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Das Hamiltonsche Prinzip der Theoretischen Mechanik ist ein Extremalprinzip Physikalische Felder und Teilchen nehmen danach fur eine bestimmte Grosse einen extremalen d h grossten oder kleinsten Wert an Diese Bewertung nennt man Wirkung mathematisch ist die Wirkung ein Funktional daher auch die Bezeichnung Wirkungsfunktional Die Wirkung erweist sich in vielen Fallen nicht als minimal sondern nur als stationar d h extremal Deshalb wird das Prinzip von manchen Lehrbuchautoren auch das Prinzip der stationaren Wirkung genannt 1 Manche Autoren nennen das Hamiltonsche Prinzip auch Prinzip der kleinsten Wirkung was jedoch wie oben ausgefuhrt nicht prazise ist Ein Beispiel ist das Fermatsche Prinzip nach dem ein Lichtstrahl in einem Medium von allen denkbaren Wegen vom Anfangspunkt zum Endpunkt den Weg mit der geringsten Laufzeit durchlauft Die Newtonschen Bewegungsgleichungen folgen bei geeignet gewahlter Wirkung aus dem Hamiltonschen Prinzip Aber auch die Maxwellgleichungen der Elektrodynamik und die Einstein Gleichungen der Allgemeinen Relativitatstheorie lassen sich auf ein Prinzip kleinster Wirkung zuruckfuhren Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Mathematische Beschreibung 3 Das Hamiltonsche Prinzip fur Felder 4 Zusammenhang zur Quantenmechanik 5 Eigenschaften 6 Literatur 7 Einzelnachweise und FussnotenGeschichte BearbeitenPierre Maupertuis sprach 1746 als erster von einem allgemeingultigen Prinzip der Natur extremal oder optimal abzulaufen vgl auch Ockhams Rasiermesser Dem Prinzip der kleinsten Aktion bzw Prinzip der kleinsten Wirkung 2 Leonhard Euler und Joseph Lagrange klarten in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts dass solch ein Prinzip die Gultigkeit von Euler Lagrange Gleichungen bedeute Die lagrangesche Formulierung der Mechanik stammt von 1788 1834 formulierte William Hamilton das nach ihm benannte Prinzip Max Planck deutete es als Hinweis darauf dass samtliche Naturprozesse zielgerichtet ablaufen Es sei Zeichen einer Zweckbestimmung der Welt jenseits des menschlichen Sinnes und Erkenntnisapparats 3 Richard Feynman zeigte in den 1940ern dass sich das Hamiltonsche Prinzip in der Quantenfeldtheorie gerade dadurch ergibt dass alle moglichen Pfade auch die nicht zielgerichteten zulassig sind und aufintegriert werden Dabei uberlagern sich Pfade mit extremaler Wirkung konstruktiv und davon abweichende destruktiv so dass die Natur schliesslich zielgerichtet erscheint Mathematische Beschreibung BearbeitenIn der Mechanik ist die Wirkung das zeitliche Integral uber die sogenannte Lagrangefunktion L t x v displaystyle L t mathbf x mathbf v nbsp Die Lagrangefunktion ist eine Funktion der Zeit t displaystyle t nbsp des Ortes x displaystyle mathbf x nbsp und der Geschwindigkeit v displaystyle mathbf v nbsp Beispielsweise ist in Newtonscher Mechanik die Lagrangefunktion eines Teilchens der Masse m displaystyle m nbsp das sich im Potential V t x displaystyle V t mathbf x nbsp bewegt die Differenz von kinetischer und potentieller Energie L t x v 1 2 m v 2 V t x displaystyle L t mathbf x mathbf v frac 1 2 m mathbf v 2 V t mathbf x nbsp In der relativistischen Mechanik ist die Lagrangefunktion eines freien Teilchens L t x v m c 2 1 v 2 c 2 displaystyle L t mathbf x mathbf v mc 2 sqrt 1 mathbf v 2 c 2 nbsp 4 Jeder Bahn G t x t displaystyle Gamma t mapsto mathbf x t nbsp die im Laufe der Zeit t displaystyle t nbsp von einem Anfangspunkt x x t 1 displaystyle underline mathbf x mathbf x t 1 nbsp zu einem Endpunkt x x t 2 displaystyle overline mathbf x mathbf x t 2 nbsp durchlaufen wird ordnet die Wirkung folgenden Wert zu S G t 1 t 2 L t x t v t d t displaystyle S Gamma int t 1 t 2 L bigl t mathbf x t mathbf v t bigr mathrm d t nbsp Die Wirkung S displaystyle S nbsp hat also die Dimension Energie mal Zeit Das Hamiltonsche Prinzip besagt nun dass von allen denkbaren Bahnen die anfanglich durch x displaystyle underline mathbf x nbsp und schliesslich durch x displaystyle overline mathbf x nbsp laufen diejenigen Bahnen in der Natur durchlaufen werden die eine stationare Wirkung haben Fur die physikalisch durchlaufenen Bahnen verschwindet die erste Variation der Wirkung d S 0 displaystyle delta S 0 nbsp Sie genugen daher der Euler Lagrange Gleichung L x d d t L v 0 displaystyle frac partial L partial x frac mathrm d mathrm d t frac partial L partial v 0 nbsp 5 Beispielsweise ergeben sich fur die nichtrelativistische Bewegung eines Teilchens im Potential die Newtonschen Bewegungsgleichungen grad V m x 0 displaystyle operatorname grad V m ddot x 0 nbsp Bei einem freien relativistischen Teilchen ist der Impuls dagegen zeitunabhangig d d t m v 1 v 2 c 2 0 displaystyle frac mathrm d mathrm d t frac m mathbf v sqrt 1 mathbf v 2 c 2 0 nbsp Das Hamiltonsche Prinzip fur Felder BearbeitenIn der Feldtheorie wird hingegen das Verhalten von Feldern untersucht d h auf welche Weise sie sich verandern und mit ihrer Umgebung wechselwirken Setzt man in das Hamiltonsche Prinzip d t 1 t 2 d t L 0 displaystyle delta int t 1 t 2 mathrm d t L 0 nbsp die Lagrange Dichte L displaystyle mathcal L nbsp ein L d 3 r L ϕ ϕ t ϕ x ϕ y ϕ z t displaystyle L int mathrm d 3 r mathcal L left phi frac partial phi partial t frac partial phi partial x frac partial phi partial y frac partial phi partial z t right nbsp mit einem Feld ϕ ϕ x y z t displaystyle phi phi x y z t nbsp erhalt man das Hamiltonsche Prinzip fur Felder mit d t 1 t 2 d t d 3 r L 0 displaystyle delta int t 1 t 2 mathrm d t int mathrm d 3 r mathcal L 0 nbsp Daraus folgt d t 1 t 2 d t d 3 r L t 1 t 2 d t d 3 r L ϕ d ϕ L ϕ t d ϕ t L ϕ x i d ϕ x i displaystyle delta int t 1 t 2 mathrm d t int mathrm d 3 r mathcal L int t 1 t 2 mathrm d t int mathrm d 3 r left frac partial mathcal L partial phi delta phi frac partial mathcal L partial partial phi partial t delta frac partial phi partial t sum frac partial mathcal L partial partial phi partial x i delta frac partial phi partial x i right nbsp und durch partielle Integration da die Randterme verschwinden d t 1 t 2 d t d 3 r L t 1 t 2 d t d 3 r L ϕ t L ϕ t x i L ϕ x i d ϕ displaystyle delta int t 1 t 2 mathrm d t int mathrm d 3 r mathcal L int t 1 t 2 mathrm d t int mathrm d 3 r left frac partial mathcal L partial phi frac partial partial t frac partial mathcal L partial partial phi partial t sum frac partial partial x i frac partial mathcal L partial partial phi partial x i right delta phi nbsp Dieser Integrand kann mithilfe des Raumzeit Vierervektors x m displaystyle x mu nbsp kompakt als L ϕ x m L ϕ x m displaystyle frac partial mathcal L partial phi frac partial partial x mu frac partial mathcal L partial partial phi partial x mu nbsp geschrieben werden Man erkennt dass diese Formulierung insbesondere fur die Relativitatstheorie interessant ist da hier uber den Ort und die Zeit integriert wird Analog zum gewohnlichen Hamiltonschen Prinzip lassen sich aus dieser abgewandelten Version die Lagrangegleichungen fur Felder bestimmen Zusammenhang zur Quantenmechanik BearbeitenEntwickelt man die Quantenmechanik beginnend vom Pfadintegralformalismus so wird sehr schnell klar weshalb Wirkungsminimierung zur Beschreibung von klassischen Teilchenbahnen derart effizient ist Hierbei gilt namlich dass die Wirkung fur Bahnen die einem meist im taglichen Leben begegnen sehr gross gemessen an der Planck Konstante ist was haufig schon aufgrund der grossen Masse makroskopischer Objekte der Fall ist Somit ist die Exponentialfunktion im Pfadintegral die die Wirkung enthalt eine sehr schnell oszillierende Funktion Den Hauptbeitrag zum Pfadintegral liefern nun Terme fur die die Wirkung stationar ist Hierbei ist sehr wichtig zu beachten dass nur die Forderung nach Stationaritat folgt und nicht eine Forderung nach einem Minimalwert Dies bietet auch die passende Rechtfertigung dafur dass ublicherweise nicht uberpruft wird ob die Extremwerte die man durch das Minimieren der Wirkung erhalt tatsachlich Minimalwerte sind denn man benotigt tatsachlich nur Extremwerte um eine klassische Beschreibung zu erhalten Eigenschaften BearbeitenDa das Wirkungsprinzip unabhangig vom verwendeten Koordinatensystem ist kann man die Euler Lagrange Gleichungen in solchen Koordinaten untersuchen die dem jeweiligen Problem angemessen sind und beispielsweise Kugelkoordinaten verwenden wenn es um die Bewegung im drehinvarianten Gravitationsfeld der Sonne geht Dies vereinfacht die Losung der Gleichung Zudem lassen sich bequem Zwangsbedingungen berucksichtigen wenn mechanische Vorrichtungen die freie Bewegung der Massepunkte einschranken wie beispielsweise die Aufhangung bei einem Kugelpendel Vor allem aber lasst sich in dieser Formulierung der Bewegungsgleichungen das Noether Theorem beweisen das besagt dass zu jeder Symmetrie der Wirkung eine Erhaltungsgrosse gehort und dass umgekehrt zu jeder Erhaltungsgrosse eine Symmetrie der Wirkung gehort Die Erhaltungsgrossen wiederum sind ausschlaggebend dafur ob sich die Bewegungsgleichungen durch Integrale uber gegebene Funktionen losen lassen Literatur Bearbeitende Maupertuis Accord de differentes loix de la nature qui avoient jusqu ici paru incompatibles In Memoires de l Academie Royale des Sciences de Paris 15 April 1744 S 417 426 Volltext Wikisource Einzelnachweise und Fussnoten Bearbeiten Kai Willner Kontinuums und Kontaktmechanik Springer Verlag 2003 S 288 books google de Karl Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures Searching for Equilibrium Ernst amp Sohn Berlin ISBN 978 3 433 03229 9 S 920 Carsten Konneker Grenzen ziehen oder uberschreiten Vorwort zum Themenbereich Vernunft und Glaube In Spektrum der Wissenschaft Januar 2012 Fur ein Teilchen der Masse m displaystyle m nbsp im Schwerefeld mit der potentiellen Energie ϕ displaystyle phi nbsp ergibt sich nach der Einstein schen Allgemeinen Relativitatstheorie in niedrigster Ordnung bezuglich ϕ displaystyle phi nbsp L t x v m c 2 1 v 2 c 2 2 ϕ m c 2 displaystyle L t mathbf x mathbf v cong mc 2 sqrt 1 mathbf v 2 c 2 frac 2 phi mc 2 nbsp was bei Taylorentwicklung bzgl v 2 displaystyle v 2 nbsp und ϕ displaystyle phi nbsp genau zu L T V displaystyle L T V nbsp passt zur Herleitung siehe L Landau J M Lifschitz Lehrbuch der Theoretischen Physik 14 Auflage Band 1 Mechanik Harri Deutsch Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 8171 1326 2 S 3 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hamiltonsches Prinzip amp oldid 234730164