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Dieser Artikel behandelt den Jesuiten Jakob Marell Zum Maler siehe Jacob Marrel Jakob Marell 1 April 1649 in Innsbruck 1727 latinisiert Jacobus Marellus war ein deutscher Jesuiten Pater der durch jahrelangen sexuellen Missbrauch von Schulern des Jesuitenkollegs in Augsburg bekannt wurde und Kritikern als Prototyp des heuchlerischen Pfaffen und als Beleg fur die Gefahrlichkeit des Jesuitenordens galt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Der Missbrauchsskandal 1 2 Weiterer Lebensweg 2 Rezeption 2 1 Jacobi Marelli S J Amores 2 2 Kontroverse 2 3 Marell als Topos antijesuitischer Literatur 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenMarell trat am 7 September 1668 in den Jesuitenorden ein In den 1690er Jahren war er Pater am Jesuitenkolleg in Augsburg Der Missbrauchsskandal Bearbeiten Im Juli 1698 berichtete sein Mitbruder Jakob Banholzer an den Provinzial der oberdeutschen Ordensprovinz dass Marell seit mehreren Jahren regelmassig Schuler des Kollegs sexuell missbrauche Gezielt hatte er Jugendliche dazu gebracht ihn als Beichtvater auszuwahlen bzw mit Geschenken anderen Beichtvatern regelrecht abgeworben War ihm dies gelungen nutzte er die Vertrauens und Abhangigkeitssituation der Beichte fur sein unkeusches Tun aus Er nahm was im Jesuitenorden eigentlich seit jeher verboten war das jeweilige Lieblingsbeichtkind mit in seine Monchszelle wo er ihm in der Regel zunachst Bucher mit erotischen Darstellungen zeigte 1 Auf die folgenden korperlichen Annaherungsversuche reagierten die Jugendlichen unterschiedlich Wahrend einige sie entrustet zuruckwiesen baten ihn andere lediglich doch die Vorhange seiner ebenerdig an einer belebten Gasse der Augsburger Innenstadt liegenden Zelle zu schliessen 2 bevor es zu Intimitaten bis hin zum Koitus kam 3 Mit weiteren Geschenken brachte er die Jugendlichen dazu ihm immer wieder zu Willen zu sein und nichts weiterzuerzahlen Er lehrte sie der Geschlechtsverkehr sei keine Sunde solange man der Lust innerlich nicht zustimme 4 5 Dies und die Tatsache dass er schon lange dafur bekannt war den Jugendlichen mehr durchgehen zu lassen als die anderen Patres brachte ihm den Vorwurf des Quietismus ein 6 Nach den Beobachtungen Banholzers suchte sich Marell stets nur besonders hubsche junge Manner aus darunter Sohne der angesehenen Adelsgeschlechter Oettingen und Fugger Besonders schien er den Geschlechtsakt kurz bevor er die Heilige Messe zelebrierte oder auch unmittelbar danach zu schatzen 7 Auch unter den Kollegiaten gab es homosexuelle Kontakte teilweise uber eine lange Zeit mehrmals in der Woche 8 wie Banholzer notierte Er schrieb diese sexuellen Beziehungen unter Jugendlichen dem negativen Einfluss Marells zu da dieser sie verdorben habe Um das Ansehen der Gesellschaft Jesu nicht zu schadigen wurde der Fall mit ausserster Diskretion untersucht Vor allem wollte man den in Augsburg dominanten Protestanten keine Argumente im konfessionellen Meinungsstreit liefern und furchtete sogar Marell konnte konvertieren wenn er sich in die Enge getrieben fuhlte 9 An den von Banholzer geschilderten Sachverhalten bestanden keine ernsthaften Zweifel da sie von einem weiteren Mitbruder Ignaz Erhard dem sich einige der beteiligten Jugendlichen offenbart hatten detailreich bestatigt wurden 10 Schliesslich wurde Marell am 26 Dezember 1698 aus dem Augsburger Jesuitenkolleg entlassen Zu einer Anklage vor einem weltlichen Gericht kam es nicht Gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr selbst unter Erwachsenen galt damals als Verbrechen wider die Natur und ware nach Artikel 116 der Carolina mit dem Feuertod zu bestrafen gewesen Weiterer Lebensweg Bearbeiten Ob Marell aus dem Jesuitenorden ausschied oder nur das Augsburger Kolleg verliess ist unklar Zumindest blieb er dem Orden weiterhin eng verbunden Aus Wien schickte er in den Jahren 1716 17 regelmassig aktuelle Berichte uber die Manover der habsburgischen Truppen im Turkenkrieg an das Innsbrucker Kolleg von wo diese Informationen umgehend an die Munchner Jesuiten weitergeleitet wurden 11 Als Marell 1725 in Steyr dem Furstbischof von Passau ein Konvolut mit selbstverfassten Gedichten uberreichte firmierte er im Begleitschreiben als Pater des dortigen Jesuitenkollegs Der Historiker Hormayr schloss daraus dass Marell entweder nie aus dem Orden entfernt oder seine Dimission zuruckgenommen wurde 12 Rezeption Bearbeiten Jacobi Marelli S J Amores Bearbeiten Eine offentliche Diskussion loste der Fall Marell erst nach mehr als einem Jahrhundert aus als der Historiker Karl Heinrich von Lang 1815 einen schmalen Band mit einschlagigen Auszugen aus den Ordensarchivalien veroffentlichte Diese waren nach der Aufhebung des Jesuitenordens inzwischen in das Koniglich Bayerische Allgemeine Reichsarchiv gelangt dessen Direktor Lang seit 1810 war 13 Die Veroffentlichung erfolgte in einer Zeit als die radikal antiklerikalen Krafte in Bayern zunehmend in die Defensive gerieten und nachdem es am 7 August 1814 zum Entsetzen aufgeklarter Kreise zur umstrittenen Wiederzulassung der Gesellschaft Jesu durch Pius VII gekommen war Ziel der Veroffentlichung war es vor einem Wiedererstarken der Kleriker und insbesondere der Jesuiten zu warnen Lang hatte den Auftrag unmittelbar vom Minister Maximilian von Montgelas erhalten 14 Zusatzlich zur Dokumentation des Falles Marell enthielt Langs Buch eine exemplarische Aufstellung uber 33 weitere Patres die in der oberdeutschen Ordensprovinz in den Jahren 1650 1723 meist uber Jahre hinweg unterschiedliche Formen sexueller Ubergriffe begangen hatten Die Akten hatten auch Material uber mehr als 200 auffallig gewordene Geistliche geliefert 4 Die wenigsten Tater waren aus dem Orden entlassen worden viele wurden lediglich verwarnt oder an eine andere Niederlassung versetzt wo sie nicht selten ruckfallig wurden Fur die Laufbahn eines Paters Dietrich lat Theodoricus Beck belegten die Akten beispielsweise nacheinander in Prag einen in Konstanz zwei in Wien einen in Heitersheim funf und in Freiburg einen Missbrauchsfall 15 Ein Pater Victor Wagner der wegen notorischer Ubergriffe von Munchen nach Luzern strafversetzt wurde ubernahm dort ausgerechnet den Posten seines wegen Missbrauchs herausgeworfenen Ordensbruders Mandel er wurde ruckfallig und die Akten vermerkten den Missbrauch von elf Knaben an seiner neuen Wirkungsstatte 15 Kontroverse Bearbeiten Langs Veroffentlichung befeuerte die kontroverse Debatte uber den Jesuitenorden Dessen Kritiker zogen Parallelen zum Fall des franzosischen Jesuiten Jean Baptiste Girard 1680 1733 und sahen in Langs Enthullungen einen weiteren Beweis fur die Gefahrlichkeit der Jesuiten Sie warfen dem Orden vor die Tater zu schutzen nichts fur den Schutz der Zoglinge zu tun und lieber die Wahrheit zu vertuschen als das Ansehen des Ordens aufs Spiel zu setzen 16 15 Die Anhanger der Gesellschaft Jesu betonten dagegen die ihrer Meinung nach geringe Zahl der Tater im Verhaltnis zur Gesamtzahl der Ordensmitglieder In einem Kommentar der Felder schen Literaturzeitung aus Landshut wurden die 34 lediglich exemplarisch genannten Falle als Gesamtzahl dargestellt die auf mehrere tausend Mitglieder einiger Generationen bezogen werden mussten Weiter wurde behauptet alle diese schlechten Menschen seien bestraft oder aus dem Orden ausgestossen worden 17 Diese Darstellung erboste wiederum Jesuitenkritiker wie z B Karl Friedrich Strass 1803 1864 der sie als unglaubliche Frechheit und Beschonigung ganz in der jesuitischen Manier bezeichnete 18 Ein weiteres Argument der Jesuitenanhanger lautete die Behutsamkeit im Umgang mit der Sache lasse den Orden in ehrenvollem Lichte erscheinen da offentliches Argernis vermieden worden sei 19 Die Missbrauchsopfer seien als Verfuhrte auch Mitschuldige und durch die gerauschlose Erledigung sei der gute Ruf ihrer Familien geschont worden 19 Des Weiteren beriefen sie sich auf die Verschwiegenheit der Beichte Schliesslich wurde was Marell anbelangt sogar der Wahrheitsgehalt der Vorwurfe insgesamt in Frage gestellt da er mit knapp 50 Jahren zu alt fur die Taten gewesen sei 20 Der Meinung nur jungere Manner seien zu padophilen Taten fahig leistete allerdings auch der Jesuitenkritiker Lang Vorschub wenn er z B in seiner Geschichte der Jesuiten in Baiern schrieb die Lehrer der offentlichen Jesuitenschulen seien in den unteren Grammatikalklassen meist ganz junge Magister leider oft von unnaturlichen Lusten entflammt 21 Marell als Topos antijesuitischer Literatur Bearbeiten Nach der kurzen und heftigen Kontroverse der 1810er Jahre gelang es der wiedererstarkenden katholischen Kirche fur zwei Jahrzehnte den Fall weitgehend aus der offentlichen Wahrnehmung zu verdrangen Spater avancierte das ergotzliche Buchlein mit seinen entsetzlichen Thatsachen Blatter fur literarische Unterhaltung 22 das Lang in lateinischer Sprache veroffentlicht hatte zur gern zitierten jesuitenkritischen Chronique scandaleuse Eine Ubertragung ins Franzosische erschien 1837 wahrend der Kontroverse um den katholischen Einfluss auf das offentliche Schulwesen Als Motto war ihr der Refrain von Pierre Jean de Berangers Spottgedicht Les Reverends Peres vorangestellt 22 23 und im Vorwort versaumte der Herausgeber nicht Eltern davor zu warnen ihre Kinder in die Hande jesuitischer Erzieher zu geben 24 Eine erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1842 in Bern als Ubertragung aus dem Franzosischen durch den Jesuitenkritiker Franz Sebastian Ammann Weitere deutsche Ausgaben erschienen 1844 in Bautzen 25 1845 in Jena 1862 in Sondershausen 26 und 1890 in Leipzig 27 Literatur BearbeitenKarl Heinrich von Lang Reverendi in Christo patris Jacobi Marelli S J amores e scriniis provinciae Superioris Germaniae Monachii nuper apertis brevi libello expositi Munchen 1815 Latein Digitalisat abgerufen am 16 Dezember 2013 Weblinks BearbeitenStefan Zednik Pater Jakob Marell und die Knaben eine Missbrauchsgeschichte im 17 Jahrhundert mp3 Audio 18 MB 19 52 Minuten In Deutschlandfunk Sendung Aus Religion und Gesellschaft 15 Marz 2023 abgerufen am 15 Marz 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 13 f rds de Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 15 rds de Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 6 14 15 rds de rds de rds de a b Geschichte In Allgemeine Literatur Zeitung Jahrgang 1816 Erster Band Nr 4 Halle Leipzig 1816 ISBN 978 3 7954 2747 4 S 28 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Rezension von Langs Jacobi Marelli Amores Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 19 Latein rds de licere ista omnia modo absit consensus in voluptatem Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 19 rds de Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 6 Latein rds de et non rare cum paulo ante sacra fecisset vel post facturus esset ad aram Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 8 Latein rds de singulis septimanis aliquoties factum a longo jam tempore Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 10 Latein rds de secum abrepta transfugium ad haereticos moliatur quibus alias plus quam optemus familiaris est et ita fieret novissimus error peior prioribus Lang Jacobi Marelli amores Munchen 1815 S 12 ff rds de Markus Friedrich Der lange Arm Roms Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540 1773 Campus Frankfurt am Main 2011 ISBN 978 3 593 39390 2 S 277 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Joseph von Hormayr Taschenbuch fur die vaterlandische Geschichte Georg Franz Munchen 1834 ISBN 978 3 05 005228 1 S 219 f doi 10 1524 9783050052533 169 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Karl Goedeke Grundrisz zur Geschichte der Deutschen Dichtung aus den Quellen Akademie Berlin 1910 ISBN 978 3 05 005228 1 S 169 doi 10 1524 9783050052533 169 Francois Xavier Schneider Preface du Traducteur In Les amours du reverend pere Jacques Marell de la compagnie de Jesus extraits des documents trouves dans les archives de la sustide compagnie a Munich Delaunay Paris 22 Marz 1837 zitiert nach Gaston Dubois Desaulle Les infames Pretres et Moines non conformistes en Amour Editions de la Raison Paris 1902 Les Peres Jesuites S 175 franzosisch archive org abgerufen am 16 Dezember 2013 a b c Ernst Friedmann Die Jesuiten und ihr Benehmen gegen geistliche und weltliche Regenten Goschen Beyer Grimma 1825 S 318 ff eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Allgemeine Literatur Zeitung 1816 S 29 ecb thulb uni jena de ecb thulb uni jena de Memento des Originals vom 16 Dezember 2013 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot ecb thulb uni jena de Franz Karl Felder Hrsg Literatur Zeitung fur katholische Religions Lehrer Jahrgang VII Band I Nr 4 Landshut 1816 S 61 64 zitiert nach Felix Joseph Lipowsky Geschichte der Jesuiten in Baiern Band 2 Jakob Giel Munchen 1816 S 255 Fussnote eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Karl Friedrich Heinrich Strass Demagogie der Jesuiten Verlag der Hofdruckerei Altenburg 1826 S 5 52 eingeschrankte 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Marellus JacobusKURZBESCHREIBUNG deutscher Jesuit und KnabenschanderGEBURTSDATUM 1 April 1649GEBURTSORT InnsbruckSTERBEDATUM 1727 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jakob Marell amp oldid 231874206