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Als Formmangel wird im katholischen Kirchenrecht insbesondere das Fehlen der fur eine kirchenrechtlich gultige Eheschliessung unter Katholiken erforderlichen kanonischen Eheschliessungsform bezeichnet Die fur Katholiken geltende Pflicht zur Einhaltung dieser Form wird Formpflicht genannt Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Formpflicht 3 Aktueller Anwendungsbereich 4 Folgen eines Formmangels 5 Dispens von der Formpflicht 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseBegriff BearbeitenGrundsatzlich benutzt das Kirchenrecht den allgemeinen Rechtsbegriff Formmangel nicht anders als es dies auch die Rechtssprache des weltlichen Rechts oder anderer Rechtssysteme tut Die grosse Bedeutung der Eheschliessungsform fur das Eherecht der katholischen Kirche und das Gewicht welches das Eherecht in der Rechtspraxis der romisch katholischen Kirche einnimmt haben dazu gefuhrt dass dieser Begriff in seiner eherechtlichen Spezialbedeutung im Bereich der katholischen Rechtssprache besonders prasent und bekannt ist Formpflicht BearbeitenDie kanonische Eheschliessungsform eingefuhrt durch das Dekret Tam etsi 1563 des Konzils von Trient schreibt vor dass eine Ehe nur von zwei rechtlich dazu befahigten Personen unterschiedlichen Geschlechts unter Assistenz des Ortsordinarius des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons vor zwei Zeugen geschlossen werden kann can 1108 CIC Bereits das Vierte Laterankonzil 1215 hatte in seinem 51 Kanon die heimliche Eheschliessung ohne offentliches Aufgebot verboten Sinn der Formpflicht war es ursprunglich die uberhandnehmende Praxis heimlicher kirchlich nicht kontrollierbarer Klandestinehen Eheschliessungen ohne Zeugen zu beseitigen und die Ehefahigkeit der Brautleute im Vorfeld uberprufen zu konnen um Doppelehen zu vermeiden Da es sich bei der Formpflicht um ein kirchliches Gesetz handelt gilt sie grundsatzlich nur fur diejenigen Rechtssubjekte die dem kirchlichen Recht unterliegen Bis zum 2 Vatikanischen Konzil vertrat die romisch katholische Kirche die Auffassung das kanonische Recht besitze universelle Geltung fur alle Christen lateinischer Tradition Ausserhalb der kanonischen Form vollzogene Eheschliessungen von getauften Glaubigen etwa in den Kirchen der Reformation wurden deshalb katholischerseits lange Zeit nicht als gultige Ehen anerkannt sondern als blosse Konkubinate betrachtet Das neue Gesetzbuch CIC von 1983 vertritt demgegenuber den Rechtsgrundsatz wonach die Gesetze der Kirche immer soweit sie kein allgemeinverbindliches uberpositives gottliches Recht beinhalten nur fur die eigenen Mitglieder bindend sind Insbesondere nichtkatholische Christen unterliegen der Formpflicht demzufolge nach heutiger katholischer Auffassung nicht Das ist insofern bedeutsam als eine beispielsweise unter evangelischen Christen ohne Einhaltung der katholischen Form also z B vor dem evangelischen Pfarrer oder bloss standesamtlich geschlossene Ehe nach katholischer Ansicht nun trotzdem gultig zustande kommt soweit keine anderweitigen Hinderungsgrunde vorliegen und daher da jede unter Christen geschlossene Ehe als sakramental und unaufloslich angesehen wird eine kirchliche katholische Wiederheirat ausgeschlossen ist Schliesst dagegen eine formpflichtige Person d h ein romisch katholischer Christ die Ehe ohne entsprechende Dispens Befreiung von der Formpflicht in einer nichtkatholischen Form so ist diese Eheschliessung kirchenrechtlich nicht gultig Einer spateren kirchlichen katholischen Wiederheirat steht in diesem Fall nichts entgegen weil die Person nach katholischer Ansicht uberhaupt nicht verheiratet war Aktueller Anwendungsbereich BearbeitenEine wichtige rechtliche Anderung hat es in diesem Zusammenhang mit Inkrafttreten des Motu Proprios Omnium in mentem Dezember 2009 von Papst Benedikt XVI gegeben Bis dahin waren Katholiken die durch einen sogenannten formalen Akt von der Kirche abgefallen waren darunter fielen nach lange Zeit herrschender Rechtsmeinung in Deutschland auch aus der Kirche ausgetretene Katholiken ausdrucklich von der Formpflicht ausgenommen Das bedeutete in der Praxis dass ein ausgetretener Katholik der einen anderen getauften Christen nicht kirchlich sondern nur standesamtlich heiratete automatisch und meist ohne Wissen und Wollen eine unauflosliche sakramentale Ehe im katholischen Verstandnis schloss und sich somit nach einer burgerlichen Scheidung nicht kirchlich wiederverheiraten konnte obwohl er zuvor formal nie kirchlich geheiratet hatte Ein Verstoss gegen die Formpflicht der nach kirchlichem Recht zur Ungultigkeit der ersten Eheschliessung gefuhrt hatte lag ja infolge der besagten Ausnahmeregelung nicht vor Diese Ungleichbehandlung ausgetretener und nicht ausgetretener Katholiken wurde durch das Motu Proprio beseitigt indem alle Verweise auf den formalen Akt des Abfalls von der Kirche aus dem CIC gestrichen wurden sodass es einen derartigen formlichen Austritt aus der katholischen Kirche kirchenrechtlich heute nicht mehr gibt Alle katholisch getauften oder in die katholische Kirche eingetretenen Christen also auch ausgetretene oder abgefallene Katholiken die sich in der Offentlichkeit von der Kirche losgesagt haben unterliegen damit seit 2010 bei der Eheschliessung ohne Unterschied der katholischen Formpflicht Eine rein standesamtliche Eheschliessung durch Katholiken ist damit aus Sicht des katholischen Kirchenrechts nun immer ungultig unabhangig davon ob es sich um aktive Kirchenmitglieder oder ausgetretene Katholiken handelt Uneinheitlich ist die Behandlung der alteren Falle ausgetretener Katholiken die zwischen dem Inkrafttreten des CIC am 27 November 1983 und der Gesetzesanderung zum 8 April 2010 unter Nichteinhaltung der Formpflicht eine Christin oder einen Christen geheiratet haben Aufgrund des auch im kirchlichen Recht geltenden Ruckwirkungsverbots beschwerender Rechtsvorschriften ist fur sie prinzipiell die zum Zeitpunkt ihrer Eheschliessung geltende Regelung weiter anwendbar die Ehen werden daher beispielsweise im Erzbistum Koln nicht wegen Formmangels als ungultig erachtet und gelten deshalb als unauflosbar Diese Rechtsauffassung beruht auf dem Festhalten der Deutschen Bischofskonferenz an der Bewertung des Kirchenaustritts als formgultige Trennung von der Kirche Schisma die zur automatischen Exkommunikation und damit nach altem Recht auch zur Befreiung von der Formpflicht fuhrte 1 Da beim Antrag auf Anerkennung eines Formmangels meist der Wunsch nach Eingehung einer neuen kirchlichen Ehe im Hintergrund steht wird allerdings die Frage diskutiert inwieweit eine ruckwirkende Anwendung der neuen Regelung tatsachlich ein beschwerender und nicht eher ein den Antragsteller begunstigender Rechtsakt ware was die Ruckwirkung nicht mehr ausschlosse Folgen eines Formmangels BearbeitenDas Zusammenleben in einer kirchenrechtlich ungultigen Ehe steht vom Standpunkt der traditionellen kirchlichen Moral dem Konkubinat gleich Zwar wird einer solchen Partnerschaft heute eine gewisse Verbindlichkeit auch kirchlicherseits nicht mehr abgesprochen aber noch immer konnen ein Mann und eine Frau die ohne gultige Eheschliessung zusammenleben bis zur Behebung dieses von der Kirche als offentliches Argernis qualifizierten Umstands nicht zu den Sakramenten bspw zur Kommunion zugelassen werden Das gilt fur rein standesamtlich verheiratete Katholiken ebenso wie fur ganzlich unverheiratet zusammen lebende Paare Die Frage ob auch bloss standesamtlich verheiratete Katholiken die zum Zeitpunkt ihrer burgerlichen Eheschliessung vor 2010 aus der Kirche ausgetreten waren von der Kirchenstrafe betroffen sind ist kanonistisch noch nicht geklart Sie ist im Normalfall auch nur von Belang wenn zwischenzeitlich ein Wiedereintritt in die katholische Kirche erfolgt ist da der offentlich beurkundete Kirchenaustritt nach der bisher herrschenden Meinung ohnehin die automatische Exkommunikation und damit den Ausschluss vom Sakramentenempfang nach sich zieht Allerdings ist diese Rechtsmeinung aufgrund von Ausserungen des Heiligen Stuhls in den vergangenen Jahren immer haufiger in Zweifel gezogen worden etwa im Fall des Kirchenrechtlers Hartmut Zapp Dispens von der Formpflicht BearbeitenVon der Formpflicht kann vor der Eheschliessung durch den katholischen Ortsordinarius befreit werden wenn schwerwiegende Grunde vorliegen z B der andere Partner verweigert eine kirchliche Eheschliessung Daneben gab es bereits im alten Kirchenrecht vor 1983 2 eine im neuen Recht gesetzlich spezifizierte can 1116 CIC Anzahl von Sonderfallen etwa Lebensgefahr oder Nichterreichbarkeit eines zustandigen Priesters in denen die Eheschliessung unter Nichteinhaltung der Form auch ohne vorherige Dispenseinholung fur gultig angesehen wird sogenannte Noteheschliessung Ebenso kann eine nicht kirchlich geschlossene Ehe nachtraglich und ruckwirkend anerkannt werden sogenannte Sanatio in radice d h Gultigmachung von Anfang an sofern der Ehewille beider Partner zum Zeitpunkt der Gultigmachung andauert Siehe auch BearbeitenEhenichtigkeit Kirchenrecht EhehindernisEinzelnachweise Bearbeiten Formmangel Heirat ohne kirchliche Trauung Informationen auf der Internetseite des Erzbischoflichen Offizialats Koln abgerufen im November 2019 Katholischer Katechismus der Bistumer Deutschlands Herder amp Co GmbH Freiburg Breisgau 1955 S 186 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Formmangel Kirchenrecht amp oldid 217359280