisse Menge Neurotransmitter in den synaptischen Spalt ab Dies bestimmt die Feuerrate mit der das nachgeschaltete afferente Neuron Aktionspotentiale in Richtung Gehirn aussendet man spricht von der Entladungsfrequenz in Ruhe Nimmt die Sinneszelle nun eine positive Ladungsanderung wahr verringert sich die Entladungsfrequenz des afferenten Neurons wahrend eine negative Ladungsanderung an der Sinneszelle zu einer Zunahme der Entladungsfrequenz fuhrt Die Feuerrate des Neurons nimmt dabei linear mit der Intensitat des Stimulus zu Die ankommenden Aktionspotentiale aller afferenter Neurone werden schliesslich im Gehirn miteinander verrechnet wodurch das Tier auch minimale Spannungsanderungen im elektrischen Feld um sich herum wahrnehmen kann 2 Stimuliert werden die Elektrorezeptoren durch schwache negativ geladene Spannungen auf der Aussenseite der Haut Diese Spannungsanderungen werden uber die Poren in der Haut an das Gel aus Glykoproteinen im Ampullenkanal und dadurch bis hin zu den Sinneszellen in den Alveolen weitergeleitet 11 1 2 Kommen nun negative Ladungen uber das extrazellulare Gel bei einer Sinneszelle an so wird zuerst der obere Teil der Zelle depolarisiert Das heisst dass das Zellinnere nun relativ zum extrazellularen Raum positiv geladen ist Dadurch offnen sich Spannungsgesteuerte Calcium Kanale was zu einem Ca2 Einstrom in die Sinneszelle fuhrt Durch den zunehmenden Einstrom positiv geladener Teilchen wird die gesamte Zellmembran nach und nach depolarisiert Am unteren Ende der Zelle angekommen fuhrt diese Depolarisation schliesslich zur verstarkten Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt Die Neurotransmitter wiederum erhohen die Feuerrate des nachgeschalteten afferenten Neurons das die Signale zum Gehirn sendet Durch das einstromende Calcium offnen sich mit der Zeit zudem immer mehr Calcium gesteuerte Kalium Kanale wodurch positiv geladene Kalium Ionen K aus der Zelle ausstromen Dies fuhrt schliesslich zu einer Repolarisierung der Zellmembran hin zum Ruhepotential Dadurch schliessen sich die spannungsgesteuerten Ca2 Kanale Die Rezeptorzelle liegt nun wieder in Ruhe vor und ein neuer Stimulus kann wahrgenommen werden 2 Funktion BearbeitenDie Lorenzinischen Ampullen der Knorpelfische konnen sehr schwache bioelektrische Spannungen von gerade mal 1 nV cm wahrnehmen 2 und besitzen zwei Hauptfunktionen Zum einen dienen sie der passiven Elektroortung also der Wahrnehmung schwach elektrischer Felder die nicht vom Empfanger selbst erzeugt werden daher passiv Solche schwach elektrischen Felder werden beispielsweise von Beutetieren Artgenossen oder Fressfeinden erzeugt Auch im Sand vergrabene Beutetiere konnen so wahrgenommen werden da deren Herz und Atemmuskulatur unvermeidbar elektrische Strome generieren Dies konnte in zahlreichen Versuchen gezeigt werden 11 1 2 Die zweite Funktion der Lorenzinischen Ampullen bei Knorpelfischen ist die Navigation durch die Orientierung am Magnetfeld der Erde So erzeugt das Schwimmen eines Hais im Meer beim Durchkreuzen des Erdmagnetfelds einen Spannungsvektor der senkrecht zur Bewegungsrichtung und zum Magnetfeld gerichtet ist Dieser durch die Bewegung induzierte Stromfluss kann durch die extrem sensitiven Lorenzinischen Ampullen wahrgenommen werden und dient dem Tier als eine Art Kompass Auch dies wurde experimentell nachgewiesen 11 1 2 Evolution BearbeitenDie Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen ahneln in ihrem Aufbau stark den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems der Fische die der Wahrnehmung mechanischer Reize dienen und den Haarsinneszellen des Labyrinths die unter anderem dem Hor und Gleichgewichtssinn dienen 11 Doch auch in der Embryonalentwicklung und der neuronalen Verschaltung finden sich grosse Ahnlichkeiten Vieles weist darauf hin dass die Elektrorezeptoren im Laufe der Evolution aus den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems hervorgegangen sind So wird das Seitenliniensystem in der Embryonalentwicklung vor den Elektrorezeptoren angelegt Ausserdem ziehen die afferenten Nervenbahnen der Elektrorezeptoren zu evolutionar jungeren Bereichen des Nachhirns Medulla oblongata wahrend die mechanorezeptiven Nervenbahnen des Seitenliniensystems in altere Teile des Nachhirns ziehen 11 Die Fahigkeit zur Elektrorezeption durch ampullare Organe stellt dabei ahnlich dem Seitenliniensystem ein sehr altes sensorisches System dar Da die meisten heute lebenden Fischgruppen elektrosensitiv sind mit Ausnahme fast aller moderner Knochenfische und bereits die altesten Wirbeltiere die sogenannten Ostracodermen Elektrorezeptoren besassen wird die Elektrorezeption als ursprungliches Merkmal der Wirbeltiere Vertebraten angesehen 12 1 11 Das bedeutet dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Wirbeltiere bereits elektrosensitiv war So finden wir auch heute noch bei fast allen im Wasser lebenden Wirbeltiergruppen Elektrorezeptoren Angefangen bei den Neunaugen den Knorpelfischen z B Haie den basalen Knochenfischen Quastenflossern Lungenfischen und im Wasser lebenden Amphibien Die Schleimaale stellen dabei eine Ausnahme dar da sie die Elektrorezeption vermutlich zusammen mit anderen ursprunglichen Merkmalen sekundar zuruckgebildet haben 8 11 Die Vorfahren der Neopterygii eine Gruppe moderner Knochenfische zu denen die Knochen und Kahlhechte sowie alle Teleostier gehoren verloren im Laufe der Evolution ihre ampullaren Organe und damit ihren elektrischen Sinn Bis heute gibt es keine uberzeugende evolutionare Erklarung fur diesen Verlust Unabhangig davon ging die Elektrorezeption zudem in Froschen und allen Amnioten Reptilien Vogeln amp Saugetieren verloren Dies lasst sich durch das Leben an Land erklaren da Luft anders als Wasser keinen Strom leitet wodurch Elektrorezeptoren hinfallig wurden 1 Elektrorezeptoren Cyclostomata einfache Elektrorezeptoren Neunaugen nbsp Verloren Schleimaale nbsp Kiefermauler Lorenzinische Ampullen Knorpelfische nbsp Knochenfische Fleischflosser Quastenflosser nbsp Lungenfische nbsp teilweise Verloren Amphibien nbsp Verloren Amnioten Reptilien Vogel Saugetiere nbsp nbsp Strahlenflosser Polypteriformes Flosselhechte Flosselaale nbsp Acipenseriformes Store Loffelstore nbsp Verloren Neopterygii nbsp Die dargestellten phylogenetischen Verhaltnisse basieren auf den Arbeiten von Irisarri et al 2017 13 und Nelson et al 2016 14 Die Informationen zur Verbreitung der Elektrorezeptoren stammen aus den Arbeiten von Liem et al 2001 1 von der Emde amp Heiligenberg 2001 11 und Zakon 1988 8 Nichtsdestotrotz liefert die Elektrorezeption eines der spannendsten Beispiele fur konvergente Evolution unabhangige Entstehung ahnlicher Merkmale in verschiedenen Gruppen durch einen ahnlichen Selektionsdruck So kam es im Laufe der Evolution in drei verschiedenen Tiergruppen unabhangig voneinander zur Wiedergewinnung des elektrischen Sinns Zum einen bei den Welsen Siluriformes und den mit ihnen verwandten Neuwelt Messerfischen Gymnotiformes bei den Nilhechten Mormyridae und den Kloakentieren einer Gruppe von Saugern zu denen die Schnabeltiere und Schnabeligel zahlen 1 Da die neu gewonnenen Elektrorezeptoren in den beiden Gruppen moderner Knochenfische Messer amp Elefantenrusselfische kein einzelnes Kinocilium aufweisen sondern eine Vielzahl an Mikrovilli 11 12 1 und mit einer umgekehrten Polarisierung auf elektrische Reize reagieren kann mit grosser Sicherheit davon ausgegangen werden dass keine Homologie zu den ursprunglichen Elektrorezeptoren wie z B den Lorenzinischen Ampullen der Haie besteht Stattdessen handelt es sich hierbei um eine Neubildung Bei den Kloakentieren gehen die Elektrorezeptoren aus umgewandelten Hautdrusen hervor 1 Die Neuwelt Messerfische und Nilhechte weisen neben den wiedergewonnen ampullaren Organen zudem noch einen weiteren Typ von Elektrorezeptoren auf sogenannte tuberose Organe 11 1 Embryonalentwicklung BearbeitenDie ampullaren Organe gehen in der Embryonalentwicklung Embryogenese aus den neurogenen Plakoden des Seitenliniensystems hervor die an den Seiten der Neuralfalte ausgebildet werden Plakoden sind Verdickungen des Ektoderms die in Wirbeltier Embryonen angelegt werden und aus denen im Laufe der Embryonalentwicklung zahlreiche neuronale und nicht neuronale Strukturen hervorgehen z B die Haarzellen des Innenohrs oder die Augenlinse aber auch Schuppen und Zahne Zusammen mit den starken Ahnlichkeiten in Aufbau und Innervierung zwischen den Sinneszellen der Lorenzinischen Ampullen und den Haarsinneszellen des Seitenliniensystems unterstutzt der gemeinsame embryonale Ursprung die Annahme dass die Elektrorezeptoren aus den Mechanorezeptoren des Seitenliniensystems hervorgegangen sind 1 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j k l m n o p Karel F Liem Warren F Jr Walker Functional anatomy of the vertebrates an evolutionary perspective 3rd ed Auflage Harcourt College Publishers Fort Worth 2001 ISBN 0 03 022369 5 a b c d e f g h i j Kyle C Newton Andrew B Gill Stephen M Kajiura Electroreception in marine fishes chondrichthyans In Journal of Fish Biology 6 Juni 2019 ISSN 0022 1112 S jfb 14068 doi 10 1111 jfb 14068 wiley com abgerufen am 6 Februar 2023 a b c d L Fishelson A Baranes Distribution morphology and cytology of ampullae of Lorenzini in the Oman shark Iago omanensis Triakidae from the Gulf of Aqaba Red Sea In The Anatomical Record Band 251 Nr 4 August 1998 ISSN 0003 276X S 417 430 doi 10 1002 SICI 1097 0185 199808 251 4 lt 417 AID AR1 gt 3 0 CO 2 P PMID 9713980 a b K H Andres M von During Chapter 14 Comparative anatomy of vertebrate electroreceptors In Progress in Brain Research Transduction 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