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Gustav Emil Boeters 3 Dezember 1869 in Chemnitz 28 Januar 1942 in Berlin war ein deutscher Arzt Er wurde wahrend der Weimarer Republik durch seine offentlichen Aufrufe zur eugenischen Zwangssterilisation bekannt die er in Form von Gesetzesentwurfen auch an deutsche Landerparlamente und den Reichstag richtete Lex Zwickau Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Der Sterilisationsapostel 2 1 Illegale Sterilisationen und private Gesetzentwurfe 2 2 Kontroverse um die Lex Zwickau 2 3 Wirkung und Bedeutung 3 Siehe auch 4 Veroffentlichungen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenBoeters studierte zwischen 1889 und 1893 Medizin in Leipzig wo er sich auch in der Burschenschaft Arminia zu Leipzig engagierte Nach seinem Staatsexamen 1893 erhielt er im Mai 1894 die Approbation und promovierte im Juni 1894 Er reiste eine Zeit lang als Schiffsarzt in die Vereinigten Staaten Zwischen 1902 und 1903 arbeitete er als Hilfsarzt an der Landesheilanstalt Pirna Anschliessend liess er sich als praktischer Arzt in Leutzsch bei Leipzig nieder 1904 legte er die Prufung zum Staatsarzt ab 1908 wurde er Bezirks und Impfarzt in Dobeln 1919 in Marienberg Seit 1922 arbeitete er als Medizinalrat in Zwickau 1926 trat er in den Ruhestand Zum 1 Dezember 1930 trat er der NSDAP bei Mitgliedsnummer 381 455 1 1936 zog er nach Berlin Der Sterilisationsapostel BearbeitenIllegale Sterilisationen und private Gesetzentwurfe Bearbeiten Boeters setzte sich aus rassenhygienischer Uberzeugung vor allem fur die Sterilisation sogenannter geistig Minderwertiger ein Nach US amerikanischem Vorbild fuhrte er dabei bereits Sterilisationen durch wahrend er gleichzeitig eine gesetzliche Regelung dieser Praxis forderte So uberzeugte Boeters 1921 den arztlichen Direktor des Staatlichen Krankenstifts Zwickau Heinrich Braun drei Jungen und ein Madchen zu sterilisieren was nach dem seinerzeit geltendem Recht illegal war 2 1925 behauptete er 63 Operationen auf freiwilliger Basis erreicht zu haben 3 Boeters zeigte sich wegen der Sterilisationen selbst an ohne dass die Staatsanwaltschaft reagierte Ausserdem richtete Boeters im Mai 1923 eine Eingabe an die sachsische Regierung In neun Punkten schlug er nicht nur die Unfruchtbarmachung blind taubstumm oder blodsinnig geborener Kinder auf Staatskosten vor Er forderte die Operationen auch auf entsprechende Insassen der Pflege und Heilanstalten auszudehnen sowie auf heiratswillige Blinde Taube Blodsinnige Epileptische und Geisteskranke Ausserdem sollten Sittlichkeitsverbrecher und Frauen mit zwei oder mehr unehelichen Kindern ohne anerkannte Vaterschaft sterilisiert werden sowie auf freiwilliger Basis Verbrecher denen dafur Teile der Strafe erlassen werden konnten Boeters veroffentlichte seine Vorschlage in diversen Fachzeitschriften und loste damit eine lebhafte Debatte aus Das sachsische Justizministerium stellte fest dass die Frage juristisch zweifelhaft und ein Reichsgesetz zur Klarung wunschenswert sei Gleichwohl hielt man den Gedanken der Sterilisation geistig Minderwertiger fur beachtenswert Boeters Propaganda aber sei uberzogen und der Sache nur schadlich Im Juni 1924 schlug Sachsen dem Reichsgesundheitsamt vor eine Sterilisation aus eugenischen Grunden auf freiwilliger Basis zu ermoglichen 4 Der Preussische Landesgesundheitsrat beriet sich am 1 Dezember 1923 und folgte dabei im Wesentlichen den Empfehlungen seines Gutachters Karl Bonhoeffer der von staatlich legalisierten Zwangssterilisationen abriet und stattdessen empfahl freiwillige Sterilisationen aus eugenischer Indikation zu ermoglichen 5 Kontroverse um die Lex Zwickau Bearbeiten Mit diesem sich abzeichnenden Konsens war Boeters alles andere als zufrieden Er begann eine Kampagne hielt offentliche Vortrage und erhielt in diversen Zeitungen und Zeitschriften eine Plattform darunter im arztlichen Standesorgan Der Kassenarzt und in der Zeitschrift des Sozialprotestantismus Innere Mission Die deutschen Arzte rief er auf Eine ungeheure wichtige Kulturaufgabe harrt ihrer Losung durch die deutsche Arzteschaft Neben schon jetzt unertraglichen und dabei stetig zunehmenden wirtschaftlichen Lasten droht uns die Vernichtung der geistigen Blute des deutschen Volkes ihr Untergang in einer Hochflut von geistig und moralisch minderwertigen Existenzen die Verpobelung unserer Rasse und damit das Ausscheiden Deutschlands aus der Reihe der Kulturnationen Wer kann die drohende Gefahr in letzter Stunde noch abwenden Niemand weiter als der deutsche Arztestand An alle Kollegen in Stadt und Land richte ich die dringende Bitte nach geistig Minderwertigen usw zu fahnden und so viele Falle wie nur irgend moglich selbst zu operieren oder geeigneten Fachkollegen zuzuweisen Gustav Boeters Aufruf an die deutsche Arzteschaft 1924 6 Die Reaktion war uberwiegend kritisch Vor allem dass Boeters Taubstumme und Blinde den Geisteskranken gleich behandeln wollte fand deutlichen Widerspruch Aber Psychiater wie Ludwig Wilhelm Weber stellten auch die Bestimmtheit solcher Begriffe wie geistig minderwertig und die Erblichkeit von Geisteskrankheiten in Frage 7 Albert Moll warf Boeters vor dass eine sichere eugenische Prognose die Sterilisationen rechtfertigen konnte noch gar nicht moglich sei 8 Die Zeitschrift Das Tage Buch veroffentlichte 1925 ausserdem einen Beitrag uber den Sterilisationsapostel Boeters in welchem ihm Wirklichkeitsverlust vorgeworfen wurde Boeters war in Sachsen tatsachlich bereits mehrfach als psychisch labil aufgefallen Die Behorden suspendierten ihn bereits 1922 als Amtsarzt weil er seinem Amt nicht mehr gewachsen sei 1925 wurde die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand beschlossen Intern galt Boeters als notorischer Querulant Boeters selbst hingegen fuhlte sich verfolgt und beschuldigte 1924 das sachsische Aussenministerium seine Publikationen sabotiert zu haben Seine propagandistische Tatigkeit setzte er zugleich unbeirrt fort So legte Boeters 1925 unter Mithilfe von August Forel dem Deutschen Reichstag einen Gesetzentwurf uber Die Verhutung unwerten Lebens durch operative Massnahmen vor den er Lex Zwickau nannte und in verschiedenen Fassungen auch den deutschen Landerparlamenten zuleitete Dreizehn Landtage befassten sich damit nur einer der Landtag des Freistaates Schaumburg Lippe sprach sich bis 1927 zustimmend aus Wirkung und Bedeutung Bearbeiten Wahrend die eigentliche Boeters Kontroverse um 1927 abebbte wurde die Debatte uber eugenisch indizierte Sterilisationen im Zusammenhang mit einer beabsichtigten grossen Strafrechtsreform fortgefuhrt Damit war es Boeters zumindest gelungen eine ernsthafte Debatte uber das Thema auszulosen wenngleich seine eigene Rolle dabei unter den Zeitgenossen umstritten blieb Dazu trug auch bei dass Boeters in diversen anderen Publikationen Thesen vertrat die in der damaligen Wissenschaft als unhaltbar angesehen wurden So erklart er hohe Ruckfalligkeit von Sexualstraftatern durch eine Fehlfunktion der Keimdrusen in den Hoden und empfahl eine Kastration zur Befreiung des darunter leidenden Individuums 9 Ebenso setzte er sich fur die Freigabe der freiwilligen Kastration ein um Homosexualitat zu heilen Der sachsische Arzt Rainer Fetscher warnte 1931 man durfe Boeters nicht als Vater der Bestrebungen zur Sterilisation gelten lassen 10 Magnus Hirschfeld hingegen kommentierte 1930 in seiner Geschlechtskunde Ich bin nachdem ich Boeters und seine Arbeiten genauer kennengelernt habe zu der Uberzeugung gekommen dass dieser von hohen Idealen erfullte Mann meist falsch beurteilt wird Mag er sich selbst in Form des Angriffs und der Abwehr gelegentlich allzu scharfer Ausdrucke bedienen mag man vor allem grundsatzlich oder im einzelnen seinen Standpunkt nicht fur richtig halten es bleibt ein grosses Verdienst von Boeters das bedeutsame Sterilisierungsproblem zur grundlichen Erorterung gestellt zu haben 11 Siehe auch BearbeitenSterilisationsgesetzeVeroffentlichungen BearbeitenDie Losung eines schwierigen Sexualproblems In Munchener Medizinische Wochenschrift 76 1929 S 1683 1686 Uber den primaren Gallenblasenkrebs und seine Beziehungen zu Gallensteinen Leipzig Univ Med Fak Diss 1894 Geissler Frauenstein 1894 Lex Zwickau Entwurf zu einem Gesetz fur den Deutschen Reichstag uber Die Verhutung unwerten Lebens durch operative Massnahmen in der Fassung vom 18 Oktober 1925 In Zeitschrift fur Sexualwissenschaft 13 Nr 4 1926 1927 S 139 140 auch in Zeitschrift fur arztliche Fortbildung Jg 22 1925 Nr 24 S 767 Munchener Medizinische Wochenschrift Jg 73 1926 Nr 13 S 552 Die Kastration von Sexualverbrechern In Munchener Medizinische Wochenschrift 77 1930 S 369 370 Die Berechtigung zu sterilisierenden Operationen In Zeitschrift fur arztliche Fortbildung Jg 21 1924 Nr 16 S 506 507 Literatur BearbeitenCaris Petra Heidel Schauplatz Sachsen Vom Propagandazentrum fur Rassenhygiene zur Hochburg der Kranken Euthanasie In Klaus Dietmar Henke Hrsg Todliche Medizin im Nationalsozialismus Von der Rassenhygiene zum Massenmord Bohlau Koln Weimar Wien 2008 ISBN 978 3 412 23206 1 Schriften des Deutschen Hygiene Museums Dresden 7 S 119 148 Medizinalrat Dr Gustav Boeters Lex Zwickau privater Entwurf fur ein Sterilisationsgesetz 1924 und drei Stellungnahmen aus Betheler Akten 1932 In Anneliese Hochmuth Spurensuche Eugenik Sterilisation Patientenmorde und die v Bodelschwinghschen Anstalten Bethel 1929 1945 Bielefeld 1997 S 212 215 Florian Georg Mildenberger in der Richtung der Homosexualitat verdorben Psychiater Kriminalpsychologen und Gerichtsmediziner uber mannliche Homosexualitat 1850 1970 Zugl Wien Univ Habil Schr 2002 MannerschwarmSkript Verlag Hamburg 2002 ISBN 3 935596 15 4 Michael Schwartz Sozialistische Eugenik Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890 1933 Dietz Bonn 1995 ISBN 3 8012 4066 5 Johannes Vossen Die Umsetzung der Politik der Eugenik bzw Rassenhygiene durch die offentliche Gesundheitsverwaltung im Deutschen Reich 1923 1939 In Regina Wecker et al Hrsg Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik Internationale Debatten zur Geschichte der Eugenik im 20 Jahrhundert Bohlau Wien Koln Weimar 2008 ISBN 978 3 205 78203 2 S 93 106 Paul Weindling Health Race and German Politics Between National Unification and Nazism 1870 1945 1 Auflage Cambridge Univ Press Cambridge New York Oakleigh Melbourne 1989 ISBN 0 521 36381 0 Heinz Zehmisch Das Erbgesundheitsgericht In Arzteblatt Sachsen 13 Nr 5 2002 S 205 207 PDF Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarchiv R 9361 VIII KARTEI 3221000 H Braun Die kunstliche Sterilisierung Schwachsinniger In Zentralblatt fur Chirurgie 51 1924 S 104 106 Gustav Boeters Die Unfruchtbarmachung Geisteskranker Schwachsinniger und Verbrecher aus Anlage In Zeitschrift fur Medizinalbeamte und Krankenhausarzte Band 38 1925 S 341 Michael Schwartz Sozialistische Eugenik Eugenische Sozialtechnologien in Debatten und Politik der deutschen Sozialdemokratie 1890 1933 Dietz Bonn 1995 ISBN 3 8012 4066 5 S 274 304 Karl Bonhoeffer Die Unfruchtbarmachung der geistig Minderwertigen In Klinische Wochenschrift 3 1924 S 798 801 Aufruf an die deutsche Arzteschaft In Arztliches Vereinsblatt fur Deutschland 51 1924 Sp 3 4 Joachim Muller Sterilisation und Gesetzgebung bis 1933 Husum 1985 S 60 63 Andreas Seeck Hrsg Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit Textsammlung zur kritischen Rezeption des Schaffens von Magnus Hirschfeld Lit Munster 2003 ISBN 3 8258 6871 0 S 119 Brigitte Kerchner Korperpolitik Die Konstruktion des Kinderschanders in der Zwischenkriegszeit In Wolfgang Hardtwig Hrsg Politische Kulturgeschichte der Zwischenkriegszeit 1918 1939 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2005 ISBN 3 525 36421 0 S 253 f online abgerufen am 28 Mai 2013 Schwartz Sozialistische Eugenik S 136 317 Magnus Hirschfeld Geschlechtskunde auf Grund dreissigjahriger Forschung und Erfahrung Puttmann Stuttgart 1930 S 42 Normdaten Person GND 1018620168 lobid OGND AKS VIAF 227412544 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Boeters GustavALTERNATIVNAMEN Boeters Gustav Emil Boters GustavKURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt und RassenhygienikerGEBURTSDATUM 3 Dezember 1869GEBURTSORT ChemnitzSTERBEDATUM 28 Januar 1942STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gustav Boeters amp oldid 228561528