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Das Literarische Comptoir Zurich und Winterthur auch Litterarisches Comptoir Zurich Winterthur war ein Buch und Zeitschriftenverlag mit politisch propagandistischer Zielsetzung Dieser ging zu Beginn des Jahres 1841 aus der Buchhandlung des Winterthurer Buchdruckers Hegner hervor als der in Zurich lebende Geologe Julius Frobel ein deutscher Emigrant die Leitung ubernahm Zweck der Grundung war der publizistische Kampf gegen die 1839 in Zurich wieder an die Macht gelangte Reaktion Zugleich sollte der Verlag es oppositionellen deutschen Schriftstellern ermoglichen die auf dem Gebiet des Deutschen Bundes herrschende Zensur zu umgehen Das Literarische Comptoir erfullte diese Aufgabe bis 1845 Prominentester Autor des Verlags war der Dichter Georg Herwegh Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Vorgeschichte 1 2 Grundung 2 Verlagsprogramm Auswahl 3 Aufschwung und Niedergang des Literarischen Comptoirs 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenVorgeschichte Bearbeiten In den Karlsbader Beschlussen von 1819 hatten die Regierungen des Deutschen Bundes vereinbart neben anderen Massnahmen gegen revolutionaren Umsturz auch eine Zensur der Presse durchzufuhren Zeitungen Flugschriften und Bucher bis zum Umfang von 20 Bogen entsprechend 320 Druckseiten waren zensurpflichtig d h sie mussten einer Zensurbehorde vorgelegt werden die den Druck ganz oder teilweise verbieten und schon gedruckte Schriften konfiszieren lassen konnte Kritik an den bestehenden politischen Verhaltnissen verstanden die Zensoren haufig als Aufruf zum Umsturz und untersagten ihre Veroffentlichung Verleger und Buchhandler die unter Missachtung der Zensurpflicht umsturzlerische Schriften unters Volk brachten riskierten den Verlust ihres Eigentums und ihrer Gewerbeerlaubnis Daruber hinaus drohten ihnen Geld und Gefangnisstrafen Die Autoren kritischer Schriften wurden als Demagogen verfolgt Sie konnten wegen Hochverrats eingekerkert und nach der Entlassung des Landes verwiesen werden Die Pressezensur wurde in den einzelnen deutschen Staaten unterschiedlich streng gehandhabt am strengsten in Preussen Abgeschafft wurde die Guillotine des Geistes erstmals wahrend der Deutschen Revolution von 1848 49 Das repressive Klima nach 1819 trieb deutsche Oppositionelle in grosser Zahl ins Exil Viele suchten Zuflucht und Arbeit in der Schweiz besonders nachdem dort 1831 ein Umschwung stattgefunden hatte der in mehreren Kantonen die Liberalen an die Regierung brachte So in Zurich wo alsbald neue Lehranstalten entstanden die auf die Hochschulabsolventen unter den deutschen Fluchtlingen wie Magnete wirkten Grundung Bearbeiten Seit 1833 lehrte in Zurich der Geologe Julius Frobel spaterer Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung Radikalisiert durch den Zuriputsch mit dem 1839 die Konservativen zeitweilig an die Macht zuruckkehrten wandte Frobel sich zur politischen Publizistik und wurde zum Jahreswechsel 1840 41 Mitinhaber und Leiter einer Firma des Winterthurer Buchdruckers Ulrich Reinhart Hegner 1791 1880 die sich fortan Litterarisches Comptoir Zurich und Winterthur nannte Frobels Ziel war es eine Verlagsbuchhandlung zu grunden welche sich die Ubernahme und Verbreitung zensurpflichtiger Schriften zur Forderung des in Deutschland erwachten politischen Geistes und zugleich den literarischen Kampf gegen die in der Schweiz ausgebrochene Reaktion zur Aufgabe machte 1 Das Literarische Comptoir wirkte weit uber die Grenzen der Schweiz hinaus Oppositionelle deutsche Blatter wie die von Karl Marx redigierte Rheinische Zeitung besprachen die dort erschienenen Schriften und druckten sie nach 1843 nach dem Verbot der Rheinischen bewarb sich Marx um die Redaktion einer vom Zurich Winterthurer Verlag geplanten Zeitschrift Der Deutsche Bote aus der Schweiz Verlagsprogramm Auswahl BearbeitenFrobel der selber auch unter dem Pseudonym C Junius schrieb verlegte in den funf Jahren die der Verlag bestand unter anderem folgende Schriften 1841 Lieder eines Lebendigen Gedichte von Georg Herwegh 1842 Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit Streitschrift von Bruno Bauer 1842 43 Der Schweizer Republikaner Zeitschrift redigiert von Julius Frobel 1843 Zensurfluchtlinge 12 Freiheitslieder von Rudolf Gottschall 1843 Grundsatze der Philosophie der Zukunft Programmschrift von Ludwig Feuerbach 1843 Der Tod des Pfarrers Dr Friedrich Ludwig Weidig Ein aktenmassiger und urkundlich belegter Beitrag zur Beurteilung des geheimen Strafprozesses und der politischen Zustande Deutschlands Dokumentation von Friedrich Wilhelm Schulz 1843 Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publizistik zwei Sammelbande hrsg von Arnold Ruge als Fortsetzung seiner in Preussen und Sachsen verbotenen Jahrbucher 1843 Das entdeckte Christentum Eine Erinnerung an das 18 Jahrhundert und ein Beitrag zur Krisis des 19 Streitschrift von Bruno Bauer 1843 Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz Sammelband hrsg von Georg Herwegh als Ersatz fur die bereits im Planungsstadium verbotene Zeitschrift Der Deutsche Bote aus der Schweiz die Herwegh redigieren sollte was an seiner Ausweisung aus Zurich scheiterte mit Beitragen von Bruno Bauer David Friedrich Strauss Friedrich Engels Friedrich Hecker Moses Hess Reinhold Jachmann Johann Jacoby Karl Nauwerck Ludwig Seeger 1843 Deutsche Lieder aus der Schweiz von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1843 Deutsche Gassenlieder von Hoffmann von Fallersleben 1843 Der Sohn der Zeit Freie Dichtung von Ludwig Seeger 1844 Das Verbrechen der Religionsstorung nach den Gesetzen des Kantons Zurich Eine Beleuchtung zur Belehrung des Volkes angeknupft an den Prozess des Literarischen Comptoirs wegen der beiden Schriften Das entdeckte Christentum und Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz von Julius Frobel 1844 Deutsche Salonlieder von Hoffmann von Fallersleben 1844 Hoffmannsche Tropfen Gedichte von Hoffmann von Fallersleben 1845 Die politische Wochenstube Komodie von Robert Prutz 1845 Lieder eines Autodidakten Gedichte von Gottfried Keller 1846 Feueridylle Eine Allegorie Versdichtung von Gottfried Keller Aufschwung und Niedergang des Literarischen Comptoirs BearbeitenGleich die erste Veroffentlichung die Lieder eines Lebendigen die Herwegh den Beinamen der eisernen Lerche des Vormarz eintrugen bescherten dem Verlag einen uberwaltigenden Erfolg der Gedichtband erlebte sieben Auflagen mit insgesamt 19 000 Exemplaren in anderthalb Jahren Trotzdem oder gerade deshalb geriet er bald in politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten Der konservativen Staatsrechtler Johann Caspar Bluntschli seit 1839 Mitglied der Zurcher Regierung bewirkte 1843 die Ausweisung Herweghs die Verhaftung und Verurteilung des fruhsozialistischen Agitators Wilhelm Weitling mit dem Frobel in Verbindung stand sowie die Konfiskation des Entdeckten Christentums und der Einundzwanzig Bogen Frobel und sein Drucker Hegner wurden im folgenden Jahr wegen Religionsstorung zu hohen Geldbussen und zwei bzw drei Monaten Haft verurteilt Der Verlag verlor Vermogenswerte in Hohe von mehreren tausend Franken 2 nbsp Der Zurcher Atheismusstreit von 1845 Ruge Follen Heinzen Schulz Karikatur eines unbekannten Zeichners Hilfe kam von anderen Emigranten hauptsachlich von dem ehemaligen Burschenschafter Adolf Ludwig Follen welcher durch Heirat mit einer Schweizerin zu Vermogen gelangt war und den Mittelpunkt des Zurcher Emigrantenkreises bildete Follen wurde 1843 Mitinhaber ebenso Herweghs wohlhabender Schwager der Berliner Gustav Siegmund und im selben Jahr Arnold Ruge der bisher in Halle und Dresden die Jahrbucher fur deutsche Kunst und Wissenschaft herausgegeben hatte und hart bedrangt von der Preussischen und Sachsischen Zensur auf der Suche nach einem neuen Domizil fur diese angesehene Zeitschrift war Das Auftreten des Linkshegelianers Ruge und seines Gefolgsmannes Karl Heinzen verscharfte die Spannungen unter den Zurcher Oppositionellen Follen Hoffmann Schulz und Keller nahmen an Ruges Atheismus Anstoss Nach ehrverletzenden Angriffen Heinzens auf Follen und Schulz eskalierte der Zurcher Atheismusstreit zu einem teilweise in Versen ausgetragenen publizistischen Federkrieg der sich bis Ende 1847 hinzog und spatere ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der Linken gleichsam in Miniatur vowegnahm 3 Follen zog sein Kapital zuruck Ruge trat an seine Stelle Nachdem der deutsche Bundestag Mitte 1845 samtliche im Verlag erschienenen Schriften auf die Verbotsliste gesetzt hatte und Bucher und Verkaufserlose soweit er ihrer habhaft werden konnte beschlagnahmen liess zog Frobel sich angesichts der erlittenen Verluste aus der Verlagsleitung zuruck und kehrte 1846 Zurich ganz den Rucken Dasselbe tat Ruge Ulrich Hegner fuhrte das Literarische Comptoir ohne die prominenten Autoren des deutschen Vormarz noch mehrere Jahre fort Literatur BearbeitenWalter Grab Ein Mann der Marx Ideen gab Wilhelm Schulz Weggefahrte Georg Buchners Demokrat der Paulskirche Eine politische Biographie Droste Verlag Dusseldorf 1979 ISBN 3 7700 0552 X Darin besonders das 4 Kapitel Die literarischen und publizistischen Kampfe der Zurcher Fluchtlingskolonie um Julius Frobel und das Literarische Comptoir Zurich und Winterthur S 177 210 sowie zum Zurcher Atheismusstreit S 257 276 Ingrid Pepperle Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz Herausgegeben von Georg Herwegh Mit zwei ungedruckten Briefen Herweghs Reclam jun Leipzig 1989 Reclams Universal Bibliothek 1282 ISBN 3 379 00419 7 Dietmar Schuler Staat Gesellschaft und Deutsche Frage bei Julius Frobel 1805 1893 Studien zu Ursprung und Entwicklung des deutschen Liberalismus im 19 Jahrhundert Innsbruck 1984 Dietmar Schuler Julius Frobel 1805 1893 Ein Leben zwischen liberalem Anspruch und nationaler Realpolitik In Innsbrucker Historische Studien Bd 7 8 Innsbruck 1985 S 179 261 Karl Wilhelm Frhr von Wintzingerode Knorr Hoffmann von Fallersleben und Julius Frobels Literarisches Comptoir in der Schweiz In Norbert Eke Kurt G P Schuster und Gunter Tiggesbaumker Hrsg Hoffmann von Fallersleben Internationales Symposion Corvey Hoxter 2008 Bielefeld 2009 Braunschweiger Beitrage zur deutschen Sprache und Literatur Bd 11 S 39 56 ISBN 978 3 89534 851 8 Weblinks BearbeitenIngrid Pepperle Einleitung zur Neuausgabe der Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz Einzelnachweise Bearbeiten Julius Frobel Ein Lebenslauf Aufzeichnungen Erinnerungen und Bekenntnisse Stuttgart 1890 Bd I S 97 zitiert nach Walter Grab Ein Mann der Marx Ideen gab Droste Verlag Dusseldorf 1979 S 191 Vgl Ingrid Pepperle Einleitung zur Neuausgabe der Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz Leipzig 1989 Walter Grab S 263 Normdaten Korperschaft GND 6147413 7 lobid OGND AKS VIAF 127410507 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Literarisches Comptoir Zurich und Winterthur amp oldid 234678490