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Georgios Gemistos Gewrgios Gemistos Geṓrgios Gemistos um 1355 1360 in Konstantinopel 26 Juni 1452 in Mystras in der Nahe des antiken Sparta war ein griechischer Philosoph in der Tradition des Platonismus Er ist in erster Linie unter seinem ab 1439 verwendeten Pseudonym Plethon Plh8wn Plḗthōn der Reichhaltige bekannt das er als schonere und altertumlicher klingende Wiedergabe der Bedeutung seines Geburtsnamens Gemistos der Gefullte wahlte Mutmassliche Darstellung des Georgios Gemistos auf einem wohl 1459 1460 entstandenen Gemalde von Benozzo Gozzoli Palazzo Medici Riccardi Florenz Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Antichristliche Position 3 Verfassungstheorie 4 Aristoteleskritik 5 Ausgaben und Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenLeben BearbeitenUber Gemistos Herkunft gibt es nur Vermutungen darunter die Hypothese sein Vater sei Demetrios Gemistos gewesen der als Protonotar der Hagia Sophia und spater Gross Sakellarios ein hochrangiger Wurdentrager war Seine Jugend verbrachte er wohl vorwiegend in Konstantinopel Zeitweilig hat er sich im osmanischen Reich aufgehalten In Adrianopel heute Edirne wo sich damals der Hof des osmanischen Sultans befand soll sein Lehrer ein ansonsten unbekannter angeblich averroistischer judischer Gelehrter namens Elischa Elisaios gewesen sein 1 Nach der Jahrhundertwende verliess er Konstantinopel auf Wunsch von Kaiser Manuel II der ihn zwar schatzte aber vom hohen Klerus gedrangt wurde den aus theologischer Sicht missliebigen Philosophen aus der Hauptstadt zu entfernen Er ubersiedelte nach Mystras der wirtschaftlich und kulturell bluhenden Hauptstadt des Despotats Morea Peloponnes das einen grossen Teil des zusammengeschrumpften byzantinischen Staats ausmachte Diesen Wohnsitz behielt er fur den Rest seines Lebens Die in Mistra regierenden Despoten Theodor I 1383 1407 Theodor II 1407 1443 und Konstantin 1428 1443 1449 spater als Kaiser Konstantin XI gehorten dem herrschenden Kaisergeschlecht der Palaiologen an Gemistos war Ratgeber nicht nur der Despoten sondern auch der letzten byzantinischen Kaiser die ihn reich beschenkten Ausserdem war er als hochrangiger Richter tatig 1427 erhielt er vom Despoten Theodor II die Festung und das Gebiet von Phanarion als Pronoia womit er eine bedeutende Einkommensquelle erlangte 1433 hielt er die Grabrede auf Theodors italienische Gattin 2 Sehr umstritten war damals die Frage der Kirchenunion zwischen der katholischen und der griechisch orthodoxen Kirche Wegen der verzweifelten militarischen Lage des Byzantinischen Reichs schien die Union politisch erforderlich unter theologischem Aspekt stiess sie aber auf erbitterten Widerstand Gemistos nahm gegen das Projekt Stellung 3 1438 39 weilte er aber als prominentes Mitglied einer von Kaiser Johannes VIII personlich geleiteten byzantinischen Delegation in Italien und nahm am Konzil von Ferrara Florenz teil wo die Union beschlossen wurde Der Delegation gehorte auch Gemistos Schuler Bessarion an ein bedeutender Humanist der spater Kardinal wurde Auf die italienischen Humanisten und Cosimo de Medici machten Gemistos Personlichkeit Bildung und Beredsamkeit starken Eindruck Fur Marsilio Ficino war er gleichsam ein zweiter Platon 4 Mit Cosimo bestanden allerdings Verstandigungsschwierigkeiten denn Gemistos verstand weder Italienisch noch Latein Zu Gemistos italienischen Gesprachspartnern gehorte der bedeutende Kartograf Toscanelli mit dem er geographische Fragen erorterte nbsp Das Grabmal Plethons am Dom von Rimini1453 ein Jahr nach Gemistos Tod wurde Konstantinopel von den Turken erobert 1460 kapitulierte Mistra Wenige Jahre spater kam der im Dienst Venedigs stehende Condottiere Sigismondo Malatesta auf einem Kriegszug nach Mistra holte die Gebeine des Philosophen aus dem dortigen Grab und brachte sie 1466 nach Rimini wo sich seither an einer ausseren Seitenwand des Tempio Malatestiano der Sarkophag des Gemistos befindet Antichristliche Position BearbeitenAusserlich war das Leben des Philosophen von der Endphase des Untergangs von Byzanz gepragt Als Berater der Kaiser und Despoten nahm er an den Entwicklungen aktiv Anteil Aber er fasste den Zusammenbruch des byzantinischen Reichs und den Sieg der Muslime anders auf als seine orthodoxen Mitburger denn er war nicht wie sie im christlichen Glauben verwurzelt sondern im Platonismus Nach seiner Uberzeugung war der christliche Staat ebenso wie auch der islamische eine historische Fehlentwicklung und dem Untergang geweiht und die Zukunft gehorte einem neuen nicht mehr christlichen sondern an die klassische Antike anknupfenden griechischen Staat Dieser kunftige Staat sollte sich an platonischen pythagoreischen und zoroastrischen Prinzipien orientieren Ein im Sinne der Platoniker aufgefasster antiker Polytheismus mit Zeus als hochstem Gott sollte an die Stelle des Christentums treten Dafur entwarf Gemistos eine detaillierte Liturgie Er nahm an dass die Gotter untereinander vollige Harmonie wahren also nicht wie bei Homer Konflikte austragen und dass sie sich freiwillig in ein hierarchisches System einordnen das den Menschen zum Vorbild dient Philosophisch betrachtete er die Gotter anscheinend als Reprasentanten von ihnen jeweils zugeordneten Prinzipien wie Einheit Zeus und Vielheit Hera Wie Platon aber in scharfem Gegensatz zum Christentum hielt Gemistos das Weltall fur anfangslos und unverganglich und nur in einem ubertragenen nicht zeitlichen Sinn von Zeus geschaffen Hinsichtlich der Seele vertrat er die platonische Seelenwanderungslehre Er fasste aber das Dasein der Seele in der materiellen Welt nicht als Strafe oder Ungluck auf sondern bejahte es als notwendig sinnvoll und unabanderlich Er nahm also kein fur die Seele erreichbares Jenseits keine Erlosungsperspektive an Mit diesen ausserordentlich kuhnen angesichts der damaligen Machtverhaltnisse utopisch anmutenden Ideen erweist sich Gemistos als einzigartige Erscheinung unter den Gebildeten seiner Zeit Den kirchlichen Lehren mehr oder weniger entfremdete antiken Vorbildern nacheifernde Humanisten gab es auch unter den lateinischsprachigen Gelehrten des Westens aber keiner hat so radikal wie Gemistos mit den kirchlichen Dogmen gebrochen Zu seinen antikirchlichen Thesen gehort auch die Lehre vom ethischen Recht auf Suizid die er nachdrucklich vertrat Er ging von einer Urreligion der Menschheit aus aus der nach seiner Ansicht durch Verfalschung der ursprunglichen Wahrheit die unterschiedlichen Religionen und Bekenntnisse seiner Zeit entstanden waren Diese Haltung trug Gemistos die erbitterte Feindschaft des Klerus ein Sein Hauptgegner war Gennadios II Scholarios der 1454 Patriarch von Konstantinopel wurde Verfolgung wegen Haresie drohte Gemistos aber nicht offenbar waren seine kirchlichen Gegner wegen seines hohen Ansehens am Hof ausserstande gegen ihn einzuschreiten Ausserdem wurde sein radikal antichristliches Spatwerk Nomon syngraphe erst nach seinem Tod bekannt es wurde dann auf Befehl des Gennadios verbrannt daher sind nur Fragmente erhalten So konnte er in Mistra ungehindert arbeiten und seine Schuler unterrichten und erfreute sich bis zu seinem Tode hohen Ansehens Die meisten seiner griechischen Schuler waren ebenso wie seine Bewunderer unter den westlichen Gelehrten gemassigte Humanisten die seine antichristlichen Thesen nicht ubernahmen Zu seinen Schulern zahlten neben Bessarion der Metropolit von Ephesos Markos Eugenikos der ein fuhrender Gegner der Kirchenunion mit den Katholiken war und der Geschichtsschreiber Laonikos Chalkokondyles Chalkondyles Verfassungstheorie BearbeitenDie Verfassungstheorie des Gemistos ist in seinem nur teilweise erhaltenen Hauptwerk Nomōn syngraphḗ Darlegung der Gesetze kurz Nomoi Die Gesetze dargestellt Mit dem Titel knupfte er an Platons Dialog Nomoi an von dessen Gedankengut er sich anregen liess 5 Auch in Denkschriften an die Kaiser Manuel II und Johannes VIII und den Despoten Theodor II behandelte Gemistos diese Thematik Sein Konzept wurde anscheinend spater von Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus studiert wahrscheinlich beeinflusste es die Utopia des Morus Zentrale Elemente sind ein monarchisches System wobei der Herrscher auf philosophische Ratgeber horen soll Diese sollen nicht besonders reich sein da sie sonst ihrer Geldgier folgen aber auch nicht arm da sie sonst bestechlich sind Einteilung des Volks in drei Stande Bauern Gewerbetreibende und Beamte Staatslenker keine Wehrpflicht der Steuerpflichtigen und Steuerfreiheit der Soldaten reine Berufsarmee Ablehnung des Soldnerwesens fester Steuersatz ein Drittel des landwirtschaftlichen Ertrags Keine sonstigen Belastungen der Bauern durch Abgaben und Dienstleistungspflichten Das Monchtum wird als parasitisch kritisiert es darf nicht mit Steuergeldern gefordert werden Abschaffung der Verstummelungsstrafen da sie den Bestraften bei der Ausfuhrung nutzlicher Tatigkeiten behindern Betonung der Resozialisierung im Strafrecht aber ahnlich wie in Platons Nomoi reichliche Anwendung der Todesstrafe Sozialbindung des Grundbesitzes der mit der Verpflichtung zu landwirtschaftlicher Nutzung verbunden sein soll denn das Land ist gemeinsames Eigentum aller Einwohner Vernachlassigt ein Grundbesitzer diese Pflicht so darf jeder dort etwas anbauen der Ertrag gehort dann abzuglich der Steuern dem der ihn erwirtschaftet hat Mit dieser Forderung zielte Gemistos auf die riesigen teils brachliegenden kirchlichen Landereien Die Nomoi wurden spater am Hof Sultan Mehmets II teilweise ins Arabische ubersetzt Aristoteleskritik Bearbeiten1439 verfasste Gemistos in Florenz die Abhandlung Worin Aristoteles nicht mit Platon ubereinstimmt Der gangige Titel lautet Uber die Unterschiede zwischen Aristoteles und Platon In dieser Kampfschrift verteidigte er die Lehren Platons gegen die Kritik des Aristoteles Das Werk wurde in Eile auf dem Krankenlager geschrieben wobei Gemistos aus dem Gedachtnis zitierte dabei unterliefen ihm mancherlei Fehler Sein bleibendes Verdienst war es aber die Aufmerksamkeit nachhaltig auf fundamentale Gegensatze zwischen aristotelischer und platonischer Philosophie gelenkt zu haben Diese Gegensatze wurden damals wegen der harmonisierenden Tendenz vieler Humanisten zu wenig beachtet Ausserdem kritisierte Gemistos die arabischen Kommentatoren vor allem Ibn Rusd Averroes dem er Verfalschung der kommentierten Lehren vorwarf Er behauptete die antike Welt habe Platon stets uber Aristoteles gestellt erst durch den verhangnisvollen Einfluss des Averroes habe man begonnen Aristoteles vorzuziehen In der Ethik kritisiert Gemistos Aristoteles habe der Lust einen zu hohen Rang zugewiesen statt sie wie Platon dem Streben nach dem Guten unterzuordnen Er bekampft auch die aristotelische Mesotes Lehre wonach die Tugend ein Mittleres zwischen zwei Extremen darstellt etwa Tapferkeit zwischen Tollkuhnheit und Feigheit Dagegen wendet er ein dass eine solche Definition die Tugend quantitativ und nicht nach ihrer eigenen Qualitat ihrem Wesen bestimme Besonders nachdrucklich wendet sich Gemistos gegen die aristotelische Metaphysik welche zufallige regellose Ereignisse annimmt Er tritt fur den Determinismus ein und meint dass alles was geschieht eine Ursache hat und sich mit Notwendigkeit vollzieht Die Gegenposition vertrat auch auf diesem Gebiet Gennadios II Scholarios der eine Schrift zur Verteidigung des Aristoteles verfasste Darauf reagierte Gemistos mit einer polemischen Gegenschrift In Italien fand Gemistos Aristoteles Kritik nach der Beendigung des Konzils relativ wenig Resonanz Seine Kampfschrift wurde im 15 Jahrhundert nicht ins Lateinische ubersetzt und erst 1540 in Venedig gedruckt 6 Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenWilhelm Blum Ubersetzer Georgios Gemistos Plethon Politik Philosophie und Rhetorik im spatbyzantinischen Reich 1355 1452 Bibliothek der griechischen Literatur Bd 25 Hiersemann Stuttgart 1988 ISBN 3 7772 8806 3 deutsche Ubersetzungen von Werken des Gemistos mit Einleitung und Erlauterungen Enrico V Maltese Hrsg Georgii Gemisti Plethonis contra Scholarii pro Aristotele obiectiones Teubner Leipzig 1988 ISBN 3 322 00460 0 kritische Ausgabe Enrico V Maltese Hrsg Georgii Gemisti Plethonis opuscula de historia Graeca Teubner Leipzig 1989 ISBN 3 322 00674 3 kritische Ausgabe Brigitte Tambrun Krasker Hrsg Magika logia tōn apo Zōroastrou magōn Geōrgiou Gemistou Plethōnos exegesis eis ta auta logia Oracles Chaldaiques Recension de Georges Gemiste Plethon Vrin Paris u a 1995 ISBN 2 7116 9832 7 kritische Ausgabe von Plethons Sammlung der Chaldaischen Orakel sowie seines Kommentars und seiner kurzen Erklarung mit franzosischer Ubersetzung und Kommentar hinzu kommt S 157 171 die von Michel Tardieu herausgegebene arabische Fassung der Sammlung mit franzosischer Ubersetzung Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungen und Einfuhrungen Tzotcho Boiadjiev Georgios Gemistos Plethon In Laurent Cesalli Gerald Hartung Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie des Mittelalters Band 1 Byzanz Judentum Schwabe Basel 2019 ISBN 978 3 7965 2623 7 S 202 208 288 291 Thomas Soren Hoffmann Philosophie in Italien Eine Einfuhrung in 20 Portrats Marix Wiesbaden 2007 ISBN 978 3 86539 127 8 Brigitte Tambrun Krasker Plethon Georgios Gemistos In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Band 7 CNRS Editions Paris 2018 ISBN 978 2 271 09024 9 S 667 678Gesamtdarstellungen und Untersuchungen Wilhelm Blum Walter Seitter Hrsg Georgios Gemistos Plethon 1355 1452 Reformpolitiker Philosoph Verehrer der alten Gotter Tumult Bd 29 Diaphanes Zurich 2005 ISBN 3 935300 98 0 enthalt auch deutsche Ubersetzungen von Texten des Gemistos Vojtech Hladky The Philosophy of Gemistos Plethon Platonism in Late Byzantium between Hellenism and Orthodoxy Ashgate Farnham 2014 ISBN 978 1 4094 5294 2 Francois Masai Plethon et le platonisme de Mistra Les Belles Lettres Paris 1956 Walter Seitter Montesquieu Plethon Politique et religion dans l Empire byzantin et dans un projet de reforme tardo byzantin In Jean Ehrard Hrsg Montesquieu l Etat et la Religion Colloque de Sofia 7 et 8 octobre 2005 Iztok Zapad Sofia 2007 ISBN 978 954 321 363 4 S 125 139 Niketas Siniossoglou Radical Platonism in Byzantium Illumination and Utopia in Gemistos Plethon Cambridge University Press Cambridge 2011 Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Vrin Paris 2006 ISBN 978 2 7116 1859 0 Christopher Montague Woodhouse George Gemistos Plethon The Last of the Hellenes Clarendon Press Oxford 1986 ISBN 0 19 824767 2 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Georgios Gemistos Plethon im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Anna Akasoy Plethons Nomoi Ein Beitrag zum Polytheismus in spatbyzantinischer Zeit und seiner Rezeption in der islamischen Welt Memento vom 5 Dezember 2008 im Internet Archive Darien C DeBolt George Gemistos Plethon on God Heterodoxy in Defense of OrthodoxyAnmerkungen Bearbeiten Siehe dazu Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Paris 2006 S 36f Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Paris 2006 S 41f Siehe dazu Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Paris 2006 S 42 Siehe dazu Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Paris 2006 S 9 29 31 Ruth Webb The Nomoi of Gemistos Plethon in the Light of Plato s Laws In Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 52 1989 S 214 219 Brigitte Tambrun Plethon Le retour de Platon Paris 2006 S 16 43f Normdaten Person GND 118595040 lobid OGND AKS LCCN n84001448 VIAF 100222474 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gemistos Plethon GeorgiosALTERNATIVNAMEN Georgios Gemistos Plethon Pseudonym KURZBESCHREIBUNG griechischer Gelehrter Staatstheoretiker PhilosophGEBURTSDATUM um 1360GEBURTSORT KonstantinopelSTERBEDATUM 26 Juni 1452STERBEORT Mystras Peloponnes Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Georgios Gemistos Plethon amp oldid 238613163