www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel befasst sich mit dem philosophischen Gedanken Friedrich Nietzsches Zu der von ihm geplanten Schrift sowie Kompilationen aus Nietzsches Nachlass unter diesem Titel siehe Der Wille zur Macht Der Wille zur Macht ist ein Gedanke Friedrich Nietzsches der von ihm zum ersten Mal in Also sprach Zarathustra vorgestellt und in allen nachfolgenden Buchern zumindest am Rande erwahnt wird z B im funften Buch der Frohlichen Wissenschaft das 1887 erscheint Seine Anfange liegen in den psychologischen Analysen des menschlichen Machtwillens in der Aphorismensammlung Morgenrote Nietzsche fuhrte ihn in seinen nachgelassenen Notizbuchern ab etwa 1885 umfassender aus Die erste Erwahnung des Begriffs im Nachlass stammt von 1876 77 Furcht negativ und Wille zur Macht positiv erklaren unsere starke Rucksicht auf die Meinungen der Menschen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Der philosophische Gedanke 2 Rezeption 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDer philosophische Gedanke BearbeitenDie Deutung des Gedankens des Willens zur Macht ist stark umstritten Nach Nietzsche ist der Wille zur Macht ein dionysisches Bejahen der ewigen Kreislaufe von Leben und Tod Entstehen und Vergehen Lust und Schmerz eine Urkraft die das Rad des Seins in Bewegung halt Alles geht alles kommt zuruck ewig rollt das Rad des Seins Alles stirbt alles bluht wieder auf ewig lauft das Jahr des Seins 2 In einem Nachlassfragment von 1885 deutet Nietzsche selbst an wie man diesen vielschichtigen Begriff verstehen konnte Diese meine dionysische Welt des Ewig sich selber Schaffens des Ewig sich selber Zerstorens dies mein Jenseits von Gut und Bose ohne Ziel wenn nicht im Gluck des Kreises ein Ziel liegt Wollt ihr einen Namen fur diese Welt Ein Licht fur euch ihr Verborgensten Starksten Unerschrockensten Mitternachtlichsten Diese Welt ist der Wille zur Macht und nichts ausserdem Und auch ihr seid dieser Wille zur Macht und nichts ausserdem 3 Nietzsche ist vor allem durch seine Schopenhauer Lekture und dessen Willens Metaphysik auf den Gedanken des Willens zur Macht gekommen Anders als Schopenhauers Wille zum Leben ist fur Nietzsche der Wille zur Macht jedoch kein Phanomen des Lebens sondern des Erkennens Zwar sind auch fur Nietzsche die Triebe Fundamente allen Erkennens denn aus ihnen geht erst das Erkennen hervor aber es geht nun darum inwiefern eine Umwandlung des Menschen eintritt wenn er endlich nur noch lebt um zu erkennen 4 Das Erkennen ist damit nicht mehr nur Vollzugsweise des Lebens sondern Wissen und Wahrheit werden selbst zur Lebensform Nur wo Leben ist da ist auch Wille aber nicht Wille zum Leben sondern so lehr ich s dich Wille zur Macht 5 So kommt der Wille zur Macht vor allem im Ausmass zum Ausdruck in welchem dem Menschen eine Weltinterpretation gelingt die alle Ereignisse innerhalb des personlichen Lebensvollzugs als diesem dazugehorig verorten kann Ein starker Geist interpretiert die Welt auf sich zu und verleibt sie sich somit ein Als grosste Herausforderung erweist sich in diesem Zusammenhang die Erfahrung des Schrecklichen denn das erlebte Schreckliche in die eigene Interpretation des Lebens zu integrieren fallt am schwersten Im Aushalten des Schrecklichen und Grausamen des Lebens erweist sich jedoch die Fahigkeit zur tragischen Grosse Dies entspricht einem Akzeptieren des Schicksals Nietzsche fordert jedoch noch einen weiteren Schritt Man soll das Schicksal wollen Erst damit schliesst sich der Kreis da man es dann nicht als nur auferlegtes passiv akzeptiert sondern durch den Akt des Wollens forderlich in die Interpretation des eigenen Lebens integriert Wollen befreit das ist die wahre Lehre von Wille und Freiheit 6 Wille und Wollen sind damit eng verwoben mit der Deutung des Lebens Der Wille zur Macht ist fur Nietzsche somit die eigentliche Moglichkeit zur Verwirklichung der Autarkie Die Lust an der Macht sieht Nietzsche in der durch die integrative Lebensinterpretation gewonnenen Freiheit Wenn alle schicksalhaften Erlebnisse als Teil des eigenen Lebens erfahren werden wirken sie nicht mehr als eine Einschrankung der eigenen Freiheit Das damit verbundene positive Gefuhl erklart sich aus der uberwundenen Unfreiheit der abgelegten hundertfaltig erfahrenen Unlust der Abhangigkeit der Ohnmacht 7 Deshalb hat der freieste Mensch das grosste Machtgefuhl uber sich 8 Rezeption BearbeitenIm Zuge der philosophischen Wirkungsgeschichte Nietzsches war fur Martin Heidegger der Wille zur Macht Nietzsches Antwort auf die metaphysische Frage nach dem Grund alles Seienden Nietzsche und Heidegger nachfolgend entdeckte Hannah Arendt in Nietzsches Ansatz positive Seiten indem sie den Begriff Macht hier jedoch wie beim Begrunder der Individualpsychologie Alfred Adler bezogen auf den Menschen innerhalb der Gesellschaft zuruckfuhrt auf die grundsatzliche Moglichkeit aus sich selbst heraus gestaltend etwas zu machen Michel Foucault begrundete auf dem Willen zur Macht seine diskurstheoretischen Uberlegungen und die Uberzeugung dass Macht das Entwicklungs und Integrationsprinzip moderner Gesellschaften sei 9 In seinem Werk Der Wille zum Wissen setzt er den nietzscheanischen Grundsatz fort indem er den Willen zum Wissen als Willen zur Macht begreift Nach Wolfgang Muller Lauter hingegen habe Nietzsche mit dem Willen zur Macht keineswegs eine Metaphysik im Sinne Heideggers wiederhergestellt Nietzsche war gerade Kritiker jeder Metaphysik sondern den Versuch unternommen eine in sich konsistente Deutung allen Geschehens zu geben die die nach Nietzsche irrtumlichen Annahmen sowohl metaphysischer Sinngebungen als auch eines atomistisch materialistischen Weltbildes vermeidet Um Nietzsches Konzept zu begreifen sei es angemessener von den vielen Willen zur Macht zu sprechen die im dauernden Widerstreit stehen sich gegenseitig bezwingen und einverleiben zeitweilige Organisationen beispielsweise den menschlichen Leib bilden aber keinerlei Ganzes bilden die Welt sei ewiges Chaos Zwischen diesen beiden Interpretationen bewegen sich die meisten anderen wobei die heutige Nietzscheforschung derjenigen Muller Lauters deutlich naher steht Im Gegenpart zu Nietzsche sieht Alfred Adler schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 den Willen zur Macht auch kritisch als eine mogliche Uberkompensation eines verstarkt erlebten Minderwertigkeitsgefuhls Rudiger Safranski nimmt in seiner Schrift Friedrich Nietzsche Biographie seines Denkens Heideggers Kritik wieder auf In der gegenwartigen philosophischen Interpretation von Nietzsches Werk ist der Begriff des Willens zur Macht heute kaum noch prasent Georg Rompp etwa weist darauf hin dass er als erklarende Variable fur Entwicklungen in der Welt im Zusammenleben der Menschen oder in der Geistesgeschichte bei Nietzsche nicht auftreten konne da dies seiner Kritik am Gleichmachen durch Wissenschaft Erkenntnis und Gesellschaft bzw Politik widersprechen wurde Das Gleiche gelte fur Versuche darin eine universelle psychologische Konstante sehen zu wollen 10 Rompp schreibt dem Begriff des Willens zur Macht nur noch zwei Bedeutungen zu Zum einen wendet Nietzsche sich mit diesem Begriff gegen die Vorstellung einer subjekt und sprachunabhangigen Wahrheit Der Wille zur Macht besitzt also eine kritische Funktion gegen den Willen zur Wahrheit weil unsere Erkenntnisse gemacht werden und keine Abschilderung der Welt an sich darstellen Zum anderen verwendet Nietzsche diesen Begriff um den prinzipiell unabschliessbaren Prozess des interpretativen Begreifens der Welt zu bezeichnen Deshalb gibt es bei Nietzsche auch nicht Macht als Zustand sondern nur als Prozess namlich als den aktiven und formgebenden Erkenntnisprozess der aus sich heraus die Tendenz zu immer neuen und veranderten Interpretationen der Welt entwickelt Naturlich bleibt diese gemachte Erkenntnis nicht folgenlos sondern die in ihr geltend gemachten Begriffe und Theoreme bestimmen das Handeln der Menschen im gesellschaftlichen Zusammenleben und im Umgang mit der Welt Siehe auch BearbeitenEwige Wiederkunft UbermenschLiteratur BearbeitenFriedrich Nietzsche Samtliche Werke Kritische Studienausgabe in 15 Banden Hrsg Giorgio Colli und Mazzino Montinari de Gruyter dtv ISBN 978 3 423 59065 5 siehe Nietzsche Ausgabe Gunter Abel Nietzsche Die Dynamik der Willen zur Macht und die Ewige Wiederkehr 2 um ein Vorwort erweiterte Auflage de Gruyter Berlin 1998 ISBN 3 11 015191 X Murat Ates Perspektiven des Willens zur Macht In Nietzsches Zarathustra Auslegen Marburg 2014 ISBN 978 3 8288 3430 9 S 129 146 Gunter Figal Nietzsche Eine philosophische Einfuhrung Reclam Verlag Stuttgart 1999 ISBN 3 15 009752 5 Volker Gerhardt Vom Willen zur Macht Anthropologie und Metaphysik der Macht am exemplarischen Fall Friedrich Nietzsches de Gruyter Berlin 1996 ISBN 3 11 012801 2 Habilitationsschrift von 1984 Gunter Haberkamp Triebgeschehen und Wille zur Macht Nietzsche zwischen Philosophie und Psychologie Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2000 ISBN 3 8260 1869 9 Wolfgang Muller Lauter Uber Werden und Wille zur Macht Nietzsche Interpretationen Band 1 de Gruyter Berlin 1999 ISBN 3 11 013451 9 Georg Rompp Nietzsche leicht gemacht Eine Einfuhrung in sein Denken UTB 3718 Bohlau Koln u a 2013 ISBN 978 3 8252 3718 9 Weblinks BearbeitenLiteratur zum Willen zur Macht in der Weimarer Nietzsche Bibliographie Stefan Gunzel Tod ist bei Gottern immer nur ein Vorurtheil Uber den Willen zur Macht als Gerechtigkeit und wie er sich mit Derrida in Heideggers Nietzsche anders verstehen lasst als ihn Gadamer verstanden hat Memento vom 6 Marz 2014 im Internet Archive Stefan Gunzel Wille zur Differenz Gilles Deleuzes Nietzsche Lekture Memento vom 8 Oktober 2009 im Internet Archive Patrick Thor eine fortgesetzte Zeichen Kette von immer neuen Interpretationen Friedrich Nietzsches Wille zur Macht und die Semiotik von Charles S Peirce In Muenchner Semiotik Zeitschrift des Forschungskolloquiums an der LMU 2018 Der Wille zur Macht keinBuch von Friedrich Nietzsche eine Auswahl aus Nietzsches Nachlass mit Texten zum philosophischen Konzept Wille zur Macht sowie zu den nicht umgesetzten Buchprojekten gleichen Namens herausgegeben von Bernd Jung auf der Grundlage der Digitalen Kritischen Gesamtausgabe 2012 13Einzelnachweise Bearbeiten Kritische Studienausgabe KSA 8 S 425 Friedrich Nietzsche Also sprach Zarathustra drittes Buch der Genesende Friedrich Nietzsche Werke in drei Banden Band 3 Munchen 1954 S 915 918 KSA 9 S 495 KSA 4 S 149 KSA 4 S 111 KSA 8 S 425 KSA 9 S 488 Hinrich Fink Eitel Michel Foucault zur Einfuhrung 4 Auflage Hamburg 2002 ISBN 978 3 88506 372 8 S 7 google de abgerufen am 26 Februar 2022 Georg Rompp Nietzsche leicht gemacht Eine Einfuhrung in sein Denken UTB 3718 Bohlau Koln u a 2013 VFriedrich NietzscheWerke Die Geburt des tragischen Gedankens Die Geburt der Tragodie aus dem Geiste der Musik Uber das Pathos der Wahrheit Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen Uber Wahrheit und Luge im aussermoralischen Sinne Unzeitgemasse Betrachtungen Vom Nutzen und Nachteil der Historie fur das Leben Hymnus an das Leben Menschliches Allzumenschliches Morgenrote Gedanken uber die moralischen Vorurteile Idyllen aus Messina Die frohliche Wissenschaft Also sprach Zarathustra Der Freigeist Vereinsamt Jenseits von Gut und Bose Zur Genealogie der Moral Der Fall Wagner Gotzen Dammerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt Der Antichrist Ecce homo Dionysos Dithyramben Nietzsche contra Wagner Der Wille zur Macht Wahnbriefe nbsp Philosophische Konzepte Amor fati Apollinisch dionysisch Bejahung Ewige Wiederkunft Gott ist tot Herrenmoral Letzter Mensch Pathos der Distanz Perspektivismus Ressentiment Sklavenmoral Tschandala Ubermensch Umwertung aller Werte Weltratsel Wille zur MachtGedenkstatten Nietzsche Haus Naumburg Nietzsche Haus Sils Maria Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wille zur Macht amp oldid 230837317