www.wikidata.de-de.nina.az
Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit Eine historische Fallstudie uber die Durchsetzung neuer Informations und Kommunikationstechnologien ist der Titel einer Monografie von Michael Giesecke Das 957 seitige Werk gilt als eine der wichtigsten deutschsprachigen Publikationen zum Buchdruck mit beweglichen Lettern der letzten Jahrzehnte und erschien 1991 Giesecke habilitierte 1989 in Bielefeld in Sprach und Kommunikationswissenschaft uber den medien und kommunikationsgeschichtlichen Umbruch in Europa im 15 und 16 Jahrhundert aus der Habilitationsschrift entstand die im Suhrkamp Verlag erschienene Monografie uber den Buchdruck in der fruhen Neuzeit die in weiten Teilen mit der Habilitationsschrift ubereinstimmt Giesecke gibt im Vorwort an uber insgesamt 13 Jahre allerdings mit Unterbrechungen an dem Thema gearbeitet zu haben Inhaltsverzeichnis 1 Ziel 2 Gliederung 3 Ansatz 4 Inhalt 4 1 Abschnitt 1 4 2 Abschnitt 2 4 3 Abschnitt 3 4 4 Abschnitt 4 4 5 Abschnitt 5 4 6 Abschnitt 6 4 7 Abschnitt 7 4 8 Zusammenfassung 5 Rezeption 6 Erganzende Literatur 7 Ausgaben 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseZiel BearbeitenGiesecke sieht seine Arbeit als Desiderat Was bislang ganz fehlte ist eine einfache theoretische Modellierung des Phanomens Buchdruck S 23 Ziel seiner historischen Fallstudie uber die Durchsetzung neuer Informations und Kommunikationstechnologien sei daher die Beschreibung der sozialen Gemeinschaft in einem Teil Europas im 15 und 16 Jahrhundert als ein Informations und Kommunikationssystem welches durch den Buchdruck als Schlusseltechnologie hervorgebracht wurde S 22 Er sieht seine Fallstudie also auch prototypisch fur die Durchsetzung neuer Informations und Kommunikationstechnologien weist also explizit eine mogliche Ubertragbarkeit seines Ansatzes auf die heute emergierenden neuen Technologien hin Gliederung BearbeitenNach einem kurzen Vorwort gliedert sich der Band in sieben Hauptabschnitte davon eine Einleitung und ein Schlussteil den Hauptteil bilden also die funf zentralen Kapitel die zusammen gut zwei Drittel des Werkes ausmachen Einfuhrung Van der boydrucker kunst Eine neue Informationstechnologie wird eingefuhrt Ausbreitung und Einsatz der typografischen Informationstechnologie bis zum Tode Gutenbergs 1468 Die Losung der alten Probleme mit neuen Mitteln und alten Legitimationen Vom Typographeum zu den typographischen Kommunikationssystemen Die schopferische Erkundung der Moglichkeiten des neuen Mediums im ausgehenden 15 und beginnenden 16 Jahrhundert Die typografische Vernetzung der gesellschaftlichen Kommunikation zum gemeinen Nutzen der deutschen Nation 1520 1555 Dimensionen der neuen Medien und Systeme Die typografische Produktion von Geist und Kultur im weiteren Verlauf des 16 Jahrhunderts Schlussbemerkung Die Grenzen zeitgenossischer und die anderen Grenzen der modernen Beschreibungen der typografischen NetzeDen Band schliesst ein umfangreicher Anmerkungsapparat ein detailliertes Literatur und Quellenverzeichnis sowie ein Materialanhang und schliesslich zwei Register Personen und Autoren Schlagworte ab Der Taschenbuchausgabe von 1998 wurde ausserdem noch ein Nachwort beigegeben in dem Giesecke zur Rezeption der gebundenen Ausgabe von 1991 Stellung bezieht Die Gliederung folgt weitgehend der chronologischen Abfolge und reicht von der Epoche vor Gutenberg uber dessen Werk und Wirken bis zum Ende des 16 Jahrhunderts Ansatz BearbeitenAufgrund der breiten Anlage von Gieseckes Ansatz umfasst die Darstellung kommunikations sozial technik literatur sprach bildungs kultur zivilisations ja sogar religions und politikgeschichtliche Aspekte Untersucht werden also u a der Einfluss der Reformation auf Akzeptanz und Verbreitung des Mediums Buchdruck die Bedeutung des neuen Mediums fur die politische gesellschaftliche und soziale Kommunikation sowie die Schaffung und Pragung einer offentlichen Meinung technische Voraussetzungen und Entwicklungen okonomische Folgen die Folgen des Buchdrucks fur die Pramierung bestimmter Sinne des Menschen die Veranderungen der Autorrolle und des Wissenschaftssystems die Bedeutung des gedruckten Buches fur die individuelle und kollektive Bildung und die Privatlekture Ausserdem werden Druckverfahren anderer Kulturen China Sudkorea behandelt die Untersuchung bezieht sowohl die mittelalterliche Handschriftenkultur als auch Druckverfahren vor Gutenberg mit ein und die gegenwartige Informationsgesellschaft wird ohnehin haufig mit reflektiert 1 Giesecke betrachtet das im 15 Jahrhundert emergierende Typographeum als Informations und Kommunikationssystem dies schlagt sich zum einen in der Interpretation der Komponenten dieses Typographeums als Speicher Software und Code einschliesslich der entsprechenden Terminologie nieder in den typographischen Speicher werden Informationen eingegeben und der Markt ist ein okonomisches System mit Ein und Ausgangen der Prozess des Buchdrucks ist ein Ausdrucken von unterschiedlichen Informationstypen Zum anderen zeigt sich der systemische Einfluss in zahlreichen der Kybernetik entlehnten Prozess und Funktionsdiagrammen 2 Systemisches und kybernetisches Denken durchzieht die gesamte Argumentation beispielsweise erkennt Giesecke so dass die Pramierung eines Mediums immer die Abwertung eines anderen bedingt ein ganz normaler kybernetischer Ruckkopplungsprozess Naturlich finden sich bei dieser Betrachtungsweise uberall Steuerungs und Regelung sprozesse sowie Ruckkopplungsschleifen Inhalt BearbeitenAbschnitt 1 Bearbeiten Die Einfuhrung zeigt den Buchdruck als Katalysator kulturellen Wandels und stellt sein systemisches Kommunikations und Gesellschaftsmodell vor Daneben begrundet Giesecke die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen skriptographischer und der typographischer Medienrevolution erortert theoretische und medienpolitische Perspektiven und schliesst mit der Ankundigung Sozial und Kommunikationssysteme als technologische Systeme interpretieren zu wollen Die Interpretation des Buchdrucks als Katalysator nimmt Giesecke von Elizabeth Eisensteins Untersuchungen zur Druckerpresse auf sie spricht dort von einem agent of change der in alle anderen Mediensysteme in die Strukturen der Gesellschaft und die Wahrnehmung des Kunstlers eingreife Abschnitt 2 Bearbeiten Der zweite Abschnitt S 63 207 beginnt mit einer Bestandsaufnahme der Situation der Gutenbergzeit erortert die Vorlaufer der Gutenberg Technik und stellt einige technische Innovationen wie das Handgiessinstrument und die Bleilettern vor Daneben weitet Giesecke vorubergehend den Fokus seiner Betrachtungen von Mitteleuropa auf Ostasien aus und deutet an dass es beispielsweise in China bereits einen Druck mit einzelnen beweglichen holzernen Lettern um 1314 gegeben habe und dass selbst die Verwendung von Metalllettern im Sandgussverfahren aus Sudkorea ab 1495 verburgt sei Die Technologie sei dort zwar bekannt gewesen der Unterschied zu Mitteleuropa bestehe jedoch darin dass diese sich gesellschaftlich nicht durchgesetzt habe damit meint er beispielsweise das Fehlen der Entstehung eines offentlichen Buchmarktes und Buchhandels d h eines offentlich zuganglichen Informationsspeichers wie er sich in Mitteleuropa entwickelt habe Weiterhin weist Giesecke in einem Exkurs zur Drucktechnik Ablegen Zeilensatz und Seitensatz Zeilenausgleich und Umbruch usw darauf hin dass der Buchdruck ein komplexes Netzwerk an technologischen Hilfsmitteln wie Papier Setzkasten Winkelhaken Druckpresse etc aber auch eine gesellschaftliche Ausdifferenzierung der Arbeitsprozesse in Autoren Verleger Schriftsetzer Einfarber und Korrektorat usw erfordert habe Uberraschend aber fundiert ist Gieseckes These dass Gutenbergs Intention nicht die mechanische Vervielfaltigung war sondern die Entwicklung einer Schonschreibmaschine ohne Schreibrohr Griffel und Feder S 134 Demnach strebte Gutenberg analog dem Schonheitsideal der Renaissance wundervolle Harmonie nach dem Ideal einer kunstlichen im Sinne von kunstvollen Proportionierung der Textgestaltung Ihm gelang durch die vielfache identische Reproduktion der Bleilettern mit Hilfe von Gussformen Matrizen und durch die Herstellung der Gussformen mit Hilfe von Stempeln Punzen eine Vereinheitlichung des Schriftbildes und zusammen mit der Beweglichkeit der Lettern auf der Zeile der Satz eines gleichmassigen und harmonisch proportionierten Schriftsatzes Abschnitt 3 Bearbeiten Im dritten Abschnitt S 209 328 untersucht Giesecke welche Kommunikationssysteme und welche Informationstypen bis zum Tode Gutenbergs mit Hilfe der typographischen Technik umgestaltet wurden und welche Folgen dieser Einsatz der Informationstechnologie fur die Menschen nach sich zog S 209 Dies wird aufgefachert in funf Publikationsformen die noch zu Lebzeiten Gutenbergs zwischen 1440 und 1468 etabliert wurden institutionelle Informations und Kommunikationssysteme einschliesslich neuer Erziehungsprogramme Donate als Lernmedien Rationalisierung der Burokommunikation in der Kirche Buchdruck als Organisationsentwickler gedruckte Ablassbriefe Standardisierung der kirchlichen Liturgie Liturgica und Vereinheitlichung der kirchlichen Rituale und die Druckbibeln als zentrale Informationsspeicher des Glaubens Technisierung der offentlichen Kommunikation beginnend mit dem so genannten Turkenkalender von 1454 55 einer Mahnung an die gesamte Christenheit offentliche Diskussion im Mainzer Kirchenwahlkampf 1461 62 und der Druck von Reformschriften Technisierung der privaten Informationsverarbeitung am Beispiel von Kalendern und lateinischen Handbuchern Technisierung der Unterhaltungskunst durch Bildprogramme am Beispiel Albrecht Pfisters vergnugliche Literatur und Wiedergeburt der Antike als Software Das skriptographische Langzeitgedachtnis wird umgeschrieben Interpretation der Humanisten als Software Ingenieure und Ubersicht zur Standardisierung der klassischen Corpora Abschnitt 4 Bearbeiten Der vergleichsweise kurz gehaltene Abschnitt 4 S 329 389 beschreibt die schopferische Erkundung der Moglichkeiten des neuen Mediums zwischen dem 15 und 16 Jahrhundert Als erstes Beispiel beschreibt er eine Forschungsreise Bernhard von Breydenbachs ins Heilige Land zwischen 1483 und 1484 die als gedruckte und illustrierte Reisebeschreibung erschien er beschreibt sie als die wohl ersten ethnologischen Beschreibungen von Menschen die uberhaupt gedruckt wurden S 341 Die Illustrationen steuerte der Maler Erhard Reuwich bei Als zweites Beispiel dient der Hortus sanitatis eine Darstellung der traditionellen Gesundheitslehre in dem Kunst Wissenschafts und Buchhistoriker eine Abkehr von mittelalterlichen Traditionen sehen einen Meilenstein auf dem Wege zur Ausbildung der modernen beschreibenden Fachliteratur S 342 Neu ist allerdings dass das Werk nicht als die Weisheit der auctoritas ausgewiesen werde sondern als Produkt der betrachtenden Erfahrung der Natur S 345 Weiterhin hebt Giesecke einen Teil der insgesamt 376 Pflanzen und Tierabbildungen hervor von denen etwa 60 den Ruf des Hortus als entscheidenden Wendepunkt in der botanischen Illustrationsgeschichte begrundet hatten S 345 Abschliessend stellt Giesecke lokale Netze als Fruhformen des Buchhandels vor S 366 ff damit meint er beispielsweise die sporadische Vernetzung der Druckereien S 372 ff vor allem durch Nachdrucke Abschnitt 5 Bearbeiten Der funfte Abschnitt S 391 497 erortert ausfuhrlich die typographische Vernetzung der gesellschaftlichen Kommunikation zum gemeinen Nutzen der deutschen Nation zwischen 1520 und 1555 also die Herausbildung der nationalen Identitat und Autonomie als Folge des Buchdrucks Dabei weist Giesecke zunachst auf die Bedeutung der Handelsnetze als Medien der typographischen Kommunikation hin beschreibt die Herausbildung der Strukturen des Kommunikationssystems die sich bis in die Gegenwart erhalten haben und beschreibt schliesslich die Entstehung der ebenfalls bis heute gultigen Normungen des gedruckten Buches in Form von Titelblatt Paginierung und Adressierung Diese Normierungen ermoglichen das typographische Verweissystem in Form von wechselseitigen Bezugnahmen durch Quellenangaben und Querverweise Es folgen Ausfuhrungen zur Entstehung der Wertschatzung von neuen Inhalten Neuheit als Selektionskriterium S 425 ff sowie zu Eingriffen des politischen Systems in den Informationskreislauf in Form von Zensur und Datenschutz mit letzterem meint Giesecke allerdings nicht den Schutz personenbezogener Daten sondern vielmehr die Entstehung des Wettbewerbs und Urheberrechts beispielsweise in Form der Privilegierung von Druckern und Verlegern S 445 ff und 452 ff Nach Ausfuhrungen zu Zensur und Meinungsfreiheit S 462 ff und Praventivzensur S 467 ff beschreibt Giesecke schliesslich die typographischen Medien als Bedingung der offentlichen Meinung S 474 f und alte und neue Modelle uber Meinungsstreit und gesellschaftliche Willensbildung S 476 ff Abschliessend beschreibt Giesecke einen weiteren Normierungsprozess durch die Entwicklung einer Kunstsprache fur die typographischen Kommunikationssysteme S 489 ff als Entwicklung von der Kommunikations zur Sprachgemeinschaft durch Pramierung des typographischen Codes S 493 Abschnitt 6 Bearbeiten Der sechste und umfangreichste Abschnitt S 499 696 beschreibt die typographische Produktion von Geist und Kultur im weiteren Verlauf des 16 Jahrhunderts Giesecke legt den Schwerpunkt im Bereich der Herausbildung der technischen Literatur Fachprosa und der Bucher mit Beratungs und Entlastungsfunktion Bucher die korperliche Muhsal und Geld ersparen S 517 ff Im Detail stellt er exemplarisch einen medizinischen Ratgeber fur Arme Armenschatz siehe Thesaurus pauperum sowie ein Anleitungsbuch zum Destillieren Liber de arte distillandi vor Giesecke interessiert sich hier besonders dafur wie die Entwicklung des Buchdrucks neue Wissensformen hervorgebracht hat und wie das Verstandnis von Wissen im Rahmen des typographischen Systems modifiziert wurde Wahrend in oralen und skriptographischen Kulturen die Wissensvermittlung immer an einen personifizierten Experten gekoppelt war wird sie im typographischen System entpersonalisiert und vom Experten entkoppelt medizinisches oder technisches Wissen wurde durch Face to face Kommunikation ausgetauscht durch den Buchdruck wurde Wissen erstmals direkt an den Rezipienten abgegeben Durch das Fehlen einer Face to face Situation wurde auch die Herausbildung einer neuen textuellen Form des kunstlichen Sehens S 562 ff notwendig die bis heute eine der Grundfesten wissenschaftlicher Beschreibung bildet Anschliessend aktualisiert er den bereits in den einfuhrenden Kapiteln beschriebenen Aufbau der typographischen Informationssysteme auf den Stand des 16 Jahrhunderts S 591 ff Hier beschreibt er zwei neue Ruckkopplungskreise durch die Kritiker die Korrekturen schadigen die Autorenehre nicht S 595 die Entstehung des Fachautors sowie die Bedeutung der optischen Theorie fur die Prinzipien perspektivischen Projizierens S 602 ff Die praktischen Anwendungen des perspektivischen Projizierens abstrahierend entwickelt Giesecke daraus die Ausdifferenzierung der Kriterien der Reversibilitat und Wahrheit S 614 ff sowie anschliessend die der Konstruktion und Integration S 617 den Gedankengang greift Giesecke spater im Abschnitt zur Transformation des alten Wissens als Bedingung zur Erneuerung der Wissenschaft S 665 ff wieder auf Nach seinen Ausfuhrungen zur Emergenz der wissenschaftlichen Methodik im 16 Jahrhundert gelangt Giesecke zur Informationstransformation durch den Markt wo er die Konstituierung des Buchs als Ware und deren gesellschaftliche Auswirkungen beschreibt S 640 ff Abschliessend diskutiert Giesecke kritische Stimmen zum Wert der neuen Informationsmedien S 682 bei denen er zahlreiche Argumente heutiger Befurchtungen gegenuber Medienwirkungen oder Technikfolgen bereits im 15 und 16 Jahrhundert entdeckt Abschnitt 7 Bearbeiten Der letzte Abschnitt S 697 703 schliesst mit einer kurzen Schlussbemerkung zu den Grenzen zeitgenossischer und den anderen Grenzen der modernen Beschreibungen der typographischen Netze wo er einen Ausblick auf mogliche Ubertragungen seines Ansatzes zur Interpretation gegenwartiger Entwicklungen bietet Einschrankend weist er jedoch mit Marshall McLuhan darauf hin dass jede Generation die am Rande einer gewaltigen Wandlung steht von der Kraft der neuen Technik hypnotisiert sei und daher unfahig die kommende Entwicklung vorauszusehen Zusammenfassung Bearbeiten Hauptthese Gieseckes ist der radikale Bruch des Buchdruckzeitalters mit den alteren Mediensystemen der Antike und des Mittelalters die auf Oralitat also der mundlichen Uberlieferung und skriptographische Literalitat also handschriftlicher Uberlieferung basieren Der Druck hat eine Standardisierung der Texte ihrer Darbietung und der Regeln ihrer Erschliessung zur Folge Er lost sie aus gruppen und institutionengebundener Kommunikation und verwandelt sie in Elemente einer prinzipiell offentlichen virtuell jedermann zuganglichen Kommunikation Er hat eine Vernetzung kleinerer Kommunikationssysteme in wenigen Jahrzehnten zur Folge was die Bedeutung schriftlich tradierten Wissens fur die soziale Praxis unabsehbar steigert Er revolutioniert zumindest in einigen zentralen Bereichen dieses Wissen selbst indem die Darbietung weit starker als zuvor auf Anschaulichkeit und praktische Umsetzbarkeit ausgerichtet wird J D Muller In Internationales Archiv zur Sozialgeschichte der deutschen Literatur 18 1993 1 S 169 Giesecke liest die Geistesgeschichte als Informationsgeschichte Kap 6 Uberblick Aus der informations und medientheoretischen Sicht lassen sich viele Veranderungen auf die Emergenz eines neuen Informationstyps zuruckfuhren der von nachfolgenden Generationen als objektives Wissen oder als Wissenschaft bezeichnet wird Diese Information ist Eigenschaft eines neuen Mediums eben der ausgedruckten Bucher Im Gegensatz zu Informationstypen wie Weisheit oder Kunstfertigkeit ist sie von vornherein nicht in den Kopfen der Menschen sondern in einem technischen Speicher gesammelt der offentlich zuganglich ist S 501 Rezeption BearbeitenGieseckes Arbeit wurde kritisch aufgenommen der Autor erwahnt in seinem Nachwort von 1998 Feedback auf das Feedback rund 40 Besprechungen aus den Massenmedien hinzu kommen zahlreiche weitere Stellungnahmen und Rezensionen aus dem Web Durchgangig gelobt wurde der Detail und Materialreichtum der zahlreichen eingebetteten Fallstudien umstritten war jedoch der systemisch kybernetische Ansatz Die Rezensentin Antonia Lichtenstein sieht diesen Ansatz als Ruckfall in Methoden die seit etwa vierzig Jahren uberholt seien 2 Angesichts der grossen Erfolge systemtheoretischer Anwendungen in den Medienwissenschaften und des Florierens aktueller Anwendungen der Kybernetik in neuen Forschungsschwerpunkten wie der kybernetischen Anthropologie scheint diese Kritik eher auf Unkenntnis denn auf Sachkenntnis des aktuellen Forschungsstandes zu beruhen Die Schwierigkeiten der Geisteswissenschaften mit der informations bzw kommunikationstheoretischen Perspektive zeigen sich auch in der haufig kritisierten Computermetaphorik beziehungslos und unvermittelt streut der Autor Termini wie Input Output oder Soft und Hardware uber den Text schicke Streusel die vielleicht eine Cocktailunterhaltung irgendwie zeitgemass erscheinen lassen hier aber uberhaupt nichts leisten an Erhellung und Zusammenhang Wenn eine Druckerei zwischendurch ein informationsverarbeitendes System genannt wird der Leser ein Prozessor aber auch aus plotzlich ganz anderen Theoriezusammenhangen ein Effektor dann entsteht lediglich eine terminologische Verstorung und nicht ein moglicherweise intendiertes Begriffssystem 2 Giesecke verteidigt seine Terminologie jedoch mit dem Argument sein Band sei als Studie zur Vorgeschichte der Informationsgesellschaft angelegt die modernistische Terminologie solle einen Vergleich zwischen den aktuellen Innovationsprozessen und jenen in der fruhen Neuzeit erleichtern Georg Jager sieht in Gieseckes Ansatz eine unzulassige Einnahme eines Metastandpunktes Die theoretische Grundlegung in Gieseckes Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit In Internationales Archiv fur Sozialgeschichte der deutschen Literatur Bd 18 H 1 1993 179 196 Giesecke sieht hier ein Missverstandnis und weist erneut darauf hin dass er tatsachlich eine strukturelle Homologie organischer neuronaler und technischer Prozesse sehe Auf dem Buchumschlag wird aus einem Kommentar Manfred Schneiders zitiert mit Gieseckes Buch findet die deutsche Medienwissenschaft endlich wieder Anschluss an internationale Standards Lichtenstein merkt bissig an dies sei um freundlich zu bleiben eine Absenkung jener Standards auf das Niveau eines eklektizistischen Dilettanten 2 Erganzende Literatur BearbeitenGiesecke schliesst seine Untersuchung um 1600 ab Wer die Mediengenealogie in Anlehnung an Systemtheorie und Diskursanalyse fortsetzen will muss eine Spanne von rund zweihundert Jahren uberbrucken und kann dann bei Friedrich Kittlers Aufschreibesystemen 1800 1900 fortsetzen die wiederum gut erganzt werden durch Grammophon Film Typewriter desselben Autors Wahrend Giesecke im Buchdruck in der fruhen Neuzeit vor allem die Leistungen der typographischen Medien herausarbeitet nicht aber ihre Grenzen und ihre Abhangigkeit von anderen Kommunikationssystemen aufzeigt liefert der Autor dies nach in der Folgepublikation Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft aus dem Jahr 2002 Fur den Ubergang der Gutenberg Galaxis in emergierende neue Formen mag auch Am Ende der Gutenberg Galaxis Die neuen Kommunikationsverhaltnisse von Norbert Bolz Munchen 1993 lesenswert sein Ausgaben BearbeitenMichael Giesecke Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit Eine historische Fallstudie uber die Durchsetzung neuer Informations und Kommunikationstechnologien Frankfurt am Main Suhrkamp 1991 Gebundene Ausgabe Taschenbuchausgabe 1998 Neuauflage Marz 2005 ISBN 3518289578Siehe auch BearbeitenAlphabetisches MonopolLiteratur BearbeitenMichael Giesecke Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft Frankfurt am Main Suhrkamp 2002 ISBN 3 518 29143 2 Elizabeth Eisenstein Die Druckerpresse Kulturrevolutionen im fruhen modernen Europa Wien New York Springer 1997 ISBN 3 211 82848 6 engl Originalausgabe 1983 Weblinks Bearbeitenhttp www mythen der buchkultur de Website zu Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft von Michael Giesecke http www kommunikative welt de Rezensionen und Rezeptionen http www gazette de Archiv Gazette 13 April1999 Leseproben3 html Eine Analyse des deutschen Buchdrucks in der fruhen Neuzeit von Antonia Lichtenstein bei Gazette de http www sumscorp com perspective giesecke html Michael Giesecke Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit englischsprachige Rezension von Dr Kim H Veltman http www literaturkritik de public rezension php rez id 6360 amp ausgabe 200309 Der Buchdruck in der fruhen Echtzeit Michael Gieseckes transmediales Projekt Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft Rezension von Martha Hauser Einzelnachweise Bearbeiten Michael Giesecke Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit Archiviert vom Original am 27 September 2007 abgerufen am 18 Februar 2019 a b c d Antonia Lichtenstein Das Prinzip Konfusion In Die Gazette Kastner AG 13 April 1999 abgerufen am 18 Februar 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Buchdruck in der fruhen Neuzeit amp oldid 235729582