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Das Recht auf den gesetzlichen Richter genauer gesetzlich bestimmten Richter ist ein Justizgrundrecht das festlegt dass fur Rechtsstreitigkeiten und Prozesse bereits im Voraus bestimmt sein muss welches Gericht und welcher Richter zustandig ist Inhaltsverzeichnis 1 Deutschland 2 Osterreich 3 Schweiz 4 Europa 5 Historisches 5 1 Nationalsozialismus 5 2 Weimarer Republik 5 3 Kabinettsjustiz 6 Einzelnachweise 7 Siehe auch 8 WeblinksDeutschland BearbeitenDas Recht auf den gesetzlichen Richter ist in Deutschland in Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz GG und im 16 des Gerichtsverfassungsgesetzes GVG geregelt Es bedeutet dass jeder Anspruch hat auf eine im Voraus festgelegte und im Nachhinein uberprufbare Festlegung welcher Richter fur welchen Fall zustandig ist Hierdurch soll verhindert werden dass unter Verstoss gegen den Gesetzesvorbehalt errichtete Ausnahmegerichte Einfluss auf das Ergebnis eines konkreten Verfahrens nehmen Art 101 Abs 1 Satz 1 GG Die ortliche und sachliche Zustandigkeit der Gerichte sind im Gerichtsverfassungsgesetz bzw der Strafprozessordnung und der Zivilprozessordnung geregelt Der Gesetzgeber muss den gesetzlichen Richter jedoch nicht stets endgultig bestimmen 1 So besteht in Strafprozessen fur bestimmte Verfahren keine endgultige gesetzliche Bestimmung der ersten Instanz sondern eine bewegliche Zustandigkeit im Sinne einer Abhangigkeit von der Entscheidung der zustandigen Anklagebehorde zwischen verschiedenen Zustandigkeitsalternativen Ein Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus 24 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 3 GVG Amts oder Landgericht und 74a Abs 2 GVG Land oder Oberlandesgericht Trotz zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungskonformitat sog beweglicher Zustandigkeitsregelungen 1 2 ist die Frage ob der von der Staatsanwaltschaft gewahlte Richter als ein gesetzlicher Richter im Sinne des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verstanden werden kann nach wie vor umstritten 3 In Zivilprozessen kann sich das zustandige Gericht auch aus einer Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien oder der rugelosen Einlassung des Beklagten ergeben Die gerichtsinterne Verteilung der Geschafte auf die Spruchkorper regelt gem 21e GVG der durch das Prasidium festgelegte Geschaftsverteilungsplan Die Verteilung innerhalb des Spruchkorpers auf den erkennenden Richter regeln gem 21g GVG die dem Spruchkorper angehorenden Berufsrichter Wenn eine Entscheidung vom unzustandigen Gericht oder unzustandigen Spruchkorper innerhalb eines Gerichts gefallt wurde kann sie das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzen und ist mit einem Besetzungseinwand bzw einer Besetzungsruge in der Regel mit der Revision oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar Art 101 Abs 1 Satz 2 GG kann auch dadurch verletzt sein dass der Senat eines oberen Bundesgerichts die Verpflichtung zur Vorlage an den Grossen Senat ausser Acht lasst selbst wenn der Grosse Senat nur uber eine bestimmte Rechtsfrage zu entscheiden hat Dies gilt aber nur wenn die Nichtvorlage willkurlich nicht aber schon wenn sie nur rechtsirrtumlich ist 4 Willkur nach objektiven Kriterien liegt dann vor wenn Verfahrensfehler bei verstandiger Wurdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verstandlich sind und sich daher der Schluss aufdrangt dass sie auf sachfremden Erwagungen beruhen 5 Das wird angenommen wenn eine offensichtlich einschlagige Norm nicht berucksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird 6 Auch wenn ein Gericht entgegen einer gesetzlichen Vorschrift eine Rechtsfrage nicht zur Entscheidung an das Bundesverfassungsgericht BVerfG vorlegt 7 kann Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzt sein 8 Da auch der Gerichtshof der Europaischen Union EuGH in Luxemburg gesetzlicher Richter im Sinne des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG ist verletzt ein letztinstanzliches Gericht diese Garantie wenn es seiner Pflicht zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem Art 267 Abs 3 AEUV nicht nachkommt 9 Das Bundesverfassungsgericht uberpruft aber nur ob die Ablehnung einer Vorlage nicht mehr verstandlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist ein strengerer Massstab als die Willkurkontrolle wird durch Art 101 Abs 1 Satz 2 GG nicht gefordert 10 Gesetzlicher Richter kann im Ubrigen nur der unparteiische unbefangene Richter sein Art 97 Abs 1 GG Der gesetzliche Richter muss unbeteiligter Dritter sein 11 Aus bestimmten Grunden ist ein Richter deshalb kraft Gesetzes vom Richteramt ausgeschlossen Diese Grunde sind im Verfahren von Amts wegen zu berucksichtigen Bei Besorgnis der Befangenheit ist ein entsprechendes Ablehnungsgesuch erforderlich Osterreich BearbeitenIn Osterreich ist das Recht auf den gesetzlichen Richter in den Art 83 Abs 2 bzw 87 Abs 3 B VG verankert Schweiz BearbeitenAuch in der Schweiz folgt aus Artikel 29 der Bundesverfassung und aus der Europaischen Menschenrechtskonvention EMRK dass das Recht auf den Gesetzlichen Richter besteht Jedoch sind das Bundesgericht und die Praxis generell der Meinung das schweizerische System der Zuteilung von Richtern nach der Geschaftslast sei zulassig Dieses Vorgehen sei pragmatisch und der Rechtspflege dienlich Vorbildfunktion nimmt in der Schweiz allenfalls das Bundesverwaltungsgericht ein welches mit einer Zuteilungssoftware das Spannungsfeld zwischen Geschaftslast und Fachkenntnissen einzelner Richter einerseits und dem Recht auf Gesetzlichen Richter andererseits zu kontrollieren versucht dabei werden die Richter dann durch den Computer zugeteilt was jegliche Einflussnahme bei der Zuteilung ausschliessen soll Europa BearbeitenDie Europaische Menschenrechtskonvention EMRK gewahrt das Recht auf einen gesetzlichen Richter in Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK auf Danach hat jede Person ein Recht darauf dass uber Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Anspruche und Verpflichtungen oder uber eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhangigen und unparteiischen auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren offentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird Nach Art 47 Abs 2 der Europaischen Grundrechtecharta GrCH hat jede Person ein Recht darauf dass ihre Sache von einem unabhangigen unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren offentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird 12 13 Historisches BearbeitenNationalsozialismus Bearbeiten Im Nationalsozialismus wurde das Recht auf den gesetzlichen Richter mit Schnell und Sondergerichten wie dem Volksgerichtshof ausser Kraft gesetzt An Berufungen oder Revisionen war in diesen Schnellgerichten die zahlreiche Todesurteile fallten nicht zu denken Weimarer Republik Bearbeiten Auch die Weimarer Republik war nicht ganz frei davon in bestimmten Verfahren einen bestimmten Richter zuzuordnen obwohl die Weimarer Reichsverfassung in Artikel 105 das Recht auf den gesetzlichen Richter eindeutig vorsah Kabinettsjustiz Bearbeiten Historischer Hintergrund des Rechts auf den gesetzlichen Richter ist die Kabinettsjustiz absolutistischer Zeiten Der Monarch als oberster Gerichtsherr konnte damals fur ein bestimmtes Verfahren ad hoc einen zustandigen Richter bestimmen oder ablosen oder auch die Sache an sich ziehen und selbst entscheiden und auf diese Weise Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen Einzelnachweise Bearbeiten a b BVerfGE 9 223 Anklage beim Landgericht BVerfGE 22 254 Wiebke Arnold Bewegliche Zustandigkeit versus gesetzlicher Richter ZIS 2008 S 92 100 BVerfG Beschluss vom 11 Mai 1965 2 BvR 259 63 Rdnr 15 abgedruckt NJW 1965 S 1323 und 1324 BVerfGE 4 1 7 1 2 Vorlage Toter Link sorminiserv unibe ch Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im November 2022 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis Bindung durch Rechtsinstanz Kissel GVG 5 Auflage 2008 RN 52 BVerfG NJW 2018 686 BVerfG 1 BvR 1631 08 bundesverfassungsgericht de BVerfG Beschluss vom 22 Oktober 1986 2 BvR 197 83 BVerfGE 73 339 366 ff EuGRZ 1987 10 17 ff Solange lI Beschluss Beschluss vom 31 Mai 1990 2 BvL 12 88 u a BVerfGE 82 159 194 ff EuGRZ 1990 377 387 f Sonderabgabe fur Absatzfonds Ingo Kraft Der Einfluss des Art 6 EMRK auf die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit EuGRZ 2014 S 666 675 Kissel GVG 5 Auflage 2008 RN 31 vgl dazu den Vorlagebeschluss VG Wiesbaden Beschluss vom 28 Marz 2019 6 K 1016 15 Markus Sehl Vorlage aus Wiesbaden an den EuGH VG Richter zweifelt an Unabhangigkeit seines Gerichts LTO 9 Mai 2019Siehe auch BearbeitenRecht auf ein faires VerfahrenWeblinks BearbeitenFragen zum gesetzlichen Richter auf fragensammlung at BVerfGE 4 412 BVerfGE 6 45 BVerfGE 9 223 BVerfGE 17 294 WRV Artikel 105 Weimarer ReichsverfassungBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4157105 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesetzlicher Richter amp oldid 234297815