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Als Heterotardigrada bezeichnet man eine Klasse von Bartierchen Tardigrada die entweder durch auffallige Kopfanhange oder verhartete Ruckenpanzerplattchen Skleriten gekennzeichnet sind Sie wurde 1929 durch den deutschen Zoologen Ernst Marcus 1893 1968 beschrieben und umfasst sowohl meereslebende marine als auch land und susswasserlebende limno terrestrische Arten Insbesondere die marinen Formen zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt und eine fur Bartierchen grosse Variabilitat der Korperform aus HeterotardigradaEchiniscus sp IllustrationSystematikohne Rang Gewebetiere Eumetazoa ohne Rang Bilateriaohne Rang Urmunder Protostomia Uberstamm Hautungstiere Ecdysozoa Stamm Bartierchen Tardigrada Klasse HeterotardigradaWissenschaftlicher NameHeterotardigradaMarcus 1929OrdnungenArthrotardigrada Marcus 1927 Echiniscoidea Marcus 1927 Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 1 1 Cuticula 1 2 Kopf und Korperanhange 1 3 Extremitaten 1 4 Leibeshohle und Verdauungssystem 1 5 Ausscheidungs und Fortpflanzungsorgane 2 Verbreitung und Lebensraum 3 Lebensweise 4 Stammesgeschichte 4 1 Moderne Formen 4 2 Fossile Formen 5 Systematik 6 Literatur 7 WeblinksMerkmale BearbeitenBartierchen sind eine insgesamt gesehen sehr homogene Tiergruppe deren Korperbau nur in engen Grenzen variabel ist Im Folgenden sind daher nur diejenigen Merkmale der Heterotardigrada aufgefuhrt die fur diese Klasse besonders charakteristisch sind eine ausfuhrlichere Einfuhrung in die Anatomie findet sich im Hauptartikel zu den Bartierchen Die meisten Heterotardigrada erreichen eine Korperlange zwischen 100 und 150 Mikrometern Cuticula Bearbeiten Eines der auffalligsten Merkmale vieler Heterotardigrada sind Verhartungen der nicht zelligen Aussenhaut der Cuticula die insbesondere in der mehrheitlich limno terrestrischen Ordnung Echiniscoidea aber in geringerem Ausmass auch bei manchen Arten aus der Ordnung Arthrotardigrada zu finden sind Dadurch entsteht eine Gliederung in einzelne ruckseitige dorsale Plattchen die Sclerite die als Panzerung des Korpers angesehen werden konnen und oft dornige Vorsprunge tragen Die genaue Zahl und Anordnung der Platten die auch teilweise miteinander verwachsen sein konnen ist ein wichtiges Merkmal fur die Artbestimmung Innerhalb der Gattung Testechiniscus treten daneben auch bauchseitige ventrale Panzerplattchen auf die man dann als Sternite bezeichnet Die mikroskopische Feinstruktur der Cuticula ist ebenfalls fur die Heterotardigrada typisch In einer als Epicuticula bezeichneten Schicht sind hier charakteristische von Hohlraumen umgebene Stutzpfeiler ausgepragt so dass sich im Querschnitt eine Bienenwabenstruktur ergibt durch welche die Aussenhaut nochmals versteift wird Die meereslebenden Heterotardigrada sind farblos wahrend landlebende Formen oft durch die Nahrung oder spezielle Pigmente gefarbt sein konnen Kopf und Korperanhange Bearbeiten Ausser durch Skleriten zeichnen sich viele Heterotardigrada darunter insbesondere die Arten der Arthrotardigrada auch durch vielfaltige Kopf und Korperanhange aus Besonders auffallig sind die sogenannten Cirri am Kopf die vermutlich der Wahrnehmung mechanischer Beruhrungsreize dienen Ein einzelner Cirrus besteht meist aus einer Basis der Cirriphore einem kurzen verbreiterten Abschnitt dem Kragen oder Scapus und dem eigentlichen langen und schmalen Sinneshaar das als Flagellum bezeichnet wird Neben den Cirri findet man am Kopf der Heterotardigrada auch Strukturen mit wahrscheinlich chemosensorischer Funktion die Clavae die wahrscheinlich von Cirri abgeleitet aber gegenuber diesen verbreitert und innen hohl sind Die genaue Form Anzahl und Anordnung der Cirri und Clavae ist ein wichtiges Merkmal bei der Artbestimmung innerhalb der Heterotardigrada Weitere charakteristische Kennzeichen sind seitlich am Korper oder am Hinterende entspringende lange Filamente die als Alae bezeichnet werden und grossflachige Auswuchse der Cuticula die sich bei vielen marinen Arten finden und vermutlich der Verbreitung der Tiere durch Meeresstromungen dienen Extremitaten Bearbeiten Die Beine haben dieselbe grundlegende Struktur wie bei allen Bartierchen am vierten Beinpaar findet sich jedoch oft ein um das jeweilige Bein herumlaufender Kranz kleiner Cuticula Zahnchen dessen Funktion unbekannt ist Die Klauen der Heterotardigrada befinden sich oft nicht direkt am Beinende sondern entspringen an separaten Zehen Sie sind manchmal mit Sporen kleinen Vorsprungen versehen und bei einigen Arten durch Haftscheiben ersetzt Leibeshohle und Verdauungssystem Bearbeiten Auch in der inneren Anatomie existieren bei den Heterotardigrada einige Besonderheiten Zunachst fallt bei ihnen die Leibeshohle das Haemocoelom im Vergleich kleiner aus als bei den meisten Eutardigrada der anderen grossen Bartierchenklasse Die Stilette mit denen die Tiere zum Beispiel Algenzellen anstechen und sie aussaugen konnen sind meist dunner ausgepragt und fast immer ungekrummt Der muskulose Schlund wird von durchlaufenden verharteten Langsstreifen stabilisiert nicht aber durch individuelle Placoiden stabchenformige Strukturen die man bei den Eutardigrada findet Die Schlundmuskulatur besteht aus 51 gleichberechtigten Epithelmuskelzellen eine fruhere Annahme dass sich diese in 27 Epithelzellen und 24 eigentliche Muskelzellen aufteilen von denen Erstere das Schlundvolumen auskleiden und zweitere fur die Saugkraft verantwortlich sind hat sich nach elektronenmikroskopischen Untersuchungen als inkorrekt erwiesen Der Darm weist meist funf oder sechs Ausstulpungen die Diverticula auf Ausscheidungs und Fortpflanzungsorgane Bearbeiten Der Ausscheidung und Osmoregulation dienende Malpighische Drusen wie sie sich bei den Eutardigrada finden existieren innerhalb der Heterotardigrada nicht Osmoregulation also eine Regelung des Salzhaushalts ist bei den meereslebenden Formen nicht notwendig da die Korperflussigkeit isotonisch mit Meerwasser ist also kein Unterschied im Salzgehalt besteht Bei einigen landlebenden Arten existieren bauchseitig zwischen dem Ansatz des zweiten und dritten Beinpaares spezielle Organe die vermutlich eine Ausscheidungsfunktion innehaben Sie bestehen wenn vorhanden aus einer in der Mitte medial gelegenen und zwei seitlichen lateralen Zellen Charakteristisch fur die Heterotardigrada ist die Gonopore genannte Mundungsstelle des Eileiters die bei ihnen immer auf der Korperaussenseite meist vor selten hinter dem Anus aber nie innerhalb des Hinterdarms oder Rektums liegt Sie ist immer von einer Rosette aus bis zu sechs Blattern den Petalen umgeben Spermienspeicher in denen das Mannchen sein Sperma deponieren kann sind falls vorhanden doppelt ausgefuhrt Bei den Mannchen ist die Geschlechtsoffnung oval oder kreisformig und steht etwas nach aussen vor Verbreitung und Lebensraum BearbeitenHeterotardigrada finden sich weltweit und zwar sowohl im Meer als auch in Sussgewassern und an Land wobei man bei den marinen Arten meist eine geringere Populationsdichte findet als bei den landlebenden die dafur allerdings auch besser untersucht sind Einige Arten etwa aus der Gattung Batillipes sind weltweit zu finden und leben als Bestandteil der Sandluckenfauna innerhalb der Gezeitenzone an nahezu allen Sandstranden andere wie etwa Moebjergarctus manganis haben sich aus noch unbekannten Grunden anscheinend auf sudpazifische Manganknollen spezialisiert Eine Reihe von Arten leben als Parasiten oder Kommensale also ohne Schadigung des Wirts auf anderen Tieren Echiniscoides sigismundi etwa auf Muscheln Bivalvia und Rankenfussern Cirripedia Pleocola limnoriae auf Asseln Isopoda Actinarctus doryphorus auf Seeigeln Echinoidea und Echiniscus molluscorum sogar in der landlebenden Schneckenart Bulimulus exilis Landlebende Parasiten oder Kommensalen sind ansonsten selten da Bartierchen im aktiven Zustand auf Feuchtigkeit angewiesen sind die an Land nicht immer garantiert ist Echiniscus molluscorum ist daher auch endoparasitar oder kommensal Eine eindeutig ectoparasitische Art ist dagegen die meereslebende Form Tetrakentron synaptae die einzelne Zellen von Seegurken Holothuroidea ansticht und aussaugt Lebensweise BearbeitenDie meisten Aspekte der Lebensweise der Tiere sind nicht spezifisch fur die Heterotardigrada und daher im allgemeinen Bartierchen Artikel abgehandelt Anhydrobiose die hohe Widerstandsfahigkeit gegenuber Austrocknung durch Bildung spezieller Uberlebensstrukturen der Tonnchen gilt oft als charakteristische Bartiercheneigenschaft existiert aber nur innerhalb der Ordnung Echiniscoidea Mit einer Ausnahme leben alle Arthrotardigrada im Meer das konstante Umweltbedingungen bietet so dass diese Arten nie die Fahigkeit zur Tonnchenbildung entwickeln mussten Heterotardigrada konnen sich sowohl geschlechtlich als auch ohne Sexualitat fortpflanzen Insbesondere bei den Echiniscoidea findet sich bei vielen Arten Parthenogenese also eine ungeschlechtliche Vermehrung ohne Mannchen bei der die Weibchen unbefruchtete Eier legen aus denen wiederum ausschliesslich Weibchen hervorgehen Diese Form der Fortpflanzung ist mit Anhydrobiose gekoppelt und kommt insbesondere in Lebensraumen mit starken Schwankungen der Umweltbedingungen vor Bei der sexuellen Fortpflanzung existieren dagegen fast immer getrennte Geschlechter hermaphroditische Arten die in der Lage sind sich selbst zu befruchten findet man nur bei einer Gattung innerhalb der Arthrotardigrada Die Eier der Heterotardigrada sind glatt und werden von den Weibchen entweder frei oder in die alte abgestossene Haut das Exuvium gelegt Die Entwicklung zum erwachsenen Tier gilt als direkt auch wenn das Vorhandensein verschiedener Hautungsstadien gelegentlich als Hinweis auf eine indirekte Entwicklung angesehen wird Die schlupfenden Jungtiere haben meist noch keinen Anus so dass Abfallstoffe erst bei der ersten Hautung zusammen mit der Cuticula abgegeben werden konnen daneben fehlt ihnen die Geschlechtsoffnung Gonopore die Beine weisen oft noch zwei Klauen weniger als beim erwachsenen Tier auf Nach der ersten Hautung tritt der Anus zutage und die volle Klauenzahl stellt sich ein die Gonopore bildet sich dagegen erst nach der zweiten Hautung aus Bei Batillipes nourrevangi existiert noch ein weiteres Hautungsstadium bei der parasitischen Art Tetrakentron synaptae sind dagegen schon die schlupfenden Jungtiere mit allen Erwachsenenmerkmalen ausgestattet Die Lebensdauer der meisten Heterotardigrada Arten ist unbekannt liegt aber wohl zwischen einigen Monaten und ein bis zwei Jahren kryptobiotische Zeitraume in denen die Tiere nicht altern konnen die tatsachliche Lebenszeit bei den landlebenden Arten der Ordnung Echiniscoidea um Jahre erhohen fur die mehrheitlich meereslebenden Arthrotardigrada besteht diese Moglichkeit nicht Stammesgeschichte BearbeitenModerne Formen Bearbeiten Das Verhaltnis zur anderen grossen Bartierchen Klasse den Eutardigrada ist gegenwartig noch ungeklart Oft geht man davon aus dass aus meereslebenden Vorlaufern der Ordnung Arthrotardigrada zunachst die land und susswasserlebenden Formen der Ordnung Echiniscoidea und hier insbesondere der Familie Echiniscidae entstanden sind aus denen sich dann wiederum die Eutardigrada entwickelt haben Bartierchen Heterotardigrada Arthrotardigrada verschiedene Familien Echiniscoidea verschiedene Familien Echiniscidae verschiedene Gattungen EutardigradaDies wurde bedeuten dass die Heterotardigrada keine naturliche Gruppe bilden da einzelne Arten etwa aus der Familie Echiniscidae enger mit den Eutardigrada verwandt waren als mit anderen Heterotardigrada Diese Hypothese wird dadurch gestutzt dass die Heterotardigrada noch relativ viele primitive also fur die Stammform aller Bartierchen als charakteristisch angesehene Merkmale aufweisen Wahrend das oben stehende Szenario sehr plausibel erscheint konnte es durch vorlaufige molekulargenetische Untersuchungen nicht bestatigt werden diese sprechen stattdessen dafur dass die Heterotardigrada ein monophyletisches Taxon sind also ausnahmslos alle Nachkommen des letzten gemeinsamen Vorfahren der Gruppe umfassen Diese Hypothese ist im folgenden Diagramm dargestellt Bartierchen Heterotardigrada Arthrotardigrada Echiniscoidea EutardigradaFossile Formen Bearbeiten Es gilt als sehr wahrscheinlich dass die Heterotardigrada bereits sehr fruh vermutlich in der erdgeschichtlichen Ara des Palaozoikums das Land eroberten auch wenn aus dieser Zeit noch keine eindeutig den Heterotardigrada zuzuordnenden Fossilfunde vorliegen In kreidezeitlichem Bernstein hat sich ein schlecht erhaltenes Jungtier erhalten das sich moglicherweise den Heterotardigrada zuordnen lasst ansonsten aber keine Hinweise auf die Stammesgeschichte dieses Taxons gibt Systematik BearbeitenDie Monophylie der Heterotardigrada ist wie angesprochen umstritten das heisst es ist gegenwartig unklar ob alle Arten zusammengenommen eine naturliche Verwandtschaftsgruppe bilden und nicht stattdessen einige Formen enger mit Eutardigrada Arten verwandt sind Klassisch unterscheidet man in jedem Fall zwei sehr unterschiedliche Ordnungen Die Arthrotardigrada kommen mit Ausnahme von Styraconyx hallasi ausschliesslich im Meer vor und gelten oft als charakteristisch fur die Vorfahren aller Bartierchen Sie zeichnen sich durch besonders viele urtumliche Merkmale aus und sind durch zahlreiche Kopfstrukturen wie Cirri und Clavae charakterisiert die auch fur die weitere Unterteilung der Gruppe in Familien herangezogen werden Ihre vier bis sechs Klauen setzen oft nicht direkt am Beinende an sondern befinden sich am Ende dunner Zehen Die meisten Gattungen sind monotypisch enthalten also nur eine Art was manchmal als Hinweis auf ihr hohes Alter gewertet wird Die Echiniscoidea leben uberwiegend im Susswasser oder an Land selten auch im Meer Die ersteren Formen zeichnen sich durch verhartete ruckseitige und gelegentlich bauchseitige Cuticula Panzer Sclerite und Sternite aus Ihre genaue Anordnung und Struktur ist ein wichtiges Hilfsmittel bei der weiteren Klassifikation der Echiniscoidea Kopfanhange sind oft zwar vorhanden aber meist nicht besonders auffallig die bis zu 13 Klauen entspringen immer direkt am Beinende Bei beiden Ordnungen spielen die Feinstruktur der Klauen und der Aufbau der Schlundmuskulatur eine grosse Rolle bei der weiteren Klassifikation Ob es sich bei den beiden Ordnungen um monophyletische Gruppen handelt ist unklar es wird wie schon erwahnt haufig angenommen dass die Echiniscoidea aus den Arthrotardigrada hervorgegangen sind In diesem Fall wird oft die Arthrotardigrada Familie Stygarctidae angefuhrt die besonders eng mit den Echiniscoidea verwandt sein konnte Arthrotardigrada N N Stygarctidae Echiniscoidea verschiedene FamilienSollte sich diese Annahme bewahrheiten waren die Arthrotardigrada eine paraphyletische Gruppe das heisst eine Untergruppe ware mit Arten ausserhalb des Taxons enger verwandt als mit anderen Arthrotardigrada Kladistisch arbeitende Systematiker wurden sie dann nicht mehr anerkennen Erste molekulargenetische Untersuchungen sprechen derzeit jedoch gegen diese Ansicht Literatur BearbeitenI M Kinchin The biology of tardigrades Portland Press 1994 A Jorgensen R Kristensen Molecular Phylogeny of Tardigrada investigation of the monophyly of Heterotardigrada Molecular Phylogenetics and Evolution 32 2 2004 Seite 666 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Heterotardigrada Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Artenliste fur marine Heterotardigrada englisch nbsp Dieser Artikel wurde am 28 Juni 2005 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heterotardigrada amp oldid 193103894