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Ernst Ludwig von Gerlach 7 Marz 1795 in Berlin 18 Februar 1877 ebenda war ein preussischer Politiker Publizist und Richter Er gilt als einer der massgeblichen Begrunder und Vordenker der Konservativen Partei in Preussen und war langere Zeit deren Fraktionsfuhrer im Preussischen Abgeordnetenhaus Er gehorte wie sein Bruder Leopold von Gerlach zum Kreis um die Kreuzzeitung an deren Grundung er ebenfalls fuhrend beteiligt war Ernst Ludwig von Gerlach Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Herkunft und Jugend 1 2 Preussischer Staatsdienst 1 3 Politische Karriere in Landtag und Publizistik 1 4 Spate Jahre und Bruch mit Bismarck 1 5 Familie 2 Gerlach Archiv 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHerkunft und Jugend Bearbeiten Gerlach wurde 1795 als viertes Kind des ersten Oberburgermeisters von Berlin Carl Friedrich Leopold von Gerlach in eine typische Familie des preussischen Beamtenadels hineingeboren 1 Unter seinen Brudern siehe auch Gebruder Gerlach war der spatere General und Adjutant des preussischen Konigs Leopold von Gerlach und der Theologe und Hofprediger Otto von Gerlach Zwischen 1810 und 1815 studierte Ernst Ludwig mit Unterbrechungen Rechtswissenschaft an der neugegrundeten Universitat zu Berlin danach in Gottingen und Heidelberg und kampfte 1813 bis 1815 in den Befreiungskriegen zuletzt im Offiziersrang wobei er mehrfach verwundet wurde Als eine der pragendsten Erfahrungen in Gerlachs Leben erwies sich die Bekanntschaft und Freundschaft mit Adolf von Thadden Trieglaff den er 1815 in Berlin zum ersten Mal traf Nicht zuletzt durch diesen Kontakt befordert nahmen er und sein Bruder Leopold ab den 1820er Jahren lebhaften Anteil an der Pommerschen Erweckungsbewegung Die religiose Pragung die er durch den Neupietismus in seinen Jugendjahren erhielt begleitete ihn sein Handeln und Denken sein ganzes Leben lang Auch seine Bekanntschaft mit dem jungen Otto von Bismarck stammt aus dieser Zeit und diesem Kreis Preussischer Staatsdienst Bearbeiten nbsp Ansicht einer Seite aus einem der Tagebucher Ernst Ludwig von Gerlachs Eintrag vom 23 September 1817 Gerlach Archiv Gerlach trat 1820 in den preussischen Justizdienst ein und wurde 1823 Oberlandesgerichtsrat in Naumburg Saale Ab 1829 war er Land und Stadtgerichtsdirektor in Halle und ab 1835 Vizeprasident des Oberlandesgerichts in Frankfurt Oder als Nachfolger seines verstorbenen Bruders Wilhelm Bereits im Jahr 1827 begrundete Gerlach u a mit Ernst Wilhelm Hengstenberg und August Tholuck die Evangelische Kirchenzeitung die sich im Vormarz zum fuhrenden Organ der fruhen Konservativen entwickelte Er war Mitglied des Klubs in der Wilhelmstrasse der sich die Rekonstruierung des christlich germanischen Staats als Aufgabe gesetzt hatte und Mitarbeiter des Berliner Politischen Wochenblattes das von 1831 bis 1841 erschien nicht zu verwechseln mit dem Preussischen Wochenblatt 1851 bis 1861 1842 wurde er Geheimer Oberjustizrat bald darauf Mitglied des Staatsrats und der Gesetzgebungskommission unter Friedrich Carl von Savigny Neben einer Gutachtertatigkeit fur die geplante Einrichtung eines Pressegerichts war Gerlach hier als Referent fur eine uberdies beabsichtigte Reform des preussischen Eherechts beschaftigt Im Jahr 1844 wurde er Chefprasident des Oberlandes und Appellationsgerichts in Magdeburg wo er zusammen mit seinem Bruder Leopold dem Konsistorialprasidenten Carl Friedrich Goschel und anderen die Lichtfreunde bekampfte 1874 nahm er seinen Abschied Politische Karriere in Landtag und Publizistik Bearbeiten Die Ereignisse des Revolutionsjahrs 1848 starkten Gerlachs Bereitschaft auch in der Politik aktiv zu werden Nachdem er sich im Marz des Jahres Anfeindungen seitens Berliner und Magdeburger Revolutionare bezuglich seines Magdeburger Richteramts ausgesetzt sah die ihn nach eigener Aussage in seinen Positionen nur mehr bestarkten 2 trat er auf der Junkerparlament genannten Generalversammlung des Vereins zur Wahrung der Interessen des Grundbesitzes und zur Forderung des Wohlstands aller Klassen im Sommer 1848 mit einer vielbeachteten Rede fur die altkonservativen Positionen ein Eine massgebliche Rolle spielten er und sein Bruder Leopold ferner in der so genannten Kamarilla um Konig Friedrich Wilhelm IV einer Gruppe einflussreicher Politiker die versuchten die Regierungsfuhrung mit dem Konig in ihrem Sinne zu beeinflussen Aus dem gleichen Kreis heraus begrundete er ausserdem im Laufe des Jahres 1848 unter anderem mit Friedrich Julius Stahl die Neue Preussische Zeitung die spater wegen des Eisernen Kreuzes auf dem Titelblatt auch Kreuzzeitung genannt wurde und deren Redaktion Hermann Wagener ein Vertrauter Gerlachs ubernahm Gerlach schrieb spater fur das Blatt die monatliche oder vierteljahrliche Rundschau im Sinn der altkonservativen Richtung Seit 1849 Mitglied der Ersten Kammer des Preussischen Landtags des spateren Herrenhauses kampfte er wiederum an der Seite Stahls als Vorsitzender der jungen Konservativen Partei einen beharrlichen Kampf gegen den radikalen Liberalismus und die Demokratie und fur die Wiederherstellung der gottgewollten vorrevolutionaren Ordnung des Ancien Regime Selbige Ansichten vertrat er auch als Abgeordneter des Erfurter Unionsparlaments Revolution und Absolutismus galten in seinem politischen Denken als gleichermassen verheerende Abweichungen vom Ideal eines wohlgeordneten d h Gottes Schopfungswillen entsprechenden christlichen Staats Die Entwicklung seiner politischen Anschauungen wurde fruh durch die Schriften Karl Ludwig von Hallers und in spaterer Zeit durch die Bekanntschaft und enge Zusammenarbeit mit Friedrich Julius Stahl gepragt 1852 liess sich Gerlach fur den Wahlkreis Koslin in das Abgeordnetenhaus des preussischen Landtags wahlen und wurde im Jahr 1855 zum Begrunder und Vorsitzenden der nach ihm Fraktion Gerlach benannten konservativen Fraktion Mit dem Beginn der Regentschaft Wilhelms I ab 1858 fur seinen geistig erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV verlor er sein Landtagsmandat wieder infolge einer beispiellosen Wahlniederlage der Konservativen und trat somit von der Fuhrung der Konservativen Partei zuruck suchte aber als Verfasser der Rundschau in der Kreuzzeitung weiter seine politischen Anschauungen geltend zu machen Spate Jahre und Bruch mit Bismarck Bearbeiten Den Krieg gegen Osterreich von 1866 lehnte er aus Grunden der Solidaritat mit den herrschenden Fursten ebenso ab wie die Annexionen in Norddeutschland und das Herausdrangen Osterreichs aus Deutschland so in der Broschure Die Annexionen und der Norddeutsche Bund 1866 Im preussischen Landtag seit 1873 zeigte er sich als einer der heftigsten Gegner der Kirchengesetze des Bismarckschen Kulturkampfs und trat als Hospitant der Zentrumspartei bei Damit zog er sich die personliche Feindschaft Otto von Bismarcks zu mit welchem er bis dahin jahrzehntelang befreundet gewesen und an dessen politischem Aufstieg er und sein Bruder Leopold nicht unwesentlich beteiligt waren Wegen seines Aufsatzes Die Civilehe und der Reichskanzler wurde gegen ihn im Jahr 1874 auf Betreiben Bismarcks Anklage wegen Verachtlichmachung der Obrigkeit 131 StGB erhoben Gerlach wurde in der Folge zu einer Geldstrafe verurteilt und die Verbreitung der Schrift wurde verboten was ihren Absatz nur umso mehr steigerte Gerlach nahm daraufhin freiwilligen Abschied als Gerichtsprasident in Magdeburg welchen Wilhelm I ihm gewahrte nbsp Grabstatte1877 wurde er zum Reichstagsabgeordneten der Welfen Partei fur den Wahlkreis Hannover 4 Osnabruck gewahlt wobei er sich im Reichstag als Hospitant der Zentrumsfraktion anschloss Doch vier Tage vor der Konstituierung des Reichstags starb Ernst Ludwig von Gerlach am 18 Februar 1877 81 jahrig an den Folgen eines Verkehrsunfalls 3 welcher sich am Abend des 16 an der Schoneberger Brucke in Berlin ereignet hatte Er ist auf dem Dom Friedhof II in Berlin Mitte bestattet Das Urteil der Geschichtswissenschaft uber Gerlach fallt durchaus ambivalent aus Der Historiker Hans Joachim Schoeps betonte vor allem Gerlachs religiose Grundmotivation Alles in allem war Gerlach ein weniger historisch als systematisch orientierter Geist jedoch kein Mann der objektiven Wissenschaft Im letzten muss er wohl als systematischer Theokrat gesehen werden seines Zeichens wohl der einzige in der modernen Geschichte Er glaubte an das Reich Gottes und betrachtete es als ein politisches System er sah auf das Treiben des Tages und hielt ihm die ewigen Forderungen Gottes entgegen als politische Parolen Nur von dieser Erkenntnis aus erschliesst sich das Verstandnis des Mannes und seines Wirkens Jede nur politisch historische Kritik versagt demgegenuber weil es ihm um Metapolitisches ging um etwas das mehr als Geschichte ist Hans Joachim Schoeps Gerlach Ernst Ludwig in Neue Deutsche Biographie 6 1964 S 296 299 Familie Bearbeiten Gerlach war zwei Mal verheiratet Zunachst heiratete er auf Trieglaff Auguste von Oertzen 27 November 1802 6 April 1826 Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 1828 in Berlin Luise von Blankenburg 20 September 1805 8 Juli 1858 Beide Ehen waren kinderlos 4 Gerlach Archiv BearbeitenDer Nachlass Ernst Ludwig von Gerlachs bildet heute den Kernbestand des Gerlach Archivs des Familienarchivs der Gerlachs welches Hans Joachim Schoeps im Jahre 1954 fur die Universitat Erlangen Nurnberg akquirieren konnte Den Schwerpunkt der Bestande bildet das sog Rohrbecker Archiv das den umfangreichen Briefwechsel Ludwig von Gerlachs ca 15 000 Briefe von fast 9 000 Korrespondenten sowie einiger Verwandter verschiedenstes dienstliches und politisches Schriftgut sowie seine Tagebucher 1815 1877 enthalt Es befindet sich heute am politikwissenschaftlichen Institut der Universitat und wurde von 2012 bis 2015 neu erschlossen Seit Abschluss des Erfassungsprojekts im Fruhjahr 2015 sind die Bestande des Archivs im Kalliope Verbundkatalog fur Autographen und Nachlasse vollstandig katalogisiert Literatur BearbeitenHellmut Diwald Hrsg Von der Revolution zum Norddeutschen Bund Politik und Ideengut der preussischen Hochkonservativen 1848 1866 2 Bande Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1970 Michael Dreyer Gerlach Ernst Ludwig von In Wolfgang Benz Handbuch des Antisemitismus Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart Band 2 1 De Gruyter Saur Berlin Boston Mass 2009 ISBN 978 3 598 24072 0 S 276 ff Ernst Ludwig von Gerlach Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795 1877 Herausgegeben von Jacob von Gerlach 2 Bande Bahn Schwerin 1903 Band 1 1795 1848 Band 2 1848 1877 Ernst Ludwig von Gerlach Gottesgnadentum und Freiheit Ausgewahlte politische Schriften aus den Jahren 1863 bis 1866 Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Hans Christof Kraus Karolinger Wien u a 2011 ISBN 978 3 85418 141 5 Jurgen von Gerlach Von Gerlach Lebensbilder einer Familie in sechs Jahrhunderten Degener amp Co Insingen 2015 ISBN 978 3 7686 5209 4 Bernd Haunfelder Biographisches Handbuch fur das Preussische Abgeordnetenhaus 1849 1867 Handbucher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Band 5 Droste Dusseldorf 1994 ISBN 3 7700 5181 5 S 280 Nr 482 Gerlach Ernst Ludwig von Hans Christof Kraus Ernst Ludwig von Gerlach politisches Denken und Handeln eines preussischen Altkonservativen Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Bd 53 1 2 2 Bande Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1994 ISBN 3 525 36046 0 Zugleich Gottingen Universitat Dissertation 1992 Digitalisat Bd 1 Digitalisat Bd 2 Hans Joachim Schoeps Hrsg Aus den Jahren preussischer Not und Erneuerung Tagebucher und Briefe der Gebruder Gerlach und ihres Kreises 1805 1820 Haude amp Spenersche Verlagsbuchhandlung Berlin 1966 Hans Joachim Schoeps Gerlach Ernst Ludwig In Neue Deutsche Biographie NDB Band 6 Duncker amp Humblot Berlin 1964 ISBN 3 428 00187 7 S 296 299 Digitalisat Karl Wippermann Gerlach Ludwig von In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 9 Duncker amp Humblot Leipzig 1879 S 9 14 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ernst Ludwig von Gerlach Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Ernst Ludwig von Gerlach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Ernst Ludwig von Gerlach in der Deutschen Digitalen Bibliothek von Gerlach Ernst Ludwig in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten Biografie von Ludwig Ernst von Gerlach In Heinrich Best Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867 71 bis 1918 Biorab Kaiserreich Website des Gerlach Archivs an der FAU Erlangen NurnbergEinzelnachweise Bearbeiten Vgl Kraus Ernst Ludwig von Gerlach 1994 S 33 ff Vgl Kraus Ernst Ludwig von Gerlach 1994 S 398 Fritz Specht Paul Schwabe Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903 Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewahlten Abgeordneten 2 Auflage Verlag Carl Heymann Berlin 1904 S 117 Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Hauser 1907 Jg 1 Justus Perthes Gotha 1906 S 210Normdaten Person GND 118690787 lobid OGND AKS LCCN n81102748 VIAF 74647355 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gerlach Ernst Ludwig vonKURZBESCHREIBUNG deutscher Politiker Konservative Partei Jurist und Publizist MdRGEBURTSDATUM 7 Marz 1795GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 18 Februar 1877STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ernst Ludwig von Gerlach amp oldid 238105709