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Das Phanomen der passiven Anreicherung von Makromolekulen Liposomen oder Nanopartikeln in Tumorgeweben wird als EPR Effekt engl enhanced permeability and retention erhohte Permeabilitat und Retention bezeichnet Der EPR Effekt ist eine Variante des passiven Drug Targeting das heisst der passiven gezielten Pharmakotherapie Schematische Darstellung des EPR Effektes Inhaltsverzeichnis 1 Ursache des Phanomens 2 Therapeutische Anwendung 3 Wirkstoffbeispiele 4 Entdeckungsgeschichte 5 Einzelnachweise 6 Literatur 6 1 Fachbucher 6 2 Review Artikel 7 FachartikelUrsache des Phanomens BearbeitenDas Gewebe der meisten malignen Tumoren unterscheidet sich physiologisch und biochemisch vom normalen Korpergewebe Mehrere Ursachen sind fur diese Differenzierung verantwortlich Die extensive Ausbildung neuer Blutgefasse Angiogenese die mit einer Hypervaskularisierung verbunden ist Tumoren beginnen schon ab einer Grosse von 150 bis 200 µm mit der Neovaskularisierung Ausbildung neuer Blutgefasse um eine ausreichende Versorgung mit Nahrstoffen und Sauerstoff zu gewahrleisten die fur ein weiteres Tumorwachstum notwendig ist Die neugeformten Blutgefasse der Tumoren weisen eine Reihe von Besonderheiten beziehungsweise Mangeln in der vaskularen Struktur auf Dies betrifft sowohl die Form als auch den Aufbau Die Endothelzellen der Kapillargefasse von Tumoren sind fenestriert das heisst sie weisen im Vergleich zu vielen anderen Kapillaren deutlich grossere Offnungen Fenestrierungen auf Auch das lymphatische System der Tumoren weist gegenuber dem gesunden Gewebe erhebliche Mangel auf Eine effektive Lymphdrainage im Tumor ist daher nicht gewahrleistet Die Tumorzellen steigern die Produktion von Verbindungen die eine erhohte Durchlassigkeit des Gewebes bewirken All diese Faktoren fuhren dazu dass Makromolekule Liposomen oder Nanopartikel leicht in das Tumorgewebe eindiffundieren permeation konnen was bei gesundem Gewebe normalerweise erheblich schwieriger ist Der Abtransport der eindiffundierten Materialien ist wegen des mangelhaften Lymphatischen Systems erschwert retention Die erhohte Durchlassigkeit und das erhohte Ruckhaltevermogen fur eindiffundierte Makromolekule des Tumorgewebes kann fur die tumorgerichtete Therapie von Krebserkrankungen genutzt werden Drug Trageting 1 Therapeutische Anwendung BearbeitenKonventionelle Wirkstoffe aus kleinen Molekulen haben im Blutkreislauf ublicherweise nur eine kurze Plasmahalbwertszeit Diese Wirkstoffe liegen bedingt durch ihre kleine Molekulgrosse unterhalb der Nierenschwelle das heisst sie werden in den Nierenkorperchen vom Blut abgetrennt und uber den Harn ausgeschieden Renale Clearance Wahrend der kurzen Verweildauer im Korper diffundieren die Wirkstoffmolekule auch in das gesunde Gewebe und verteilen sich dabei nahezu gleichmassig im gesamten Korper Nur relativ kleine Wirkstoffmengen gelangen so an den eigentlichen Ort der Bestimmung den Krankheitsherd Im gesunden Gewebe kann der Wirkstoff zu unerwunschten Nebenwirkungen fuhren die letztlich die Wirkstoffdosis begrenzen und so oft eine effektive Behandlung erschweren 2 Makromolekule konnen im Gegensatz zu den niedermolekularen Verbindungen die Kapillarwande der Endothelzellen in gesundem Gewebe nicht durch Diffusion uberwinden Das gesunde Gewebe bleibt dadurch im Idealfall weitgehend von Nebenwirkungen verschont Dagegen ermoglicht der EPR Effekt bei Tumoren dass grosse Molekule beziehungsweise Molekulverbande in das Tumorgewebe hinein diffundieren konnen Durch das mangelhafte Lymphatische System konnen sich die so eindiffundierten Substanzen im Tumor anreichern Gegenuber der Wirkstoffapplikation in Form von einzelnen kleinen Molekulen verbessert sich so die therapeutische Breite Der Wirkstoff ist an dem bestimmten Wirkort in hoheren Konzentrationen vorhanden als beispielsweise im gesunden Gewebe Dieser Unterschied ist insbesondere bei hochpotenten Wirkstoffen wie beispielsweise Zytostatika die oft erhebliche Nebenwirkungen aufweisen von grossem Vorteil 2 Die Grosse des Makromolekuls ist dabei fur den EPR Effekt von entscheidender Bedeutung Ab einer molaren Masse von etwa 20 kDalton ist der EPR Effekt moglich 2 In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Studien mit Polymer Wirkstoff Konjugaten durchgefuhrt Die molaren Massen lagen dabei im Bereich von etwa 20 bis 200 kDa Beim gesunden Menschen liegt die sogenannte Nierenschwelle bei etwa 30 bis 50 kDa was etwa 5 bis 7 nm entspricht das heisst dass Molekule in diesem Grossenbereich nicht uber den Harn ausgeschieden werden 3 Als makromolekulare Trager dienen biokompatible Polymere wie beispielsweise Polylactide oder Poly N 2 Hydroxypropyl methacrylamid PHPMA aber auch Dendrimere 4 und Nanopartikel werden klinisch getestet Ein haufig eingesetztes Tragermolekul ist Albumin An diese Tragermaterialien konjugiert befinden sich die Wirkstoffmolekule Dies sind meist Zytostatika wie beispielsweise Doxorubicin Die Wirkstoffmolekule konnen auch uber spaltbare Linker an das Tragermolekul gebunden sein Der spaltbare Linker soll die Freisetzung des Wirkstoffes das heisst die Abtrennung vom Tragermolekul ermoglichen Mehrere Konzepte werden dabei diskutiert und erprobt Beispielsweise Linker die durch den signifikant niedrigeren pH Wert in Tumoren gespalten werden Hierzu gehoren unter anderem die saurelabilen Hydrazone Ein anderes Konzept sind Linker die enzymatisch leicht gespalten werden konnen wie beispielsweise Ester Verknupfungen die durch Esterasen gespalten werden Auch kurze Peptidsequenzen wie beispielsweise das Tetrapeptid Gly Phe Leu Gly das durch das im Lysosom vieler Korperzellen vorhandene Enzym Cathepsin B gespalten werden kann kommen zum Einsatz 5 Der Grad der Permeation des Polymers in den Tumor ist von mehreren Faktoren abhangig Neben der Grosse genauer der molaren Masse des Polymers sind seine Ladung beziehungsweise die Ladungsverteilung im Polymer die Konformation des Polymers seine Hydrophilie und seine Immunogenitat wichtige Parameter 6 7 Als Faustregel gilt eine molare Masse oberhalb von etwa 40 kDa wodurch eine schnelle Ausscheidung uber die Niere vermieden wird sowie eine neutrale Ladung des Polymers Durch beide Massnahmen kann eine moglichst lange Zirkulation im Blutkreislauf gewahrleistet werden Vorteilhaft ist dabei oft auch der Einsatz von Polyethylenglycol Gruppen PEGylierung Eine hohe Plasmahalbwertszeit ist fur die Anreicherung des Polymers im Tumor von entscheidender Bedeutung 2 Daneben kann auch die Tumorgrosse einen Einfluss auf die Polymeraufnahme haben Kleinere Tumoren nehmen dabei grossere Mengen an Polymeren auf als grossere Tumoren 8 Wirkstoffbeispiele BearbeitenCaelyx ist eine spezielle Formulierung von Doxorubicin das in PEGylierte Liposomen verkapselt ist Dadurch wird die Kardiotoxizitat von Doxorubicin deutlich reduziert 9 Bei Abraxane ist der Wirkstoff Paclitaxel an Albumin gebunden Bei Zinostatin ist der Wirkstoff Neocarzinostatin an ein Styrol Maleinsaure Copolymer gebunden welches im Plasma an Albumin bindet und dadurch eine Gesamtmasse von etwa 80 kDa erreicht 10 Neben diesen bereits zugelassenen Arzneimitteln befinden sich eine Reihe unterschiedlicher Wirkstoffe die auf dem EPR Effekt basieren in der klinischen Erprobung 2 Entdeckungsgeschichte Bearbeiten nbsp Beispiel fur ein polymeres Wirkstofftransportsystem nach Ringsdorf hier mit Doxorubicin als Wirkstoff 1986 beschrieben die beiden Japaner Yasuhiro Matsumura und Hiroshi Maeda erstmals den EPR Effekt In mehreren Versuchsreihen markierten sie verschiedene Proteine unterschiedlicher molarer Massen von 12 bis 160 kDa mit 51Cr An Proteinen verwendeten sie unter anderem Ovomuzin M 29 000 g mol 1 bovines Albumin M 69 000 g mol 1 und murines Immunglobulin G M 160 000 g mol 1 sowie das halbsynthetische SMANCS M 16 000 g mol 1 Dabei konnten sie bei Mausen mit Tumoren signifikante Anreicherungen dieser Peptide im Tumorgewebe feststellen Die Konzentration im Tumor war bei diesen ersten Versuchen um bis zu funfmal hoher als die Konzentration im Blut SMANCS ein Styrol Maleinsaure Copolymer an das der Wirkstoff Neocarzinostatin Chromophor NCS konjugiert ist wurde von Maeda einige Jahre zuvor als Zytostatikum erstmals synthetisiert 11 Fur dieses Konjugat fanden Matsumura und Maeda 19 Stunden nach Applizierung eine um den Faktor 3 2 hohere Konzentration in den Tumoren bezogen auf die Blutkonzentration wahrend sie fur den nicht konjugierten Wirkstoff NCS mit einer molaren Masse von 659 6 g mol 1 in vorhergehenden Versuchen noch nicht einmal den Faktor 1 erreichen konnten 12 Bei der intraarteriellen Applikation von SMANCS uber eine den Tumor versorgende Arterie konnte Maedas Arbeitsgruppe das Konzentrationsverhaltnis von SMANCS Tumor Blut auf den Faktor 1200 erhohen 13 Als Ursache fur die Anreicherung der Proteine im Tumor postulierten sie die a Hypervaskularisierung der Tumoren b die zuvor von mehreren anderen Arbeitsgruppen festgestellte erhohte vaskulare Permeabilitat in Tumoren 14 15 16 c der schwach ausgepragte Abtransport der Makromolekule uber die Kapillaren und d das schlecht ausgebildete Lymphatische System in Tumoren das ebenfalls den Abtransport dieser Molekule stark einschrankt Die schlechte Entwicklung eines Lymphatischen Systems in Tumoren wies Maedas Arbeitsgruppe 1984 selbst nach Im gesunden Gewebe werden dagegen Makromolekule und Lipide relativ schnell aus dem Interstitium uber das Lymphatische System herausbefordert 17 Die ersten Konzepte fur Wirkstofftransportsysteme auf der Basis von synthetischen Polymeren stammen aus dem Jahr 1975 von dem deutschen Chemiker Helmut Ringsdorf 2 18 Einzelnachweise Bearbeiten H Maeda u a Tumor vascular permeability and the EPR effect in macromolecular therapeutics a review In J Control Release 65 2000 S 271 284 PMID 10699287 Review a b c d e f R Haag F Kratz Polymere Therapeutika Konzepte und Anwendungen In Angew Chem 118 2006 S 1218 1237 doi 10 1002 ange 200502113 P Caliceti F M Veronese Pharmacokinetic and biodistribution properties of poly ethylene glycol protein conjugates In Adv Drug Deliv Rev 55 2003 1261 1277 Review PMID 14499706 F Vogtle u a Dendritische Molekule Vieweg Teubner Verlag 2007 ISBN 978 3 8351 0116 6 S 331 D Kaufmann Posttranslationale chemische Modifizierungen eines Elastin mimetischen Proteins fur medizinische Anwendungen Dissertation Technische Universitat Munchen 2006 H Maeda u a Mechanism of tumor targeted delivery of macromolecular drugs including the EPR effect in solid tumor and clinical overview of the prototype polymeric drug SMANCS In J Control Release 74 2001 S 47 61 PMID 11489482 Review K Greish u a Macromolecular therapeutics advantages and prospects with special emphasis on solid tumour targeting In Clin Pharmacokinet 42 2003 S 1089 1105 PMID 14531722 Review R Satchi Fainaro Targeting tumor vasculature reality or a dream In J Drug Targeting 10 2002 S 529 533 PMID 12683719 ema europa eu T Toyoshima Biomaterial Research in Japan PDF 443 kB 22 Februar 2001 S 35 H Maeda u a Tailormaking of protein drugs by polymer conjugation for tumor targeting a brief review on smancs In J Protein Chem 3 1983 S 181 193 Y Matsumura H Maeda A new concept for macromolecular therapeutics in cancer chemotherapy mechanism of tumoritropic accumulation of proteins and the antitumor agent smancs In Cancer Res 12 1986 S 6387 6392 PMID 2946403 K Iwai H Maeda T Konno Use of oily contrast medium for selective drug targeting to tumor enhanced therapeutic effect and X ray image In Cancer Res 44 1984 S 2115 2121 PMID 6324996 D R Senger u a Tumor cells secrete a vascular permeability factor that promotes accumulation of ascites fluid In Science 219 1983 S 983 985 PMID 6823562 H F Dvorak u a Regulation of extravascular coagulation by microvascular permeability In Science 227 1985 S 1059 1061 PMID 3975602 I L Peterson u a Capillary permeability of two transplantable rat tumors as compared with various normal organs of the rat In Bibl Anat 12 1973 S 511 518 PMID 4790386 F C Courtice The origin of lipoprotein in lymph In H 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Drug Target 15 2007 S 457 464 PMID 17671892 H Maeda u a Vascular permeability enhancement in solid tumor various factors mechanisms involved and its implications In Int Immunopharmacol 3 2003 S 319 328 PMID 12639809 Y Luo G D Prestwich Cancer targeted polymeric drugs In Curr Cancer Drug Targets 2 2002 S 209 226 PMID 12188908Fachartikel BearbeitenR Satchi Fainaro u a Synthesis and characterization of a catalytic antibody HPMA copolymer Conjugate as a tool for tumor selective prodrug activation In Bioorganic amp Medicinal Chemistry 10 2002 S 3023 3029 PMID 12110325 R Duncan L Seymour Hiroshi Maeda defining the pathway to targeted cancer therapy In Journal of Drug Targeting 15 2007 S 456 PMID 17671891 doi 10 1080 10611860701505940 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title EPR Effekt Pharmakologie amp oldid 224501922