Anton Memminger, Pseudonym: Oswald Stein (* 2. April 1846 in Straubing; † 30. September 1923 in Schonungen) war ein deutscher Verleger, Autor und Politiker.
Leben Bearbeiten
Memmingers Eltern gewährten dem Jungen eine „gediegene Erziehung“. Nach dem Gymnasium in Straubing wechselte Memminger an die Universität Würzburg. Hier studierte er Rechtswissenschaften, Staatswissenschaften und Geschichte. 1867 gehörte er zu den Mitbegründern des freischlagenden akademischen Vereins „Adelphia“, einer noch heute in Würzburg als Burschenschaft ansässigen Studentenverbindung. Seinen einjährigen Militärdienst leistete er 1868 bei der 2. Sanitäts-Kompanie in Würzburg ab. Danach setzte er sein Studium nur unregelmäßig fort und widmete sich dem Journalismus. Er heiratete die Würzburgerin Babette Heusinger am 22. August 1869.
Im Sommer des folgenden Jahres (1870) rückte er anlässlich des Krieges gegen Frankreich zum Militärdienst ein. Wegen Kriegsuntauglichkeit wurde er zum Wachpersonal der Kriegsgefangenenlager in Ingolstadt und Straubing abkommandiert. Dort hatte er Kontakte zu Gefangenen der irischen Legion, durch die er die geistigen Anregungen zu seiner Auseinandersetzung mit Kelten und Druiden erhielt.
Zurück in Würzburg ging er wieder seiner Tätigkeit als Journalist beim „Würzburger Journal“ nach. In Nürnberg soll er 1872 einen Aufruf für den Philosophen Ludwig Feuerbach unternommen haben. In der gesammelten Werkausgabe Feuerbachs findet sich die Rede Memmingers, die er am Grab des Philosophen gehalten hatte:
Wegen Majestätsbeleidigung war er gezwungen, ins Ausland zu fliehen. Er siedelte in die Schweiz über, wo er sich sehr intensiv mit wirtschaftswissenschaftlichen und technischen Studien beschäftigte. 1881 veröffentlichte er ein Werk über die zukünftige Entwicklung der königlich bulgarischen Eisenbahn. Diese Arbeit ließ ihn zum Eisenbahnexperten avancieren, und es schlossen sich weitere Arbeiten auf diesem Gebiet an. Aus diesen Arbeiten stammte wohl auch ein gewisses Vermögen, mit dem er die Tätigkeiten in seiner zweiten Lebenshälfte subventionierte. 1882 begnadigte ihn schließlich Ludwig II. von Bayern, zu dem er auch persönlich Kontakte unterhielt. Dies ermöglichte Memminger 1883 die Rückkehr nach Würzburg. Dort nahm er seine journalistische und verlegerische Tätigkeit wieder auf. Mit seinem Bruder Thomas betrieb er außerdem die dazugehörige Druckerei.
Memminger wurde wegen Majestätsbeleidigung verurteilt, weil er im Juni 1886, nach dem Tod König Ludwigs II., folgendes in der Bayrischen Landeszeitung geschrieben hatte:
Memminger war stets ein aufsässiger Charakter und ein „Anwalt der Bedrängten“. Zusammen mit Karl Freiherr von Thüngen-Roßbach (1839–1927) gründete er 1893 den (in Teilen antisemitischen) „Fränkischen Bauernbund“. Am Beginn seiner politischen Ambitionen standen Kontakte zu den höchsten Kreisen. Auf die Bekanntschaft zu Otto von Bismarck war Memminger besonders stolz. Immer wieder kommt er in seinen Büchern darauf zu sprechen. Auch in der in seinem Verlag erschienenen und seit April 1897 in der Würzburger Domerpfarrgasse gedruckten „Neuen Bayerischen Landeszeitung“ veröffentlicht er regelmäßig Artikel zu Bismarck.
Schließlich wurde Memminger 1903 Abgeordneter der Zweiten Kammer des bayerischen Landtags. Aber schon bald zog er sich angewidert aus dem Politikbetrieb zurück und bezog seinen Altersruhesitz in Schonungen bei Schweinfurt. Nun folgte wiederum eine Phase, in der er etliche Bücher publizierte, wobei der Schwerpunkt auf heimatkundlichen Werken über Mainfranken lag. Unter anderem schrieb er für den Schweinfurter Unternehmer Ernst Sachs ein Buch über dessen Schloss Mainberg. Ferner veröffentlichte er 1923 ein Buch über die Kurstadt Bad Kissingen. Diese Arbeit, „mit vorzüglichen Pressekritiken bedacht, hat dem Verfasser, dem langjährigen Besucher und Verherrlicher des Saalebades, den Ehrenbürgerbrief der Stadt Kissingen eingetragen“.
Die „Gebrüder Memminger Verlagsbuchhandlung“ in Würzburg wurde ein Opfer der Bombennacht vom 16. März 1945 in Würzburg und ist danach nicht mehr nachweisbar.
Anton Memminger, Schloss Mainberg ‚und die Druiden‘ Bearbeiten
Dieses Zitat ist interessant. Im Auftrag welcher „reicher Herrn“ war Memminger hier tätig? Memmingers Bezüge zum Schloss Mainberg reichen mindestens bis zum Jahre 1886 zurück. Damals lernte er in Bad Kissingen „amerikanische Druiden“ kennen. Diese luden ihn zu einer rituellen Feier auf einem Hügel neben Schloss Mainberg ein. Nachdem es sich bei ‚amerikanischen Druiden‘ meist um gut situierte Amerikaner handelt, die oft Geschäftsleute waren, stellt sich die Frage, ob es nicht diese Herren waren, die an Bismarck einen Altersruhesitz verschenken wollten. Solche Gedanken müssen aber reine Spekulation bleiben, da sie sich durch nichts belegen lassen.
Hier weitere Belegstellen für das Mainberger Druidenreffen:
Leistungen Bearbeiten
Memmingers Lebensleistungen liegen auf zwei Gebieten. Einmal war er in seinem ersten Lebensabschnitt ein außergewöhnlicher Eisenbahnexperte. Seine zahlreichen Publikationen geben einen Hinweis darauf. Leider ist diese Phase seines Lebens wenig erforscht. Weiterhin hat er die „Gebrüder Memminger Verlagsbuchhandlung“ in Würzburg aufgebaut. Diese hatte über viele Jahre hinweg eine bedeutende Stellung in der Universitätsstadt Würzburg. Eine Flut wissenschaftlicher Publikationen wurden in diesem Hause gedruckt. Ferner erschienen dort die Zeitungen Neue Bayerische Landeszeitung, Bayerische Landeszeitung, Fränkische Landeszeitung – einschließlich deren diverser Beilagen und Wochenblätter (Bayerischer Bauernbund, Marktbärbel, Alma Julia, Illustrierte Wochenendpost, Gute Geister usw.).
Kritik Bearbeiten
Arbeitsweise Bearbeiten
Memmingers literarisches Schaffen muss sehr differenziert betrachtet werden. Einerseits erschloss er mit seinen Büchern sehr interessante Aspekte der unterfränkischen Regionalgeschichte. Spannend sind Bücher in denen er sich mit sehr wenig beachteten Themen beschäftigte, wie zum Beispiel „Das Erbe der Druiden“. Diese Beiträge zur vorgeschichtlichen Epoche sind nicht zu unterschätzen.
Memmingers Werk sollte auch kritisch hinterfragt werden. Bei der Quellenarbeit war Memminger nicht der Genaueste. Viele Behauptungen bleiben unbelegt. Memminger neigt auch zu einer oberflächlichen Arbeitsweise. Es gibt ganze Kapitel, die er in anderen Büchern wiederholt. In fast all seinen Schriften gibt er seine Druiden-Geschichten zum Besten. Ganz gleich, ob dies dem Kontext der jeweiligen Schrift bekommt oder nicht.
Der Verlust des Ersten Weltkrieges ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Sein ganz besonderer Zorn galt den Franzosen. Machte er sie doch dafür verantwortlich, dass Papier Mangelware sei und deshalb seine Bücher schlecht ausgestattet wären. Vergleicht man die Bücher des Memminger Verlages mit zeitgenössischen anderen Schriften, fällt tatsächlich die schlechte Qualität auf. Allerdings auch beim Schriftbild, welches man ja kaum dem ‚Erbfeind‘ zuschreiben kann. Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass der Memminger Verlag auf wirtschaftlich wackeligen Füßen stand. Dafür spricht auch, dass man sich mit dem Verkauf von neuen regionalen Reiseführern eine Verbesserung der finanziellen Situation erhoffte.
Antisemitismus Bearbeiten
Memminger war überzeugter Antisemit und Nationalist. Karl Herz nannte ihn 1956 „mit Fug und Recht einen Vorläufer Julius Streichers und des Dritten Reiches“. Einige Beispiele hierfür sind:
- 1895 war Memminger Auslöser einer größeren internationalen Affaire (Louis-Stern-Affäre). Ein kleiner Zwischenfall (Prozess zwischen dem New Yorker Kaufmann Louis Stern und dem stellv. Badekommissar v. Thüngen) im Kurbad Bad Kissingen wurde von ihm in seiner Zeitung Neue Bayerische Landeszeitung gezielt zur antisemitischen Agitation aufgebauscht. Diese künstlich angefeuerte Situation führte zu weitreichenden diplomatischen Verwicklungen zwischen den USA und dem deutschen Kaiserreich.
- Im Jahre 1897 musste er sich wegen Verleumdung vor Gericht verantworten. Er hatte den Schweinfurter Getreidehändler Uri Seligstein bezichtigt, minderwertiges Getreide ausgeliefert zu haben.
- In einer Landtagsrede am 9. Februar 1906 kommentiert er mit einer spöttischen Sprache die jüdischen Kurgäste in Bad Kissingen:
- Gegen Lebensende veröffentlichte Menninger die Schrift Hakenkreuz und Davidstern. Hier findet sich eine Äußerung, mit der er auf Distanz zu den frühen Nationalsozialisten geht. Mag sein, das sein hohes Alter und die Erfahrung des Ersten Weltkriegs seine verhärte Positionen aufgeweicht hatten:
Schriften Bearbeiten
- Die Freimaurer – Die Gefängnisarbeit. Nürnberg 1872.
- Der Krach – Kritische Gänge durch das schweizerische Eisenbahnwesen. Zürich 1877.
- Herr Alt-Bundespräsident Jakob Stämpfli und die schweizerischen Eisenbahnen – Discurse über die Actiengesellschaften und Staatsbahnen. Zürich 1878.
- Die österreichisch-deutschen Alpenbahnen und das Bodensee-Projekt Bregenz-Friedrichshafen-Constanz.
- Die Alpenbahnen und deren Bedeutung für Deutschland und Österreich – Mit bes. Beziehung auf Gotthard, Brenner, Arlberg u. Fernpass. Zürich 1878.
- Die N.O.B. [Nordostbahn] im Lichte der Ziffern.
- Wer soll bluten? Würzburg 1885.
- Zürn und Spiess e. Festschr. zur Enthüllung d. Zürndenkmals am 18. Juli 1886. Würzburg 1886.
- Der Talmud. Würzburg 1894 (Abdruck aus der Neuen Bayerischen Landeszeitung, Umfang: 166 S.).
- (alias Oswald Stein): Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der nationalen Wirthschaftspolitik. Leipzig 1880.
- Lieutenant Hofmeister als Sozial-Demokrat vor dem Militär-Schwurgerichte. Würzburg, 1893.
- Das verhexte Kloster nach den Akten dargestellt. Würzburg 1904.
- Schloss Mainberg. Würzburg 1917 (weitere inhaltlich abweichende Auflagen 1922, 1934).
- Der Bayernkönig Ludwig II. Würzburg 1918.
- Das Erbe der Druiden – Beiträge zur Geschichte der Geheimbünde. Würzburg 1920.
- Hakenkreuz und Davidstern, Volkstümliche Einführung in die Geheim-Wissenschaften. Würzburg 1922.
- Volksmedizin, Die Heilmittel der Druiden nach Marzellus; d. Arzneibuch d. Physikus Johann Seitz. Würzburg 1923.
- Schweinfurt ein Führer in die Stadt und Umgebung. Würzburg 1922.
- Neustadt an der Saale, Bad Neuhaus und Salzburg. Würzburg 1921.
- Kissingen – Geschichte der Stadt und des Bades. Würzburg 1923 (mehrere inhaltlich abweichende Auflagen).
Literatur Bearbeiten
- John Abbott: Anton Memminger (1846–1923). In: Richard S. Levy: Antisemitism – a historical encyclopedia of prejudice and persecution. Santa Barbara (Calif.) 2005, S. 454 f.
- Rolf-Joachim Baum, Ulrich Becker, Ralf J. Baumbach u. a.: Studentenschaft und Korporationswesen an der Universität Würzburg. 1582–1982. Herausgegeben zur 400 Jahrfeier der Alma Julia-Maximiliana vom Institut für Hochschulkunde an der Universität Würzburg. Würzburg 1982, S. 301–302.
- Wilhelm Joseph Blos: Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten. München 1914 und 1919.
- Karl Herz: Anton Memminger als Vorläufer des Dritten Reiches. In: Unterfränkisches Heimatblatt. Beilage zum Volkswille. Schweinfurt 1. und 24. Dez. 1956, 19. Jan. 1957.
- Anton Hochberger: Der Bayerische Bauernbund 1893–1914. München 1991.
- Thomas Künzl: Anton Memminger – Vergessener mainfränkischer Historiker. In: Rhön-Spiegel. Nr. 11, Bad Neustadt 2004.
- Thomas Künzl: Unterredung mit Fürst Bismarck. Ein Gespräch mit dem Journalisten Anton Memminger in Bad Kissingen. Eine Quellenedition. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8370-2919-2.
- August Memminger: Memminger, Anton, Publizist und Politiker. 1846–1923. In: Lebensläufe aus Franken. Band 5, Würzburg 1936, S. 197–210.
- Friedrich Mook: Anton Memminger, Redakteur des ‚Fürther demokratischen Wochenblattes‘ Eine social-demokratische Charakterstudie. Mannheim 1873.
- Ludwig Revier: Das abenteuerliche Leben des Bad Kissinger Ehrenbürgers Anton Memminger. In: Quellen-Blätter. Heimatkundliche Beilage der Saale-Zeitung für den Landkreis Bad Kissingen. Sept. 1983, Nr. 72, S. 285 ff.
- Ramona Ehret: Memminger, Anton. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 2/2: Personen L–Z. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 541 f.
Weblinks Bearbeiten
- Literatur von und über Anton Memminger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wilhelm Joseph Blos über Anton Memminger und die Nürnberger Sozialdemokratie
- Wilhelm Joseph Blos über Anton Memminger und über ihre Würzburger Tage
- Anton Memminger im Gespräch mit König Ludwig II. von Bayern
- „Das verhexte Kloster“ als Digitalisat
- Anton Memminger in der Parlamentsdatenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte in der Bavariathek
Einzelnachweise Bearbeiten
- vgl. letzte Jahre Feuerbachs.
- Werner Schuffenhauer: Vorwort. In: Ludwig Feuerbach, Gesammelte Werke. Band 1, Berlin 1981, S. LXII.
- Dumme Jungs und üble Hetzer, Artikel vom 18. April 2016 auf süddeutsche.de
- vgl. Thüngen (Adelsgeschlecht)
- Gruppierung im Bayerischen Bauernbund vgl. Anton Hochberger: Der Bayerische Bauernbund 1893–1914. München 1991.
- Bruno Rottenbach: Würzburger Straßennamen. Band 1, Fränkische Gesellschaftsdruckerei, Würzburg 1967, S. 72.
- Memminger war niemals Ehrenbürger der Kurstadt, sondern hat von Oberbürgermeister Max Pollwein nur den „Ehrenbrief“ der Stadt Bad Kissingen erhalten. Das Zitat stammt so aus der Kurzbiographie von August Memminger, S. 209 (vgl. „Literatur“).
- (1810–1880) – Sohn des Fabrikanten Wilhelm Sattler (1784–1859)
- Memminger: Schloss Mainberg. 1. Auflage, S. 252.
- ↑ Memminger: Das Erbe der Druiden. S. 3.
- Memminger: Das Erbe der Druiden. S. 7 f.
- Memminger: Das Erbe der Druiden. S. 10 f.
- Karl Herz: Anton Memminger als Vorläufer des Dritten Reiches. In: Unterfränkisches Heimatblatt. Beilage zum "Volkswille", 1. Dez. 1956.
- vgl. New York Times. 22. Mai 1896.
- Neue Bayerische Landeszeitung. (Würzburg), 29. Juli 1895.
- Schweinfurter Volkszeitung. 3. März 2007.
- Stenographische Berichte über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten. Bayerische Landtagsverwaltung, München.
- Memminger: Hakenkreuz und Davidstern. S. 4.
Personendaten | |
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NAME | Memminger, Anton |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 2. April 1846 |
GEBURTSORT | Straubing |
STERBEDATUM | 30. September 1923 |
STERBEORT | Schonungen |