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Chimarenflugler Coxoplectoptera sind eine urtumliche ausgestorbene Insektengruppe aus der Stammlinie der Eintagsfliegen die erst 2011 wissenschaftlich beschrieben wurde Geflugelte Tiere und die wasserlebenden Larven waren rauberisch und besassen Fangbeine die an Gottesanbeterinnen erinnern Die Larven haben eine merkwurdige Bachflohkrebs ahnliche Gestalt Die Chimarenflugler lebten im Erdmittelalter Bislang wurden nur Fossilien von zwei erwachsenen Tieren und uber 20 Larven wissenschaftlich beschrieben insgesamt wurden mindestens 30 40 Larven gefunden ChimarenfluglerMickoleitia longimanus Holotypus ImagoZeitliches AuftretenJura bis Aptium Unterkreide 150 bis 120 Mio JahreFundorteBrasilien Crato Formation TransbaikalienSystematikStamm Gliederfusser Arthropoda Unterstamm Sechsfusser Hexapoda Klasse Insekten Insecta Unterklasse Fluginsekten Pterygota Uberordnung Starrflugler Palaeoptera Ordnung ChimarenfluglerWissenschaftlicher NameCoxoplectopteraStaniczek Bechly amp Godunko 2011FamilienMickoleitiidae Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Entdeckungsgeschichte 3 Korperbau 3 1 Imago 3 2 Larve 4 Lebensweise 4 1 Imago 4 2 Larve 5 Evolution und Stammesgeschichte 6 Systematik 7 Literatur 8 WeblinksEtymologie BearbeitenDie Gattung Mickoleitia und Familie Mickoleitiidae wurden zu Ehren des Tubinger Zoologen Gerhard Mickoleit benannt Der wissenschaftliche Name Coxoplectoptera leitet sich von den verlangerten Huftgliedern Coxen der larvalen und imaginalen Beine ab sowie von dem alten wissenschaftlichen Namen Plectoptera fur Eintagsfliegen nicht zu verwechseln mit Plecoptera fur Steinfliegen Der deutsche Name Chimarenflugler bezieht sich auf die erwachsenen Tiere die wegen ihrer ungewohnlichen Merkmalskombination Brust und Hinterflugelform einer Grosslibelle Flugelgeader eines primitiven Vorfahren der Eintagsfliegen und Vorderbeine als Fangbeine wie die einer Gottesanbeterin wie ein aus verschiedenen unverwandten Tieren zusammengesetztes Wesen Chimare der griechischen Mythologie wirken Entdeckungsgeschichte BearbeitenDie Larven der Coxoplectoptera sind in den Plattenkalken der Crato Formation nicht selten zu finden so dass sie bei den brasilianischen Steinbrucharbeitern sogar einen besonderen Namen Abacaxi Ananas erhalten haben Von Bechly 2001 Abb 36 wurden die Larven erstmals abgebildet und auf ihre seltsame Morphologie hingewiesen Auch Staniczek 2002 2003 diskutierte diese Larven und erwahnte dass diese wohl schon zu Lebzeiten eine Art Lebende Fossilien waren Der Gottinger Biologe Rainer Willmann beschrieb in Martill Bechly amp Loveridge 2007 diese Larven und ordnete sie irrtumlich der Familie Cretereismatidae zu die er als Adulttiere von der gleichen Fundstelle als Stammgruppenvertreter der Eintagsfliegen beschrieben hat Die deutschen Palao entomologen Gunter Bechly und Arnold H Staniczek hatten im Rahmen der Arbeiten zu dieser Monografie der Crato Formation bereits in der Sammlung des Stuttgarter Naturkundemuseums das adulte Fossil entdeckt das spater zum Holotypus von Mickoleitia longimanus werden sollte Sie bildeten es in Martill Bechly amp Loveridge 2007 Fig 11 90i j als unbeschriebenen Stammgruppenvertreter der Eintagsfliegen ab und erwahnten in einer kurzen Bildlegende auch schon die mogliche Beziehung zu den Larven Die eigentliche Beschreibung der Coxoplectoptera und der Nachweis der Zugehorigkeit der Larven wurde von Staniczek Bechly amp Godunko 2011 in einem Sonderband uber kreidezeitliche Insekten der Zeitschrift Insect Systematics amp Evolution veroffentlicht Die Autoren erkannten zudem dass zwei ratselhafte Larven Mesogenesia petersae Archaeobehnigia edmundsi aus dem mittleren oder oberen Jura von Transbaikalien die von Tshernova 1977 irrtumlich als moderne Eintagsfliegenlarven beschrieben worden waren ebenfalls zu den Coxoplectoptera gehoren Die Entdeckung und Beschreibung der Chimarenflugler zahlte zu den spektakulareren palaontologischen Ereignissen des Jahres 2011 und rief ein weltweites Medieninteresse hervor Korperbau BearbeitenImago Bearbeiten Das erwachsene Stadium der Typusart Mickoleitia longimanus hat eine Flugellange von 28 29 mm und eine vermutliche der Hinterleib ist nicht erhalten Korperlange von 35 40 mm Eine zweite unbenannte Art der Gattung Mickoleitia ist nur etwa halb so gross und ist nur durch ein einziges Fossil in einer japanischen Privatsammlung bekannt Am Kopf sitzen grosse Komplexaugen und funktionale Mundwerkzeuge sind offenbar vorhanden erhalten sind 3 gliedrige Lippentaster Die Brustsegmente sind schrag nach hinten gekippt wie bei Libellen wodurch die vorderen Fangbeine starker nach vorn geschoben sind Alle Beine haben ein stark verlangertes und freiliegendes Huftglied Coxa Die Vorderbeine sind als subchelate Fangbeine ausgebildet mit eingliedrigem Tarsus mit unpaarer Klaue Sehr wahrscheinlich endete der Hinterleib in drei Schwanzfaden Cerci und Terminalfilum wie bei heutigen Eintagsfliegen und deren permischen Stammgruppenvertretern Permoplectoptera z B Protereismatidae Da die Mannchen der heutigen Eintagsfliegen und der Permoplectoptera zu genitalen Greifzangen umgebildete Gonopoden besitzen um die Weibchen bei der Paarung zu ergreifen ist dieser Merkmalszustand und dieses Verhalten auch fur die Coxoplectoptera zu vermuten die stammesgeschichtlich als Bindeglied zwischen diesen beiden Gruppen einzuordnen sind Larve Bearbeiten nbsp Mickoleitia spec LarveDie mehr als 20 beschriebenen fossilen Larven haben je nach Stadium eine Korperlange von 10 32 mm Sie sind einzigartig unter allen bekannten fossilen und rezenten aquatischen Insektenlarven durch ihren seitlich abgeplatteten Korperbau der eher an Bachflohkrebse erinnert Viele der Larven sind in einer charakteristischen Stellung mit konkav durchgebogenem Rucken und hoch aufgerichteten Fuhlern und Schwanzfaden eingebettet die Vorderbeine stets in Fangstellung wie bei einer Gottesanbeterin Der Kopf ist stark gepanzert und mit horn bzw schaufelartigen Auswuchsen versehen Von den Mundwerkzeugen sind uberkreuzte sabelartige Kiefer Mandibeln und eine schaufelformige Unterlippe Labium bekannt Alle Beine haben ein stark verlangertes Huftglied wie die erwachsenen Tiere Die Vorderbeine sind schlanke Fangbeine mit fast identischem Aufbau wie bei den erwachsenen Tieren wobei die Tibia aber verkurzt ist und moglicherweise mit dem eingliedrigen Tarsus verwachsen ist An allen Tarsen ist nur eine unpaare Klaue vorhanden Die griffelformigen und nach unten gerichteten Hinterleibskiemen sitzen am 1 bis 7 Abdominalsegment Diese Kiemen haben einen breiten starker sklerotisierten Basisabschnitt und einen schmalen eher membranosen Distalabschnitt Die Kiemen setzen innerhalb der abdominalen Ruckenschilde Tergite an die deutlich von den Bauchschilden Sternite abgegrenzt sind Die seitlichen Cerci und das mediane Terminalfilum bilden drei lange Schwanzfaden die mit feinen und langen Harchen dicht gesaumt sind Lebensweise BearbeitenImago Bearbeiten Da am Kopf des Holotypusexemplars deutlich Mundwerkzeuge Palpen zu erkennen sind haben die erwachsenen Tiere sicherlich Nahrung zu sich genommen Dies steht im Gegensatz zu den modernen Eintagsfliegen deren erwachsenes Stadium ein reines Vermehrungsstadium ist das nicht mehr frisst und dessen Mundwerkzeuge daher stark zuruckgebildet sind Die als Fangbeine ausgebildeten Vorderbeine und die schraggestellte Brust belegen dass es sich um Rauber gehandelt hat die vermutlich aktiv im Flug andere Insekten erbeutet haben Die libellenartigen Flugel und grossen Hinterflugel deuten zudem darauf hin dass die Chimarenflugler geschickte und schnelle Flieger waren Larve Bearbeiten Die Fundhaufigkeit und bestimmte anatomische Anpassungen 7 Paar Kiemenanhange am Hinterleib drei dicht mit Schwimmhaaren gesaumte Schwanzfaden belegen dass die Larven wie heutige Eintagsfliegenlarven im fliessenden Susswasser gelebt haben mussen und in die brackische Lagune in der die Plattenkalke mit den Fossilien abgelagert wurden als allochthone Elemente eingeschwemmt worden sind Die wie bei den erwachsenen Tieren als Fangbeine ausgebildeten Vorderbeine und die kraftigen und gebogenen Kiefer Mandibeln sowie grossen Augen und langen Antennen zeigen dass auch die Larven rauberisch gelebt haben Auf der anderen Seite deuten die kraftigen verkurzten und verbreiterten Mittel und Hinterbeine die kraftige Korperpanzerung und schaufelartige Fortsatze am Kopf darauf hin dass die Tiere gegraben haben Die Beschreiber vermuten daher dass die Larven halb eingegraben im Gewassergrund als Lauerjager gelebt haben und vorbeischwimmende oder vorbeilaufende kleine Wassertiere ergriffen haben Evolution und Stammesgeschichte BearbeitenDie Larven der Coxoplectoptera lieferten neue Hinweise zur Klarung des evolutionaren Ursprungs der Insektenflugel Bislang galten zwei Theorien Paranotal Theorie und Exit Theorie als unvereinbare Alternativen fur die jeweils unterschiedliche Evidenzen aus Fossilbericht vergleichender Morphologie Entwicklungsbiologie und Genetik sprachen Der Nachweis dass Beingene bei der Ontogenese der larvalen Flugelanlagen exprimiert werden galt als uberzeugender Beleg fur die Exit Theorie die den Insektenflugel von umgewandelten beweglichen Asten Exiten der Spaltbeine herleitet Die Larven der Coxoplectoptera zeigen jedoch dass die Hinterleibskiemen der Eintagsfliegen und ihrer Ahnen die als den Flugeln seriell entsprechende Organe gelten innerhalb der Ruckenschilde entspringen Bei modernen Eintagsfliegen ist dies nicht erkennbar da im Hinterleib der Larven die Rucken und Bauchschilde stets zu Ringen verwachsen sind und auch embryonal keine Hinweise zu finden sind Wenn Larvenkiemen und Flugel sich entsprechende seriell homologe Strukturen sind und somit den gleichen evolutionaren Ursprung haben so bedeutet der Befund der Coxoplectoptera Larven dass auch die Flugel tergalen Ursprungs sind wie es die klassische Paranotal Theorie besagte Staniczek Bechly amp Godunko 2011 schlugen daher eine neue Hypothese vor die die neuen palaontologischen Befunde mit den Ergebnissen der Entwicklungsgenetik in Einklang bringen konnte Demnach seien Flugel zunachst als starre Auswuchse der Ruckenschilde Paranota entstanden und erst spater in der Evolution waren diese Auswuchse durch die sekundare Rekrutierung von Beingenen beweglich geworden Innerhalb der Fluginsekten stellen die Coxoplectoptera die Schwestergruppe der modernen Eintagsfliegen dar Fur eine nachste Verwandtschaft mit den Eintagsfliegen sprechen folgende Merkmale als Synapomorphien Flugelgeader mit Costalverspantung costal brace fehlt bei allen anderen Fluginsekten Larven mit 7 Paar Abdominalkiemen im Gegensatz zu noch 9 Paaren bei den Permoplectoptera z B Larven von Protereisma Larven mit eingliedrigem und einklauigem Tarsus im Gegensatz zu noch 3 gliedrigen Tarsen mit paarigen Klauen bei den Permoplectoptera z B Larven von Protereisma Gemeinsam mit den Eintagsfliegen und den Libellen gehoren die Coxoplectoptera zur monophyletischen Gruppe der Palaeoptera die durch einen abgeleiteten Bau des Flugelgelenks mit verschmolzenen Skleriten und eine senkrechte Flugelruhehaltung im Grundplan gekennzeichnet sind sowie auch durch Schaltadern zwischen den eigentlichen Langsadern insbesondere IR1 zwischen RP1 und RP2 und IR2 zwischen RP2 und RP3 4 Die Coxoplectoptera waren sehr ursprunglich und glichen eher fruhen Ahnen der Eintagsfliegen aus dem Erdaltertum beispielsweise in der plesiomorphen Auspragung der Costalverspantung im Flugelgeader der erwachsenen Tiere und der deutlich abgegliederten vermutlich beweglichen Flugelscheiden der Larven Auch die grossen und breiten Hinterflugel sind ein ursprunglicher Merkmalszustand im Vergleich zu den verkleinerten Hinterflugeln der Eintagsfliegen und den schlanken Hinterflugeln der Permoplectoptera Die Monophylie der Coxoplectoptera ist durch eine Reihe von autapomorphen Besonderheiten der Gruppe belegt wie z B im erwachsenen Stadium durch die Fangbeine und die eingliedrigen Fusse mit unpaarer Klaue sowie im Larvenstadium durch die seitlich abgeflachte Korperform die Korperpanzerung die Fangbeine und Grabbeine und die griffelformige Gestalt der nach unten gerichteten Hinterleibskiemen Nachgewiesen sind die Coxoplectoptera im Jura und in der Unteren Kreidezeit Wann und warum sie ausgestorben sind ist noch nicht bekannt Systematik BearbeitenDie ausgestorbene Ordnung der Chimarenflugler Coxoplectoptera umfasst nur eine Familie Mickoleitiidae mit zwei Gattungen Mickoleitia Untere Kreide Crato Formation Brasilien Mickoleitia longimanus Typusart Mickoleitia spec kleinere unbenannte Art nur ein adultes Fossilexemplar in einer japanischen Privatsammlung Mesogenesia Jura Transbaikalien Mesogenesia petersae Archaeobehnigia edmundsi Literatur BearbeitenO A Tshernova Distinctive new mayfly nymphs Ephemeroptera Palingeniidae Behningiidae from the Jurassic of Transbaikal In Paleontologicheskii Zhurnal 1977 2 1977 S 91 96 russisch Gunter Bechly u a Hrsg Ur Geziefer Die faszinierende Evolution der Insekten Stuttgarter Beitrage zur Naturkunde Serie C 49 Stuttgart 2001 DNB 964675013 Volltext als PDF 4 5 MB Arnold H Staniczek Fossile Eintagsfliegen Einblicke in die Welt urtumlicher Fluginsekten In Fossilien 19 2002 S 297 302 Arnold H Staniczek Eintagsfliegen Manna der Flusse Stuttgarter Beitrage zur Naturkunde Serie C 53 Stuttgart 2003 DNB 972757562 David M Martill Gunter Bechly Robert F Loveridge Hrsg The Crato Fossil Beds of Brazil Window into an Ancient World Cambridge University Press Cambridge u a 2007 ISBN 978 0 521 85867 0 Arnold H Staniczek Gunter Bechly Roman J Godunko Coxoplectoptera a new fossil order of Palaeoptera Arthropoda Insecta with comments on the phylogeny of the stem group of mayflies Ephemeroptera In Insect Systematics amp Evolution 42 2 Brill Leiden 2011 S 101 138 ISSN 1399 560X Autoren Homepage mit Link zum PDF Weblinks BearbeitenSpiegel Online Mini Rauber verrat wie Insekten Flugel wuchsen SWR4 Coxoplectoptera Grossmutter der Eintagsfliege mit mp3 Link zu 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