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Argument der menschlichen Grenzfalle AMG bezeichnet in der tierethischen Literatur eine Klasse von Argumenten Ausgegangen wird davon dass zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tierarten A 1 keine scharfe Trennlinie anhand fur moralische Bewertungen verwendbarer Kriterien gezogen werden konne Eine Bevorzugung von Menschen aufgrund von Eigenschaften wie etwa die Fahigkeit zum Schmerzempfinden scheitere daran dass fast alle nichtmenschlichen Tiere zumindest alle Tiere mit Nervensystem ein Schmerzempfinden besitzen Andererseits werden vermeintlich spezifisch menschliche Fahigkeiten wie etwa die Fahigkeit Plane fur die Zukunft zu entwerfen oder moralische Urteile zu fallen nicht von allen Menschen geteilt bzw ausgelebt z B von besonders kleinen Kindern oder Menschen mit bestimmten Behinderungen Bezuglich einer Eigenschaft die zu einer ethischen Unterscheidung vorgeschlagen wird sind dann solche Menschen die die Eigenschaft nicht haben oder solche Tiere die sie haben die Grenzfalle Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen 2 Beispiele 3 Formen des AMG 4 Diskussion und Gegenpositionen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Einzelnachweise 8 AnmerkungenVoraussetzungen BearbeitenDie wesentliche Voraussetzung des AMG ist eine Interpretation der Theorie der Evolution der Arten die die Existenz von Grenzfallen zu beliebigen Eigenschaften sichern soll Demnach gebe es ein Kontinuum in allen ethisch relevanten Fahigkeiten der Unterschied zwischen den Arten sei also graduell und nicht prinzipiell Richard Dawkins schlagt ein Gedankenexperiment vor 1 Man stelle sich einen Menschen und einen Schimpansen vor Beide nehmen nacheinander einen direkten Vorfahren an die Hand Seine Interpretation der Evolutionstheorie ist dann dass es stets moglich sei wenn man nur oft genug A 2 direkte Vorfahren aufsucht einen gemeinsamen Vorfahren zu finden So konstruiert er eine endliche Kette von Individuen von denen an dem einen Ende ein Wesen mit Grundrechten steht und auf der anderen Seite eines ohne Er schliesst dass dann wenigstens eine Stelle in der Kette existieren musse wo der moralische Status wechselt Beispiele BearbeitenEin AMG wird vorwiegend zur Begrundung einer Tierrechtsposition herangezogen um fur Grundrechte von Nichtmenschen zu argumentieren Eine Anwendung auf weniger weitreichende moralische Forderungen findet sich bei dem Utilitarist Peter Singer Dieser beobachtet dass das angebliche Leid in vielen Formen der Tiernutzung mit dem Nutzen den Menschen daraus ziehen in keinem Verhaltnis stehe Mit einem Gleichbehandlungsprinzip schliesst er dass man prinzipiell diesem Leid eine entsprechende Berucksichtigung zukommen lassen musse Dieses Leid konne nicht allein aufgrund von Spezieszugehorigkeit ignoriert werden Dass es andererseits keine von der Spezieszugehorigkeit verschiedenen Kriterien geben konne die eine Ignoranz rechtfertigen begrundet er mit einem AMG welche Kriterien wir auch wahlen wir werden zugeben mussen dass sie nicht genau an der Grenze unserer eigenen Spezies verlaufen Wir konnen mit Berechtigung annehmen dass bestimmte Lebewesen Merkmale aufweisen die ihr Leben wertvoller machen als das anderer Lebewesen Aber mit Sicherheit wird es einige nichtmenschliche Tiere geben deren Leben nach welchem Massstab auch immer mehr Wert haben als das Leben einiger Menschen Wenn wir also das Recht auf Leben auf diese Eigenschaften grunden mussen wir diesen Tieren ein genauso grosses wenn nicht sogar ein grosseres Lebensrecht zugestehen als solchen Menschen 2 Tom Regan verwendet eine Version vom AMG zur Kritik gegen verschiedene Tierethiken etwa der von Kant oder Narveson 3 Kant und Narveson schlagen beide eine bestimmte Eigenschaft als notwendige Voraussetzung zur Zuordnung eines inharenten Wertes beziehungsweise von Menschenwurde vor Diese Eigenschaften sind bei Kant die Rationalitat und bei Narveson die Fahigkeit Vereinbarungen zu treffen aus eigenen Interessen heraus Anspruche geltend machen zu konnen und einen angemessenen Druck auszuuben um diese Anspruche von gesellschaftlichen Institutionen durchzusetzen A 3 Bezeichne diese Eigenschaft mit Regan schlagt in seiner Kritik daran folgenden Syllogismus vor 4 A 4 P1 Anhand gewisser Kriterien der Rechtezuweisung werden neben allen Tieren auch einige marginale Menschen von der Klasse der Rechtehabenden ausgeschlossen P2 Jedoch haben Menschen insbesondere die marginalen Menschen Rechte und liegen somit in der Klasse der Rechtehabenden K1 Demzufolge muss jedes Kriterium fur welches P1 wahr ist als ein Kriterium zuruckgewiesen werden das eine Voraussetzung fur den Besitz von Rechten darstellen soll Regan begrundet ferner warum im Fall der Rationalitat nach Kant und fur nach Narveson die Voraussetzung P1 seiner Ansicht nach wahr ist 5 Regan stellt in seinem Hauptwerk eine mogliche Einordnung von AMG in seine Tierrechtstheorie bereit Ein besseres Verstandnis der Willkur dieser Behauptung dass Rationalitat fur Grundrechtszuweisungen eine notwendige Voraussetzung ist wird allein weder die Behandlung von menschlichen noch tierlichen Wesen verbessern Es scheint mir aber eine hilfreiche und vielleicht wesentliche Voraussetzung zu jedem Fortschritt in ihrer Behandlung durch uns zu sein 6 Eine Monographie zum AMG ist das Werk Daniel Dombrowskis der im Gegensatz zu Regan eine Tierrechtsposition aus AMG allein fur ableitbar halt Formen des AMG BearbeitenEvelyn Pluhar unterscheidet zwei Versionen des AMG 7 Das bikonditionale AMG Es sagt der moralische Status von nichtmenschlichen Tieren und Grenzfallen die sich in den relevanten Eigenschaften ahneln sei aquivalent Solche Tiere haben dann und nur dann Rechte wenn die entsprechenden Menschen sie haben Ob das der Fall ist verbleibt offen Das kategorische AMG geht von einem Rechtsbegriff fur Grenzfalle aus und schliesst damit auf Rechte von nichtmenschlichen Tieren Von der logischen Struktur gleicht das Argument dann einer Kontraposition Tierrechte existieren nicht displaystyle Rightarrow nbsp Menschenrechte existieren nicht Tom Regan hat dieselbe Unterscheidung und mit den Begriffen starkes und schwaches Argument from marginal cases In seiner Betrachtung 8 des schwachen Arguments erganzt er eine weitere Unterscheidung in einerseits eine kritische Version im obigen Beispiel wiedergegeben und in eine konstruktive Version mit folgendem Syllogismus P3 Menschen insbesondere marginale Menschen gehoren der Klasse der Rechtehabenden an P4 Das sinnvollste hinreichende Kriterium fur die Zuschreibung von Grundrechten ein Kriterium welches auch marginale Menschen in die Klasse der Rechtehabenden einbezieht zwingt uns dazu auch einige jedoch nicht alle Tiere in diese Klasse aufzunehmen K2 Wenn wir marginale Menschen dieser Klasse zuschreiben mussen wir dasselbe auch fur einige Tiere zulassen Den Namen Konstruktives Argument from marginal cases rechtfertigt er damit dass a das Argument mit P3 von den Rechten marginaler Menschen ausgeht und dass b im Gegensatz zum juristischen Argument keine Kritik an vorgeschlagenen Kriterien ist sondern von einem als sinnvollsten Kriterium zur Rechtezuschreibung auf so eine Zuschreibung auch fur einige nichtmenschliche Tiere schliesst K2 Das Kritische Argument from marginal Cases hingegen kritisiert die Adequatheit gewisser vorgebrachter notwendiger Kriterien zur Zuschreibung von Grund rechten Diskussion und Gegenpositionen BearbeitenR G Frey und Allan Holland zufolge zeigt das Argument als solches lediglich einen Widerspruch auf schweige sich uber dessen Auflosung aber aus Die Ablehnung von Menschenrechten fur Grenzfalle sei ganzlich inakzeptabel 9 Einige verteidigen eine solche Auflosung 10 Siehe auch Dammbruchargument Verfechter eines Begriffs des Speziesismus sehen ihre These dass eine Diskriminierung aufgrund von Spezieszugehorigkeit existiere und analog zur Diskriminierung aufgrund von beispielsweise Geschlecht oder Hautfarbe verlaufe dadurch bestatigt und in der Offenheit des Arguments eine Starke 7 Steven F Sapontzis zufolge sei das AMG irrefuhrend weil der moralische Wert von Nichtmenschen oder Menschen keineswegs aus Ahnlichkeiten erwachse sondern aus einem Respekt fur den Eigenschaften ubergeordneten Tugenden die sich beobachten liessen 11 Das AMG sei unfair gegenuber Menschen mit Behinderung Menschen die grundlegende kognitive Fahigkeiten aus irgendeinem Grund verlieren seien in ihrer Personlichkeit entstellt Menschen die von Geburt an solche Fahigkeiten nicht haben seien auch benachteiligt weil sie keine normalen Mitglieder ihrer Spezies werden konnen Das stelle einen Unterschied zu nichtmenschlichen Tieren dar die diese Zugehorigkeit durchaus besitzen konnen Daraus lasse sich auf eine Situation der moralischen Uberlegenheit von Menschen mit Behinderung schliessen Eine Antwort der Tierrechtler darauf ist dass das Argument Zirkular sei In dem Begriff der Benachteiligung oder der Unfairness sei der moralische ubergeordnete Wert der Menschen mit Behinderung gegenuber allen Tieren bereits enthalten wahrend gleichzeitig fur diesen argumentiert wird 7 Arthur Caplan weist darauf hin dass ein menschlicher Grenzfall sich durch eine emotionale Beziehung zu einem Nicht Grenzfall unterscheiden kann und daraus eine ethische Erheblichkeit erwachsen kann 12 James Lindemann Nelson weist diesen Punkt zuruck Derlei Beziehungen existieren einerseits auch zwischen Nicht Grenzfallen und Nichtmenschen Andererseits gabe es auch hier wieder einen Meta Grenzfall von Menschen die nicht in einer solchen Beziehung zu Nicht Grenzfallen stehen 13 Peter Caruthers vertritt Caplans Einwand aus einer kontraktualistischen Position Menschenrechte hatten die wesentliche Funktion Gesellschaften zu stabilisieren Eine Aberkennung von Menschenrechten fur Grenzfalle wurde zunachst zu ihrer Ausbeutung und in der Folge zu Hass und eventuell Gewalt durch ihre Angehorigen fuhren Der Hass und die Gewalt einiger Vertreter der Tierrechte etwa der Animal Liberation Front sowie die Art der Beziehungen zwischen Menschen und Nichtmenschen stehe dazu in keinem Verhaltnis Tiere hatten demnach grundsatzlich keine intrinsischen Werte 14 Ahnlich argumentiert Elizabeth S Anderson Rechte seien demnach als eine gesellschaftliche Institution grundsatzlich von der Art der Beziehungen abhangig in der die Mitglieder der Gesellschaft zueinander stehen konnen Siehe Capabilities Approach Im Gegensatz zu Caruthers konnen bei Anderson soziale beziehungsweise emotionale Beziehungen uber die Speziesgrenzen hinaus ein mit zwischenmenschlichen Beziehungen vergleichbare Bedeutung erreichen und daraus entsprechende Rechte erwachsen Das sei jedoch nicht fur alle Tiere mit Bewusstsein der Fall 15 Siehe auch BearbeitenAnthropologie Krone der SchopfungLiteratur BearbeitenDaniel A Dombrowski Babies and beasts the argument from marginal cases University of Illinois Press 1997 ISBN 978 0 252 06638 2 Evelyn B Pluhar Beyond Prejudice The Moral Significance of Human and Nonhuman Animals Ex Library Auflage Duke University Press Books 1995 ISBN 0 8223 1648 X ArtikelElizabeth Anderson M C Nussbaum amp C Sunstein Hrsg Animal rights current debates and new directions Oxford University Press USA 2005 Animal Rights and the Values of Nonhuman Life S 277 298 Marc Bekoff Encyclopedia of Animal Rights and Animal Welfare 1 Auflage Greenwood Press 1998 ISBN 0 313 29977 3 Marginal Cases S 237 241 Online PDF M Bernstein Marginal cases and moral relevance In Journal of social philosophy Band 33 Nr 4 2002 S 523 539 Daniel A Dombrowski Is the Argument from Marginal Cases Obtuse In Journal of Applied Philosophy Band 23 Nr 2 2006 S 223 232 doi 10 1111 j 1468 5930 2006 00334 x F Kaufman Speciesism and the Argument from Misfortune In Journal of applied philosophy Band 15 Nr 2 1998 S 155 163 Alastair Alastair Norcross Puppies pigs and people eating meat and marginal cases In Philosophical perspectives Band 18 Nr 1 2004 S 229 245 Online PDF Einzelnachweise Bearbeiten R Dawkins Gaps in the Mind In The great ape project 1993 S 80 87 Online PDF Animal Liberation S 19 ff der englischsprachigen Ausgabe Harper Collins 2002 S 58 in der deutschsprachigen Rowohlt Hamburg 1996 Taschenbuch Das Gleichbehandlungsprinzip ist bei Singer praskriptiv genauer ein Gebot der gleiche n Berucksichtigung vergleichbarer Interessen Einen ausfuhrlicheren Wortwechsel von Regan und Narveson zu Tierrechten und den menschlichen Grenzfallen findet man in T Regan Narveson on Egoism and the Rights of Animals In Canadian Journal of Philosophy Band 7 Nr 1 1977 S 179 186 und Jan Narveson Animal Rights In Canadian Journal of Philosophy Band 7 Nr 1 Marz 1977 ISSN 0045 5091 S 161 178 JSTOR 40230681 T Regan An examination and defense of one argument concerning animal rights In Inquiry Band 22 Nr 1 1979 S 189 219 Wird in T Regan An examination and defense of one argument concerning animal rights In Inquiry Band 22 Nr 1 1979 S 189 219 von ihm vorausgesetzt und in T Regan The case for animal rights Univ of California Pr 2004 S 174 194 unter Indirect Duty Views weiter ausgefuhrt T Regan The case for animal rights Univ of California Pr 2004 S 156 a b c Nach Pluhar in Bekoff S 264 ff der Datei Tom Regan An Examination and defense of one Argument concerning Animal rights In Inquiry An Interdisciplinary Journal of Philosophy Band 22 Nr 1 1979 ISSN 0020 174X S 189 doi 10 1080 00201747908601872 Online R G Frey Vivisection Morals and Medicine PDF 808 kB In Journal of Medical Ethics 9 1983 S 95 104 Aubrey Townsend Radical Vegetarians In Australian Journal of Philosophy 57 1 1979 S 85 93 Auf der Seite der Vertreter von Tierrechten liesse sich Peter Singer nennen der so eine Auflosung vorschlagt Ihm zufolge haben viele Tiere ein mit allen Menschen gemeinsames Interesse nicht zu leiden Daraus folgert er unter anderem mit einem AMG eine Ablehnung von Massentierhaltung vielen Tierexperimenten Tiernutzung in der Unterhaltung etc Tiere Mit Ausnahme einiger Primaten hatten aber andererseits keine geistige Existenz im zeitlichen Kontinuum Einige Menschen hatten diese Eigenschaft auch nicht Deshalb sei eine schmerzlose Totung zu einem beliebigen Zweck etwa der Forschung beider Wesen moralisch zu rechtfertigen Vgl dazu G L Francione Introduction to animal rights your child or the dog Temple Univ Pr 2000 ISBN 1 56639 692 1 Kapitel 6 Steven F Sapontzis Are Animals Moral Beings In American Philosophical Quarterly 17 1980 S 45 52Steven F Sapontzis Speciesism In Between the Species 4 1988 S 97 99 Arthur Caplan Is Xenografting Morally Wrong In Transplantation Proceedings 24 1992 S 722 727 In Beckoff S 263 der Datei Peter Carruthers The Animals Issues Moral Theory in Practice Memento des Originals vom 4 Marz 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www filosofia unimi it PDF 83 kB Cambridge University Press Cambridge 1992 ISBN 0 521 43689 3 Elizabeth S Anderson Animal Rights and the Values of Nonhuman Life In Martha Nussbaum Cass Sunstein Hrsg Rights For Animals Law and Policy Oxford University Press Oxford 2002 Anmerkungen Bearbeiten In Tierrechtsliteratur wird oft der Begriff nichtmenschliche Tiere fur alle Tiere ausser Menschen verwendet Der Mensch gehort demnach aufgrund der evolutionsbiologischen Verwandtschaft zu der Gruppe der Tiere Fur die Lange einer solchen Kette von direkten Vorfahren gibt er die Schatzung von 300 Meilen an Im Original beings which are unable to enter into agreements make sef interested claims and once having made them bring appropriate pressure to bear to see that they are acknowledged by others Er schlagt eigentlich zwei Syllogismen vor Details dazu in der Unterscheidung Regans im Abschnitt Formen des AMG Der ausgefuhrte Syllogismus ist die kritische Form seines Arguments Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Argument der menschlichen Grenzfalle amp oldid 233391836