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Agyptisch BlauFarbcode 1034A6 Agyptisch Blau ist ein blaues anorganisches Mineralpigment das wegen seines seltenen naturlichen Vorkommens meist kunstlich hergestellt wird Bei der farbgebenden mineralischen Hauptphase handelt es sich um Cuprorivait C a C u S i 4 O 10 displaystyle mathrm CaCuSi 4 O 10 Neuzeitliche Synonyme sind Blaue Fritte Frittenblau Kupferfritte Pompeijanisch Blau und Kupferblau sowie Nil Blau in Agypten Kyanos griech und caeruleum lat sind antike Bezeichnungen fur die Farbe Blau Die haufig anzutreffende Bezeichnung Blaue Fritte ist jedoch nicht korrekt da der Begriff Fritte eine durch Schmelzen zusammengebackene Glassplittermasse bezeichnet Bei Agyptisch Blau handelt es sich jedoch um eine inhomogene Masse aus Cuprorivait Kristallen mit anderen Bestandteilen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 2 Darstellung 3 Farbigkeit 4 Geschichte 5 Romische Produktion von Agyptisch Blau 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseMerkmale Bearbeiten nbsp Agyptisch BlauAgyptisch Blau ist als grobkristallines Pigment Korngrosse ca 80 mm von neutralblauer kraftiger Farbigkeit Typisch ist der durch die schichtsilikatische Struktur hervorgerufene Glitzereffekt Fein gemahlene Sorten Korngrossen kleiner als 50 mm hellen stark auf 2013 wurde festgestellt dass das Pigment sehr leicht in extrem dunne Schichten Nanoblatter zerfallt Zudem wurden diese Schichten bei Anregung durch Licht noch lange Zeit eine starke Strahlung im Nahinfrarot Bereich abgeben was das Material fur Anwendungen in der biomedizinischen Bildgebung fur Licht emittierende Gerate oder fur Sicherheitstechnik interessant macht 2 3 4 Darstellung BearbeitenZur Synthese des Agyptisch Blau im Labormassstab kann ein stochiometrisches Gemisch der Metalloxide seiner Bestandteile Silicium Calcium und dem farbenden Kupfer verwendet werden Sie kann aber auch durch Verwendung von Siliciumdioxid und der entsprechenden Carbonate durchgefuhrt werden wie es Kendrick und Kirk taten 5 Dazu werden die stochiometrischen Mischungen z B in Porzellantiegeln auf 1000 C fur 16 Stunden erhitzt Anschliessend wird die Mischung langsam abgekuhlt im Morser fein verrieben und erneut auf 1000 C fur 16 Stunden erhitzt Abschliessend wird das Produkt in halbkonzentrierter Salzsaurelosung gekocht um unreagiertes Material zu entfernen mit destilliertem Wasser gewaschen und an der Luft getrocknet Die Ausbeute kann durch Zugabe eines Flussmittels wie z B Natriumtetraborat oder durch Druck erhoht werden Fruher wurde zur Herstellung fein gemahlener Quarzsand und Kalkstein mit Kupfererz oder Bronzespanen und etwas Natron oder salzhaltiger Pflanzenasche versetzt und bei mindestens 870 C fur mehrere Stunden gebrannt Wichtig ist dass das Verhaltnis Kupfer zu Calcium ungefahr 1 1 betragt denn nur dann entsteht das kristalline Schichtsilikat mit der gleichen chemischen Zusammensetzung wie das naturliche Mineral Cuprorivait C a C u S i 4 O 10 displaystyle mathrm CaCuSi 4 O 10 nbsp In der Natur kommt Cuprorivait nur sehr selten vor Bisher ist es in geringen Mengen nur in Vesuvlava nachgewiesen Farbigkeit BearbeitenDie Farbigkeit der Verbindung ruhrt von den durch SiO4 quadratisch planar koordinierten Cu2 Kationen 6 Mit Hilfe der Kristallfeldtheorie kann gesagt werden dass das Kupferkation ein Tetraederfeld aufspannt dabei werden die Sauerstoffatome des Silicats als Liganden angesehen und als negative Punktladungen behandelt die mit den d Orbitalen des Kupfer wechselwirken Da sich die Liganden zwischen den Koordinatenachsen anordnen wechselwirken sie vor allem mit den dxy dxz und dyz Orbitalen des Kupfers Diese Orbitale haben dadurch ein hoheres Energieniveau als die anderen beiden d Orbitale dx2 y2 und dz2 Das Kupfer bringt neun Valenzelektronen in das System ein und besetzt damit sowohl die energetisch gunstigeren als auch die energetisch ungunstigeren d Orbitale mit Elektronen Mit einer bestimmten Menge an Energie konnen nun Elektronen aus den energetisch gunstigeren Orbitalen in die energetisch ungunstigeren angehoben werden Diese Energiemenge ist genauso gross wie die Energiedifferenz zwischen den d Orbitalen und wird vom Licht geliefert Befindet sich dieses Licht innerhalb des sichtbaren Spektrums so wird nun die Komplementarfarbe sichtbar Bei Agyptisch Blau wird gelbes Licht absorbiert und somit erscheint uns der Stoff blau Geschichte Bearbeiten nbsp Agyptisch Blau in der Krone der Buste der Nofretete Agyptisches Museum Berlin Agyptisch Blau zahlt zu den altesten kunstlich hergestellten Farbpigmenten Eine Verwendung im alten Agypten ist seit der 4 Dynastie 2639 2504 v Chr durch Lucas amp Harris belegt Die Entdeckung des Pigments stand vermutlich in engem Zusammenhang mit der alteren Herstellung von farbig glasierter Keramik agyptische Fayence da hierfur dieselben Rohstoffe verwendet wurden Agyptisch Blau wurde nahezu durch alle folgenden Dynastien hinweg verwendet Ausnahmen finden sich in den politisch unruhigen Zwischenzeiten wo als Blaupigment Mischungen aus Russ und Weiss nachgewiesen wurden In der Antike verbreitete sich Agyptisch Blau nach Mesopotamien Griechenland sowie dem Romischen Reich und seinen Provinzen 2009 konnten mit Hilfe einer hochsensitiven Methode auf manchen Skulpturen der Elgin Marbles Spuren des Pigments nachgewiesen werden Seit langerem vermuten Forscher dass der heute in reinweissem Marmor erstrahlende Parthenon ursprunglich zumindest teilweise bemalt war was durch diesen Fund nun als gesichert angesehen werden kann 7 Romische Produktion von Agyptisch Blau Bearbeiten nbsp Mittels Raman Mikroskopie erstellte Phasenverteilungskarte einer Farbschicht aus der Kirche St Peter ob Gratsch mit einer Vielzahl an Haupt Neben und Spurenbestandteilen von Agyptisch Blau 8 Romische Quellen berichten um die Zeitenwende vom Transfer der Produktionstechnologie durch einen gewissen Vestorius von Alexandria nach Pozzuoli bei Neapel Kampanien Suditalien 9 Archaologische Evidenzen belegen tatsachlich Produktionsstatten in den nordlichen Phlegraischen Feldern und scheinen auf eine Monopolstellung in Erzeugung und Handel von Pigmentkugelchen hinzudeuten Agyptisch Blau ist aufgrund seiner fast ausschliesslichen Verwendung das Blaupigment par excellence der romischen Antike seine maltechnische Spur verliert sich im Lauf des Mittelalters 8 2021 gelang der Nachweis von fruhmittelalterlichem Agyptisch Blau 5 6 Jahrhundert an einem Wandmalereifragment aus der Kirche St Peter ob Gratsch Sudtirol Norditalien Mittels eines neuen analytischen Ansatzes wurden erstmals 28 verschiedene Minerale mit Gehalten vom Prozentbereich bis zu 0 1 Promille in der Malschicht erfasst Durch Einbeziehen von Wissen aus benachbarten Disziplinen gelang es die in den bislang nicht zuganglichen Spurenbestandteilen konservierten Informationen uber Art und Herkunft der Rohmaterialien Herstellung und Anwendung des Pigments bis hin zur Alterung der Malschicht auszulesen und die individuelle Biographie des Agyptisch Blau aus St Peter zu rekonstruieren Dieser Paradigmenwechsel in der Forschungsgeschichte zu Agyptisch Blau lieferte naturwissenschaftliche Evidenzen fur die Produktion in den nordlichen Phlegraischen Feldern Ubereinstimmung mit Spurenmineralen in den Strandsanden am Golf von Gaeta die Verwendung eines sulfidischen Kupfererzes anstelle von haufig genanntem metallischem Kupfer oder Bronze und Pflanzenasche als Flussmittel in der Rohstoffmischung Ausserdem fanden sich Belege fur eine von Festkorperreaktionen dominierte Synthese wogegen das Aufschmelzen zu Glas eine vernachlassigbare Rolle gespielt haben durfte 8 Eine Nachfolgestudie an romisch kaiserzeitlichen in Aventicum und Augusta Raurica Schweiz 1 3 Jahrhundert ausgegrabenen Pigmentkugeln bestatigte 2022 die Resultate Die ubereinstimmende Zusammensetzung aus mittlerweile etwa 40 nachgewiesenen Mineralen stellt eine Verbindung zu den nordlichen Phlegraischen Feldern her ausserdem haben ein sulfidisches Kupfererz und Pflanzenasche wiederum ihre Spuren hinterlassen Das Romische Produktionsmonopol bestand also wohl fur Jahrhunderte Daneben wiesen die Analysen ungewollte Nebenprodukte der Synthese in Form weniger Mikropartikel auf den Kugeloberflachen nach die auf nicht ganz ideale Brenndauern bzw Mischungsverhaltnisse zuruckzufuhren sind ein Cuprorivait mit Kristallbaufehlern in seiner Schichtstruktur und ein grunes da kupferhaltiges Glas welches erstmals Ramanspektroskopisch charakterisiert werden konnte 10 Literatur BearbeitenHeinz Berke Chemie im Altertum die Erfindung von blauen und purpurnen Farbpigmenten Konstanzer Universitatsreden Band 222 Universitats Verlag Konstanz Konstanz 2006 ISBN 3 87940 802 5 P R S Moorey Ancient Mesopotamian Materials and Industries The Archaeological Evidence Clarendon Press Oxford New York 1994 ISBN 0 19 814921 2 S 186 189 englisch G Bayer H G Wiedemann Agyptisch Blau ein synthetisches Farbpigment des Altertums wissenschaftlich betrachtet In Sandoz Bulletin 1976 Band 40 S 20 39 Josef Riederer Egyptian Blue In Elisabeth West Fitzhugh Artists Pigments A Handbook of Their History and Characteristics Band 3 Oxford University Press Oxford 1997 ISBN 0 89468 256 3 S 23 45 Robert Fuchs Die Geschichte von Agyptisch Blau und Agyptisch Grun In Stefan Muntwyler Juraj Lipscher Hanspeter Schneider Das Farbenbuch Pigmente Farbstoffe Bindemittel Pigmentanalysen von Gemalden Farbgeschichten 2 Auflage alataverlag Elsau 2023 ISBN 978 3 033 08879 5 S 328 331 Weblinks Bearbeitenswisseduc ch Agyptisch Blau ColourLex Egyptian BlueEinzelnachweise Bearbeiten a Robert Fuchs Die Geschichte von Agyptisch Blau und Agyptisch Grun In Stefan Muntwyler Juraj Lipscher Hanspeter Schneider Das Farbenbuch Pigmente Farbstoffe Bindemittel Pigmentanalysen von Gemalden Farbgeschichten 2 Auflage Elsau 2023 S 328 331 b Juraj Lipscher Stefan Muntwyler Agyptisch Blau Agyptisch Grun In Stefan Muntwyler Juraj Lipscher Hanspeter Schneider Das Farbenbuch Pigmente Farbstoffe Bindemittel Pigmentanalysen von Gemalden Farbgeschichten 2 Auflage Elsau 2023 S 72 73 Altagyptisches Pigment als neues Nanomaterial 5 000 Jahre alter Farbstoff uberrascht mit Nanoschichten und einem starken Nahinfrarot Leuchten Auf scinexx de vom 26 Februar 2013 abgerufen am 1 September 2016 Darrah Johnson McDaniel Christopher A Barrett Asma Sharafi Tina T Salguero Nanoscience of an Ancient Pigment In Journal of the American Chemical Society Band 135 Nr 5 2013 S 1677 1679 doi 10 1021 ja310587c Englisch Gabriele Selvaggio Alexey Chizhik Robert Nissler et al Exfoliated near infrared fluorescent silicate nanosheets for bio photonics In Nature Communications Band 11 Nr 1495 2020 doi 10 1038 s41467 020 15299 5 Englisch E Kendrick C Kirk S Dann Structure and colour properties in the Egyptian Blue Family M 1 x M x CuSi 4O 10 as a function of M M where M M Ca Sr and Ba In Dyes and Pigments Januar 2007 Band 73 Nr 1 S 13 18 doi 10 1016 j dyepig 2005 10 006 englisch D Johnson McDaniel C A Barrett A Sharafi T T Salguero Nanoscience of an Ancient Pigment In Journal of the American Chemical Society 2013 Band 135 Nr 5 S 1677 1679 doi 10 1021 ja310587c englisch Traces of paint confirmed on Parthenon sculptures doi 10 1038 news 2009 574 englisch Auf Nature Onlinedienst vom 15 Juni 2009 siehe auch Parthenon in Farbe In www wissenschaft de 17 Juni 2009 abgerufen am 9 September 2019 a b c Petra Dariz Thomas Schmid Trace compounds in Early Medieval Egyptian blue carry information on provenance manufacture application and ageing In Scientific Reports Band 11 Jahrgang Nr 11296 2021 doi 10 1038 s41598 021 90759 6 nature com Die Fabrikation des Stahlblau Himmelblau caeruleus wurde zuerst in Alexandria erfunden spater stellte ein gewisser Vestorius das Fabrikat auch zu Puteoli her aus Vitruv Marcus Vitruvius Pollio De architectura libri decem Liber VII Caput Xl 1 Jahrhundert deutsche Ubersetzung Jakob Prestel Marcus Vitruvius Pollio Zehn Bucher uber Architektur 3 Auflage Baden Baden 1987 ISBN 3 87320 801 6 S 380 381 Petra Dariz Thomas Schmid Raman focal point on Roman Egyptian blue elucidates disordered cuprorivaite green glass phase and trace compounds In Scientific Reports Band 12 Jahrgang Nr 15596 2022 doi 10 1038 s41598 022 19923 w nature com Die in diesem Artikel angezeigten Farben sind nicht farbverbindlich und konnen auf verschiedenen Anzeigegeraten unterschiedlich erscheinen Eine Moglichkeit die Darstellung mit rein visuellen Mitteln naherungsweise zu kalibrieren bietet das nebenstehende Testbild nur bei nativer Anzeigeauflosung und wenn die Seite nicht gezoomt dargestellt wird Das Anzeigegerat in den sRGB Modus setzen sofern vorhanden Tritt auf einer der drei grauen Flachen ein Buchstabe R fur Rot G fur Grun oder B fur Blau stark hervor sollte die Gammakorrektur des entsprechenden Farbkanals korrigiert werden Eine ausfuhrlichere Beschreibung dazu bietet Hilfe Farbdarstellung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agyptisch Blau amp oldid 236185792