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Adolf Kargel 20 November 1891 in Alexandrow bei Lodz 19 Mai 1985 in Neufahrn bei Munchen war ein deutscher Journalist Heimatforscher und Numismatiker Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Chefredakteur 3 Lokalredakteur 4 Numismatiker 5 Werke Auswahl 6 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenAdolf Kargels Vorfahren zahlten zu den Deutschen im Raum Lodz die ab dem Jahr 1815 im damaligen Kongresspolen zahlreiche Stadte grundeten und bei der Industrialisierung der Region eine Schlusselrolle ubernahmen Das Konigreich Polen gehorte damals konstitutionell zum Russischen Kaiserreich Kargel wurde in der zu dieser Zeit uberwiegend von Deutschen bewohnten Stadt Alexandrow geboren Er besuchte eine russischsprachige Grundschule und das Lodzer Deutsche Gymnasium Zwischen 1911 und 1913 absolvierte er Studienaufenthalte in Deutschland Osterreich und Russland 1 Chefredakteur BearbeitenNach seinem Studium arbeitete Kargel zunachst in Gemeindeverwaltungen Ende 1913 begann er bei der Lodzer Zeitung seine Tatigkeit als Redakteur Mit der Entstehung des Regentschaftskonigreichs Polen wurde im Jahr 1915 die Lodzer Zeitung durch die Deutsche Lodzer Zeitung ersetzt wo Kargel die Lokalredaktion ubernahm Im November 1918 war er Mitbegrunder der Nachfolgezeitung Lodzer Freie Presse Aus dieser ging wiederum die Freie Presse hervor bei der Kargel vom 19 Mai 1923 bis zum 1 September 1939 als Chefredakteur tatig war Die Zeitung trug ab dem Jahr 1926 den Titelzusatz Verbreitetste deutsche Tageszeitung in Polen 2 3 Parallel war Kargel von 1929 bis 1933 amtierender Vorsitzender des Journalistenverbandes in Lodz polnisch Syndykat Dziennikarzy Rzeczypospolitej Polskiej w Lodzi kurz SDL Dem Verband gehorten polnische deutsche und judische Journalisten an Bis April 1933 genoss Kargel im Lodzer Journalistenmilieu ein hohes Ansehen trotz der zugenommenen Spannungen zwischen der polnischen Bevolkerung und der deutschen Minderheit in Polen 4 5 Unter Kargels Leitung vertrat die Freie Presse bis April 1933 eine demokratische Linie 6 Hierbei ist zu beachten dass die Freie Presse wie ihre Vorganger seit 1918 und ihre Nachfolgeblatter bis 1940 zur Libertas Verlagsgesellschaft mbH gehorte einem von Max Winkler geschaffenen Tarnunternehmen des deutschen Auswartigen Amts 7 Damit befand sich die von Kargel herausgegebene Freie Presse zu 100 im Besitz des deutschen Staates 8 So hatte die schwierige politische Lage der deutschen Minderheit nach dem Ersten Weltkrieg in Polen bedingt durch den Verlust der fruheren Vormachtstellung und die Angst vor der feindlichen Minderheitenpolitik der polnischen Regierung einen Massenexodus der deutschen Bevolkerung nach Deutschland verursacht bei dem allein schon bis 1926 etwa eine Million Deutsche die Westgebiete Polens verliessen 9 Um diesen Strom der aus Polen fliehenden deutschen Bevolkerung zu stoppen verfolgte die deutsche Politik bereits unter Gustav Stresemann das Ziel die deutschen Minderheiten vom Verbleib in Polen zu uberzeugen aber auch um sie als Hebel fur kunftige Grenzrevisionen zu benutzen 10 Vor diesem Hintergrund reprasentierte Kargel in der Freien Presse entsprechend der Vorgaben der jeweiligen Reichsregierung bis zum Fruhjahr 1933 demokratisch pro deutsche Ansichten und etablierte das Blatt zum offiziellen Presseorgan des Deutschen Volksverbandes in Polen 11 Nach Hitlers Machtergreifung kam es in Polen zu gewalttatigen Ausschreitungen gegenuber Angehorigen der deutschen Minderheit unabhangig davon ob diese mit dem NS Regime in Deutschland sympathisierten oder nicht Die Ubergriffe fanden in Lodz am 9 April 1933 ihren Hohepunkt An diesem sogenannten Schwarzen Palmsonntag demolierte eine aufgebrachte Menschenmenge deutsche Schulen Geschafte und evangelische Kirchen Zu den Hot Spots gehorten die Redaktionsraume und die Druckerei der Freien Presse deren Einrichtungen und Maschinen erheblich beschadigt wurden Nach diesen Ereignissen schwenkte Kargel in der Freien Presse auf die Linie der nationalsozialistischen Volkstumspolitik um was zu weiteren Spannungen mit der polnischen und judischen Bevolkerung im Raum Lodz fuhrte 12 13 Sowohl die deutsche wie die polnische Propaganda uberhohte die Bedeutung und Rolle der Polendeutschen ins Gigantische 14 Eine Normalisierung wurde von beiden Seiten durch die Unterzeichnung einer Pressevereinbarung im Jahr 1934 angestrebt Darin verpflichteten sich die deutsche und die polnische Regierung auf feindliche Publizistik zu verzichten Kargel bemuhte sich in der Freien Presse daraufhin um einen gemassigten Ton geriet aber standig uber die politische Richtung der Zeitung mit den deutschen Behorden in Berlin und der polnischen Zensur in Konflikte 15 16 Von Kollegen wurde Adolf Kargel als liebenswurdiger stiller nobler Mann beschrieben der versuchte die politische Einengung in der Zeitung durch umfangreiche Lodzer Heimatberichte auszugleichen 17 18 Der spater von den Nationalsozialisten ermordete Schriftsteller Carl Heinrich Schultz hielt im Juli 1938 in einem Gedicht uber Adolf Kargel fest Fragment Dieser liebe gute Kargel lage lieber wohl im Sargel mochte die Stimme lieber dampfen denn es ist nicht leicht zu kampfen Und er schweigt wie n richt ger Weiser denn die Kerls vom Wegweiser muss man einfach ignorieren nur so kann man profilieren 19 Lokalredakteur BearbeitenNach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde am 1 September 1939 die Druckerei geschlossen und Kargel von Angehorigen der polnischen Sicherheitsbehorden verhaftet 20 Bereits einen Tag nach dem kampflosen Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Lodz erschien am 10 September 1939 die Freie Presse wieder Am 24 September 1939 erhielt das Blatt erneut den Titel Deutsche Lodzer Zeitung Kargel polnische Internierung endete erst am 25 September 1939 21 Anders als in manchen Publikationen oder Zeitungsdatenbanken angegeben ist Kargel ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Chefredakteur gewesen und schrieb auch keine Leitartikel mehr Aufgrund seiner Ambivalenz zu den Nationalsozialisten wurde er im Zuge der Umbenennung als langjahriger Chefredakteur abgesetzt und zum Lokalredakteur bestimmt Gemass spateren Angaben seiner Kollegen soll er die Degradierung mit der ihm eigenen Wurde und einer gewissen Erleichterung getragen haben Kargel gehorte im Ubrigen nicht der NSDAP an Die deutsche Staatsangehorigkeit wurde ihm wie grundsatzlich allen so genannten Volksdeutschen in Lodz und Umgebung im November 1939 verliehen 22 23 24 Am 12 November 1939 erhielt die Zeitung erneut den Namen Lodzer Zeitung und zum 1 Januar 1940 wurde die Schreibweise in Lodscher Zeitung geandert Nach der Umbenennung der Stadt Lodz in Litzmannstadt erschien das Blatt vom 12 April 1940 bis zum 17 Januar 1945 als Litzmannstadter Zeitung und trug fortan den Untertitel Tageszeitung der NSDAP mit den amtlichen Bekanntmachungen Wahrend dieser Zeit verfasste Kargel fast nur noch Heimatartikel uber die Altertumsforschung und Geschichte der Lodzer Region Sein letzter Artikel in der Litzmannstadter Zeitung erschien am 16 Januar 1945 und behandelte die Grundung der Lodzer Tuchmacher Innung im Jahr 1825 25 Eines seiner Schwerpunktthemen war der Einfluss politischer Grenzen auf die Siedlungs und Kulturlandschaftsentwicklung Hierbei ging er einerseits stets auf die in kleinstem Raum vereinten Kulturen Russen Deutsche Polen Juden ein Anderseits uberhohte er in diesen Darstellungen die historische Bedeutung des Deutschtums was eindeutig der nationalsozialistischen Linie der Litzmannstadter Zeitung entsprach Einige seiner Studien erschienen auch im Ostdeutschen Beobachter Zusammen mit dem Kirchenhistoriker Eduard Kneifel veroffentlichte Kargel im Jahr 1942 den Sammelband Deutschtum im Aufbruch Vom Volkstumskampf der Deutschen im ostlichen Wartheland der nach dem Zweiten Weltkrieg in der Liste der auszusondernden Literatur stand 26 27 Numismatiker BearbeitenNach der Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Mittel und Osteuropa liess sich Kargel in Hannover nieder Er gehorte im August 1946 zu den fuhrenden Grundungsmitgliedern des Hilfskomitees der evangelisch lutherischen Deutschen aus Polen 28 Die Vereinigung ist eine Einrichtung der EKD und gibt seit Oktober 1949 die Zeitschrift Weg und Ziel heraus deren erster Geschaftsfuhrer Adolf Kargel war Bis Januar 1970 redigierte er das Mitteilungsblatt und veroffentlichte selbst viele Artikel 29 Als Heimatvertriebener beteiligte er sich ausserdem an der Grundung der Landsmannschaft Weichsel Warthe und wirkte von 1951 bis 1957 als Sprecher des Heimatkreisausschusses Mittelpolen 30 Im Wesentlichen beschaftigte sich Kargel in der Nachkriegszeit mit der Munzkunde der er sich schon in seiner Heimat leidenschaftlich gewidmet hatte 31 Er war Mitglied der Numismatischen Gesellschaft zu Hannover und Verfasser zahlreicher Berichte sowie Expertisen uber Munzen und archaologische Funde in verschiedenen Fachzeitschriften 32 Adolf Kargel starb im Alter von 93 Jahren in Neufahrn 33 Werke Auswahl BearbeitenDeutsche Reigenspiele Festbrauche und Kinderspiele aus Kongesspolen Verlag der Historischen Gesellschaft fur Posen Posen 1923 Deutschtum im Aufbruch Hirzel Leipzig 1942 Munzen erzahlen Tausend Jahre deutsch slawische Verflechtungen in der Numismatik Gieseking Bielefeld 1971 Lodz die Stadt der Volkerbegegnung im Wandel der Geschichte Liebig Koln 1978 Alexandrow Ein Mittelpunkt der Deutschen im Industriegebiet Lodz Herkunft und Geschichte Beilstein Monchengladbach 1980 Einzelnachweise Bearbeiten Peter Emil Nasarski Das Lodzer Deutsche Gymnasium Im Spannungsfeld zwischen Schicksal und Erbe 1906 1981 Westkreuz Verlag 1981 S 175 Titelinformationen Freie Presse Zeitschriftendatenbank abgerufen am 20 Februar 2020 Peter Emil Nasarski Das Lodzer Deutsche Gymnasium Im Spannungsfeld zwischen Schicksal und Erbe 1906 1981 Westkreuz Verlag 1981 S 175 Lucjan Dobroszycki Reptile Journalism The Official Polish Language Press under the Nazis 1939 1945 Yale University Press 1994 S 12 Jurgen Hensel Polen Deutsche und Juden in Lodz 1820 1939 Eine schwierige Nachbarschaft Fibre 1999 315 322 Verband der deutschen Minderheiten in Europa Hrsg Ethnopolitischer Almanach Band 2 Wilhelm Braumuller 1931 S 156 Beata Dorota Lakeberg Die deutsche Minderheitenpresse in Polen 1918 1939 und ihr Polen und Judenbild Peter Lang 2010 S 156 Helga Wermuth Max Winkler Ein Gehilfe staatlicher Pressepolitik in der Weimarer Republik Dissertation Munchen 1975 S 50 f Monika Kucner Deutsche Presselandschaft in der Zwischenkriegszeit in Lodz Folia Germanica 5 Acta Universitatis Lodziensis 2009 S 287 288 Mark Mazower Hitlers Imperium Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus C H Beck 2009 S 52 Beata Dorota Lakeberg Die deutsche Minderheitenpresse in Polen 1918 1939 und ihr Polen und Judenbild Peter Lang 2010 S 156 Thomas Urban Von Krakau bis Danzig Eine Reise durch die deutsch polnische Geschichte C H Beck 2004 S 171 f Jorg Riecke Britt Marie Schuster Deutschsprachige Zeitungen in Mittel und Osteuropa Sprachliche Gestalt historische Einbettung und kulturelle Traditionen Weidler Buchverlag 2005 S 221 Oskar Kossmann Die Deutschen in Polen seit der Reformation Marburg 1978 S 344 Monika Kucner Deutsche Presselandschaft in der Zwischenkriegszeit in Lodz Folia Germanica 5 Acta Universitatis Lodziensis 2009 S 292 Jorg Riecke Britt Marie Schuster Deutschsprachige Zeitungen in Mittel und Osteuropa Sprachliche Gestalt historische Einbettung und kulturelle Traditionen Weidler Buchverlag 2005 S 213 f Hans Preuschoff Journalist im Dritten Reich Kreisgemeinschaft Braunsberg Ermland e V abgerufen am 19 Februar 2020 Otto Heike Leben im deutsch polnischen Spannungsfeld Erinnerungen und Einsichten eines deutschen Journalisten aus Lodz Hobbing 1989 S 84 Carl Heinrich Schultz Verkanntes Heldentum Gedicht In Ernst Heiter Hrsg Der Deutsche Wegweiser Folge 19 vom 3 Juli 1938 S 8 Jorg Riecke Britt Marie Schuster Deutschsprachige Zeitungen in Mittel und Osteuropa Sprachliche Gestalt historische Einbettung und kulturelle Traditionen Weidler Buchverlag 2005 S 221 Kurt Pfeiffer 25 Jahre Volkstumskampf In Litzmannstadter Zeitung 28 November 1943 S 1 2 Hans Preuschoff Journalist im Dritten Reich Kreisgemeinschaft Braunsberg Ermland e V abgerufen am 19 Februar 2020 Otto Heike Leben im deutsch polnischen Spannungsfeld Erinnerungen und Einsichten eines deutschen Journalisten aus Lodz Hobbing 1989 S 84 f Eduard Kneifel Die Evangelische Kirche im Wartheland Ost Lodz ihr Aufbau und ihre Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus 1939 1945 Vierkirchen 1976 S 23f Litzmannstadter Zeitung vom 16 Januar 1945 S 3 University Library in Lodz abgerufen am 20 Februar 2020 Adolf Kargel Eduard Kneifel Deutschtum im Aufbruch Hirzel Leipzig 1942 Ministerium fur Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik Hrsg Liste der auszusondernden Literatur Dritter Nachtrag VEB Deutscher Zentralverlag Berlin 1953 Eintrag 788 Hilfskomitee der evangl lutherischen Deutschen aus Polen Memento des Originals vom 20 Februar 2020 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch 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Personensuche Letzte Uberprufung 12 April 2020 GND Namenseintrag 101454732 AKS PersonendatenNAME Kargel AdolfKURZBESCHREIBUNG deutscher Journalist Heimatforscher und NumismatikerGEBURTSDATUM 20 November 1891GEBURTSORT AlexandrowSTERBEDATUM 19 Mai 1985STERBEORT Neufahrn Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adolf Kargel amp oldid 234334837