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Die Gletscherarchaologie ist ein Spezialgebiet der Archaologie das sich mit archaologischen Fundstucken befasst die in Gletschern eingeschlossen waren und beim Auftauen des Eises freigelegt wurden Archaologische Erhebungen an der ehemaligen Gebirgsfront des Ersten Weltkriegs Punta Linke im Ortler Massiv Inhaltsverzeichnis 1 Erhaltung von Fundstucken im Gletschereis 2 Gletscherleichen 2 1 Umgang mit Gletscherleichen und ahnlichen Funden 3 Weitere Funde 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseErhaltung von Fundstucken im Gletschereis BearbeitenIm Nahrgebiet eines Gletschers wird der Firn zu Gletschereis und schliesst dabei organische und anorganische Gegenstande ein wie beispielsweise Korper von Menschen und Tieren Pflanzenreste sowie Ausrustungsteile und Abfalle von Menschen Durch die Kalte konnen die Gegenstande dabei gut erhalten werden organisches Material kann sogar konserviert werden Wahrend das Eis langsam talwarts fliesst nimmt es auch die Gegenstande mit und gibt sie schlussendlich durch Abschmelzung wieder frei Im Zehrgebiet beim Auftauen des Eises werden die Gegenstande freigelegt Im Jahresverlauf erreicht die Eisschmelze auf der Nordhalbkugel in der Regel im Monat September ihren hochsten Stand so dass zu dieser Zeit auch die Wahrscheinlichkeit archaologischer Funde sehr hoch ist Gletscherleichen Bearbeiten nbsp Gletscherleiche Otzi Besonderes Aufsehen erregen Funde durch die Kalte konservierter Mumien sogenannte Gletscherleichen Durch den Einschluss im Gletschereis werden organische Gegenstande mumifiziert und konnen so Jahrtausende uberdauern Wahrend eine solche Frostkonservierung an kalten trockenen und gut belufteten Orten haufig sehr gut funktioniert etwa im Permafrostboden beispielsweise in sogenannten Eiskurganen sind die Bedingungen zur Erhaltung in einem Gletscher abgesehen von der Kalte meist nicht sehr gut Weiche organische Materialien werden durch die enormen Krafte im Inneren eines Gletschers meist schnell aufgelost Selbst wenn dies nicht der Fall ist werden sie meist in Abhangigkeit von der Fliessgeschwindigkeit relativ schnell wieder freigegeben Es wird angenommen dass dies meist bereits nach 100 bis 200 Jahren der Fall ist Die meisten Gletscherleichen datieren daher aus historischer Zeit Ein weiterer Grund dafur ist die haufigere Begehung von Gletschern in jungerer Zeit 1 Voraussetzung fur eine Erhaltung organischer Materialien ist eine gunstige Lage im Eis etwa auf hoheren flachen Firnfeldern allgemein aber in einer relativ ruhenden Zone des Eises 1 Neben dem fliessenden Eis gibt es vereinzelt Vertiefungen wo sich Eis uber langere Zeit stationar halt und das jetzt wegen der globalen Klimaerwarmung auftaut Der Vorteil dieser stationaren Eismassen liegt darin dass die beim Fliessen eines Gletschers entstehenden Krafte auf die eingeschlossenen Gegenstande nur gering sind und so die Fundstucke sehr gut erhalten sein konnen So fanden sich am Schnidejoch einem Gebirgspass zwischen den Schweizer Kantonen Bern und Wallis Fundstucke fruherer Passganger aus verschiedenen Zeitepochen 2 3 Die beruhmte Gletschermumie Otzi wiederum befand sich in einer rund 40 m langen 2 5 3 m tiefen und 5 8 m breiten Felsmulde 4 uber die sich uber 5300 Jahre lang ein Gletscher hinweg bewegte ohne das Eis im Untergrund zu verandern Apern organische Substanzen aus so zerfallen sie meist relativ schnell Wichtig ist daher in jedem Fall eine moglichst rasche und fachgerechte Bergung solcher Fundstucke Es wird vermutet dass Funde von Gletscherleichen bereits lange vor der Zeit ihrer wissenschaftlichen Erforschung vorkamen Ein Indiz dafur sind zahlreiche Volkssagen Ahnlich wie Moore werden hier Gletscher als Wohnstatte dorthin verbannter armer Seelen beschrieben die hier keine ewige Ruhe finden siehe beispielsweise Grossglockner 1 Umgang mit Gletscherleichen und ahnlichen Funden Bearbeiten Da es heute durch das beschleunigte Abschmelzen von Gletschern haufiger zu Funden von neuzeitlichen Gletscherleichen z B vermisste Bergsteiger kommt die durch Rechtsmediziner identifiziert werden mussen gelten folgende Regeln mit derartigen Funden Funde moglichst nicht beruhren Funde fotografieren Fundstelle markieren zum Beispiel mit einem Steinmannchen und die Koordinaten notieren Funde bei der Polizei melden Wenn Gefahr droht dass die Fundstelle nicht wiedergefunden werden kann zum Beispiel Schneefall oder die Funde drohen an eine unzugangliche Stelle abzurutschen sollen die Funde mitgenommen und bei der nachsten Polizeistelle abgegeben werden 5 Weitere Funde BearbeitenAuch bei den weniger spektakularen Funden von Gegenstanden handelt es sich meist um relativ junge Bergsteigerausrustung Auch hier ist das Fliessen des Gletschers ein Grund die geringere Anwesenheit von Menschen vor dem Zeitalter des Alpinismus ein weiterer Die Erosionskrafte des Gletschers beeintrachtigen solche Funde hingegen weniger sie bleiben auch nach ihrer Ausaperung langer erhalten Insbesondere Metall aber auch Holzgegenstande weisen oft einen guten Erhaltungszustand auf So wurden etwa am Lotschberg in der Schweiz 1944 neolithische Bogen und Armbrustbolzen sowie seit 2011 einige bronzezeitliche Funden 6 gefunden der Theodulgletscher Schweiz gab 1985 neben menschlichen Uberresten unter anderem Waffen und Munzen aus dem 16 Jahrhundert frei 1 7 Die alteste archaologische Funde der Alpen sind die Hinterlassenschaften mesolithische Jager Fischer Sammler welchen nahe der Fuorcla da Strem Sut DE Stremlucke vor 8000 bis 10 000 Jahre Bergkristall abbaute um daraus Werkzeuge zu machen 8 9 Jungere archaologische Funde im Gletschereis stammen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg In diesem Zusammenhang steht die Gletscherarchaologie im engen Zusammenspiel mit der Schlachtfeldarchaologie Insbesondere an der ehemaligen Tiroler Gebirgsfront zwischen Italien und Osterreich Ungarn geben die Gletscher immer wieder Kriegsmaterial Stellungsreste oder sogar ganze Leichen frei So wurden beispielsweise 2004 im Eis unterhalb des Gipfels der Punta San Matteo 3678 m im Ortler Massiv die mumifizierten Reste von drei k k Kaiserschutzen gefunden die beim Gefecht am San Matteo im Sommer 1918 gefallen waren 10 Aus dem Zweiten Weltkrieg sind abgesturzte Kampfflieger uber die Jahrzehnte vom Eis in die Lange gezogen Die Ausstattung der Besatzung weist neben der Kleidung auch Erinnerungs und Alltagsgegenstande sowie Schriftdokumente auf Flugzeugabsturze in einem Gletschergebiet konnen durch Dokumente und Protokolle nachgewiesen sowie sicher gedeutet werden Ziemlich bekannt in diesem Zusammenhang ist etwa der Flugzeugabsturz auf dem Gauligletscher oder die beiden Air India Absturze auf dem Glacier des Bossons Siehe auch BearbeitenJournal of Glacial Archaeology alparch Webseite DE FR IT RO EN zur Gletscherarchaologie in der Schweiz vom Konferenz der Schweizer KantonsarchaologienLiteratur BearbeitenMatthias Schulz Hoffen auf Hannibal In Der Spiegel Nr 37 2003 online Weblinks BearbeitenKarin Schlott Der eisige Pass der Wikinger in Spektrum de vom 16 April 2020 Karin Schlott 1300 Jahre alte Skier fast wie neu in Spektrum de vom 5 Oktober 2021Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Werner Meyer Der Soldner vom Theodulpass und andere Gletscherfunde aus der Schweiz In Frank Hopfel Werner Platzer Konrad Spindler Hrsg Der Mann im Eis Bericht uber das internationale Symposium in Innsbruck 1992 2 Auflage Band 1 Eigenverlag Universitat Innsbruck Innsbruck 1992 ISBN 3 901249 01 X S 321 333 M Grosjean P J Suter M Trachsel und H Wanner Ice borne prehistoric finds in the Swiss Alps reflect Holocene glacier fluctuations Memento vom 30 Januar 2012 im Internet Archive PDF 284 kB Regula Gubler Berner Alpen Archaologie auf dem Schnidejoch PDF In Berner Alpen Archaologie auf dem Schnidejoch Archaologischer Dienst des Kantons BernService archeologique du canton de BerneService des batiments monuments et archeologie du canton du ValaisDienststelle fur Hochbau Denkmalpflege und Archaologie des Kantons Wallis 1 Juni 2019 abgerufen am 11 Juli 2019 Sudtiroler Archaologiemuseum Die Fundstelle Sudostschweiz Nach mehr als 50 Jahren Leiche eines Vermissten identifiziert Regula Gubler Berner Alpen Archaologie auf dem Lotschenpass PDF Archaologischer Dienst des Kantons BernService archeologique du canton de BerneService des batiments monuments et archeologie du canton du ValaisDienststelle fur Hochbau Denkmalpflege und Archaologie des Kantons Wallis 1 Juni 2019 abgerufen am 11 Juli 2019 Sophie Providoli Patrick Elsig Philippe Curdy 400 Jahre im Gletschereis Der Theodulpass bei Zermatt und sein Soldner In Reihe des Geschichtsmuseums Wallis Band 13 Sion 2015 Marcel Cornelissen 8000 Jahre Bergkristallabbau zwischen Uri und Graubunden In M Cimelli Hrsg SAGW Bulletin Dossier Gletscherarchaologie Band 2 SAGW Bern 1 Mai 2019 S 41 sagw ch PDF Thomas Reitmaier et al Spatmesolithischer Bergkristall abbau auf 2800 m Hohe nahe der Fuorcla da Strem Sut Kt Uri Graubunden CH In Archaologisches Korrespondenzblatt Band 46 Nr 2 2016 S 133 148 doi 10 11588 ak 2016 2 89924 WWI bodies are found on glacier In news bbc co uk 23 August 2004 abgerufen am 26 August 2022 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gletscherarchaologie amp oldid 237899263