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Als Gleichgultige Ecke mitunter auch Vier gleichgultige Ecken bezeichnete der Berliner Volksmund in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts den Ort wo die Jagerstrasse in Berlin Mitte in die Oberwallstrasse mundet Die Gleichgultige Ecke oberhalb des Hausvogteiplatzes wo von links die Jagerstrasse auf die Oberwallstrasse trifft Ausschnitt aus einem Berlin Stadtplan von 1847 Ansicht der Jagerstrasse und der Oberwallstrasse um 1850 Mitte Bankgebaude links und rechts Ladeneingange von Gladebeck Lampen sowie von Treu amp Nuglisch Hoflieferant Inhaltsverzeichnis 1 Ladengeschafte an der Gleichgultigen Ecke 2 Berliner Redensart 3 Literatur 4 EinzelnachweiseLadengeschafte an der Gleichgultigen Ecke BearbeitenAn der Einmundung der Jager in die Oberwallstrasse vis a vis der Koniglichen Hauptbank der spateren Preussischen Bank gab es vier Ladenlokale die mit vier Redensarten zum Thema Gleichgultigkeit verbunden wurden der Kerzen und Ollampenladen alles Schnuppe an der Oberwallstrasse 14 16 Inhaber war der erstmals 1822 mit seinem damaligen Kompagnon dem Kerzenzieher und Seifensieder C Hartwig an der Oberwallstrasse Nr 16 erwahnte 1 Ferdinand Ludolf Gladebeck 1799 7 Mai 1868 das Seifen und Parfumeriegeschaft Treu amp Nuglisch alles Pomade in dem 1829 von Adolf Nuglisch erworbenen Haus Jagerstrasse 33 der am 28 September 1839 in der Jagerstrasse 41 eroffnete Fruhstuckskeller des Fleisch und Wurstwarenhandlers alles Wurscht Ludwig Friedrich Niquet 20 Februar 1807 31 August 1886 2 der als Hausdiener bei Treu amp Nuglisch angefangen hatte und zu Wiener Wurstchen die er nach einem Gast namens Wiener so benannt haben soll 3 bayrisches Bier ausschenkte 4 der Konfektionar Louis Landsberger Jacke wie Hose der zuvor am Gendarmenmarkt Ecke Tauben und Markgrafenstrasse residierte 1857 das Haus Jagerstrasse 41 fur 110 000 Reichstaler erwarb und sein Geschaft fur Herrenbekleidung Oberwallstrasse 12 13 am 14 Dezember 1858 eroffnete 5 Mitunter wurde in diesem Zusammenhang auch die Bank genannt alles Schein 6 Mit dem Erweiterungsbau der Reichsbank den von 1869 bis 1876 Friedrich Hitzig leitete meldeten auswartige Zeitungen erstmals Berlin habe seine Gleichgultige Ecke verloren 7 Berliner Redensart BearbeitenEinen fruhen Beleg fur die Bezeichnung Gleichgultige Ecke bietet die Zeitschrift Die Gartenlaube im Jahrgang 1869 8 Als die Wendung 1882 in eine Liste Berliner Redensarten aufgenommen wurde 9 war sie bereits jahrzehntelang gelaufig Die Namensgebung und die damit verbundenen Redensarten zielen einerseits auf den sprichwortlichen Gleichmut der Berliner der vermutlich als preussische Tugend angesehen wurde Sie sind jedoch im Kontext zugleich ironisch gemeint und dialektisch zu verstehen Die mit den Redensarten verbundenen Lokale waren erste Adressen ihre Inhaber ambitionierte Kaufleute Louis Landsberger und Adolf Nuglisch waren erfolgreiche Aufsteiger die sich gegen franzosische Konkurrenz etablierten und deren Angebot auf hochste Qualitatsanspruche zielte Beide Firmen waren Hoflieferanten und wurden oft in Satiren Lokalpossen sowie im Kladderadatsch thematisiert Friedrich Niquet war der erste Gastwirt der auch weibliche Gaste bediente sein Ausschank wurde zur touristischen Sehenswurdigkeit Wer nach Berlin kam musste gerade so bei Niquet gewesen sein wie bei Kroll und im Opernhause 10 Ferdinand Ludolph Gladebeck engagierte sich in der Politik und war 1832 und 1838 stellvertretender Stadtverordneter 11 Jedenfalls konterkarierte die abfallige Bezeichnung den intensiven Werbeaufwand der Inhaber Von seinem fruheren Ladenlokal ist bekannt dass Louis Landsberger seinen Namen auf dem Ladenschild im brillantesten Gasflammenlichte illuminieren liess 12 Den Umzug in die Jagerstrasse nach einem grossen Ausverkauf kundigte er zum 14 Dezember 1858 in einer seiner zahlreichen Annoncen an 13 Die Auslage der Parfumerie Treu amp Nuglisch war 1833 mit einem Gemalde dekoriert das die romische Gottin Flora darstellte einer zeitgenossischen Satire zufolge reagierten Passanten keineswegs desinteressiert es kam vielmehr zu Menschenansammlungen und reger Debatte 14 Auch der dem Gendarmenmarkt der Preussischen Seehandlung dem Kronprinzenpalais und dem Hausvogtei Gefangnis benachbarte Ort selbst kann nicht als gleichgultig gelten Bereits im Vormarz befand sich im spateren Konfektionshaus Louis Landsberger die von Gustav Julius gegrundete Zeitungs Halle wo gegen eine Lesegebuhr die in und auslandische Presse zur Verfugung stand Sie galt als Hauptquartier der Wortfuhrer aller oppositionellen Parteien in Berlin und war nicht nur der Lese sondern auch der Sprech und Diskutiersaal derselben 15 In unmittelbarer Nahe wurden wichtige Salons der Hauptstadt in der Tradition von Rahel Varnhagen von Ense gegeben zum Beispiel der von Henriette Solmar die im Bankhaus wohnte Denkbar ist dass bei der Namensgebung der Lokalitat auch die Resignation uber das Scheitern der Revolution von 1848 und die Bereitschaft sich im Nachmarz mit den gegebenen Verhaltnissen der preussischen Monarchie abzufinden eine Rolle spielten 1906 erwarb das benachbarte Konfektionshaus Manheimer von Adolf Nuglischs Tochter Sidonie von Wilke das Geschaftslokal von Treu amp Nuglisch um es fur seinen Erweiterungsbau zu nutzen 16 Die Parfumerie und Seifenhandlung ubersiedelte in die Werderstrasse 7 17 Im August 1911 wurde das letzte noch stehende Haus der Gleichgultigen Ecke umgebaut 18 Der Keller von Friedrich Niquet war seit 1866 im Besitz von Carl Friedrich Roessner und existierte noch 1930 3 Literatur BearbeitenDie vier gleichgultigen Ecken In Berliner Tageblatt Jg 35 Abend Ausgabe Nr 171 3 April 1906 Digitalisat Nochmals die gleichgultige Ecke In Berliner Tageblatt Jg 35 Morgen Ausgabe Nr 174 5 April 1906 I Beilage Digitalisat Die Reste der gleichgultigen Ecke In General Anzeiger Beiblatt zum Berliner Tageblatt und zur Berliner Morgen Zeitung Nr 197 25 August 1911 Digitalisat Die Jagerstrasse Ein Berliner Kulturbild In Unterhaltungs Beilage zur Norddeutschen Allgemeinen Zeitung Nr 16 20 Januar 1910 Digitalisat Spottlust und Spitznamen Gleichgultige Ecke In die tageszeitung 4 Mai 1991 Beilage taz am Wochenende S 36 taz de Einzelnachweise Bearbeiten Ober Wallstrasse In Allgemeiner Wohnungsanzeiger fur Berlin Charlottenburg und Umgebungen 1822 S 380 Todesanzeige in Koniglich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats und gelehrten Sachen Nr 407 2 September 1886 Morgen Ausgabe 3 Beilage Web Ressource a b Im tiefen Keller sitz ich hier Drei unterirdische Berliner Weinstuben In Deutsche Allgemeine Zeitung Jg 69 Nr 605 30 Dezember 1930 Beilage Berliner Rundschau Web Ressource Inserat Roessner Niquet In Berliner Leben Nr 10 1914 S nach 16 zlb de Berlinische Nachrichten von Staats und gelehrten Sachen Nr 72 26 Marz 1857 Beilage Web Ressource Die Reichsbank In Kleine Kolnische Zeitung Sonntags Blatt Nr 31 2 August 1885 S 247 Web Ressource Vermischtes In Hallesches Tageblatt Jg 78 Nr 52 3 Marz 1877 Web Ressource Theodor Krause Aus der Welt jugendlicher Verbrecher in Berlin In Die Gartenlaube Heft 10 1869 S 153 155 Volltext Wikisource Fussnote zu S 154 Die Berliner Sprache mit Seitenblicken auf die englische Volkssprache Von einem Berliner Dritter Artikel In Der Bar Illustrierte Berliner Wochenschrift Eine Chronik furs Haus Jg 9 Nr 7 11 November 1886 S 92 zlb de Personalien In Norddeutsche Allgemeine Zeitung Jg 25 Nr 411 4 September 1886 Morgen Ausgabe S 5 Web Ressource Manfred A Pahlmann Anfange des stadtischen Parlamentarismus in Deutschland Die Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung unter der Preussischen Stadteordnung von 1808 Akademie Verlag Berlin 1997 Publikationen der Historischen Kommission zu Berlin S 250 262 Der Schlafrock als Eheprocurator In Fliegende Blatter 1856 Band 24 Nr 65 S 57 urn nbn de bsb10530857 00061 u001 Berlinische Nachrichten von Staats und gelehrten Sachen Nr 290 11 Dezember 1858 Beilage Web Ressource Die Sandalen In Intelligenzblatt fur Crefeld und die umliegende Gegend Nr 14 15 Februar 1833 zeitpunkt nrw Ludwig Pietsch Aus dem vormarzlichen Berlin In Berliner Pflaster Illustrirte Schilderungen aus dem Berliner Leben Hrsg v Moritz von Reymond und Ludwig Manzel W Pauli Berlin 1891 S 307 zlb de Historische Stadtplane von Berlin In histomapberlin de Abgerufen am 23 Juli 2022 Vergleiche heutigen Plan mit Plan von 1910 Geschaftliche Mittheilungen Die gleichgultige Ecke In Norddeutsche Allgemeine Zeitung 14 Marz 1907 Jg 46 Nr 62 Web Ressource Die Reste der gleichgultigen Ecke In General Anzeiger Beiblatt zum Berliner Tageblatt und zur Berliner Morgen Zeitung Nr 197 25 August 1911 Web Ressource 52 51433 13 39696 Koordinaten 52 30 51 6 N 13 23 49 1 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gleichgultige Ecke amp oldid 238546895