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Die Goldbleche von Pyrgi italienisch Lamine d oro da Pyrgi oder kurz Lamine di Pyrgi stammen etwa aus dem 5 Jahrhundert v Chr und sind von grundlegender Bedeutung fur die Kenntnis der Geschichte und Sprache der Etrusker Die Artefakte wurden 1964 im etruskischen Heiligtum von Pyrgi entdeckt und befinden sich heute im Etruskischen Nationalmuseum in der Villa Giulia in Rom Die Goldbleche von Pyrgi Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung 2 Beschreibung 3 Inschriften 3 1 Goldblech mit phonizischer Inschrift 3 2 Goldblech A mit etruskischer Inschrift 3 3 Goldblech B mit etruskischer Inschrift 4 Hintergrund 5 Datierungen 6 Rezeption 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntdeckung Bearbeiten nbsp Etruskisches Siedlungs und Einflussgebiet mit Caisra im Suden nbsp Das Heiligtum von Pyrgi mit Tempel A Tempel B und Area CDie Goldbleche wurden am 8 Juli 1964 1 von Giovanni Colonna wahrend einer von Massimo Pallottino geleiteten Ausgrabung in der Nahe von Santa Severa in der archaologischen Statte von Pyrgi gefunden 2 Dort befand sich einer der Hafen des antiken Caere etruskisch Caisra oder Cisra 3 Pyrgi war zwischen dem 6 und 4 Jahrhundert v Chr eine bedeutende Handelsniederlassung Emporion im Mittelmeerraum In Pyrgi gab es mindestens zwei Heiligtumer von internationaler Bedeutung einen alteren Tempel aus dem Ende des 6 Jahrhunderts v Chr der der etruskischen Gottin Uni und der phonizischen Astarte gewidmet war und heute als Tempel B bezeichnet wird und einen jungeren Tempel aus der ersten Halfte des 5 Jahrhunderts v Chr der Eileithyia und Leukothea gewidmet war und Tempel A genannt wird 4 nbsp Modell von Tempel B und dem Area CDie drei Goldbleche wurden zusammen mit einer beschrifteten Bronzetafel und Architektur Terrakotten in einer Einfriedung Area C in der Nahe von Tempel B gefunden 5 und enthalten einen Text in phonizisch punischer Sprache und zwei in etruskischer Sprache Die Goldbleche werden heute im Etruskischen Nationalmuseum in der Villa Giulia in Rom aufbewahrt Gelegentlich wird vermutet dass sich die Originale aufgrund ihres Werts in einem Bankschliessfach befinden und im Museum nur Replikate zu sehen sind 6 Beschreibung Bearbeiten nbsp Eine Aufnahme der Goldbleche mit anderer FarbgebungDas Goldblech mit der phonizischen Inschrift ist 19 4 cm lang und 9 3 cm breit das mit der langeren etruskischen Inschrift Goldblech A 19 2 cm lang und 8 1 cm breit und das mit der kurzeren Inschrift Goldblech B besitzt die Masse 19 5 cm und 9 6 cm Das Gewicht der Goldbleche betragt in genannter Reihenfolge 44 2 g 41 4 g und 46 2 g Das phonizische Goldblech und Goldblech B weisen die gleiche rotliche Farbung und die gleiche Art der Bearbeitung auf Die Dicke dieser beiden Goldbleche liegt zwischen 0 4 und 0 5 mm Goldblech A ist augenscheinlich aus einer anderen Folie geschnitten wie die wesentlich geringere Dicke die Farbe und die Oberflachenstruktur nahelegen Goldblech A weist auf beiden Langseiten eine Krummung nach hinten von 1 bis 2 mm auf die nicht zu erklaren ist Eine deutliche Lasur in der Mitte des oberen Teiles hat die Zeilen 2 und 3 in Mitleidenschaft gezogen was die Lesung einiger Schriftzeichen schwierig macht Diese Beschadigung ist zweifellos antiken Ursprungs also nicht auf moderne Einwirkungen bei der Auffindung der drei Bleche zuruckzufuhren Auf Goldblech B ist unmittelbar oberhalb der letzten Zeile ebenfalls eine leichte Abschurfung der Oberflache erkennbar Die Nagellocher zur einstigen Befestigung sind beim phonizischen Goldblech und dem Goldblech A relativ gross Die Nagel durften relativ lang gewesen sein was auf eine massive Holzunterlage also eine Tur schliessen lasst Vor allem bei Goldblech A sind Randstucke um die Nagellocher verlorengegangen Goldblech B mit der kurzeren etruskischen Inschrift weist dagegen deutlich kleine Nagellocher auf ein Hinweis auf die Verwendung dunner Nagel mit grossen Kopfen Auf allen drei Goldblechen sind an den Randern deutliche Anzeichen von Schmelzungen erkennbar Auf Goldblech B sind diese Folgeerscheinungen von Schmelzungen besonders evident 7 Inschriften BearbeitenDie Inschriften sind entsprechend den Schreibgewohnheiten der Phonizier und Etrusker in linkslaufiger Schreibrichtung also von rechts nach links verfasst Die phonizische Schrift ist eine reine Konsonantenschrift In der etruskischen Schrift werden dagegen die Buchstaben A E I und U fur die entsprechenden Vokale verwendet In der phonizischen Inschrift werden die Worter gelegentlich durch einen Punkt voneinander abgegrenzt In den beiden etruskischen Inschriften erfolgt die Setzung eines Punkts nach einem Wort fast durchgehend In allen Inschriften werden regelmassig Worter durch einen Zeilenumbruch getrennt Die phonizische Inschrift umfasst 39 Worter in 11 Zeilen die Inschrift auf Goldblech A 36 Worter in 16 Zeilen und die wesentlich kurzere Inschrift auf Goldblech B besteht aus 15 Wortern in 9 Zeilen Die Buchstaben sind alle etwa 1 cm gross Bei einer Untersuchung 1980 wurden auf allen Goldblechen Vorzeichnungen einzelner Buchstaben festgestellt Goldblech A enthalt daruber hinaus auch einige uberarbeitete und gestrichene Buchstaben Die Vorzeichnungen und Korrekturen scheinen aus derselben Hand zu stammen wie die Inschrift Die Vor und Nachbearbeitung von Oberflachen die eine Inschrift oder Bemalung tragen sollten war in der Antike nicht ungewohnlich In der phonizischen Inschrift fallen die Zeilen vor allem zu Beginn des Textes nach links ab Dies scheint bedingt durch die Besorgnis des Schreibers keine Fehler zu machen und den zur Verfugung stehenden Raum richtig einzuteilen Die etruskischen Inschriften verlaufen dagegen nahezu waagrecht Die Buchstabenformen sind in beiden Inschriften nahezu identisch was sich als Resultat eines damals allgemein verbreiteten Schreibstiles erklaren lasst Es konnte sich aber auch um denselben Schreiber gehandelt haben der auch den phonizischen Text geschrieben haben konnte Vollig identisch in den etruskischen Inschriften sind z B die Buchstabenformen von A F TH M R S und generell die Hohe der Buchstaben Differenzen in der Strichfuhrung sind durch die Verschiedenheit der beiden verwendeten Goldfolien bedingt Die Dicke von Goldblech B veranlasste den Schreiber zur Verwendung eines starker zugespitzten Griffels fur die Ritzung Die Kurze des Textes auf Goldblech B bedingte zudem deutlich grossere Abstande zwischen den Buchstaben und eine grossere Breite der Buchstaben im Vergleich zu Goldblech A 8 Goldblech mit phonizischer Inschrift Bearbeiten nbsp nbsp LRBT L STRT SR QDS Z S P L W S YTN TBRY WLNS MLK L KYSRY BYRH ZBH SMS BMTN BBT WBN TW K STRT RS BDY LMLKY SNT SLS III BY RH KRR BYM QBR LM WSNT LM S LM BBTY SNT KM HKKBM L 9 Da die phonizische Sprache deutlich besser erforscht ist kann die phonizische Inschrift einigermassen wortlich ubersetzt werden Sie gliedert sich allem Anschein nach in drei Abschnitte LRBT L STRT SR QDS Z S P L W S YTN TBRY WLNS MLK L KYSRY BYRH ZBH SMS BMTN BBT Fur die Herrin Astarte dieser heilige Ort den Thefarie Velianas Konig uber Kaysrye machte und gab im Tempel im MNT dem Monat der Sonnenopfer WBN TW K STRT RS BDY LMLKY SNT SLS III BY RH KRR BYM QBR LM Und er erbaute eine Kammer wie Astarte von ihm wunschte im Jahr drei seiner Regierung im Monat KRR am Tag der Bestattung der Gottheit WSNT LM S LM BBTY SNT KM HKKBM L Und die Jahre dessen der der Gottheit in ihrem Tempel ein Geschenk macht mogen Jahre sein wie die Sterne 10 Die Inschrift nimmt offensichtlich Bezug zu historischen Begebenheiten Thefarie Velianas TBRY WLNS war zu dieser Zeit der Herrscher uber Kaysrye KYSRY Die Phonizier bezeichneten Thefarie Velianas als Konig MLK Das phonizische KYSRY lasst sich auch mit Caesarie Caesaria oder auch Cisria transkribieren 11 In etruskischen Inschriften findet man neben Caisra und Cisra auch Chaisrie und Chaire als Ortsname 12 Es lasst sich rekonstruieren dass die Etrusker ihre Stadt in der Fruhzeit Kaiserie nannten 13 Thefarie Velianas widmete der phonizischen Astarte STRT einen heiligen Ort SR QDS Astarte war eine ursprunglich levantinische Himmelskonigin und Liebesgottin deren Kult sich durch die Phonizier auch im westlichen Mittelmeerraum ausgebreitet hatte Als Zeitpunkt dieser Widmung wird ein bestimmter Monat MNT angegeben Anscheinend aufgrund eines Gelubdes stiftete Thefarie Velianas im dritten Regierungsjahr oder nach drei Regierungsjahren SNT SLS III der Astarte noch ein Sacellum TW Hier wird neben dem Monat KRR auch der genaue Stiftungstag angegeben der Tag an dem die Gottheit bestattet wird 14 Die Bestattung der Gottheit scheint mit Mythen und religiosen Praktiken des Astartekults in Verbindung zu stehen In einem phonizischen Mythos steigt Astarte im Jahresrhythmus in die Unterwelt hinab und kehrt dann wieder 15 Das Ende der Weihinschrift ist allerdings unklar Fraglich ist um welche und wie viele Sterne HKKBM es sich handelt Vielleicht waren an den Turen des Tempels BBTY Metallsterne im Sinne einer Jahreszahlung befestigt wie es bei den Romern ublich war Eine weitere Ubersetzungsvariante lautet Und die Jahre der Statue der Gottheit in ihrem Tempel mogen ebenso viele Jahre sein wie diese Sterne Wenn sich die Jahre auf die Gottheit LM beziehen und nicht auf den Spender dann mussten es allerdings sehr viele Sterne gewesen sein die an den Turen des Tempels angebracht waren 14 Goldblech A mit etruskischer Inschrift Bearbeiten nbsp nbsp ITA TMIA ICAC HE RAMASVA VATIECHE UNIALASTRES THEMIA SA MECH THUTA THEFA RIEI VELIANAS SAL CLUVENIAS TURU CE MUNISTAS THUVAS TAMERESCA ILACVE TULERASE NAC CI AVI L CHURVAR TESIAMEIT ALE ILACVE ALSASE NAC ATRANES ZILAC AL SELEITALA ACNASV ERS ITANIM HERAM VE AVIL ENIACA PUL UMCHVA 16 Der erste etruskische Text auf Goldblech A stellt keine wortliche Ubersetzung des phonizischen Texts dar wie die Entdecker zunachst angenommen hatten Es wird nur im Wesentlichen derselbe Sachverhalt beschrieben Ohne Worttrennungen durch Zeilenumbruche lautet der Text folgendermassen ITA TMIA ICAC HERAMASVA VATIECHE UNIALASTRES THEMIASA MECH THUTA THEFARIEI VELIANAS SAL CLUVENIAS TURUCE MUNISTAS THUVAS TAMERESCA ILACVE TULERASE NAC CI AVIL CHURVAR TESIAMEITALE ILACVE ALSASE NAC ATRANES ZILACAL SELEITALA ACNASVERS ITANIM HERAMVE AVIL ENIACA PULUMCHVA 17 Die Inschrift beginnt mit dem Hinweis auf zwei Dinge TMIA und HERAMASVA im Nominativ die durch die Demonstrativpronomina ITA und ICA hervorgehoben und mit dem an ICA angehangten C als und verbunden werden TMIA konnte Tempel bedeuten und HERAMASVA den Ort einer Statue beschreiben VATIECHE ist sehr wahrscheinlich ein Verb im Prateritum Passiv Die Etrusker identifizierten ihre Gottin Uni mit der phonizischen Astarte aber UNIALASTRES stellt keine Verbindung der Namen der Gottheiten Uni und Astarte dar wie anfangs vermutet wurde sondern ist zweifelsfrei der Ablativ UNIALAS von Uni gefolgt von der Postposition TRES Das folgende THEMIASA ist vermutlich ein Partizip MECH THUTA bildet eine syntaktische Einheit mit politischer Bedeutung 18 In diesem Zusammenhang konnte sich MECH auf den Stadtstaat von Caisra beziehen 19 THEFARIEI VELIANAS ist der Name einer Person gemass der etruskischen Namenskonvention bestehend aus dem Vornamen Thefarie und dem Gentilnamen Velianas Allgemein wird angenommen dass das I am Ende des Vornamens einen Schreibfehler darstellt Wortart und Bedeutung des nachfolgenden SAL CLUVENIAS sind unbekannt TURUCE bedeutet hat gegeben und bezieht sich auf Thefarie Velianas als Subjekt Ungeklart ist was Thefarie Velianas gegeben oder geschenkt hat und ob der Satz mit TURUCE abschliesst oder das nachfolgende Genitivpaar MUNISTAS THUVAS einschliesst 20 TAMERA bedeutet Kammer und entspricht dem TW aus dem phonizischen Text aber die syntaktische Form von TAMERESCA ist unbekannt ILACVE dient der Angabe eines bestimmten Zeitpunkts und tritt mit TULERASE und ALSASE auf die Monate oder Festtage bezeichnen konnten Die Bedeutung von CHURVAR ist unbekannt TESIAMEITALE scheint eine weitere Spezifizierung eines Datums zu sein NAC ist eine zeitliche Konjunktion und CI AVIL bedeutet drei Jahre ATRANES ist ein unbekannter Genitiv ZILACAL ist der Genitiv von ZILAC einer Bezeichnung fur einen Magistrat Der Genitiv SELEITALA setzt sich aus SELE und dem Demonstrativpronomen ITA zusammen Die Bedeutung von ACNASVERS ist unbekannt ITANIM scheint ein Akkusativ des Demonstrativpronomens ITA zu sein und steht in Verbindung zum Verb HERAMVE AVIL bedeutet wieder Jahr im Sinn von im Jahr oder wahrend des Jahres ENIACA ist unbekannt PULUMCHVA ist Plural von PULUM Da am Ende des phonizischen Textes Sterne steht wird haufig angenommen dass PULUMCHVA ebenfalls Sterne bedeutet 21 Dem etruskischen Text ist zu entnehmen dass Thefarie Velianas im Heiligtum von Pyrgi einen Ort und ein Objekt der Gottin Uni geweiht hat Der Stifter wird hier nicht als Herrscher uber Caisra bezeichnet sondern in einem unklaren Zusammenhang zum Stadtstaat von Caisra Anschliessend wird eine Schenkung erwahnt und ein Zeitraum von drei Jahren der sich auch im phonizischen Text findet Unklar ist ob sich der etruskische Magistratstitel ZILAC auf Thefarie Velianas bezieht Der Schlussteil scheint wieder dem phonizischen Text zu entsprechen 19 Goldblech B mit etruskischer Inschrift Bearbeiten nbsp nbsp NAC THEFARIE VEL IIUNAS THAMUCE CLEVA ETANAL MASAN TIUR UNIAS SELACE V ACAL TMIAL A VILCHVAL AMUC E PULUMCHV A SNUIAPH 22 Der zweite etruskische Text auf Goldblech B besitzt keine phonizische Parallele und ist wesentlich kurzer Er wurde wahrscheinlich mehrere Jahre spater verfasst und nimmt anscheinend Bezug auf den Inhalt der beiden vorangegangenen Inschriften NAC THEFARIE VELIIUNAS THAMUCE CLEVA ETANAL MASAN TIUR UNIAS SELACE VACAL TMIAL AVILCHVAL AMUCE PULUMCHVA SNUIAPH 17 Die Inschrift beginnt mit der zeitlichen Konjunktion NAC vielleicht mit der Bedeutung als oder nachdem und dem Namen des Stifters von Goldblech A diesmal in der Schreibweise THEFARIE VELIIUNAS Es folgt THAMUCE mit der Bedeutung hat bereitgestellt CLEVA steht fur Opfergabe ETANAL ist ein unbekannter Genitiv MASAN scheint ein Monatsname zu sein da TIUR fur Monat steht UNIAS ist der adjektivische Genitiv der Gottin Uni SELACE ist ein Verb in der dritten Person Perfekt VACAL steht fur ein Ritual und TMIAL ist der Genitiv von TMIA mit der moglichen Bedeutung Tempel AVILCHVAL bedeutet jahrlich und AMUCE ist gewesen PULUMCHVA konnte wieder fur Sterne stehen und SNUIAPH konnte wieder ein Ritual sein Gelegentlich wird vermutet dass SNUIAPH das etruskische Zahlwort fur 12 ist und sich der Zeitraum dadurch auf zwolf Jahre bemisst Dagegen spricht dass SNUIAPH weder ZAL fur 2 noch SAR fur 10 enthalt 23 Auf Goldblech B wird also an Zeremonien erinnert die Thefarie Velianas im Monat Masan abhalten liess Dazu kommt noch ein Ritual das jahrlich im Tempel abgehalten worden ist und in Beziehung zum Ende der Inschrift von Goldblech A steht Bemerkenswert ist dass in dieser Inschrift die Gottin Astarte nicht mehr erwahnt wird Mit Sicherheit nehmen alle drei Texte Bezug auf dieselben Personen Ereignisse und Objekte Es gibt aber auch einige fehlende Entsprechungen In den etruskischen Texten findet sich jeweils kein unmittelbares Pendant zum phonizischen SR QDS heiliger Ort MLK Konig KYSRY Caisra und zu zahlreichen anderen Vokabeln wie umgekehrt auch viele etruskischen Worter keine Entsprechung in der punischen Inschrift zu haben scheinen Der phonizische und der etruskische Text auf Goldblech A stellen in dem Sinn keine echte Bilingue dar als dass die Inhalte der Inschriften nicht wortlich ubereinstimmen Man spricht daher auch von einer Quasi Bilingue 24 Trotz der vielen Parallelen ist eine wortliche Ubersetzungen der etruskischen Inschriften nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht moglich 25 Hintergrund Bearbeiten nbsp Namenszug THEFARIE VELIANAS auf Goldblech ADie Goldbleche zahlen zu den ersten sicheren Zeugnissen einer historischen Personlichkeit Etruriens Thefarie Velianas scheint kein Konig gewesen zu sein aber vielleicht ein Alleinherrscher nach Art griechischer Tyrannen Wahrscheinlicher erscheint dass Thefarie Velianas oberster Magistrat eines republikanischen Stadtstaats war wie der etruskische Text nahelegt 26 Der Vorname Thefarie und seine lateinische Entsprechung Tiberius stehen in Verbindung zum nahe gelegenen Fluss Tiber 27 nbsp Einflussgebiete der Etrusker blau der Phonizier grun und der Griechen gelb um 510 v Chr Die Goldbleche dokumentieren auch die engen Beziehungen zwischen den Etruskern und den Puniern wie die Romer die Phonizier aus Nordafrika und insbesondere aus Karthago nannten Dieses etruskisch phonizische Bundnis bildete ein Gegengewicht zur griechischen Expansion im westlichen Mittelmeerraum In einer fruheren philhellenischen Phase hatte Caisra dagegen politisch wirtschaftliche Kontakte insbesondere zu Sybaris Diese Veranderung konnte mit dem Untergang von Sybaris um 510 v Chr zusammenhangen Offenbar wurde jetzt der Einfluss der Phonizier so gross dass Thefarie Velianas als Herrscher von Caisra der fremdlandischen Gottin Astarte einen Kultort bereitstellte und dies durch eine phonizische Inschrift publik machte 28 Vielleicht wollte Thefarie Velianas in die Gunst seiner machtigen Verbundeten kommen oder er war den Puniern untergeordnet und die Tafeln spiegeln diese Situation wider 29 Denkbar ist auch dass Thefarie Velianas erst mit Hilfe der Karthager an die Macht gelangt ist Nach mehreren Jahren hatte sich seine Position so weit gefestigt dass er die Unterstutzung der Karthager nicht mehr benotigte Deshalb gab es auch keine phonizische Ubersetzung der zweiten etruskischen Inschrift und die Gottin Astarte wurde nicht mehr genannt Vielleicht war die erhoffte Hilfe auch ausgeblieben 30 474 v Chr unterlagen die verbundeten Etrusker und Phonizier den Griechen unter Hieron I von Syrakus in der Seeschlacht von Kyme Diese etruskisch phonizische Allianz hatte 535 v Chr in der Seeschlacht von Alalia die Griechen noch besiegen konnen Bemerkenswert ist dass in dieser Zeit des allmahlichen Niedergangs der etruskischen Kustenstadte der Tempel A in Pyrgi errichtet wurde der zu den grossten in Etrurien zahlte und uberreich mit Architektur Terrakotten geschmuckt war 31 Datierungen BearbeitenDer Zeitpunkt der Herstellung der Goldbleche ist nicht sicher und umstritten Die Datierung reicht vom spaten 6 Jahrhundert v Chr bis in das fruhe 4 Jahrhundert v Chr Die Intensivierung der Beziehungen zu den Phoniziern lasst eine Entstehung nach 500 v Chr vermuten Fur eine jungere Datierung spricht dass sich Formen einzelner Buchstaben auch in Inschriften aus dem 4 Jahrhundert v Chr finden 32 Das phonizische Goldblech und Goldblech A durften gleichzeitig hergestellt worden sein Goldblech B mit der kurzeren Inschrift scheint spater entstanden sein vielleicht auch erst mehrere Jahre spater Alle drei Goldbleche waren wahrscheinlich an der Tur zur Cella von Tempel B angebracht 33 nbsp Ausgrabungsstatte von Pyrgi mit dem etruskischen Heiligtum und der romischen MilitarkolonieUngeklart ist auch zu welchem Zeitpunkt die Goldbleche unter den Erdboden gelangten Zunachst lassen die Schmelzungen der Goldbleche sich nur durch einen Brand erklaren Falls die Goldbleche auf die Flugel einer oder mehrerer Turen genagelt waren durften sie durch das Feuer und herabsturzende Teile des Gebaudes insbesondere des Daches in Mitleidenschaft gezogen worden sein Tatsachlich wurden bei der Ausgrabung zahlreiche verkohlte Reste von Holz und anderem Material gefunden Ungeklart ist wann dieses Feuer ausbrach und ob es sich dabei um einen unbeabsichtigten Unglucksfall oder um eine geplante Aktion handelte Weitere Funde in der Einfriedung in der sich die Goldbleche befanden lassen jedenfalls Ruckschlusse auf das ausgehende 4 Jahrhundert oder das fruhe 3 Jahrhundert v Chr zu Hier kommen die historischen Ereignisse in Betracht die zum Ende der Unabhangigkeit von Caisra fuhrten Zu Beginn des 3 Jahrhunderts v Chr wurde nordwestlich des Heiligtums an einem Kustenvorsprung eine romische Militarkolonie gegrundet Ab etwa 270 v Chr geriet Caisra vollstandig unter romische Herrschaft Die Goldbleche scheinen aber nicht in einer akuten Kriegssituation vergraben worden zu sein 34 Man fand sie sorgfaltig eingerollt zusammen mit Nageln 26 Rezeption BearbeitenDer vollig unerwartete Fund der drei Goldbleche verhalf der Etruskologie die bis dahin eher ein Randgebiet innerhalb der klassischen Altertumswissenschaften dargestellt hatte zu einem enormen Aufschwung Durch Forschungen in Tarquinia war bereits zwischen 1950 und 1960 das Interesse fur die Etrusker wiederbelebt worden Die Entdeckung wurde von der Fachwelt und der Offentlichkeit mit grosser Begeisterung aufgenommen Monatelang publizierten die Tagespresse und die Illustrierten Berichte uber etruskische Denkmaler und die bekanntesten etruskischen Grabungszonen Die Protagonisten der Ausgrabung darunter Massimo Pallottino und Giovanni Colonna wurden ausfuhrlich interviewt und veroffentlichten zusammen mit anderen Spezialisten fur den phonizischen Bereich und die technischen Aspekte in kurzester Zeit entsprechende Publikationen zur Entdeckung der Goldbleche 35 Allerdings waren nicht nur die Wissenschaftler der Universitat La Sapienza aus Rom sondern auch alle anderen Etruskologen vollig unvorbereitet fur die wissenschaftliche Aufarbeitung des Funds Es offenbarten sich bald mangelnde Praparation und institutionelle Schwachen Es scheint denkbar dass unmittelbar nach der Entdeckung der Goldbleche wertvolle Indizien verloren gegangen sind So sind z B der genaue Ort und die Struktur des Fundorts nicht hinreichend dokumentiert Ebenso wenig ist der Verbleib einiger Objekte geklart die zusammen mit den Goldblechen in dem so genannten Becken entdeckt worden sind Zunachst gab es von den Goldblechen nur wenige und nicht sehr gute fotografische Aufnahmen und die Abzeichnungen der Inschriften orientierten sich fast ausschliesslich an den ursprunglichen von Mauro Cristofani angefertigten Abschriften Erst spater wurden genauere Untersuchungen der Goldbleche vorgenommen die Vorzeichnungen fur die Buchstaben Uberarbeitungen und Streichungen zum Vorschein brachten Die Autoren der Erstveroffentlichungen hatten die Hoffnung mit Hilfe des phonizischen Texts die etruskische Sprache tiefgreifend entschlusseln zu konnen Man glaubte linguistische Probleme des Satzbaus der Wortformen und syntaktischen Beziehungen und daruber hinaus die Bedeutung vieler Worter klaren zu konnen Bald wurde den Beteiligten aber klar dass die Goldbleche keine echte Bilingue darstellten sondern nur Bezug auf dieselben Personen Ereignisse und Objekte nahmen Dadurch wurden wesentliche Fortschritte in der Entschlusselung der etruskischen Sprache verhindert Immerhin hat sich seitdem die Zahl der Spezialisten auf dem etruskologischen Gebiet vervielfacht was wiederum sogar andere Forschungsgebiete ausserhalb des etruskischen und phonizischen Sektors begunstigte 36 Die Entdeckung der Goldbleche fiel mit einer Neuausrichtung in der Erforschung der etruskischen Sprache zusammen und hat diese zum Teil sicher beeinflusst Die Inschriften wurden nun auch in ihrem historischen und geographischen Kontext betrachtet der die Verwurzelung der Etrusker im antiken Italien und auch im antiken Mittelmeerraum widerspiegelt Auch epigraphische Denkmaler die sich seit vielen Jahrzehnten in Museen und Sammlungen befanden unterzog man einer erneuten Untersuchung und versuchte archaologische und historische Bezuge zur Fundstatte zu rekonstruieren Daneben begann man in internationaler Zusammenarbeit etruskische Inschriften zu sammeln und neu zu ordnen oder bestehende Sammlungen zu erganzen darunter das Corpus Inscriptionum Etruscarum und die Testimonia Linguae Etruscae 37 Literatur BearbeitenMassimo Pallottino Etruskologie Geschichte und Kultur der Etrusker 7 Auflage Springer Basel 1988 ISBN 303486048X James Thomas Hooker Hrsg Reading the Past Ancient Writing from Cuneiform to the Alphabet University of California Press Berkeley 1990 ISBN 0520074319 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung In Antike Welt 22 1991 S 119 126 Sybille Haynes Etruscan Civilization A Cultural History Getty Publications Los Angeles 2000 ISBN 0892366001 Paolo Agostini Adolfo Zavaroni The bilingual Phoenician Etruscan text of the golden plates of Pyrgi In Filologija Nr 34 Zagreb 2000 S 3 48 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction 2 Auflage Manchester University Press Manchester New York 2002 ISBN 0719055407 Friederike Bubenheimer Erhart Die Etrusker Philipp von Zabern Darmstadt 2014 ISBN 9783805348058 Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties In Vincenzo Bellelli Paolo Xella Hrsg Le lamine di Pyrgi Studi Epigrafici e Linguistici Nr 32 33 2015 2016 S 135 156 Nancy Thompson de Grummond Lisa Pieraccini Hrsg Caere University of Texas Press Austin 2016 ISBN 9781477310465 Badisches Landesmuseum Karlsruhe Hrsg Die Etrusker Weltkultur im antiken Italien Theiss Verlag Stuttgart 2017 ISBN 9783806236217 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Goldbleche von Pyrgi Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Lamine d oro da Pyrgi Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia abgerufen am 8 August 2020 Lamine di Pyrgi In Lingua Etrusca Massimo Pittau abgerufen am 7 September 2020 Einzelnachweise Bearbeiten Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia Lamine d oro da Pyrgi Nancy Thompson de Grummond Lisa Pieraccini Hrsg Caere S 45 Nancy Thompson de Grummond Lisa Pieraccini Hrsg Caere S 5 Sybille Haynes Etruscan Civilization A Cultural History S 175 176 Paolo Agostini Adolfo Zavaroni The bilingual Phoenician Etruscan text of the golden plates of Pyrgi S 4 James Thomas Hooker Hrsg Reading the Past Ancient Writing from Cuneiform to the Alphabet S 346 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 120 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 123 Corpus Inscriptionum Etruscarum CIE 6316 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction S 67 Paolo Agostini Adolfo Zavaroni The bilingual Phoenician Etruscan text of the golden plates of Pyrgi S 9 10 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction S 222 Nancy Thompson de Grummond Lisa Pieraccini Hrsg Caere S 41 a b Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 126 Paolo Agostini Adolfo Zavaroni The bilingual Phoenician Etruscan text of the golden plates of Pyrgi S 14 16 Corpus Inscriptionum Etruscarum CIE 6314 Testimonia Linguae Etruscae TLE 874 a b Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties S 138 Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties S 138 140 a b Massimo Pallottino Etruskologie Geschichte und Kultur der Etrusker S 421 Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties S 140 142 Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties S 142 146 Corpus Inscriptionum Etruscarum CIE 6315 Testimonia Linguae Etruscae TLE 875 Ignasi Xavier Adiego The Etruscan Texts of the Pyrgi Golden Tablets Certainties and Uncertainties S 146 149 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction S 65 Nancy Thompson de Grummond Lisa Pieraccini Hrsg Caere S 46 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction S 67 68 a b Friederike Bubenheimer Erhart Die Etrusker S 85 Giuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction S 68 Massimo Pallottino Etruskologie Geschichte und Kultur der Etrusker S 160 Paolo Agostini Adolfo Zavaroni The bilingual Phoenician Etruscan text of the golden plates of Pyrgi S 5 Massimo Pittau Lamine di Pyrgi Massimo Pallottino Etruskologie Geschichte und Kultur der Etrusker S 187 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 123 Badisches Landesmuseum Karlsruhe Hrsg Die Etrusker Weltkultur im antiken Italien S 284 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 121 122 Giovanni Colonna Massimo Pallottino Licia Vlad Borrelli Giovanni Garbini Scavi nel santuario etrusco di Pyrgi Relazione preliminare della settima campagna 1964 e scoperta di tre lamine d oro inscritte in etrusco e in punico In Archeologia Classica 16 1964 S 49 117 Giovanni Colonna Il Santuario di Pyrgi alla luce delle recenti scoperte In Studi Etruschi 33 1965 S 191 220 Alessandro Morandi Die Goldbleche von Pyrgi Indizien fur eine neue Lesung S 119 James Thomas Hooker Hrsg Reading the Past Ancient Writing from Cuneiform to the Alphabet S 331 332 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Goldbleche von Pyrgi amp oldid 231098260