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Intabulierung oder Intavolierung ist ein Ubertragungsverfahren von Musik fur Singstimmen Vokalmusik zur Instrumentalmusik in der Zeit zwischen 1400 und etwa 1630 zur Gewinnung musikalischer Stucke fur Orgel und fur Laute die von vielen Musikern besonders auch von Komponisten angewandt wurde 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtliche Ausgangssituation 2 Entstehung von Intabulierung 3 Orgel Intabulierung 4 Lauten Intabulierung 5 Literatur und Anschauungsmaterial 6 Weblinks 7 QuellenGeschichtliche Ausgangssituation BearbeitenDie europaische Musik des fruhen Mittelalters erklang vor allem durch Singstimmen und war zunachst einstimmig Gregorianischer Choral Ab dem 12 Jahrhundert setzte eine Entwicklung zur Mehrstimmigkeit ein Notre Dame Schule die im 13 Jahrhundert zur Motette fuhrte der ein Cantus firmus zugrunde lag Diese Mehrstimmigkeit wurde anfangs improvisiert zweistimmig in Quinten und Oktavparallelen spater Terzenparallelen anschliessend wurde die zweite Stimme unabhangiger eine dritte Stimme trat hinzu bis sich zur schriftlichen Fixierung die Mensural Notenschrift entwickelte Das Anliegen vokale Kompositionen instrumental auszufuhren hat vielschichtige Grunde Eine wesentliche Rolle spielte hierbei der Wunsch nach weiterer Verfugbarkeit der vorhandenen Musik Es kamen dafur nur solche Instrumente in Frage auf denen mehrstimmiges Spiel moglich war also Tasteninstrumente und Saiteninstrumente die gezupft wurden Nachdem in den Kirchen mehr und mehr Orgeln gebaut wurden eine eigenstandige Orgelmusik aber nicht vorhanden war war man darauf angewiesen Stucke durch Ubertragung von Vokalmusik zu gewinnen Auf diese Weise war fur die musikalische Begleitung des Gottesdienstes nicht mehr eine Gruppe von Sangern notwendig vielmehr kann diese vom Organisten allein ubernommen werden Auch im weltlichen Bereich war es interessant vorhandene mehrstimmige Musik auf Tasten oder Saiteninstrumenten insbesondere auf der Laute fur einen kleineren Kreis vorzutragen Entstehung von Intabulierung BearbeitenSicher wird fur das instrumentale Spiel von Vokalmusik zuerst die vorhandene notierte Fassung eines Stucks aus den Stimmbuchern verwendet worden sein was eine gute Kenntnis der Mensuralnotenschrift voraussetzte Zur Vereinfachung entwickelten sich daraus verschiedene Griffschriften Tabulaturen welche jeweils die Spielmoglichkeiten der Instrumente berucksichtigt haben Diese Tabulaturen erlaubten es dem Spieler den gesamten mehrstimmigen Satz mit einem Blick zu erfassen Hinzu kam die Moglichkeit einer weiteren Ausgestaltung des Vorhandenen durch Verzierung oder Umspielung von Stimmen in lebhafterer Bewegung also einer Bearbeitung Die Aufzeichnungen solcher Bearbeitungen stellen die ersten Zeugnisse von Instrumentalmusik dar Die dabei verwendete Notenschrift richtete sich nach dem vorgesehenen Instrument Orgel Tabulaturen und Lauten Tabulaturen sie unterscheidet sich grundsatzlich von der Mensural Notenschrift und anderen Formen die fur Singstimmen verwendet wurden Der Begriff der Intabulierung wird dabei sowohl fur den Bearbeitungsprozess wie fur die Aufzeichnungsweise verwendet weil beide eng miteinander verknupft sind Orgel Intabulierung BearbeitenDie fruheste Form der Intabulierung geht von einer einstimmigen Vorlage aus und bot zweierlei Moglichkeiten In der ersten Moglichkeit werden die einzelnen Noten der gegebenen Stimme durch mehrere Noten von kurzerer Dauer ersetzt Umspielung interne oder lineare Ausgestaltung Bei der zweiten Moglichkeit dient die vorgegebene Stimme als Grundlage zu der eine zusatzliche Stimme in lebhafterer Bewegung hinzugefugt wurde so dass das Ergebnis der Intabulierung ein zweistimmiger Satz war Bicinium externe oder vertikale Ausgestaltung Als gutes Beispiel fur die zweite Art der Intabulierung gilt der Codex Faenza aus Italien kurz nach 1400 in dem die gegebenen gregorianischen Melodien in gleichmassigen langeren Werten notiert sind und jeweils von einer neu erfundenen Oberstimme in weitaus schnelleren Figuren begleitet werden Die gleichen Satzmerkmale werden in den wenigen deutschen Quellen aus derselben Zeit sichtbar und lassen somit den italienischen Ursprung der fruhen deutschen Orgelmusik erkennen In einer deutschen Tabulatur aus dem Jahr 1448 findet sich die charakteristische Mischung aus Mensuralnotation mit hinzugefugten Buchstabenzeichen Nachfolgend erlebte die Orgelmusik und damit die Kunst der Intabulierung eine erste Blutezeit Dies ergibt sich aus der wachsenden Zahl schriftlicher Zeugnisse und aus der steigenden Stimmenzahl der Musikstucke die bis zur Vierstimmigkeit ging Arnolt Schlick Daneben haben herausragende Komponisten aus der zweiten Halfte des 15 Jahrhunderts wie Conrad Paumann und aus dem ersten Viertel des 16 Jahrhunderts wie Johannes Buchner nicht nur freie Kompositionen und aus Intabulierungen hervorgegangene Kompositionen geschaffen sondern auch sogenannte Fundamentbucher fundamenta organisandi veroffentlicht Diese stellen eine Anleitung fur Orgelschuler dar in welcher spieltechnische Grundlagen vermittelt und Hinweise fur das Intabulieren und Improvisieren gegeben werden Fur den letztgenannten Zweck ist eine Sammlung von Mustern enthalten in welchen Losungen fur verschiedene Intabulierungsprobleme dargestellt sind z B Tonleiter Ausschnitte oder Schlusswendungen Als umfangreichste und wichtigste Sammlung von Handschriften mit Orgelmusik des 15 Jahrhunderts gilt das Buxheimer Orgelbuch das um 1470 entstanden ist im Kartauserkloster Buxheim bei Memmingen aufbewahrt wurde und sich seit 1883 in der Bayerischen Staatsbibliothek in Munchen befindet Es wurde im Umkreis von Conrad Paumann geschrieben und enthalt von ihm zwei der erwahnten fundamenta mit 258 meist dreistimmigen Satzen Der grosste Teil davon sind Intabulierungen deutscher Liedsatze daneben sind Stucke italienisch niederlandischer und franzosischer Herkunft enthalten Hinzu kommen 27 freie Orgelstucke welche meist Praambulum heissen Die Notierung erfolgte nach der sogenannten deutschen Orgeltabulatur die Oberstimme befindet sich auf sieben Linien in Mensuralnotation wahrend die beiden Unterstimmen wie fruher als Tenor und Contratenor bezeichnet in zwei darunter liegenden Zeilen mittels Buchstaben notiert sind die rhythmische Markierung erfolgte durch Punkte und Striche Durch diese Schreibweise wird der Vorrang der kolorierten Oberstimme gegenuber den Unterstimmen eindeutig hervorgehoben Insgesamt gesehen stellt eine solche Intabulierung in der Musikgeschichte die fruheste Form einer Bearbeitung dar Eine besondere Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang auch die beiden Versettensammlungen von Antonio de Cabezon Solche Versetten wurden fur das abwechselnde Musizieren der Orgel mit einem Chor verwendet In seiner Sammlung Fabordon y glosas werden einfache vierstimmige Versetten jeweils mit solchen zusammengestellt in denen je eine Stimme verziert ist In der Sammlung Salmodia para principiantes wird die Kunst vorgefuhrt einen Cantus firmus in allen Stimmen eines vierstimmigen Satzes durchzufuhren Beide Sammlungen konnen als hochst geistreiche didaktische Musik angesehen werden in der kunstvolle Intabulierung und Lehrwerk ineinander ubergehen Mit Beginn des 17 Jahrhunderts endet die Kunst der Intabulierung fur die Orgelmusik nachdem mit der musikalischen Praxis des Generalbasses ein grundlegender Wandel in der Funktion der einzelnen Stimmen bei der mehrstimmigen Musik eingetreten war Ab dieser Zeit wurde der Begriff in abgewandeltem Sinne verwendet so heisst beispielsweise bei Girolamo Frescobaldi die Zusammenziehung samtlicher Stimmen einer Komposition auf zwei Liniensysteme Intavolatura Lauten Intabulierung Bearbeiten nbsp Lautentabulatur von Hans NewsidlerErst relativ spat entstand in Abgrenzung zur Intabulierung fur die Orgel eine solche fur die Laute So unterscheidet Hans Newsidler bedeutender deutscher Lautenist des 16 Jahrhunderts den kolorierten Orgelstil von dem neuen Lautenstil mit Leufflein Die Verzierung und Kolorierung von Melodien erfolgten fur die Laute wesentlich sparsamer oder man beschrankte sich ganzlich auf die originalgetreue Wiedergabe einer vokalen Vorlage Eine der fruheren Aufzeichnungsweisen war die deutsche Lautentabulatur eine recht komplizierte Mischschrift aus Buchstaben Zahlen und anderen Zeichen letztere insbesondere fur den Rhythmus Beispiel die Intabulierung des Vokalsatzes Si dormiero von Heinrich Finck Eine fruhe Underweisung wie eine solche Intabulierung durchgefuhrt wird findet sich 1523 bei Hans Judenkonig 3 Die franzosische Lautentabulatur die auch in England den Niederlanden und in Polen verwendet wurde war dagegen wesentlich anschaulicher und setzte sich deshalb ab 1620 auch in Deutschland durch Die waagrechten Linien stellen die Chore Saiten des Instruments dar auf denen die Bundfortschreitungen durch Buchstaben notiert waren Zur Darstellung des Rhythmus wurden die Striche und Fahnchen der Mensuralnotation verwendet die innerhalb eines Stucks jeweils so lange gultig waren bis das nachste Zeichen erschien Nahe verwandt hierzu ist die italienische Lautentabulatur in der statt Buchstaben Zahlen verwendet wurden und die Reihenfolge der Chore genau umgekehrt dargestellt ist Auf die reichliche Verwendung von Koloraturen und Verzierungen bei der Lautenmusik hat man vermutlich deswegen verzichtet weil diese Instrumente viel besser fur das Ensemblespiel geeignet waren als beispielsweise die Orgel Allzu viele Verzierungen wurden hier nur storen Tabulaturen fur mehrere Lauten sind bei Francesco Spinacino ab 1507 uberliefert auch das Zusammenspiel mit anderen Melodieinstrumenten gewann an Interesse Von herausragender Bedeutung wurde jedoch die Lautenbegleitung von einem oder mehreren Sangern Das Prinzip der Lautentabulatur war noch im 18 Jahrhundert gebrauchlich In abgewandelter Form hat sie sich bis heute in der modernen Schreibweise fur Gitarren erhalten Die Akkordbuchstaben uber einer Melodie konnen als direkte Griffschrift anstelle einer indirekten Klangschrift mittels Noten angesehen werden Literatur und Anschauungsmaterial BearbeitenIntabulierungen fur Orgel Buxheimer Orgelbuch Faksimile Ausgabe Documenta musicologica Reihe II Band 1 Kassel und andere 1955 Neuausgabe Das Erbe deutscher Musik Band 37 39 Kassel und andere 1958 59 Codex Faenza Neuausgabe von Dragan Plamenac Keyboard Music of the Fourteenth Century in Codex Faenza 117 in Journal of the American Musicological Society IV 1951 Lochamer Liederbuch und das Fundamentum organisandi von Conrad Paumann Faksimile Ausgabe Documenta Musicologica Reihe II Band 3 herausgegeben von Konrad Ameln Kassel und andere 1972 Samuel Scheidt Tabulatura nova Teil I II herausgegeben von Christhard Mahrenholz Werke Band IV Hamburg 1953 Intabulierungen fur Laute John Dowland The First Booke of Songes or Ayres of foure Partes with Tableture for the Lute London 1597 Faksimile Ausgabe von Diana Poulton London 1978 Fassung fur Solostimme und Laute Tabulatur und Ubertragung in The English Lute Songs edited by Edmund H Fellowes revised by Thurston Dart Series I Volume 1 2 5 6 10 11 Stainer amp Bells London 1965 1969 77 und 1970 Simone Molinaro Intavolatura di Liuto Libro I trascriptione in notazione moderna ed interpretato da Giuseppe Gullino Florenz 1940 Osterreichische Lautenmusik im XVI Jahrhundert Hans Judenkung Hans Newsidler Simon Gintzler Valentin Greff Bakfark und Unika der Wiener Hofbibliothek bearbeitet von Adolf Koczirz Wien 1911 Denkmaler der Tonkunst in Osterreich Band 37 Tabulaturbuch uff die lutten Rudolf Wyssenbach Zurich 1550 Rudolf Wyssenbach Ein schon Tabulaturbuch Zurich 1563 Weblinks BearbeitenWerke uber Intabulierung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Aufsatz von Johannes Ring Die Kunst des Intavolierens Gebundenheit und FreiheitQuellen Bearbeiten Marc Honegger Gunther Massenkeil Hrsg Das grosse Lexikon der Musik Band 4 Halbe Note Kostelanetz Herder Freiburg im Breisgau u a 1981 ISBN 3 451 18054 5 Silke Leopold Herausgeber Musikalische Metamorphosen Formen und Geschichte der Bearbeitung Barenreiter Verlag Kassel und Basel 1992 ISBN 3 7618 1051 2 hier Chansons fur Orgel Motetten auf der Laute Intabulierung als Bearbeitung Beitrag von Reinhard Schafertons Hans Judenkonig Ain schone kunstliche Underweisung in disem Buechlein leychtlich zu begreyffen den rechten Grund zu lernen auff der Lautten und Geygen Wien 1523 Teil IINormdaten Sachbegriff GND 4221316 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Intabulierung amp oldid 236087769