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Homo steinheimensis Urmensch von Steinheim ist die Bezeichnung fur einen fossilen Schadel der am 24 Juli 1933 in Steinheim an der Murr in der Mitte einer 15 Meter hohen Kieswand der Sigristschen Kiesgrube von Karl Sigrist beim Kiesabbau gefunden wurde 1 Der Schadel gehorte vermutlich einer circa 25 Jahre alten Frau die in der Holstein Warmzeit lebte 2 also vor mehr als 300 000 Jahren Homo steinheimensis Original Staatliches Museum fur Naturkunde StuttgartGedenkstein am FundortGedenksaule in der Nahe des FundortesDer Originalfund liegt heute im Museum am Lowentor in Stuttgart in einem Stahlschrank Eine Nachbildung wird im Urmensch Museum in Steinheim ausgestellt Inhaltsverzeichnis 1 Taxonomische Einordnung 2 Fund 3 Auswertung des Fundes 4 Altester Nachweis eines Hirntumors 5 Leben und Umwelt 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 BelegeTaxonomische Einordnung BearbeitenDer Urmensch von Steinheim ist ein Einzelfund Die Bezeichnung Homo steinheimensis wurde erstmals 1936 von Fritz Berckhemer verwendet 3 und ist als blosser Verweis auf den Fundort des Fossils zu verstehen kennzeichnet jedoch keine Art ist also kein Taxon Der Schadel zeigt sowohl Merkmale des Homo heidelbergensis als auch des Neandertalers Er wird daher von den meisten Palaoanthropologen zu Homo heidelbergensis gestellt und ist vermutlich eine Ubergangsform von Homo heidelbergensis zum Neandertaler 4 5 wofur gelegentlich auch die Bezeichnung Pra Neandertaler benutzt wird Fur diese taxonomische Einordnung spricht unter anderem dass das Innenohr des Fossils ein Merkmal aufweist das Neandertaler und Homo sapiens besonders trennscharf unterscheidet Die Lage der Bogengange des Innenohrs im Felsenbein der Schadelbasis gleicht der Lage beim Neandertaler wahrend die Bogengange des alteren Homo erectus denen des Homo sapiens naher stehen 6 Bis in die spaten 1980er Jahre wurde das Fossil gelegentlich auch als Homo sapiens steinheimensis bezeichnet da man seinerzeit auch den als Homo sapiens neanderthalensis bezeichneten Neandertaler als Unterart neben den anatomisch modernen Menschen Homo sapiens sapiens stellte Heute hingegen gehen die Palaoanthropologen davon aus dass Neandertaler und Mensch sich unabhangig voneinander aus einem gemeinsamen Vorfahren d h nicht sapiens Vorfahren meist wird fur diesen Homo erectus angenommen entwickelten und daher als zwei eigenstandige Arten anzusehen sind Homo neanderthalensis und Homo sapiens Ahnlichkeiten zwischen diesen beiden Arten werden auf Parallelentwicklung Konvergenz und bei spaten Neandertalern auf gelegentlichen Genfluss vom anatomisch modernen Menschen zum Neandertaler zuruckgefuhrt Fund BearbeitenBereits vor diesem Fund wurden in der Kiesgrube viele archaologische Objekte wie beispielsweise Knochen von Elefanten Riesenhirschen Nashornern und Wildpferden aus dem Pleistozan gefunden und von wissenschaftlicher Seite ausgewertet Daher waren die Mitarbeiter im Steinbruch bereits sensibilisiert auf mogliche Knochenfunde eines Vertreters der Gattung Homo Als nun in der Abraumwand ein knochenheller Fleck von Sigrist gesichtet wurde schickte man gleich nach einem Palaontologen vom Stuttgarter Naturalienkabinett heute Staatliches Museum fur Naturkunde Stuttgart Fritz Berckhemer reiste noch am gleichen Tag an und begutachtete den noch in der Wand verborgenen Fund Am nachsten Tag begann Berckhemer zusammen mit dem Praparator Max Bock die vorsichtige Freilegung Gleich war klar auf Grund der Form und Masse des Schadels dass es sich nicht um einen Affen handelte wie zunachst vermutet wurde sondern um den Jahrhundertfund eines menschlichen Schadels aus dem Pleistozan Der Schadel wurde grob gesaubert gehartet und eingegipst und so wohlbehalten in die Wurttembergische Naturaliensammlung das heutige Staatliche Museum fur Naturkunde gebracht Auswertung des Fundes BearbeitenAus dem relativ dunnwandigen und insgesamt grazil wirkenden Schadel der ein Hirnvolumen von circa 1 100 cm aufweist wurde auf das Geschlecht einer Frau geschlossen Die Abnutzung und der Durchbruch des Gebisses liessen auf ein Lebensalter von etwa 25 Jahren schliessen Die als grosse Verletzung auf der linken Stirnseite gedeutete Lasion fuhrte zu der Vermutung dass die Frau mit einer stumpfen Waffe getotet worden war Der Kopf wurde entsprechend dieser Annahme anschliessend vom Rumpf getrennt und das Hinterhauptloch stark erweitert was dem Zweck gedient haben soll an das Hirn der Frau zu gelangen wie vermutet wurde um es in einer Kulthandlung zu verspeisen vgl Kannibalismus in der Vor und Fruhgeschichte Eine Untersuchung mit mikroskopischen Methoden kam hingegen zu dem Schluss dass es sich nicht um menschliche Einwirkungen gehandelt haben konne 7 8 TodesursacheDie genaue Todesursache ist unklar und drei Moglichkeiten wurden bisher angenommen Die erste Interpretation 1933 der Schadelfraktur fuhrte zur Annahme eines gewaltsamen Todes Auch Beschadigung durch Umlagerung und Transport im Sediment konnte die Lasion erklaren 1996 Der 2003 festgestellte Hirntumor scheidet als Todesursache eher aus Altester Nachweis eines Hirntumors BearbeitenEine Arbeitsgruppe der Eberhard Karls Universitat Tubingen veroffentlichte nach einer Neuuntersuchung des Schadels im Jahr 2003 eine Arbeit aus der hervorgeht dass die Besitzerin des Schadels an einem Meningeom einem Tumor der Spinnengewebshaut Arachnoidea litt 9 Der langsamwachsende Tumor hatte die Grosse von 51 mm 43 mm 25 mm und ein Volumen von 29 ml Er verursachte moglicherweise Kopfschmerzen Neurologische Ausfallerscheinungen wie hemi oder paraparetische als Mantelkantensyndrom Lahmungen sind denkbar Aufgrund des allgemein verdrangenden und langsamen Wachstums von Meningeomen ist es auch moglich dass die Frau gar keine neurologischen Ausfalle hatte Ob der Tumor bei dieser Grosse und dem kleineren Schadelvolumen des Steinheim Menschen letztlich auch als Todesursache gelten muss ist nicht klar rekonstruierbar 9 Da Meningeome sehr selten sind altersabhangig zwei bis neun Erkrankungen auf 100 000 heutige Menschen ist diese Entdeckung an einem fossilen Schadel bei einer kleinen Population 10 000 werden angenommen eine Besonderheit Es handelt sich um den fruhesten Nachweis eines Meningeoms und auch um den ersten Nachweis bei Vertretern der stammesgeschichtlich alteren Arten der Gattung Homo 9 Leben und Umwelt BearbeitenBei den Funden in Steinheim wurden keine weiteren Artefakte der Menschen gefunden keine weiteren Knochen und auch keine Werkzeuge wie z B Steinwerkzeuge Knochengerate oder Ahnliches Dennoch kann davon ausgegangen werden dass auch die Frau aus Steinheim solche Werkzeuge herstellen und damit arbeiten konnte Beleg dafur ist z B ein Fund etwa gleichen Alters von Swanscombe dem swanscombe man bei dem man einige Faustkeile aus der Kultur der Acheuleen gefunden hat Siehe auch BearbeitenEhringsdorfer Urmensch Liste homininer Fossilien Urmensch MuseumLiteratur BearbeitenFritz Berckhemer Ein Menschen Schadel aus den diluvialen Schottern von Steinheim a d Murr In Anthropologischer Anzeiger Band 10 1933 S 318 321 Erstbeschreibung des Fundes Karl Dietrich Adam Der Mensch der Vorzeit Fuhrer durch das Urmensch Museum Steinheim an der Murr ISBN 3 8062 0404 7 Karl Dietrich Adam Der Urmensch von Steinheim an der Murr und seine Umwelt Ein Lebensbild aus der Zeit vor einer viertel Million Jahren In Jahrbuch des Romisch Germanischen Zentralmuseums Band 35 1988 S 3 23 Karl Dietrich Adam Homo steinheimensis Der Fund des Urmenschen von Steinheim an der Murr vor 75 Jahren Ein Markstein in der Geschichte der Menschheit Verlag Bernhard A Greiner 2009 ISBN 978 3 86705 053 1 Raimund Waibel Urmensch Museum Steinheim an der Murr Sonderdruck Schwabische Heimat 1994 2 Homo steinheimensis Zur 60 Wiederkehr des Fundtages und zum 25jahrigen Bestehen des Urmensch Museums in Steinheim an der Murr In Beitrage zur Heimatkunde 43 Steinheim an der Murr 1993 Reinhard Ziegler 75 Jahre Homo steinheimensis In Geschichtsblatter aus dem Bottwartal Bd 11 Grossbottwar 2008 Hrsg Historischer Verein Bottwartal e V Reinhard Ziegler 75 jahriges Jubilaum des Homo steinheimensis Zur Forschungsgeschichte des Urmenschen Schadels im Staatlichen Museum fur Naturkunde in Stuttgart In Denkmalpflege in Baden Wurttemberg 37 Jg 2008 Nr 3 S 171 f Volltext PDF Hermann Prossinger et al Electronic Removal of Encrustations Inside the Steinheim Cranium Reveals Paranasal Sinus Features and Deformations and Provides a Revised Endocranial Volume Estimate In The Anatomical Record Part B New Anat Band 273B Nr 1 2003 S 132 142 doi 10 1002 ar b 10022 Volltext PDF 651 kB Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Homo steinheimensis Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Homo steinheimensis Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenBelege Bearbeiten Karl Dietrich Adam Der Urmensch von Steinheim an der Murr und seine Umwelt Ein Lebensbild aus der Zeit vor einer viertel Million Jahren Seite 4 ff Steinheimer Urmensch Memento vom 27 Juni 2018 im Internet Archive Im Original publiziert vom Foerderverein Urmenschmuseum Fritz Berckhemer Der Urmenschenschadel aus den zwischeneiszeitlichen Fluss Schottern von Steinheim an der Murr In Forschungen und Fortschritte Nachrichtenblatt der Deutschen Wissenschaft und Technik Jahrgang 12 Nr 28 Berlin 1936 S 349 350 Jean Jacques Hublin Die Sonderevolution der Neandertaler Spektrum der Wissenschaft Juli 1998 Seite 56 ff Reinhard Ziegler 4 Millionen Jahre Mensch Spektrum der Wissenschaft Mai 1999 Seite 130 ff Chris Stringer The Origin of Our Species Penguin Allen Lane 2011 S 60 ISBN 978 1 84614 140 9 Jorg Orschiedt Manipulationen an menschlichen Skelettresten Taphonomische Prozesse Sekundarbestattungen oder Kannibalismus Tubingen 1999 S 60 Jorg Orschiedt Zur Frage der Manipulationen am Schadel des Homo steinheimensis In Joachim Hahn Ingo Campen Margarethe Uerpmann Hrsg Spuren der Jagd Die Jagd nach Spuren Festschrift Prof H Muller Beck Tubinger Monographien zur Urgeschichte 11 Tubingen 1996 S 467 472 a b c Alfred Czarnetzki Erwin Schwaderer Carsten M Pusch Fossil record of meningioma In Lancet Band 362 Nummer 9381 August 2003 S 408 ISSN 1474 547X doi 10 1016 S0140 6736 03 14044 5 PMID 12907030 siehe dazu auch Tubinger Forscher finden erstmals Schadeltumor bei fruhen Menschen Pressemitteilung der Universitat Tubingen 11 August 2003 und das CT Schnittbild des Schadels archivierte Webseite 48 968333333333 9 2761111111111 Koordinaten 48 58 6 N 9 16 34 O Normdaten Sachbegriff GND 7755853 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homo steinheimensis amp oldid 234201578