Hans Müller (* 18. September 1906 in Gießen; † nach 1947) war ein deutscher Jurist. Müller war unter anderem persönlicher Referent des Leiters der Parteikanzlei der NSDAP, Martin Bormann, und Richter beim Volksgerichtshof.
Biografie Bearbeiten
Nach dem Schulbesuch studierte Müller Rechtswissenschaften. Seit seiner Referendarszeit 1929 war er Beamter im Justizdienst: Noch im selben Jahr wurde Müller Landgerichtsrat in Berlin. 1932 bestand er die bayerische Assessorprüfung. In den folgenden Jahren war er im Justizdienst als Staatsanwalt, Amtsgerichtsrat und Oberlandesgerichtsrat beschäftigt.
Nationalsozialismus Bearbeiten
Während der NS-Zeit war Müller unter anderem am Kammergericht tätig. Mit Wirkung vom 1. Mai 1937 trat er in die NSDAP ein. Außerdem war er Richter beim Volksgerichtshof.
Im August 1942 kam Müller in die Parteikanzlei der NSDAP, in der er zunächst Sachbearbeiter in der staatsrechtlichen Abteilung der Gruppe Justiz wurde, die zunächst Ministerialrat Herbert Klemm, dann Staatssekretär Gerhard Klopfer unterstand. Als im Sommer 1943 Reichsleiters Martin Bormann seinen bisherigen Referenten, Kurt-Walter Hanssen, mit Müller ersetzte, rückte dieser in die Stellung des Persönlichen Referenten und Büroleiters Bormanns auf, der als Leiter der Parteikanzlei und persönlicher „Sekretär“ Adolf Hitlers, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs einer der mächtigsten Männer des NS-Staates war. Dabei zeichnete Müller auch einige Gespräche auf.
Am 29. Dezember 1944 fand auf der Feldkommandostelle Tannenwald ein Treffen für die Angehörigen des Führerhauptquartiers auf Einladung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, statt. Zu diesem waren neben Müller hochrangige Militärs wie Keitel, Burgdorf oder von Rundstedt anwesend, ebenso wie Bormann und Reichsleiter Dr. Dietrich.
Nachdem am 1. Mai 1945 Hitlers Tod bekannt gegeben wurde, beschloss Müller mit dem Leiter des Stenographischen Dienstes im Führerhauptquartier, Kurt Peschel, alle nach Berchtesgaden gebrachten stenographischen Unterlagen der militärischen Lagebesprechungen von September 1942 bis April 1945 zu vernichten. Die SS brachte die Unterlagen daraufhin zu einem kleinen Ort hinter dem Königsee, wo diese angezündet wurden.
Nachkriegszeit Bearbeiten
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs geriet Müller in München in britische Kriegsgefangenschaft. In Folge dieser wurde er im Rahmen der Nürnberger Prozesse u. a. vom stellvertretenden Hauptankläger der Vereinigten Staaten beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Robert Kempner, als Zeuge vernommen.
Nach seiner Entlassung wurde er entnazifiziert. Er arbeitete später weiter in der Justiz und wurde Vizepräsident der Bundesfinanzdirektion München. Hans Müller war bis zu seinem Tod mit Helmut von Hummel, einem weiteren Referenten Bormanns, befreundet. Wann Müller genau starb, ist unbekannt.
Vernehmung im Rahmen der Nürnberger Prozesse Bearbeiten
In der Vernehmung sagte Müller, als er nach seinem Rang in der Partei gefragt wurde, er habe keinen eigentlichen Rang in der NSDAP gehabt. Das Schlimmste, was ihm je durch die Hände gegangen sei, war eine Strafakte des Mitglieds des 20. Julis, Andreas Hermes, der hingerichtet werden sollte. Müller sagte im Verhör, dass ihn das erschüttert habe, da er es in seinen Augen ein summa iniuria (lat., übersetzt: höchstes Unrecht) ansah. Bormann gab ihm die Akte von Hermes und den Auftrag, auf Dienststellen nachzusehen, ob dort etwas über Hermes vorhanden sei. Nachdem Müller dies geprüft hatte und berichtete, dass keine Informationen vorhanden seien, brachte er die Akte nicht mehr zu Bormann zurück, sondern verbrannte sie, um, wie er im Verhör sagte, dessen Leben zu retten.
Im Weiteren sagte Müller, als er zu Bormann befragt wurde: „Bormann war menschlich unausstehlich, er war kalt, robust, höhnisch, zynisch.“ Später lieferte er auch Beispiele dazu: „Weihnachten 1944 kannte Bormann mich schon über ein Jahr. Da sagte er, sagen Sie, Herr Müller, haben Sie eigentlich Kinder? Daraus kann man ersehen, dass er sich nie um solche Sachen gekümmert hat. [..]Ein weiteres Beispiel: Im Herbst 1944 kam ein Fernschreiben an. Auf dem Fernschreiben ist vermerkt, wann es an dem Aufgabeort aufgegeben wurde und wann es an der Ankunftstelle angekommen ist.[..] Das Fernschreiben kam mit einigen Stunden Verspätung an. Dann rief Bormann mich nachts an und brüllte: ‚Wenn das nochmal vorkommt, lass ich Sie hinter Schloss und Riegel setzen!‘ [..] Am nächsten Morgen habe ich ihn in seinem Büro aufgesucht und ihm gesagt, dass ich mich als entlassen betrachtete[..]. Er brüllte: ‚Das könnte Ihnen so passen. Sie bleiben da, solange ich das wünsche. Wenn Sie gegen meinen Willen gehen, lasse ich Sie wie einen Fahnenflüchtigen behandeln und Sie wissen, was Ihnen dann blüht.‘ [..] Ich weiß, dass auch andere über seine Art gegenüber den Angestellten der Parteikanzlei geklagt haben. [..] Ich habe auch nach einigen Monaten in regelmäßigen Abständen gebeten, mich zu entlassen und das damit begründet, ich wolle zur Wehrmacht gehen. Er hat alles schriftlich erledigt und abgelehnt.“
Am 6. Oktober kam es zu einer weiteren Vernehmung, denn Robert Kempner hatte den Eindruck, dass Müller sich mit seinen Angaben zurückhalte. In dieser Vernehmung wurde Müller gefragt, ob er etwas von Besprechungen mit SS-Obergruppenführer Gottlob Berger oder SS-Obersturmbannführer Fritz Arlt wisse. Dies verneinte Müller, er kenne als Mitglieder der SS nur SS-Gruppenführer Hermann Fegelein, dessen Bruder SS-Standartenführer Waldemar Fegelein, SS-Obergruppenführer Julius Schaub und SS-Gruppenführer Karl Wolff, sowie Gauleiter Alfred Meyer. Außerdem habe er Alfred Rosenberg vom Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete gesehen.
Familiäres Bearbeiten
Müller war verheiratet und hatte 2 Kinder, eines geboren 1937, das andere 1940. Seine Frau blieb während Müllers Kriegsgefangenschaft und Verhören in München.
Archivische Überlieferung Bearbeiten
Im Bundesarchiv-Berlin hat sich eine Personalakte des Reichsjustizministerium über Müller erhalten (R 3001/194092). Zudem existiert im Bestand des ehemaligen Berlin Document Center eine Akte mit Parteikorrespondenz zu ihm (R 9361-II/735340) und einen Vermerk Müllers über die angebliche Beteiligung des Generalfeldmarschalls Keitel an den Ereignissen des 20. Juli 1944, notiert am 25. Juli 1944 (NS 6/25).
Beim Wissenschaftsverlag DeGruyter wird Müller in den Akten der NSDAP 28 Mal erwähnt.
Literatur Bearbeiten
- Herbert Michaelis: Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Biographisches Register, 1979, S. 500.
- Mikael Nilsson: Hitler Redux: The Incredible History of Hitler’s So-Called Table Talks. Routledge, 2020, ISBN 978-1-00-017329-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Bob Reiss: Germany and the Second World War - Band 9, Teil 1. Clarendon Press, 1990, ISBN 0-19-928277-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Wolfram Pyta: Hitler: Der Künstler als Politiker und Feldherr. Eine Herrschaftsanalyse. Siedler Verlag, 2015, ISBN 978-3-641-15701-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ Vernehmung des Zeugen Hans Müller durch Dr. Kempner (PDF; 3,8 MB), auf ifz-muenchen.de
- ↑ Mikael Nilsson: Hitler Redux. Taylor & Francis, 2020, ISBN 978-1-00-017329-1, S. Englisch.
- Matthias Uhl, Jean-Luc Leleu, Thomas Pruschwitz, Dieter Pohl, Martin Holler (Hrsg.): Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945. Piper ebooks, 2020, ISBN 978-3-492-99436-1, S. 46.
- Detlef Peitz: An den Lippen Hitlers hängend. In: Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 20. Juli 2023.
- Günther von Hummel: Politik – Therapie. Begreifen, was man schon weiß: Wie Politik therapeutisch zu denken wäre. BoD, Norderstedt o. J., S. 160–161.
- Person Hans Müller: De Gruyter. Abgerufen am 31. August 2023.
Personendaten | |
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NAME | Müller, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist |
GEBURTSDATUM | 18. September 1906 |
GEBURTSORT | Gießen |
STERBEDATUM | 20. Jahrhundert oder 21. Jahrhundert |