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Die kaiserliche Libellkanzlei a libellis war seit dem 1 Jahrhundert eine Institution im romischen Reich deren primare Aufgabe darin bestand neben allgemeinen Anliegen und Bittschriften libelli die rechtstangierenden Anfragen Antrage und Beschwerden von Privatpersonen entgegenzunehmen um diese zu bewerten und einer Entscheidung zuzufuhren Der Petent musste nicht im Besitz des romischen Burgerrechts sein so dass es auch einem Auslander peregrinus moglich war sein Anliegen einzureichen Eine Abschrift der Petition libellus des kaiserlichen Freigelassenen Arrius Alphius aus dem Jahr 155 1 Das Personal der Behorde setzte sich aus dem Kanzleileiter weiteren Juristen Schreibern und Boten zusammen Die dienstlichen Anfragen von Staatsbeamten und anderen offentlichen Korperschaften wurden in einer gesonderten Kanzlei ab epistulis bearbeitet und mit einem separaten Brief epistula beantwortet Die Kaiser als Adressaten der privaten Petitionen waren zum einen meistens bemuht dem Anschein von willkurlich getroffenen Bestimmungen entgegenzuwirken und zum anderen bestrebt ungewollte Rechtsfolgen in spateren gleichgelagerten Fallen tunlichst zu vermeiden Der Richter war in einem Gerichtsverfahren an die dokumentierten Rechtsauffassungen der Kaiser sie flossen spater in den Digesten ein grundsatzlich gebunden Hierbei waren die Herrschenden auf den Rat von rechtskundigen Assistenten angewiesen Die auf eine Petition folgende Sachbearbeitung und die fachjuristischen Gutachten unterstutzten die Regenten in ihren Entscheidungen und entlasteten diese in ihrer alltaglichen Regierungsarbeit Das fachliche Schaffen der zumeist hochqualifizierten Juristen in der kaiserlichen Libellkanzlei bewirkte dass in der Bevolkerung Rechtssicherheit empfunden wurde Die Kaiser hielten sich diesen Effekt aufgrund ihrer Autoritat freilich auch selbst zugute Etwa ab der Mitte des 4 Jahrhunderts verlor die Institution zunehmend an Bedeutung und Ansehen Wegen einer zunehmenden um sich greifenden Korruption unter den Kanzleibediensteten die nach einer Organisationsreform nicht mehr im direkten Kontakt mit dem Kaiser standen brachte man den nun oftmals erkauften Verfugungen die weiterhin im Namen der Herrscher erlassen wurden kein rechtsweisendes Vertrauen mehr entgegen Inhaltsverzeichnis 1 Verfahren 2 Kaiserlicher Libellsekretar 2 1 A libellis 2 2 Magister scrinii libellorum 3 Rechtsentwicklung 4 Literatur 5 AnmerkungenVerfahren BearbeitenDie Beschwerde Rechtsanfrage oder die Bittschrift libellus reichte der Antragsteller im eigenen Namen oder stellvertretend fur eine Interessengemeinschaft personlich beim Kaiser der hierfur regelmassig in Rom und auf Reisen Audienzen abhielt oder bei einem seiner Bevollmachtigten ein War der Gegenstand der Eingabe kompliziert und vor Ort nicht rechtssicher zu bescheiden erfolgte eine juristische Bewertung des Sachverhalts entweder durch den Kaiser mit seinem ersten Libellsekretar oder durch diesen selbstandig Die zu behandelnde Rechtssache wurde bei Bedarf auch unter Einbeziehung weiterer fachkundiger Kanzleijuristen diskutiert und entschieden Der Kaiser der unabhangig von der Rechtsauffassung seiner Rechtsgelehrten immer die Entscheidungshoheit innehatte war je nach Bildung und Haltung fur die Argumentation seiner Advokaten offen und folgte nicht selten deren vorgelegten Rechtsgutachten Letztendlich waren die Berater aber immer gehalten weil sie dem kaiserlichen Willen absolut verpflichtet waren dessen Verfugungen in gesetzmassige Einlassungen zu fassen Aus diesen Verfahren resultierten die rechtsverbindlichen Entscheidungen des Kaisers oder auch die seiner Juristen Letztgenannte waren aber ausnahmslos von der finalen Billigung des Regenten abhangig gewesen Der kaiserliche Bescheid der vom Kaiser in einem Randvermerk mit rescripsi unterzeichnet und mit etwaigen Erganzungen versehen war wurde dem Adressaten auf seinem Eingangsschreiben als sogenanntes subscripto bekannt gemacht Das mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers versehene Dokument wie der vollstandige Name und die gesellschaftliche Stellung wurde in einem offentlichen Gebaude am Ort der abgehaltenen Audienz ausgehangt um die beschiedene Angelegenheit fur jedermann zuganglich zu machen In Rom war das im 2 Jahrhundert die Vorhalle des Apollotempels auf dem Palatin Im 3 Jahrhundert wurden die beantworteten Eingaben in der porticus thermarum Traianarum eine Halle anrainend am Amtsgebaude des Stadtprafekten in Nahe der Trajansthermen aufgehangt und archiviert 2 Ebenso wurden die direkt vor Ort der Audienz spontan getroffenen Entscheidungen vom Libellsekretar oder einem Schreiber protokolliert und mit der Signierung sowie mit den eventuellen zusatzlichen Anmerkungen des Kaisers veroffentlicht Kaiserlicher Libellsekretar BearbeitenIn den Anfangen des Prinzipats ist noch keine organisierte Einrichtung erkennbar die mit der Entgegennahme und Bearbeitung von burgerlichen Eingaben betraut gewesen ware Unter Augustus ist der Fall einer Eingabe uberliefert worden Dieser beauftragte den Stadtprafekten praefectus urbi in dessen ortlichen Zustandigkeitsbereich die Anfrage angesiedelt war mit der Erledigung Bei Tiberius lasst sich ein Freigelassener ausmachen der als acceptor a subscriptionibus die an den Kaiser adressierten Petitionen entgegenzunehmen hatte 3 A libellis Bearbeiten nbsp Statue des Papinianus einer der herausragenden Juristen die das Libellamt geleitet hattenDie Einrichtung einer ordentlichen Libellkanzlei wurde unter Claudius vorgenommen Dem Amt stand nun ein kaiserlicher Freigelassener als der offizielle a libellis vor Die Amtsleitung wurde dann in der Folge grundsatzlich von Personen aus diesem Stand besetzt Nicht wenige dieser Rechtskundigen wie Polybius oder Callistus wurden dadurch letzterer insbesondere mittels Amtsmissbrauch sehr vermogend und einflussreich 4 Unter Vitellius ist von der Regel eine Ausnahme uberliefert Hier wurde eine Militarperson aus dem Ritterstand mit dem Posten betraut wobei dieser allerdings zusatzlich mit der Erledigung weiterer Verwaltungsaufgaben beauftragt war 5 Nach einer Organisationsreform unter Hadrian wurde die Behordenleitung generell mit Personen aus dem Ritterstand bestellt 6 Deren Jahresgehalt belief sich auf 200 000 Sesterzen Bis zum Kaiser Septimius Severus wurde die Amtsleitung ausgenommen unter der Regierung von Mark Aurel mit der Fuhrung eines weiteren Ressorts wie der Geschaftsstellenleitung des Kaisergerichts a cognitionibus unter Commodus oder die der Vermogensschatzung a censibus unter Antoninus Pius betraut 7 Septimius Severus entlastete die Fuhrung der Libellkanzlei von den zusatzlichen Aufgaben und stellte hochqualifizierte Juristen in den Personalkorper der Behorde ein Die Besoldung des Kanzleileiters wurde auf 300 000 Sesterzen angehoben Bis zu Diokletian zeichnete sich die kaiserliche Libellkanzlei durch eine professionelle Amtsfuhrung und Amtsleitung aus die zum grossen Teil mit den namhaftesten Juristen der romischen Rechtsgeschichte wie Papinian und Ulpian besetzt war Diese fanden im Anschluss an diese Tatigkeit nicht selten eine weitere Verwendung als Prafekt Auch ist der Aufstieg vormalig gewesener Libellsekretare bis zum Rang eines Konsular belegt 8 Magister scrinii libellorum Bearbeiten Etwa ab der Mitte des 3 Jahrhunderts vermutlich seit Gordian III fuhrte der Kanzleileiter den Dienstrang magister libellorum und ab dem 5 Jahrhundert die Amtsbezeichnung magister scrinii libellorum Der Titel a libellis bezeichnete nunmehr die untergeordneten Mitarbeiter der Behorde Wiederholt und dann endgultig beim Libellsekretar verbleibend wurde vor Beginn des 4 Jahrhunderts eventuell seit Konstantin vom magister libellorum die zusatzliche Geschaftsstellenleitung des Kaisergerichts ubernommen Diese Aufgabe erscheint nunmehr primar gefuhrt worden zu sein da diese in den Notitia dignitatum an erster Stelle genannt wird Zu Beginn des 5 Jahrhunderts wurden die Schriften der Libellsekretare durch den amtsfremden magister a memoria entgegengenommen und gepruft um diese erst dann in ihrer schriftlichen Endfassung dem kaiserlichen Quastor quaestor sacri palatii zu ubergeben Nur noch dieser und der ubergeordnete Gesamtleiter der kaiserlichen Kanzleien magister officiorum hatten seitdem einen direkten Zugang zum Kaiser Rechtsentwicklung BearbeitenDie absolute Dominanz der Kaiser wirkte sich auch in der Rechtsentwicklung und der Rechtsprechung aus Das final geltende Rechtsgutachten und der Rechtswille der Regenten schrankte den Fortschritt des romischen Rechtswesen insbesondere nach dem 3 Jahrhundert durch das Fehlen unabhangiger selbstandiger Juristen ein die seitdem vornehmlich nur noch zu den ausfuhrenden Staatsdienern des kaiserlichen Beamtenapparates zahlten Die Burokratisierung in der Spatantike fuhrte neben einer notwendigen Rationalisierung in der Verwaltung sowie einer angestrebten Amterkontrolle zu einer Entfremdung zwischen Volk und Regierung Der Kaiser hatte den direkten Bezug zu dem einfachen rechtsschutzsuchenden Antragsteller mit seinen alltaglichen Noten und Sorgen verloren Dieser anonyme unpersonliche Verwaltungsapparat hatte eine standig zunehmende Amtsbestechlichkeit zur Folge Gegen entsprechende Bezahlung erschlichen sich die Beamten durch Tauschung kundenbestellte Bescheide von den Kaisern Der Anstieg der Korruption blieb in der Bevolkerung nicht unbemerkt so dass den kaiserlichen Bescheiden kaum noch Vertrauen entgegengebracht wurde und diese damit allgemein nicht mehr als rechtsweisend angesehen waren Literatur BearbeitenDetlef Liebs Hofjuristen der romischen Kaiser bis Justinian Bayerische Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse C H Beck Munchen 2010 ISBN 978 3 7696 1654 5 Die kaiserliche Libellkanzlei Detlef Liebs Reichskummerkasten Die Arbeit der kaiserlichen Libellkanzlei erschienen in Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis Konzepte Prinzipien und Strategien der Administration im romischen Kaiserreich Hrsg Anne Kolb Akademie Verlag Berlin 2006 S 137 52 Dieter Medicus Libellus II In Der Kleine Pauly KlP Band 3 Stuttgart 1969 Sp 619 f Max Kaser Romische Rechtsgeschichte 2 neubearbeitete Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1976 ISBN 3 525 18102 7 S 152 153 Wolfgang Kunkel Martin Schermaier Romische Rechtsgeschichte 13 Auflage Bohlau Koln u a 2001 ISBN 978 3 8252 2225 3 S 75 145 161 Gerhard Schrot A libellis In Der Kleine Pauly KlP Band 3 Stuttgart 1969 Sp 617 f Anton von Premerstein a libellis In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band XIII 1 Stuttgart 1926 Sp 15 26 Anmerkungen Bearbeiten CIL 06 2120 CIL 03 12336 CIL 06 5181 Tacitus Annales 11 29 engl Ubersetzung CIL 11 5028 CIL 11 5213 CIL 03 259 CIL 06 510 CIL 12 1524 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title A libellis amp oldid 233236622