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Compliance ist in der Medizin die Deckungsgleichheit von arztlichem und pflegerischem Planen und patientlichem Handeln 1 Compliance ist ein Oberbegriff fur das kooperative Verhalten von Patienten im Rahmen einer Therapie Dem in der Medizin reduzierte n Complianceverstandnis wird in der Psychotherapie ein um psychische und soziale Komponenten erweitertes Verstandnis gegenubergestellt 2 In der deutschen Sprachgebung werden vorrangig die Bezeichnungen Komplianz oder die Ubersetzung Therapietreue benutzt Im Englischen wird synonym auch der Begriff Adherence verwendet Der Begriff Adharenz ersetzt zunehmend den Begriff Compliance Damit soll mehr auf die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung von Patienten und Behandlern eingegangen werden Gute Compliance bedeutet konsequentes Befolgen der arztlichen Ratschlage Laut Weltgesundheitsorganisation WHO haben im Durchschnitt aber nur 50 der Patienten eine gute Compliance 3 Besonders wichtig ist die Compliance bei chronisch Kranken in Bezug auf die Einnahme von Medikamenten das Befolgen einer Diat oder die Veranderung des Lebensstils In vielen Therapiegebieten mit chronischen Erkrankungen sind nach einem Jahr nur noch etwa 50 der Patienten in der initialen Therapie Weiter gefasst versteht man unter Compliance die Bereitschaft des Patienten und seines relevanten Umfelds sich gegen die Erkrankung zur Wehr zu setzen 4 Inhaltsverzeichnis 1 Einflussfaktoren 2 Messmoglichkeiten 3 Non Compliance 4 Forderungsversuche 4 1 Psychische Faktoren 4 2 Faktoren im Umfeld 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEinflussfaktoren BearbeitenDie WHO definiert funf miteinander verknupfte Ebenen die die Therapietreue beeinflussen sozio okonomische Faktoren Armut Ausbildungsstand Arbeitslosigkeit patientenabhangige Faktoren Fahigkeit zur Selbstorganisation Vergesslichkeit Wissen krankheitsbedingte Faktoren Symptome gefuhlter Nutzen gleichzeitige Depression therapiebedingte Faktoren Nebenwirkungen Komplexitat der Verabreichung gesundheitssystem und therapeutenabhangige Faktoren Kostenubernahme Behandlungsmoglichkeiten Kommunikation Messmoglichkeiten BearbeitenDas Messen von Therapietreue ist schwierig Technologie und Partnerschaft konnen dabei helfen Es gibt dafur keinen Massstab Die Messung von Therapietreue ist eine Schatzung bezuglich des aktuellen Verhaltens des Patienten 3 Messmethoden Diagnostik in vitro Blutentnahme MEMS elektronische Uberwachung der Entnahme von Kapseln Tabletten aus einem Behalter Pillenzahlen Berechnung der Medikamentenverfugbarkeit uber die Zeit Kontrolle des Medikamentenkaufs Selbstdeklaration Abklarung mittels Fragen Fragebogen Einschatzung des Arztes Apothekers Uberschatzung Antworten gemass der sozialen Wunschbarkeit Bericht der Angehorigen klinikexternen Krankenpflege Beobachtung der Einnahme Drogenentzugsprogramme Behandlung der Tuberkulose Messungen spiegeln immer ein aktuelles Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt wider und sind mit Ausnahme von MEMS oder der direkt beobachteten Einnahme nicht kontinuierlich Das heisst dass sich die Therapietreue im Zeitablauf und unter verschiedenen Einflussfaktoren andern kann Die Compliance wird oft als Prozentzahl ausgedruckt In vielen therapeutischen Gebieten spricht man von guter Compliance wenn uber die beobachtete Zeitdauer 80 und mehr der geplanten Dosierung eingenommen wurde Zu beachten ist dass Compliance von null bis uber 100 gehen kann uber 100 bedeutet dass der Patient mehr Medikamente eingenommen hat als geplant Non Compliance BearbeitenDas Nichteinhalten arztlicher Ratschlage und die Nichterfullung therapeutisch notwendiger Pflichten bezeichnet man als Non Compliance Vielfach wird unterschieden zwischen unbeabsichtigter und beabsichtigter Non Compliance Unbeabsichtigte Non Compliance ist am haufigsten Die Grunde dafur sind vielfaltig Der Hauptgrund besteht laut Patienten in ihrer Vergesslichkeit Daneben konnen eine unbequeme Einnahme Nebenwirkungen Stress oder Kosten die Ursachen fur Non Compliance sein Weitere wichtige Grunde sind ungenugende Information oder ungenugendes Verstehen der Krankheit sowie der Moglichkeiten und der Wirkung der Medikamente Dazu kommen oft noch Einstellungen und Glaubenssatze die ein konsequentes Umsetzen der Empfehlungen behindern konnen Bei vielen chronischen Krankheiten konnen auch fehlende Symptome dazu verleiten die Therapie nicht konsequent zu befolgen Eine mangelnde Umsetzung von Abmachungen mit dem Arzt kommt aber nicht nur in Bezug auf die Medikamente vor Die Reduktion von Risikofaktoren wie Ubergewicht Rauchen oder Bewegungsmangel stellt einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit und Verlangerung der Lebenserwartung dar Die Umsetzung der Empfehlungen des Arztes in diesen Bereichen macht vielen Personen Muhe erfordert Einsicht Abbau von Barrieren und oft auch die Inanspruchnahme von Fachleuten Eine ungenugende Umsetzung des Therapieplanes kann in Abhangigkeit von der Grundkrankheit mit erhohtem Sterberisiko mehr Krankheitssymptomen und geringerer Lebensqualitat einhergehen So konnte ein direkter Zusammenhang zwischen Mortalitat und Zuverlassigkeit der Medikamenteneinnahme fur Statine und Betablocker bei Patienten nach einem Herzinfarkt nachgewiesen werden 5 Neben der Reduktion der Lebenserwartung und vermehrten Krankheitssymptomen kommt es auch zu an sich unnotigen Behandlungen und damit verbundenen Kosten So wird eine gewisse Anzahl von Krankenhausaufenthalten durch mangelnde Umsetzung der Therapieplane verursacht Die Zahl non complianter Patienten ist in Neurologie und Psychiatrie besonders hoch Bei Patienten mit Schizophrenie Depression Epilepsie oder Multipler Sklerose liegt die Rate der Non Compliancer bei 50 Prozent Nach Angaben der Psychiatrischen Klinik der Technischen Universitat Munchen liesse sich jede zweite Einweisung in die Psychiatrie verhindern wenn Patienten ihre Psychopharmaka nicht eigenmachtig absetzen wurden 6 Aber auch in den anderen Disziplinen befolgt ca ein Drittel der Patienten die Therapieplane nicht oder nicht richtig 7 Der Weltgesundheitsorganisation zufolge ist mangelnde Therapietreue ein grosses und weltweites Problem das alle Therapiegebiete betrifft Als ein wesentlicher Faktor unzureichender Therapietreue wird heute in verschiedenen Studien eine mangelhafte Kommunikation in der Arzt Patient Beziehung aufgrund einer nicht patientengerechten abgehobenen Medizinersprache und einer entsprechend geringen Uberzeugungskraft der Arzte ausgemacht 8 Nach R M Epstein praktiziert noch ein erheblicher Teil der Arzte 43 eine uberholte asymmetrische sogenannte paternalistische Arzt Patient Beziehung 9 Die daraus resultierende vornehmlich autoritatsgetragene Verordnung tragt jedoch bei vielen Patienten heute nicht mehr Die neuere Medizinerausbildung ist deshalb dabei den alten Forderungen nach einer Verbesserung der Kommunikationsfahigkeit der angehenden Arzte durch entsprechende Curricula und Lehrbucher Rechnung zu tragen und die entsprechenden Defizite in der Medizinerausbildung aufzuarbeiten 10 11 Forderungsversuche BearbeitenMassnahmen zur Forderung der Compliance sollten auf die Grunde der mangelnden Compliance abgestimmt sein Dafur ist es sinnvoll dass Arzt Apotheker und Patient nicht nur uber die Diagnose den Therapieplan und die medikamentose Unterstutzung reden sondern auch uber die Umsetzung des Therapieplans und die Fahigkeit des Patienten zur Selbstorganisation Dabei sollte auch abgeklart werden welche Risiken bei Non Compliance bestehen wann z B Vergesslichkeit als haufigster Grund vorkommen konnte und welche Massnahmen dazu beitragen Non Compliance und Rezidive zu vermeiden Beispielsweise sollte bei einer Medikamenteneinnahme die schwer im Tagesablauf verankert werden kann nach Massnahmen gesucht werden mit denen sichergestellt werden kann dass die Medikamenteneinnahme zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung stattfindet Besonders bei Medikamenten bei denen der Zeitpunkt der Einnahme fur die Wirkung wichtig ist sollte dies beachtet werden Parkinson Behandlung Antibiotika HIV Medikamente Immunsuppressiva Die Vereinfachung des Arzneitherapieschemas beispielsweise Reduktion der Tablettenzahl ist die effektivste einzelne Massnahme der Adharenzforderung 12 Mogliche Massnahmen umfassen Aufmerksamkeit gegenuber der Problematik mangelnder Therapietreue Information uber die Krankheit die Medikamente und die Wichtigkeit der regelmassigen Medikamenteneinnahme Vereinfachungen der medikamentosen TherapieEinnahmefrequenz KombinationenOrganisationshilfen um die Einnahme zu erleichtern Pillenboxen Kalender Verankerung im Tagesablauf Packung im Zahnputzbecher Magnet Kleber am Kuhlschrank Wecker Erinnerungshilfen in elektronischen Kalendern Compliance Reminder Systeme SMS Erinnerungen aufs MobiltelefonMonitoringSelbstmessung Bluthochdruck Glukosewerte Gewicht MEMS elektronische Messung der Tablettenentnahme aus Behalter organisierbar nur zuhause Messung der Blutwerte HbA1c Cholesterin in regelmassigen Abstanden durch Arzt oder Apothekedirekt beobachtete Einnahme z B Methadonprogramm Tuberkulosebehandlung Psychische Faktoren Bearbeiten Zu erhohter Compliance tragt der Patient bei wenn er von seiner allgemeinen Krankheitsanfalligkeit uberzeugt ist sich seiner Erkrankung gegenuber fur besonders anfallig halt die Ernsthaftigkeit seines Leidens erkennt an die Wirksamkeit der Therapie glaubt mit der medizinischen Betreuung zufrieden ist von seinen Angehorigen in seinem Befolgungsverhalten unterstutzt wird es nicht wagt die Ratschlage des Therapeuten nicht zu befolgen und sich seiner Schwachen bezuglich seiner Selbstorganisation bewusst ist und Unterstutzung sucht Des Weiteren kann Therapietreue durch Psychoedukation verbessert werden Faktoren im Umfeld Bearbeiten Der Arzt sollte therapeutische Anweisungen und Strategien auf die Moglichkeiten und Wunsche des Patienten abstimmen Beispielsweise ist es vorteilhaft in einer medikamentosen Dauertherapie Kombinationspraparate zu verordnen die nur einmal taglich eingenommen werden mussen statt mehrmals taglicher Gabe halber oder gar geviertelter Tabletten Hilfreich kann hier zusatzlich eine leicht zu offnende Verpackung 13 sowie die Vorbereitung der taglichen Einnahme durch Einsortieren in eine Pillenbox oder auch die Medikamentenabgabe in vorbereiteten Einzelpackungen Verblisterung sein Auch elektronische Systeme zur Uberwachung der Tablettenentnahme und zur akustischen oder optischen Erinnerung an die Arzneimitteleinnahme finden Verwendung Vertreter der Pharma und Verpackungsindustrie sowie von Patientenorganisationen grundeten 2003 die Non Profit Organisation Healthcare Compliance Packaging Council of Europe zur Unterstutzung von Patienten bei der Medikamenteneinnahme durch intelligentes Verpackungsdesign 14 Siehe auch BearbeitenPartizipative Entscheidungsfindung Patient Arzt Beziehung Informierte Einwilligung AdharenzLiteratur BearbeitenViviane Scherenberg Patientenorientierung Compliance und Disease Management Programme Verlag fur Wissenschaft und Kultur 2003 Adherence to Long Term Therapies Evidence for Action WHO Report 2003 Lars Osterberg Terrence Blaschke Adherence to Medication In NEJM 2005 353 S 5 E Battegay A Zeller L Zimmerli Medikamenten Adherence bei kardiovaskularen Risikopatienten Bremen 2007 Damit Arzneimittel wirken was Sie selbst dazu beitragen konnen Die interaktive Wissensseite mit Illustrationen von Werner Tiki Kustenmacher www damit arzneimittel wirken de Theodor Meissel Compliance Zur Funktion eines Begriffes der medizinischen Alltagspraxis In Balint Journal Band 7 Nr 2 2006 S 55 60 doi 10 1055 s 2006 941512 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary compliance Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Miehle Gelenk und Wirbelsaulenrheuma Eular Verlag Basel 1987 ISBN 3 7177 0133 9 S 173 Theodor Meissel Compliance Zur Funktion eines Begriffes der medizinischen Alltagspraxis In Balint Journal Band 7 Nr 2 2006 S 55 60 doi 10 1055 s 2006 941512 a b WHO Report 2003 Freyberger Hrsg Kompendium Psychiatrie Psychotherapie psychosomatische Medizin 11 Auflage Karger Basel Freiburg Breisgau Paris London New York New Delhi Singapur Tokio Sydney 2002 ISBN 3 8055 7272 7 S 412 books google de Schlechte Compliance ist todlich MMW Fortschr Med Nr 5 2007 149 Jahrgang S 22 zitiert nach J N Rasmussen u a JAMA 297 2007 177 186 Stephanie Muller Werner Kissling Michaela Stiegler Finanzielle Anreize zur Complianceforderung In Psychiatrische Praxis 36 2009 S 258 doi 10 1055 s 0029 1220399 zitiert nach SZ vom 26 Januar 2010 S 16 Julia A Glombiewski Yvonne Nestoriuc Winfried Rief Heide Glaesmer Elmar Braehler Richard Fielding Medication Adherence in the General Population In PLoS ONE 7 2012 S e50537 doi 10 1371 journal pone 0050537 M Harter A Loh C Spies Hrsg Gemeinsam entscheiden erfolgreich behandeln Deutscher Arzte Verlag Koln 2005 R M Epstein Physician self disclosure in primary care visits Arch Intern Med 167 2007 Linus Geisler Arzt Patient Beziehung im Wandel Starkung des dialogischen Prinzips In Abschlussbericht der Enquete Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin 14 Mai 2002 S 216 220 Sascha Bechmann Medizinische Kommunikation Grundlagen der arztlichen Gesprachsfuhrung Universitats Taschenbucher UTB Tubingen 2014 Verbesserung und Auswirkungen medikamentoser Therapietreue Selektive Literaturubersicht am Beispiel der antihypertensiven Therapie auf aerzteblatt de J C Heneghan Reminder packaging for improving adherence to self administered long term medications The Cochrane Collaboration Cochrane Reviews Webseite der Healthcare Compliance Packaging Council of EuropeNormdaten Sachbegriff GND 4130064 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Compliance Medizin amp oldid 221892929