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Der Begriff Heeresreform des Marius oder auch marianische Heeresreform fasst eine Reihe von Entwicklungen im romischen Heerwesen zusammen die in der alteren Forschung dem romischen Feldherrn und Politiker Gaius Marius zugeschrieben wurden Ruckseite eines Denars von 101 v Chr der Marius als Triumphator in einem Streitwagen zeigt Inhaltsverzeichnis 1 Gaius Marius zugeschriebene Reformmassnahmen 2 Die Reform in der Uberlieferung 3 Ergebnisse der neueren Forschung 4 Folgen und Bewertung der Massnahmen des Marius 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGaius Marius zugeschriebene Reformmassnahmen BearbeitenIm Rahmen der Feldzuge gegen die Kimbern und Teutonen soll Gaius Marius der alteren Forschung zufolge die romischen Legionen grundlegend reformiert haben Die Reform soll folgende Einzelmassnahmen umfasst haben 1 die Zusammenfassung der 30 Manipel je ca 160 Mann zu 10 Kohorten je ca 480 Mann die Vereinheitlichung der Bewaffnung der Legionare und damit die Abschaffung der hastati principes und triarii als Truppengattungen die Abschaffung der velites die Einfuhrung eines neuen pilum die Verbesserung der Ausbildung durch Gladiatorentrainer Dauermarsche und Laufe die Verkleinerung des Trosses indem Marius die Legionare ihr Gepack selbst tragen liess daher der Spitzname muli mariani Maultiere des Marius die Einfuhrung des silbernen Legionsadlers aquila als Feldzeichen signum um den Korpsgeist der Legionare zu starken sowie die Festlegung der Dienstzeit der Legionare auf einheitliche 16 JahreMithin hatte sich das romische Heer von einer Burgermiliz in ein Berufsheer aus Freiwilligen verwandelt Die Reform in der Uberlieferung BearbeitenAbgeleitet wurde diese Reform aus einer Reihe von Textstellen antiker Autoren 2 Sallust De bello Iugurthino 84 spricht davon dass Marius Bundesgenossen anwirbt und handverlesene Manner auswahlt ohne dies als Traditionsbruch zu charakterisieren Plutarch Marius 9 1 schreibt dass Marius entgegen dem Herkommen Besitzlose und Sklaven als Freiwillige anwirbt Ebenfalls bei Plutarch Marius 25 2ff findet sich das neue pilum Der Spitzname muli mariani findet sich bei Plutarch Marius 13 und bei Frontinus Festus Strat IV 1 7 Plutarch gibt zwei mogliche Erklarungen fur die Bedeutung des Spitznamens das schwere Gepack das die Legionare unter Marius zu tragen hatten oder aber dass sie gut verpflegt und gehorsam waren Die Einfuhrung des Legionsadlers findet sich bei Plinius dem Alteren Naturalis historia X 4 Laut Plinius war der Adler bis zu Marius zweitem Konsulat 104 v Chr nur eines von funf Feldzeichen Allerdings berichtet er auch es sei schon ein paar Jahre zuvor ublich geworden die anderen Standarten im Lager zu lassen und nur den Adler mitzunehmen 3 Massnahmen ohne Quellenbeleg sind die Kohortenlegion die Vereinheitlichung der Bewaffnung die Umwandlung des Milizheeres in ein Berufsheer und die Festlegung einer einheitlichen Dienstzeit Die verbesserte Fechtausbildung der Legionare durch Gladiatorentrainer geht auf Angaben von Publius Rutilius Rufus zuruck Ergebnisse der neueren Forschung BearbeitenDie Ergebnisse der neueren Forschungen widersprechen allerdings dem herkommlichen Bild von einer massiven Heeresreform unter Marius Die Kohorte wurde bereits seit dem Zweiten punischen Krieg auf dem spanischen Kriegsschauplatz eingesetzt 4 Im Osten hielt die Kohorte erst nach der Niederlage der hellenistischen Staaten Einzug erst ein gewisser Lucullus setzte sie wohl 114 v Chr unter Gaius Porcius Cato gegen die Skordisker ein Offenbar waren die Kohorten im Kampf gegen wenig organisierte barbarische Gegner besser geeignet als die Manipel 5 In Afrika schliesslich verwendete Marius Vorganger Quintus Caecilius Metellus Numidicus sowohl Manipel als auch Kohorten 6 Im Rahmen dieser langwierigen Umstellung von Manipeln auf Kohorten fand vermutlich auch die Vereinheitlichung der Bewaffnung statt deren Kosten spatestens seit den Reformen der Gracchen 123 122 v Chr durch den Staat ubernommen wurden 7 Das von Marius eingefuhrte neue Modell des pilum erwies sich als fehlerhaft zu Zeiten Caesars war es bereits durch eine Weiterentwicklung ersetzt worden 8 Die zunehmende Vereinheitlichung der Bewaffnung der Legionare war auch nicht mit einer formellen Abschaffung der hastati principes und triarii verbunden die als Dienstkategorien weiter bestanden deren Unterscheidung aber an Bedeutung verlor Velites sind noch unter Caesar dokumentiert 9 Die Ausbildung der Legionare lag zur Zeit der Republik in den Handen des jeweiligen Feldherrn Marius konnte dabei unter anderem auch auf das Vorbild des Scipio Aemilianus zuruckgreifen unter dem er vor Numantia gedient hatte Feste Standards in der Ausbildung wurden erst unter Augustus entwickelt 10 Dass Soldaten ihr Gepack selbst zu tragen hatten war ebenfalls eine in der Antike verbreitete Massnahme neben den Vorbildern Philipp II von Makedonien und Alexanders des Grossen hatte auch Metellus in Afrika dies von seinen Legionaren verlangt 11 Auch den silbernen Legionsadler hatte es schon vor Marius gegeben Marius schaffte allerdings die anderen vier Standartenmotive Wolf Minotaurus Pferd und Eber ab 12 Als die grundlegendsten Traditionsbruche des Marius wurden die Anwerbung Besitzloser und die Aufnahme Freiwilliger in die Legionen dargestellt Freiwillige sind jedoch schon lange zuvor dokumentiert so etwa 200 und 198 v Chr im Krieg gegen Philipp V von Makedonien Auch Scipio Aemilianus warb unter seinen Freunden und Klienten bevor er nach Numantia aufbrach 13 Die Abschaffung des bislang geltenden Zensus der nur Burgern mit einem gewissen Einkommen den Dienst in den Legionen gestattete soll nach der ersten Wahl Marius zum Konsul 107 v Chr stattgefunden haben Allerdings kann die einmalige Anwerbung von nur 3 000 bis 5 000 Freiwilligen vor dem Aufbruch nach Afrika 107 v Chr nach neuerer Ansicht kaum als signifikanter Bruch mit der Tradition bei der Aushebung von Legionen gewertet werden 14 zumal die alte zensusbasierte Aushebungsmethode des dilectus fortbestand 15 und auch von Marius selbst immer wieder angewendet wurde 16 Im 2 und 1 Jahrhundert v Chr fand allerdings ein langsamer Wandel statt der dilectus verlor an Bedeutung wahrend die Zahl der Freiwilligen zunahm 17 Eine Absenkung des Mindestvermogens fur den Militardienst hatte offenbar bereits wahrend des 3 und 2 Jahrhunderts v Chr stattgefunden Von ursprunglich 11 000 Assen wahrend des 2 punischen Kriegs wurde der Zensus auf 4 000 Asse und schliesslich vermutlich 129 v Chr auf 1 500 Asse abgesenkt 18 Praktisch bedeutete dies dass schliesslich fast jeder der eine Hutte besass in den Legionen dienen konnte 19 So fand wahrend des 2 Jahrhunderts eine schleichende Proletarisierung der Legionen statt 20 Auch die explizite Anwerbung Besitzloser hat Beispiele in der fruheren romischen Geschichte zumeist in Notsituationen etwa wahrend des 2 punischen Krieges 21 Es gibt auch keinen Beweis dass Marius Rekrutierung der proletarii eine dauerhafte Reform sein sollte Noch bis Augustus bestanden die Legionen wahrscheinlich zugleich aus Freiwilligen darunter auch proletarii einige davon effektiv als Berufssoldaten und beguterten Wehrpflichtigen 22 Die Bedingungen unter denen der Dienst in den Legionen stattfand blieben auch unter Marius unverandert Der Sold blieb gleich 112 5 Denare pro Jahr 23 die Dienstzeit betrug maximal 16 Jahre wobei der Legionar beim Eintritt in die Armee keineswegs wusste ob er diese tatsachlich abzuleisten haben wurde Eingestellt und entlassen wurde nach Bedarf 24 Folgen und Bewertung der Massnahmen des Marius BearbeitenEine tiefgreifende punktuell wirksame Reform des romischen Heeres durch Marius hat es nach Ansicht der neueren Forschung wohl nicht gegeben Die ihm zugeschriebenen Veranderungen waren vielmehr das Ergebnis eines langerfristigen Prozesses der Professionalisierung des romischen Heerwesens im Verlauf des 2 Jahrhunderts v Chr Zur Zeit des Konsulats Marius waren viele dieser Entwicklungen schon langer im Gange oder auch fast abgeschlossen Auf ganz anderer Ebene schuf Marius jedoch einen Prazedenzfall der in der heutigen Forschung weit hoher gewichtet wird als die ihm traditionell zugeschriebene Heeresreform Offenbar hat er den Freiwilligen von 107 v Chr zu ihrer Entlassung ein Stuck Land versprochen 25 Vermutlich wurde das Versprechen gegeben um die Veteranen des Afrikakrieges nach dessen Ende in den Legionen zu halten Bei der Entlassung des Heeres nach dem Krieg gegen Jugurtha fand jedenfalls keine Landverteilung statt Diesem Beispiel scheinen auch spatere Feldherren immer wieder gefolgt zu sein so dass die Legionare hieraus bald einen Anspruch auf Zuteilung eines Stucks Land bei der Entlassung ableiteten 26 Dass es Heerfuhrern wie Marius gelang die Landverteilungen auch gegen den Widerstand des Senats durchzusetzen fuhrte zu deutlichen Veranderungen im Verhaltnis zwischen dem Heer und dem romischen Staatswesen Die Veteranen wurden dadurch praktisch zu Klienten des betreffenden Politikers und somit ergebenen Anhangern Sie bildeten einen erheblichen Teil der sogenannten privaten Armeen der Burgerkriege des 1 Jahrhunderts v Chr 27 Damit gilt Marius als Wegbereiter der Auflosung des politischen Systems der romischen Republik Die Bindung der Soldaten zum Feldherren wurde letztlich so gross dass populare Befehlshaber wie Marius selbst Sulla Pompejus Casar u a die personliche Loyalitat der Legionare nutzen konnten um dem Senat die Stirn zu bieten und sich unter Androhung oder Anwendung von Gewalt ausserkonstitutionelle Macht zu verschaffen Dies trug nach heute herrschender Meinung nicht unerheblich zum Untergang des republikanischen Staates bei 22 Literatur BearbeitenHeribert Aigner Gedanken zur sogenannten Heeresreform des Marius In Innsbrucker Beitrage zur Kulturwissenschaft 18 1974 ZDB ID 507453 8 S 11 23 M J V Bell Tactical Reform in the Roman Republican Army In Historia 14 1968 S 404 422 P A Brunt The fall of the Roman Republic and related essays Clarendon Press Oxford 1988 ISBN 0 19 814849 6 Richard J Evans Gaius Marius A Political Biography University of South Africa Pretoria 1994 ISBN 0 86981 850 3 Hiddingh Currie 4 Emilio Gabba Republican Rome the Army and the Allies University of California Press Berkeley CA u a 1976 ISBN 0 520 03259 4 Kate Gilliver Auf dem Weg zum Imperium Eine Geschichte der romischen Armee Theiss Stuttgart 2003 ISBN 3 8062 1761 0 Adrian Goldsworthy The Roman Army at War 100 BC AD 200 Clarendon Press Oxford u a 1996 ISBN 0 19 815057 1 Oxford Classical Monographs Lawrence Keppie The making of the Roman Army From Republic to Empire University of Oklahoma Press Norman OK 1998 ISBN 0 8061 3014 8 Bernhard Linke Die romische Republik von den Gracchen bis Sulla Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2005 ISBN 3 534 15498 3 Geschichte kompakt Antike Martin Miller The professionalization of the Roman Army in the Second Century B C Loyola University of Chicago Chicago IL 1984 Dissertation Nigel Pollard Joanne Berry Die Legionen Roms Aus dem Engl ubersetzt von Cornelius Hartz Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2633 1 S 19 23 Die Reformen des Marius J W Rich The Supposed Roman Manpower Shortage of the Later Second Century B C In Historia 32 1983 S 287 331 online PDF 1 9 MB Michael M Sage The Roman Republican Army A Sourcebook Routledge New York NY u a 2008 ISBN 978 0 415 17880 8 Richard E Smith Service in the Post Marian Roman Army Manchester University Press Manchester 1958 Publications of the Faculty of Arts of the University of Manchester 9 ZDB ID 1490743 4 George R Watson The Pay of the Roman Army In Historia 7 1958 S 113 120 Einzelnachweise Bearbeiten Diese Darstellung folgt im Wesentlichen Goldsworthy und Linke Dieser Punkt basiert auf Aigner 1974 S 11 16 Nigel Pollard Joanne Berry Die Legionen Roms Stuttgart 2012 S 20 Livius XXV 39 I und Frontinus II 6 II nennen als Urheber Lucius Marcius der Manipel erstmals 210 v Chr zu Kohorten zusammengefasst habe Bei Polybios II 23 I und II 33 I findet sich der Einsatz von Kohorten in den Schlachten von Ilpia und am Ebro 206 v Chr Fur die Dokumentation weiterer Einsatze vergleiche Bell 1965 Bell 1964 S 408 416 Sallust bell iug 49 2 49 6 und 51 3 Hierzu auch Bell 1964 S 415 f Sage 2008 S 200 Gabba 1976 S 11 Gilliver 2003 S 24 f Aigner 1974 S 12 f Bell 1964 S 421 Sage 2008 S 229 Keppie 1998 S 47 Keppie 1998 S 66 Aigner 1974 S 13 Keppie 1998 S 67 Gabba 1976 S 11 Keppie 1998 S 31 Miller 1984 S 138 141 Smith 1958 S 5 Rich 1983 S 324 Brunt 1988 S 255 Gabba 1976 S 15 Keppie 1998 S 77 Smith 1958 S 44 f Evans 1994 S 82 und 118 Rich 1983 S 327 Smith 1958 S 46 Gabba 1976 S 6 Rich 1983 weist allerdings darauf hin dass kein antiker Autor diese Vorgange beschrieben hat und die Absenkungen nur ein Erklarungsversuch der modernen Forschung sind um die divergierenden Zahlen verschiedener Autoren miteinander in Einklang zu bringen S 305 314 Livius I 43 nennt 11 000 Asse Polybios VI 19 3 4000 und Cicero Rep II 22 1500 Brunt 1988 S 16 Rich 1983 S 298 Miller 1984 rechnet das bei Eintritt in die Legion ausgezahlte stipendium mit in das Mindestvermogen ein sodass in diesem Fall tatsachlich jeder dienen konnte selbst wenn er vor seinem Eintritt fast nichts besass S 21 f Gabba 1976 S 4 Miller 1984 S 13 Miller 1984 halt es auch fur moglich dass bereits wahrend des 1 punischen Krieges Proletarier gemustert wurden S 91 a b Nigel Pollard Joanne Berry Die Legionen Roms Stuttgart 2012 S 23 Watson 1958 S 117 Brunt 1988 S 256 Evans 1994 S 117f Keppie 1998 S 63 Eduard Nemeth Florin Fodorean Romische Militargeschichte Geschichte Kompakt WBG Darmstadt 2015 S 43 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heeresreform des Marius amp oldid 229756510