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HIV Proteaseinhibitoren meist kurz Proteaseinhibitoren PIs oder Proteasehemmer genannt sind Arzneistoffe welche die HIV Protease von HIV hemmen Sie sind mittlerweile Bestandteil der sogenannten antiretroviralen Therapie ART Alle Vertreter haben die Endsilbe navir im Substanznamen Inhaltsverzeichnis 1 HIV Protease 2 Funktionsweise der Proteaseinhibitoren 3 Entwicklung und Vertreter 3 1 Erste Generation 3 2 Zweite Generation 4 Allgemeine Nebenwirkungen 4 1 Beeinflussung von Cytochrom P450 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHIV Protease Bearbeiten Hauptartikel HIV Protease Bei der HIV Protease handelt es sich um ein Aspartatprotease das von der viralen RNA codiert ist Bei der Bildung neuer Viren spielt es eine entscheidende Rolle da es die Spaltung des gag pol Polyproteins in verschiedene funktionelle Proteine katalysiert 1 HIV benotigt fur seine Ausbreitung eine Reihe von Proteinen wie die reverse Transkriptase die Integrase Strukturproteine der Virushulle oder die HIV Protease selbst 2 Diese aus dem Polyprotein gebildeten Proteine werden anschliessend in neue Virionen inkorporiert Wird die Funktion der HIV Protease von Inhibitoren unterdruckt so kann das gag pol Vorlauferprotein nicht oder nur an den falschen Stellen geschnitten werden zur erfolgreichen Virusreproduktion fehlen infolgedessen die notigen funktionellen Bausteine Das Enzym spaltet die funktionsuntuchtigen Polyproteine besonders bei hydrophoben und aromatischen Aminosauren sowie Prolin in der P2 Region vor allem Asparagin in der P1 Region Tyrosin und Phenylalanin und in der P1 Region Prolin Funktionsweise der Proteaseinhibitoren BearbeitenProteaseinhibitoren PIs besetzen die Bindungsstelle des Substrats Vorlauferprotein an der Protease und verhindern dass diese ihre Wirkung entfalten kann Eingesetzt werden PIs zur Behandlung von HIV 1 positiven Patienten im Rahmen einer antiretroviralen Therapie ART Ziel ist die Hemmung der HIV Protease wodurch der virale Replikationszyklus unterbrochen wird es entstehen nichtinfektiose Viruspartikel Mit der Ausnahme von Tipranavir zeichnen sich alle klinisch genutzten HIV Proteaseinhibitoren durch eine peptid ahnliche Struktur aus und werden daher auch als Peptidomimetika bezeichnet Ihr Aufbau ist der Struktur der Erkennungssequenz von HIV Proteasen nachempfunden sie passen in das aktive Zentrum des Enzyms PIs stellen dabei stabile Analoga des Ubergangszustands der Erkennungssequenz wahrend der Spaltungsreaktion des Substrats durch HIV Proteasen dar Es gibt auch im naturlichen Stoffwechsel Proteasen wie etwa Renin Cathepsine oder Faktor Xa Diese unterscheiden sich aber von der viralen Protease so stark dass sie durch HIV Proteaseinhibitoren nicht in ihrer Wirkung beeintrachtigt werden Die Hemmung der viralen Protease wurde erreicht indem man versucht durch Nachbau der Struktur des Peptids eine hohe Affinitat zum katalytischen Zentrum der HIV Protease herzustellen gleichzeitig aber die Struktur so zu modifizieren dass sie nicht im Magen Darm Trakt gespalten werden kann Peptidomimetische HIV Proteaseinhibitoren weisen im Vergleich zu ihrem Vorbild daher zahlreiche Veranderungen auf Die Peptidbindungen sind zum Schutz gegen eine Spaltung stabilisiert oder ausgetauscht Lipophile Substituenten verbessern die pharmakokinetischen Eigenschaften und machen sie als Arzneistoff nutzbarer 3 PIs spaterer Generationen zeichnen sich im Vergleich zu Integrase Strangtransfer Inhibitoren INSTIs und nichtnukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitoren NNRTIs durch eine geringe Resistenzbildung aus Eine Steigerung der Wirkungsweise wird bei den PIs durch sogenannte Booster bzw Pharmakoenhancer auch Pharmakokinetischer Booster realisiert Dies erfolgt mittels Ritonavir oder Cobicistat die Cytochrom P450 hemmen Dadurch werden PIs langsamer abgebaut was sich vorteilhaft auf Maximalkonzentration Talspiegel und Halbwertszeit auswirkt die Pillenzahl und damit die tagliche Einnahme sinken Jedoch kann es auch zu mehr Nebenwirkungen kommen PIs tragen als Endsilbe navir im Substanznamen 4 r bzw c kennzeichnen die Art der Boosterung Ritonavir bzw Cobicistat Entwicklung und Vertreter BearbeitenUbersicht aller jemals in der EU zugelassenen HIV Proteaseinhibitoren Substanzname Abkurzung Jahr der Zulassung EU StatusSaquinavir SQV 1995 obsolet 1 Indinavir IDV 1996 Zulassung erloschen 2021 5 Ritonavir RTV 1996 ausschliesslich als BoosterNelfinavir NLV 1998 Zulassung erloschen 2013 6 Amprenavir APV 2000 Zulassung erloschen 2011 7 Lopinavir LPV r 2001 nur mit Ritonavir als BoosterAtazanavir ATV 2003 obsolet 1 Fosamprenavir fAPV 2004 obsolet 1 Tipranavir TPV 2005 obsolet 1 Darunavir DRV 2007 als Primartherapie empfohlen 8 Erste Generation Bearbeiten Die erste Generation der Proteaseinhibitoren basierte auf Isosteren mit Hydroxylethyl CH2 CH OH und Hydroxyethylaminogruppen 2 Hierbei ahmt die zentrale Hydroxylgruppe den Ubergangszustand der Hydrolyse nach kann von der PI aber nicht katalytisch geschnitten werden Der erste Vertreter der PIs auf dem Markt war Saquinavir 1 Dieser Arzneistoff hatte den Nachteil einer sehr geringen Bioverfugbarkeit weshalb sehr hohe Dosen auf mehrere Tabletten verteilt in moglichst genau einzuhaltenden Zeitabstanden von acht Stunden einzunehmen waren Mittlerweile wird es durch diese unpraktische Anwendung fur den alltaglichen Gebrauch nicht mehr eingesetzt Der zweite PI Indinavir hatte zwar eine verringerte Tablettenzahl von zwei Tabletten pro Tag aber wurde 2019 aufgrund besserer Alternativen und seiner Nebenwirkungen insbesondere Nierensteine vom Markt genommen die Arzneimittelzulassung erlosch 2021 Da es sich bei der antiretroviralen Kombinationstherapie um eine lebenslange Behandlung handelt waren Modifikationen erwunscht die zu einer verbesserten Patienten Compliance also komfortablerer Anwendung fuhren Der dritte Vertreter Ritonavir erfullte diese Forderung erstmals Ritonavir ist ein starker Hemmer des Cytochrom P450 Systems in der Leber welches den Abbau lipophiler Fremdstoffe im Organismus katalysiert Dadurch wurde es moglich die Plasmaspiegel des Wirkstoffes auf einem hoheren Niveau zu halten und die Dosis zu reduzieren Als Monotherapie wird es aufgrund seiner Nebenwirkungen nicht mehr eingesetzt stattdessen ausschliesslich als Booster in Kombination mit anderen PIs Lopinavir Darunavir Ein anderes Problem stellt die Resistenzentwicklung von HIV Stammen gegen Proteaseinhibitoren dar Durch den ahnlichen Aufbau und den gleichen Wirkmechanismus tritt meist eine Kreuzresistenz auf das heisst bei Resistenz gegen einen PI ist das Virus auch gegen die anderen Vertreter resistent und wird nicht mehr gehemmt Der vierte Vertreter dieser Reihe Nelfinavir stellte fur diesen Fall erstmals eine Alternative Aufgrund hoher Pillenzahl Nebenwirkungen Durchfall und geringer antiviraler Wirkung wurde es 2013 vom Markt genommen 1 Auch Amprenavir zeigte eine geringere Neigung zu Kreuzresistenz allerdings hat dieser Wirkstoff durch seinen stark lipophilen Charakter eine deutliche Schwache bezuglich Resorption aus dem Magen Darm Trakt Folglich musste man entsprechend hohe Dosen verabreichen Vorteilhaft erwies sich die hohe Halbwertszeit von Amprenavir die eine zweimalige Dosis pro Tag zuliess Amprenavir wurde durch Fosamrenavir ersetzt Bei PIs der ersten Generation sind sehr peptidisch was zu gewissen Nachteilen fuhrt Sie werden metabolisch schnell umgesetzt und haben daher eine kurze Halbwertszeit 2 Ausserdem ist die Bioverfugbarkeit gering wodurch eine haufigere Einnahme erforderlich ist Typische Nebenwirkungen sind Beschwerden im Magen Darm Bereich Durchfall Ubelkeit Unterleibsschmerzen Insbesondere die Resistenzentwicklung fuhrte zur Erforschung der zweiten Generation Zweite Generation Bearbeiten 2001 wurde Lopinavir zugelassen Dieser Wirkstoff wird fix in der gleichen Tablette mit Ritonavir kombiniert Lopinavir r was eine deutliche Dosisreduktion zur Folge hatte Mit Atazanavir stand seit 2003 ein Vertreter zur Verfugung der sogar eine einmalige Dosierung pro Tag erlaubte Der Hersteller von Amprenavir entwickelte diesen Arzneistoff zu einem sogenannten Prodrug weiter Man raumte den Nachteil der schlechten Resorption durch eine kleine Modifikation zur Seite Fosamprenavir ist sozusagen ein Vehikel durch Veresterung mit Phosphorsaure wurde Amprenavir besser wasserloslich und wird dadurch besser ins Blut aufgenommen Eine deutliche Verminderung der Dosis war das Resultat Dadurch ist es der einzige PI der auch ohne Boosterung auskommen kann Wegen der Hyperbilirubinamien wird es kaum mehr eingesetzt nachteilig ist auch seine Wirkung im Vergleich zu INSTIs 1 Tipranavir war der erste PI ohne die bisherige Peptidstruktur und unterscheidet sich damit massgeblich von den anderen PIs Der Vorteil besteht in der guten Wirkung bei HIV Stammen die Resistenzen gegen PIs entwickelt haben Allerdings beeinflusst Tipranavir offenbar in komplizierterem Masse den Stoffwechsel in der Leber was sich in verschiedensten teils lebensbedrohlichen Nebenwirkungen z B Hirnblutung 2 bemerkbar macht Daher wurde es nicht in der Primartherapie verwendet aufgrund besserer Alternativen mittlerweile auch kaum noch in der Salvage Therapie Der zuletzt zugelassene PI ist Darunavir es zeichnet sich durch seine hohe Resistenzbarriere sowie Wirkung gegen PI resistente Viren aus 1 Dies ermoglicht auch die Verwendung als Salvage Therapie Mittlerweile sind aber auch multiresistente HIV 1 Varianten bei Patienten bekannt 2 Im Gegensatz zu anderen PIs treten gastrointestinale Nebenwirkungen moderater auf jedoch haufiger ein Exanthem Daruinavir wird mittlerweile durch Cobicistat oder Ritonavir geboostert Es ist der einzige PI in Form eines Eintablettenregimes Symtuza Allgemeine Nebenwirkungen BearbeitenBeschwerden des Magen Darm Traktes wie Ubelkeit Bauchschmerzen und Durchfall sind bei Behandlung mit allen Vertretern der Proteaseinhibitoren relativ haufig Gelegentlich kann man Veranderungen bestimmter Laborwerte feststellen zum Beispiel von Transaminasen Ausserdem beeinflussen alle PIs den Metabolismus durch die Leber Beeinflussung von Cytochrom P450 Bearbeiten Alle Proteaseinhibitoren sind mehr oder weniger starke Hemmer des Cytochrom P450 Systems hauptsachlich CYP3A4 Das Cytochrom P450 System besteht aus verschiedenen Enzymen kommt in grosser Dichte in der Leber vor und hat die Aufgabe den Organismus von fremden Substanzen die besonders lipophilen fettloslichen Charakter haben zu befreien Die Ausscheidung sehr vieler Arzneistoffe erfolgt unter Einbeziehung dieses Mechanismus Wird das System nun gehemmt wie es durch PIs und andere Substanzen geschieht so bleiben unerwartet hohe Dosen dieser lipophilen Stoffe uber langere Zeit als ublich im Korper und konnen zu ungewollten Reaktionen fuhren Uberdosierung Die Verwendung diverser Arzneistoffe wie beispielsweise Antiarrhythmika Benzodiazepine und Kontrazeptiva gemeinsam mit PIs ist daher ausserst problematisch Literatur BearbeitenChristian Hoffmann Substanzklassen Medikamentenubersicht In Jurgen Rockstroh Christian Hoffmann Hrsg HIV 2022 2023 Medizin Fokus Verlag Hamburg 2022 ISBN 978 3 941727 28 1 S 72 79 hivbuch de PDF Arun K Ghosh et al Recent Progress in the Development of HIV 1 Protease Inhibitors for the Treatment of HIV AIDS In Journal of Medicinal Chemistry Band 59 Nr 11 9 Juni 2016 S 5172 5208 doi 10 1021 acs jmedchem 5b01697 PMID 26799988 PMC 5598487 freier Volltext englisch Avinash Dakshinamoorthy et al Comprehending the Structure Dynamics and Mechanism of Action of Drug Resistant HIV Protease In ACS omega Band 8 Nr 11 21 Marz 2023 S 9748 9763 doi 10 1021 acsomega 2c08279 PMID 36969469 englisch Weblinks BearbeitenProteasehemmer HIV amp moreEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i Christian Hoffmann Substanzklassen Medikamentenubersicht In Jurgen Rockstroh Christian Hoffmann Hrsg HIV 2022 2023 Medizin Fokus Verlag Hamburg 2022 ISBN 978 3 941727 28 1 S 72 79 hivbuch de PDF a b c d e Arun K Ghosh et al Recent Progress in the Development of HIV 1 Protease Inhibitors for the Treatment of HIV AIDS In Journal of Medicinal Chemistry Band 59 Nr 11 9 Juni 2016 S 5172 5208 doi 10 1021 acs jmedchem 5b01697 PMID 26799988 PMC 5598487 freier Volltext englisch G Abbenante D P Fairlie Protease inhibitors in the clinic In Med Chem Band 1 Nr 1 Januar 2005 S 71 104 PMID 16789888 The use of stems in the selection of International Nonproprietary Names INN for pharmaceutical substances PDF In WHO 2018 S 191 abgerufen am 30 Mai 2023 englisch Crixivan indinavir Withdrawal of the marketing authorisation in the European Union PDF In EMA 11 Juli 2022 abgerufen am 29 Mai 2023 englisch Viracept nelfinavir Non renewal of the marketing authorisation in the European Union PDF In EMA 24 Januar 2013 abgerufen am 29 Mai 2023 englisch Agenerase amprenavir Withdrawal of the marketing authorisation in the European Union PDF In EMA 6 Juni 2011 abgerufen am 29 Mai 2023 englisch Deutsche AIDS Gesellschaft Hrsg Deutsch Osterreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV 1 Infektion 8 Auflage 3 September 2020 awmf org PDF abgerufen am 29 Mai 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title HIV Proteaseinhibitor amp oldid 235188061