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Der Hutanger ist ein fur das Nurnberger Land und die angrenzenden Gebiete typischer Begriff fur altes Weideland das von den Rindern einer Dorfgemeinschaft beweidet wurde und fruher zu den Allmenden gehorte Ein Dorfhirte wurde eigens von der Gemeinde zum Huten und Versorgen der Tiere angestellt Als Hutanger wird somit eine traditionelle bayerische Landnutzungsform bezeichnet die heute ein historisches und landschaftsbildpragendes Kulturlandschaftselement darstellt 1 2 Typischer Hutanger im Nurnberger Land Altensittenbach Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Charakteristik 2 1 Allgemeines 2 2 Typen 2 2 1 Unregelmassiger Alteichen Hutanger 2 2 2 Regelmassiger Eichen Hutanger 2 2 3 Fichten Hutanger 2 2 4 Gemischter Hutanger 2 2 5 Obstanger 2 2 6 Tratte 2 3 Landschaftliche Ausstattungsmerkmale 2 4 Flora und Fauna 3 Verbreitung 4 Geschichte 5 Heutige Situation 5 1 Hersbrucker Alb 5 2 Landkreis Neustadt a d Aisch Bad Windsheim 5 3 Gefahrdungen 6 Sonstiges 7 Bilder 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseBegriff BearbeitenDer Begriff Hutanger setzt sich aus dem Wort Hut und dem Terminus Anger zusammen Hut kommt von huten behuten Tiere huten wie auch in Hute Hude Hutung Hutewald Hutweide Anger althochdeutsch angar westgermanisch angraz bedeutet wildes ungepflugtes GraslandIm Bereich der Windsheimer Bucht und am Rande des sudlichen Steigerwalds wird der Begriff Hut Wasen verwendet Hutung Hute Hude und Gemein werden als synonyme Begriffe gebraucht Daneben ist der Terminus Espan im suddeutschen Raum fur dorfnahe Weideflachen ublich die ohne Hirten mit Vieh beweidet wurden Alte Flurnamen zeugen von dieser historischen Landnutzungsform 2 Charakteristik BearbeitenAllgemeines Bearbeiten nbsp Alteichen Hutanger bei Penzenhofen im Nurnberger LandHeute sind die Flachen meist an alten parkartig verteilten Baumen zu erkennen Sie zahlen zu den kulturlandschaftlichen Hohepunkten Bayerns und sind Zeugen der einstigen frankischen Hirtenkultur Die Hutangerflachen wurden vor allem mit Rindern beweidet aber auch Schafe Ziegen Pferde Schweine und Ganse wurden auf den Weideflachen gehalten Das Grunland war zumeist mit Eichen bestanden seltener mit Obstbaumen Buchen Linden Fichten oder Kiefern 2 Typen Bearbeiten Die Hutanger konnen in verschiedene Typen untergliedert werden Die Differenzierung ergibt sich aus dem unterschiedlichen Charakter der Angerflachen aufgrund ihrer kleinregionalen Bindung 2 Unregelmassiger Alteichen Hutanger Bearbeiten nbsp Unregelmassiger Alteichen Hutanger bei KronhofDieser Angertypus umfasst unregelmassig mit Alteichen uberschirmte Hutanger welche uberwiegend in Kombination mit anderen Geholzen wie Weidbuchen Weide Hainbuchen Feldulmen Birken Fichten und Obstbaumen durchsetzt sind Sie entstanden meist aus dorfnahen und offenen Weideflachen oder seltener aus der historischen Nutzung des Waldes 2 Regelmassiger Eichen Hutanger Bearbeiten Dieser Hutangertypus zeichnet sich durch seine planmassige Anlage der Geholze aus Im 19 Jahrhundert wurden die Baume mit regelmassiger Struktur zur Erzielung einer optimalen Eichelmast gepflanzt Die Baumpflanzung erfolgte in regelmassigen Abstanden wobei das Pflanzgut gleichaltrig war Dieser Angertypus weist eine enge Verwandtschaft zu Streuobstwiesen auf Die gezielte und planmassige Pflanzung von Einzelbaumen ist ab der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts hinreichend belegt 2 Fichten Hutanger Bearbeiten nbsp Fichten Hutanger in Heuchling Heuchlinger Anger Auf den Hochflachenspornen der sudlichen Frankenalb wurden bereits vor Jahrhunderten freistehende und tiefbeastete Schirmfichten angepflanzt diese bilden den Typus des Fichten Hutangers 2 Beispiel Heuchlinger Anger Landkreis Nurnberger Land Gemischter Hutanger Bearbeiten nbsp 2018 Hinterhaslacher Hutanger 03Gemischte Hutbaumensembles entstanden auf den Jura Schafheiden und bestanden aus Weidbuchenbestanden welche Beimischungen von Birken Kiefern Fichten Vogelbeeren Hainbuchen Linden und Eschen aufweisen 2 Beispiele Klingenhofer Hutanger Gemischter Hutanger auf einer Jurahochflache zwischen Weissenbrunn und Offenhausen in der Gemarkung Puscheldorf geschutzter Landschaftsbestandteil im Landkreis Nurnberger Land 3 Hinterhaslacher Hutanger geschutzter Landschaftsbestandteil im Landkreis Nurnberger Land 4 Obstanger Bearbeiten Bei diesem Angertypus handelt es sich um Obstbaumbestande die auf Hutangern meist in Hanglagen angelegt wurden 5 Bereits im 16 Jahrhundert existierten Obstbaume auf Baumweiden welche bis in das 18 Jahrhundert aus wildem Obst bestanden Ab dem 19 Jahrhundert fand eine gezielte Anpflanzung von kultivierten Obstbaumen statt Die Anpflanzung von Obstbaumen wurde meist von der Dorfobrigkeit angeregt Auch die Nutzung des Obstes erfolgte gemeinschaftlich Allmende Die Verteilung des Obstes erfolgte nach unterschiedlichen Regularien Entweder wurde das Obst an die Rechtler der Dorfgemeinschaft verteilt die Baume zur Ernte freigegeben versteigert oder verpachtet Im Einzelfall durften selbst angepflanzte Baume lebenslang genutzt werden und gingen nach dem Ableben des Anpflanzenden in das Allgemeingut uber 6 7 Beispiel Hersbrucker AlbTratte Bearbeiten Tratten sind lichte hainartige Laubbaumbestande mit Berg Ahorn Acer pseudoplatanus als dominierender Baumart sowie Buche Ulme Esche und Linde als Nebenbaumart auf zumeist magerem Grunlandunterwuchs Eine Strauchschicht fehlt oder ist nur sparlich ausgebildet Diese Weideflachen befanden sich im unmittelbaren oder naheren Siedlungsbereich und umfassten meist weniger als ein Hektar Grosse Die Freiflachen garantierten eine offentliche Wegeverbindung zwischen den Weilern und Hofen Sie waren fruher in landesherrlichem Besitz Die Beweidung der Trattenflachen erfolgte vor und nach dem Almabtrieb im Fruhjahr und Herbst Die Bauern besassen zudem die Nutzungsrechte zum so genannten Schwenden Unter dem Begriff wird die Beseitigung des Jungwuchses unter den lichten Baumbestanden verstanden Somit wurden die Weideflachen offen gehalten Haufig wurden die Weideflachen einmal im Jahr im Spatsommer vor dem Laubfall gemaht Somit wurde die herbstliche Laubstreugewinnung das so genannte Laabrecheln erleichtert Berg Ahorn weist ein leicht zersetzbares Laub auf welches dadurch fur die Laubstreunutzung besonders gut geeignet ist Die dicken Stamme des Berg Ahorns wurden zudem fur das heimische Holzhandwerk benotigt Der Wechsel der Nutzungsarten Laubstreugewinnung Mahd Weide und Holzgewinnung auf den Trattenflachen stellt eine regionaltypische Anpassung an die spezifischen Standortbedingungen des Berchtesgadener Landes dar Aufgrund der wenigen Ackerflachen musste der Mangel an Stroh kompensiert werden Auch gab es kaum Streuwiesen mit nutzbares Feuchtgrunland Die charakteristische Dreifachnutzung der baumbestandenen Freiflachen uberdauerte Jahrhunderte und wird lokal im Berchtesgadener Raum noch heute als Anpassung an das alpine Gelande und das raue Klima betrieben 8 9 2 Beispiel Scheffauer Tratte Tratten als typisches Element der bauerlichen Kulturlandschaft sind auf den Berchtesgadener Raum Berchtesgaden Bischofswiesen Ramsau bei Berchtesgaden und Schonau am Konigssee beschrankt 10 Landschaftliche Ausstattungsmerkmale Bearbeiten Hutanger konnen unterschiedliche landschaftliche Ausstattungsmerkmale aufweisen Triftweg Viehtriebweg Viehtranken und Viehrastplatze mit Schatten spendenden Geholzbestanden Spurenfacher Lesesteinwalle Steinriegel als Begrenzung zu Nachbarallmenden und gemarkungen Feldgeholzhecken Heckenzuge und Graben oder Landwehre 2 Flora und Fauna Bearbeiten Die Hutanger beherbergen wertvolle Lebensraume fur viele seltene Tier und Pflanzenarten Die hochste Biodiversitat weisen diejenigen Hutanger auf welche ein vielfaltiges Mosaik an sonnexponierten Offenlandflachen und beschatteten Standorten bieten Totholzbewohnende Kafer Xylobionte wie Eremit Osmoderma eremita Hirschkafer Lucanus cervus und Heldbock Cerambyx cerdo besiedeln Hohlen in den Laubbaumen der Hutanger und verwenden diese als Brutbaume 11 12 13 Der Distelfalter Vanessa cardui findet auf dem mageren Grunland Trockenrasen dieser halboffenen Kulturlandschaft geeignete Lebensbedingungen Auch der Mittelspecht Dendrocopos medius nutzt die alten Biotopbaume als Lebensraum Alteichen mit rauer Borke hohem Anteil an Kronentotholz und Faulstellen bieten geeignete Habitate fur die gefahrdete Spechtart Der Wendehals Jynx torquilla brutet in den Spechthohlen und besetzt diese okologische Nische 13 Verbreitung BearbeitenIn ganz Bayern waren Hutanger seit dem Mittelalter verbreitet Im Landkreis Nurnberger Land liegt der Schwerpunkt der erhaltenen Flachen 2 Der Kernraum des Verbreitungsgebiets ist die Hersbrucker Alb Dieser Bestand an Hutangern ist deutschlandweit einzigartig Im westlichen Mittelfranken sind ebenfalls nennenswerte Bestande dieses historischen Kulturlandschaftselements zu finden drei Kulturlandschaftsraume weisen noch Hutanger auf Sudlicher Steigerwald mit Vorland Frankenhohe und Windsheimer Bucht 2 Geschichte BearbeitenSeit dem Hochmittelalter bis in das 19 Jahrhundert wurden die landwirtschaftlichen Nutzflachen in Flur und Allmendbereiche unterschieden Die Flur stellt eine parzellierte landwirtschaftliche Nutzflache zumeist im Privatbesitz dar Hingegen umfasst die Allmende gemeinschaftlich genutzte Wirtschaftsflachen welche beweidet wurden oder der Streunutzung dienten Die Nutzung der Allmenden erfolgte durch Berechtigte und nicht durch eine besitzmassige Zuordnung Als Allmenden wurden neben den klassischen Dorfangern sowie Gemeindeangern in der Flussaue auch Hutanger genutzt welche in der Flur verteilt waren 2 Im Zuge der Dreizelgenwirtschaft Dreifelderwirtschaft waren Nutztiere des Dorfes wie beispielsweise Rinder Schweine Ganse und Schafe durch Hutzwang nur auf gemeinschaftlich organisierten Hut Viehweiden des Dorfes zu fuhren Die Nutztiere mussten zumindest wahrend der Kernzeiten der Vegetationsperiode gemeindlich bestellten Hirten ubergeben werden und durften nicht individuell von jedem Viehhalter fur sich geweidet werden Das Schwerpunktgebiet der ungeregelten Hut Viehweiden waren Anger aus Grunland welche meist dorfnahes und besseres Weideland umfasste Mit der Einfuhrung der verbesserten Dreizelgenwirtschaft durch Abschaffung des Hutzwangs im Zeitraum von etwa 1770 bis 1850 veranderte sich das Bild der mitteleuropaischen Kulturlandschaften grundlegend 14 Als Folge dessen sind in Mitteleuropa die meisten Hutanger im 18 und 19 Jahrhundert verloren gegangen obwohl diese Landnutzungsform teilweise uber Jahrhunderte lang ausgeubt wurde 1 Heutige Situation BearbeitenHersbrucker Alb Bearbeiten Auf der Hersbrucker Alb gibt es noch etwa 120 Hutanger mit einer Gesamtflache von rund 500 Hektar Knapp ein Viertel nehmen Eichenanger ein ungefahr 60 Hektar stellen Obstanger dar 2 Landkreis Neustadt a d Aisch Bad Windsheim Bearbeiten Die Mehrzahl der Hutanger im Landkreis Neustadt a d Aisch Bad Windsheim stellen Hutungen dar welche zur Eichelmast in der Mitte des 19 Jahrhunderts angelegt worden sind Die Durchschnittsgrosse betragt rund 3 Hektar und mit wenigen Ausnahmen ist die Ausdehnung unter 10 Hektar Zwei grossere Standorte sind aus der mittelalterlichen Waldweide entstanden Der Weigenheimer Schimmel im Steigerwald nimmt mit uber 28 Hektar den Charakter von Hutelandschaften ein 2 Gefahrdungen Bearbeiten Die vielfach betriebene Aufteilung der Allemendeflachen war die Hauptursache fur das Verschwinden dieses Angertypus 5 Die unrentable Bewirtschaftung der Standorte hat im 20 Jahrhundert dazu gefuhrt dass viele Hutanger auch in Bayern aufgelassen wurden und zugewachsen sind sich als Hochwald entwickelt haben oder durch Aufforstungsmassnahmen zerstort wurden 15 Siedlungserweiterungen und Intensivierungen der Landwirtschaft haben die einst ausgedehnten Bestande dieses Kulturlandschaftstyps zersplittert und erheblich dezimiert 2 Sonstiges BearbeitenIn Hersbruck befindet sich das Deutsche Hirtenmuseum Bilder Bearbeiten nbsp Muhlschlag Anger bei Engelthal nbsp Klingenhofer Anger nbsp Eichenanger bei KronhofSiehe auch BearbeitenHutebaum Hutewald Anger Espan AllmendeLiteratur BearbeitenRainer G Scholler Michael Scholz Rainer Wolfel Hutanger Natur und Kulturerbe mit Zukunft Verlag Naturschutzzentrum Wengleinpark e V 2005 ISBN 978 3 00 017137 6 Bayerische Landesamt fur Umwelt Hrsg Historische Kulturlandschaftselemente in Bayern In Produktinformationen Heimatpflege in Bayern Heft 4 2013 ISBN 978 3 931754 54 9 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hutanger in Landkreis Nurnberger Land Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Hutangerprojekt Deutsches Hirtenmuseum in Hersbruck Karte der HutangerEinzelnachweise Bearbeiten a b Hutanger Landratsamt Nurnberger Land abgerufen am 18 Oktober 2017 a b c d e f g h i j k l m n o p Historische Kulturlandschaftselemente in Bayern In Bayerische Landesamt fur Umwelt Hrsg Heimatpflege in Bayern Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins fur Heimatpflege 1 Auflage Band 4 2013 ISBN 978 3 931754 54 9 S 98 f 148 f Verordnung uber den geschutzten Landschaftsbestandteil Klingenhofer Anger vom 10 11 1986 PDF Landratsamt Nurnberger Land 10 November 1986 abgerufen am 22 Oktober 2017 Amtsblatt fur den Landkreis Nurnberger Land PDF Landratsamt Nurnberger Land 6 Januar 2011 abgerufen am 22 Oktober 2017 a b Hutanger in der Hersbrucker Alb PDF Bayerisches Staatsministerium fur Umwelt Gesundheit und Verbraucherschutz 2006 abgerufen am 18 Oktober 2017 Projekt Hutangerprojekt Akademie fur Naturschutz und Landschaftspflege ANL abgerufen am 22 Oktober 2017 Die Streuobstwiese Die Obstanger Streuobstinitiative Hersbrucker Alb e V abgerufen am 22 Oktober 2017 Christoph Merker Hochgefuhl im Berchtesgadener Land Von Bergen Kuhen und Menschen Gmeiner Verlag Messkirch 2013 ISBN 978 3 8392 1472 5 S 192 Entwurf einer kulturlandschaftlichen Gliederung Bayerns als Beitrag zur Biodiversitat 61 Berchtesgadener Land PDF Bayerisches Landesamt fur Umwelt LfU 2011 abgerufen am 22 Oktober 2017 UNESCO Biospharenreservate Nationale Landschaften PDF EUROPARC Deutschland e V 2007 abgerufen am 24 Oktober 2017 Klaus Brunner und Klaus von Dunk Weitere frankische Nachweise des Eremit Osmoderma eremita Col sowie Anmerkungen zur Fortpflanzungsdynamik im Hinblick auf den Habitatschutz In Kreis Nurnberger Entomologen Hrsg Galathea Berichte des Kreises Nurnberger Entomologen e V Band 19 2003 zobodat at PDF abgerufen am 15 Oktober 2017 Hutanger Weideflachen werden aufgeraumt Verlag Nurnberger Presse nordbayern de 10 Dezember 2013 abgerufen am 15 Oktober 2017 a b Der Eichenanger Naturschutzzentrum Wengleinpark e V abgerufen am 15 Oktober 2017 Beitrag zur Geschichte des Grunlands Mitteleuropas Naturschutz und Landschaftsplanung Mai 2010 abgerufen am 23 Oktober 2017 Natur Vielfalt Mittelfranken PDF Regierung von Mittelfranken Dezember 2008 abgerufen am 17 Oktober 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hutanger amp oldid 230936723