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Als Kartoffelschnaps wird eine durch Brennen hergestellte alkoholhaltige Flussigkeit Branntwein bezeichnet die aus der Kartoffel gewonnen wird Der Kartoffelschnaps wurde weil die Herstellung und das Ausgangsmaterial preiswert waren lange als Arme Leute Schnaps angesehen Die polnische und ukrainische Version des Kartoffelschnapses nennt man Wodka In Russland Skandinavien und in anderen Landern werden je nach Land und Brennerei unterschiedlich Wodka und Aquavit aus Kartoffeln oder Getreide hergestellt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Herstellung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenSeit 1647 so belegen es Gerichtsakten in Franken bauten Bauern in Pilgramsreuth bei Rehau Kartoffeln im Feldanbau zur Nahrungserzeugung an 1 Ab dem Jahr 1716 wurde die Kartoffel in Sachsen vermehrt angebaut und fand weitere Verbreitung als 1745 der Preussenkonig Friedrich II Friedrich der Grosse das Gesetz zum Anbau der Kartoffel erliess wonach die Bauern zehn Prozent ihrer Ackerflache mit Kartoffeln bepflanzen mussten 2 Danach entwickelte sich die Nutzung der Knollenpflanze recht schnell als Basisnahrungsmittel und als Ausgangsstoff fur industrielle Anwendungen Die Herstellung von Branntwein aus Kartoffeln wurde 1682 erstmals erwahnt 3 Die erste Kartoffelbrennerei in Deutschland wurde wohl um 1750 von David Mollinger in Monsheim in Rheinhessen in Betrieb genommen 4 Verbreitet bei Kartoffelschnaps waren Ende des 18 Jahrhunderts zwei Herstellungsvarianten des Apothekers Johann Andreas Gabelmann 1754 1832 in Barby welcher mit einer Rezeptur mit getrockneten Kartoffeln eine von Jahreszeiten und Missernten unabhangige Produktion ermoglichte 5 Der Durchbruch gelang erst mit der Erfindung eines speziellen Destillationsgerates durch Johann Heinrich Leberecht Pistorius 1777 1858 dem Pistoriusschen Brennapparat den Pistorius am 21 Marz 1817 zum Patent anmeldete 6 Mit diesem Gerat war es moglich 60 bis 80 prozentigen Alkohol aus Kartoffelmaische herzustellen Die Erfindung brachte in kurzer Zeit tiefgreifende Veranderung der Landwirtschaft im preussischen Staat und machte Berlin zum Zentrum des Schnapshandels mit der Folge dass es 1831 in der Provinz Brandenburg bereits mehr als 1 400 Kartoffelschnapsbrennereien gab 6 Dazu kam dass Gutsherren das Kartoffelschnapsbrennen als eine gute zusatzliche Einnahmequelle ansahen und die Schlempe Ruckstande der Destillation sich als erstklassiger Dunger und als Viehfuttermittel verwenden liess 7 Ab den 1830er Jahren entstanden Kneipen die Bier Wein und vor allem billigen Schnaps ausschenkten Zuerst in der Landwirtschaft dann aber zunehmend auch in den Fabriken wurde ein Teil des Lohnes in Kartoffelschnaps ausgezahlt Die Folgen fur die Bevolkerung waren verheerend Alkoholismus machte sich breit der mit zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit im Elendsalkoholismus endete Man bezeichnete die Entwicklung als eine Branntweinpest oder auch Kartoffelschnapspest Schweiz Um 1800 herum lag der Pro Kopf Konsum von Branntwein in Preussen beispielsweise noch bei zwei bis drei Litern pro Jahr gemessen in reinem Alkohol Ab den 1830ern stieg der Verbrauch auf uber acht Liter in Brandenburg sogar auf 13 Liter 8 1844 kam in Berlin ein Branntweinschank auf je 109 Einwohner 9 Mit dem Reichsbranntweinsteuergesetz von 1887 wurden schliesslich erstmals agrarpolitische sozialpolitische und gesundheitspolizeiliche Ziele verfolgt 10 und der Kartoffelschnaps durch die Steuererhebung erheblich verteuert Mit diesem Instrument und durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs wurde der Branntweinkonsum erheblich eingedammt Des Weiteren grundeten sich neue Vereinigungen fur Nuchternheit Nuchternheitsbewegungen die auch politische Starke erreichten wie in Schweden die Volksbewegung gegen den Alkoholmissbrauch im Schwedischen nykterhetsrorelse genannt 11 1854 grundeten 127 Vertreter nord und ostdeutscher Brennereien den Verein der Spiritusfabrikanten in Deutschland in Berlin Um 1887 88 waren in Deutschland bereits 6268 Brennereien im Betrieb die zusammen knapp uber zwei Millionen Tonnen Kartoffeln verarbeiteten 3 Der Boom der uber die Jahre anhielt fuhrt um 1912 13 in Deutschland bei einer Jahresproduktion von drei Millionen Hektoliter Kartoffelschnaps schliesslich zu einer Uberproduktion an Schnaps weshalb man den Alkohol als Ersatz fur Petroleum in Spirituslampen verwendete und nach dem Ersten Weltkrieg dem Automobilkraftstoff beimischte in Spiritus Leuchtlampen verwendete 12 und als Industriealkohol einsetzte Herstellung BearbeitenDer Kartoffelschnaps wird vom Verfahren her genauso hergestellt wie der Obstschnaps Nach grundlichem Waschen werden die mehligen Kartoffeln in kaltem Wasser angesetzt sanft erhitzt und bei einer Temperatur von 95 C zu einem Brei vermahlen Anschliessend wird der Brei bei 70 90 C unter Zugabe bakterieller Enzyme verflussigt und bei einer Temperatur von ca 58 C ein bis zwei Stunden lang verzuckert Alternativ zu den Enzymen kann 15 Prozent Gerstenmalz zugesetzt werden was aber den Geschmack wahrnehmbar verandert In der so hergestellten Maische setzt nun eine alkoholische Garung ein bei der eine Gartemperatur um die 20 C als optimal anzusehen ist 25 C aber nicht uberstiegen werden sollte da sonst zu viele Aromastoffe verloren gehen Weil eine gezuckerte Maische stark schaumen wurde wird ein Antischaummittel vor dem einsetzenden Garprozess hinzugefugt Der Garprozess findet in einem so genannten Gartrichter statt und sollte nach ca drei Tagen abgeschlossen sein 13 Der anschliessende Brennvorgang erfolgt im Kupferkessel des Destilliergerats bei ca 75 C Da der Alkohol fruher siedet als Wasser kann er beim Erhitzen der Maische vom Wasser weitgehend separiert werden Je nach Brennvorgang und Anzahl der Durchgange konnen bis zu 80 prozentige Alkohole erzielt werden Nach einigen Wochen der kuhlen Lagerung sind die Brande dann unter Zugabe von Wasser auf trinkbare Werte von 20 bis 40 Volumenprozente zu reduzieren 14 Literatur BearbeitenNikolaus Muller Kurze Anweisung aus Kartoffeln viel und guten Branntwein Essig und Likor zu gewinnen Rienner Wurzburg 1779 W Behrend E von Kahlden C Steinbruck Emil Struve W Wygedzinski Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhaltnisse des Preussischen Staates Hrsg August Meitzen Verlagsbuchhandlung Paul Parey Berlin 1908 Gustav Ruhland System der politischen Okonomie Allgemeine Volkswirtschaftslehre Band 1 Verlag von Wilhelm Issleib Berlin 1933 Heinrich Tappe Auf dem Weg zur modernen Alkoholkultur Alkoholproduktion Trinkverhalten und Temperenzbewegung in Deutschland vom fruhen 19 Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg Steiner Stuttgart 1994 ISBN 3 515 06142 8 Nahrungskultur Essen und Trinken im Wandel Der Burger im Staat 52 Jahrgang Heft 4 Landeszentrale fur politische Bildung Baden Wurttemberg 2002 Online PDF 2 4 MB abgerufen am 5 Dezember 2018 Heinrich Tappe Alkoholverbrauch in Deutschland In Nahrungskultur Essen und Trinken im Wandel Der Burger im Staat 52 Jahrgang Heft 4 Landeszentrale fur politische Bildung Baden Wurttemberg 2002 S 213 218 Peter Lummel Berlins nimmersatter Riesenbauch In Nahrungskultur Essen und Trinken im Wandel Der Burger im Staat 52 Jahrgang Heft 4 Landeszentrale fur politische Bildung Baden Wurttemberg 2002 S 252 258 Adelheid Muller Lissner Von Massigen Abstinenten und garungsloser Fruchteverwertung In Das Parlament Nr 03 17 Januar 2005 Einzelnachweise Bearbeiten Der Siegeszug der Teufelsknolle In BR Wissen Bayerischer Rundfunk 25 Oktober 2018 abgerufen am 5 Dezember 2018 Kartoffeln die tollen Knollen WDR archiviert vom Original am 24 September 2008 abgerufen am 19 September 2012 Originalwebseite nicht mehr verfugbar Link auf WaybackMachine vom 22 September 2008 a b Ruhland System der politischen Okonomie 1933 S 127 Hartmut Bossel Zufall Plan und Wahn Chronik der Entwicklungen die unsere Welt veranderten Books on Demand 2010 ISBN 978 3 8423 3524 0 S 177 Rach Kartoffelbrandwein In Neues Hannoverisches Magazin 65tes Stuck 16 August 1793 S 1033 ff Online abgerufen am 4 Dezember 2018 Zugriff uber die Digital Collections der Universitat Bielefeld a b Kartoffelboom in Brandenburg In Preussenchronik Rundfunk Berlin Brandenburg abgerufen am 5 Dezember 2018 Behrend Kahlden Steinbruck Struve Wygedzinski Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhaltnisse des Preussischen Staates 1908 S 7 f Tappe Alkoholverbrauch in Deutschland 2002 S 213 Lummel Berlins nimmersatter Riesenbauch 2002 S 255 Geschichte der Branntweinsteuer und des Branntweinmonopols Bundesministerium fur Finanzen Zoll archiviert vom Original am 25 Oktober 2007 abgerufen am 19 September 2012 Originalwebseite nicht mehr verfugbar Jordparon und Jardepli Maaomene und Potet Bundesministerium fur Finanzen Zoll archiviert vom Original am 18 Januar 2012 abgerufen am 5 Dezember 2018 Originalwebseite nicht mehr verfugbar Kartoffelgeschichte und Geschichten In toffi net Hubert Beckmann abgerufen am 16 Februar 2008 Peter Durr Einmaischen von Kartoffeln und Kastanien fur arttypische Brande In Schweizerische Zeitschrift fur Obst und Weinbau Nr 18 1998 S 459 461 Online PDF 465 kB abgerufen am 5 Dezember 2018 Heinrich Kreipe Getreide und Kartoffelbrennerei Handbuch der Getranketechnologie Eugen Ulmer Stuttgart 1981 ISBN 978 3 8001 5810 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kartoffelschnaps amp oldid 228315388