www.wikidata.de-de.nina.az
Ecce homo Wie man wird was man ist ist eine autobiographische Schrift des Philosophen Friedrich Nietzsche Nietzsche arbeitete von Oktober 1888 bis zu seinem Zusammenbruch Anfang 1889 an dem Werk das zum ersten Mal 1908 im Auftrag des Nietzsche Archivs veroffentlicht wurde Es ist nicht vollstandig uberliefert und in seiner heute anerkannten Form erst seit den 1970ern bekannt Titelseite von Nietzsches Manuskript Ausschnitt In Ecce homo gibt Nietzsche ruckblickend Deutungen seiner philosophischen Schriften und prasentiert sich selbst und seine Erkenntnisse als schicksalhafte Ereignisse von weltbewegender Grosse Dabei stehen die Themen seines Spatwerks besonders die Kritik am Christentum und die angekundigte Umwertung aller Werte im Vordergrund Es gibt unterschiedliche Ansichten daruber wie glaubwurdig Nietzsches Darstellungen sind und wie sehr die Schrift bereits von seiner Geisteskrankheit beeinflusst ist Dennoch sind Nietzsches Selbstdeutungen in Ecce homo oft als Ausgangspunkt fur weitere biographische und philosophische Deutungen seines Werks genommen worden Als letztes grosseres Werk Nietzsches die gleichzeitig entstandenen kleineren Werke Nietzsche contra Wagner und Dionysos Dithyramben sind im Wesentlichen aus alterem Material kompiliert nimmt es in der Nietzsche Rezeption eine Sonderstellung ein Das ubliche Sigel des Buchs ist EH Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Titel 1 2 Ubersicht 2 Entstehung 3 Literatur 3 1 Ausgaben 3 2 Sekundarliteratur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenTitel Bearbeiten Der Titel spielt auf zwei klassische Redewendungen an ecce homo sehet welch ein Mensch hat laut Bibel Pontius Pilatus uber Jesus Christus gesagt Der Untertitel Wie man wird was man ist geht auf den Satz Pindars Werde der du bist aus den Pythischen Oden zuruck den Nietzsche schon in fruheren Werken zitiert hatte 1 Den Titel Ecce homo hatte er auch schon einem kleinen Gedicht in der frohlichen Wissenschaft gegeben 2 nbsp Erste Ja ich weiss woher ich stamme Ungesattigt gleich der Flamme Gluhe und verzehr ich mich Licht wird alles was ich fasse Kohle alles was ich lasse Flamme bin ich sicherlich Ubersicht Bearbeiten Nietzsche schreibt im Vorwort er wolle der Welt erklaren wer er sei um nicht verwechselt zu werden Er stellt die Grosse seiner Aufgabe der Kleinheit seiner Zeitgenossen gegenuber die ihn verkannt hatten Er sei kein Popanz eher noch ein Satyr als ein Heiliger 3 kein Weiser kein Welt Erloser oder Verbesserer kein Fanatiker oder Idealist zum Beleg zitiert er wie noch haufig in dem Buch einige Stellen aus Also sprach Zarathustra Es schliesst sich ein kurzer personlicher Abschnitt An diesem vollkommenen Tage an Die restlichen Kapitel sind wie folgt uberschrieben Warum ich so weise bin Warum ich so klug bin Warum ich so gute Bucher schreibeDie Geburt der Tragodie Die Unzeitgemassen Menschliches Allzumenschliches Morgenrote Die frohliche Wissenschaft Also sprach Zarathustra Jenseits von Gut und Bose Genealogie der Moral Gotzen Dammerung Der Fall Wagner dd Warum ich ein Schicksal binIm Kapitel Warum ich so weise bin beschreibt Nietzsche sich selbst als Doppelnatur die sowohl zu einer dekadenten Kranken Optik als auch zu grosser Gesundheit fahig ist Er personifiziert diesen Gegensatz in seinen Eltern wobei er besonders seinem Vater vieles zu verdanken glaubt Sich selbst sieht Nietzsche als im tiefsten Grunde gesund Dies habe ihm ermoglicht aus seinen vielfaltigen Krankheiten Erkenntnisse und Nutzen zu ziehen So habe er etwa das Ressentiment siehe v a Zur Genealogie der Moral nur begriffen da er es aus der Kraft heraus und aus der Schwache heraus erlebt habe Nietzsche protestiert dann im Kapitel Warum ich so klug bin gegen die bisherigen Religionen und Philosophien die sich mit vermeintlich grossen tatsachlich aber unwichtigen Fragen beschaftigt und wirklichkeitsfremde Ideale aufgestellt haben Sehr viel wichtiger seien die scheinbar kleinen Dinge die Frage nach der richtigen Ernahrung der richtigen Wahl des Ortes des Klimas Art der Erholung Fragen des personlichen Geschmacks in Literatur und Musik hier schaltet Nietzsche einige kulturkritische Bonmots ein und schliesslich geeignete Mittel der Selbstsucht und Selbstzucht D iese kleinen Dinge Ernahrung Ort Clima Erholung die ganze Casuistik der Selbstsucht sind uber alle Begriffe hinaus wichtiger als Alles was man bisher wichtig nahm Hier gerade muss man anfangen umzulernen Das was die Menschheit bisher ernsthaft erwogen hat sind nicht einmal Realitaten blosse Einbildungen strenger geredet Lugen aus den schlechten Instinkten kranker im tiefsten Sinne schadlicher Naturen heraus alle die Begriffe Gott Seele Tugend Sunde Jenseits Wahrheit ewiges Leben Aber man hat die Grosse der menschlichen Natur ihre Gottlichkeit in ihnen gesucht Alle Fragen der Politik der Gesellschafts Ordnung der Erziehung sind dadurch bis in Grund und Boden gefalscht dass man die schadlichsten Menschen fur grosse Menschen nahm dass man die kleinen Dinge will sagen die Grundangelegenheiten des Lebens selber verachten lehrte Warum ich so klug bin 10 Abschnitt KSA 6 S 295 f nbsp und letzte Seite des Manuskripts Das Kapitel Warum ich so gute Bucher schreibe leitet Nietzsche mit der Feststellung ein dass seine Schriften bisher von niemandem verstanden worden seien sofern sie uberhaupt jemand wahrgenommen hatte Die wenigen bisher erschienenen Besprechungen seiner Schriften namentlich von Joseph Victor Widmann und Carl Spitteler seien ganz verfehlt Darauf folgend geht Nietzsche auf Fragen des Stils ein und hebt seine psychologischen Erkenntnisse hervor Danach gibt Nietzsche Anmerkungen und Deutungen zu seinen Schriften von der Geburt der Tragodie bis zum Fall Wagner und der Gotzen Dammerung Die Schrift Der Antichrist die Nietzsche spater veroffentlichen wollte fehlt hier ebenso wie die gleichzeitig mit Ecce homo entstandenen Nietzsche contra Wagner und Dionysos Dithyramben Auch diese Besprechungen nutzt Nietzsche zur Behandlung anderer Fragen besonders sein Verhaltnis zu Richard Wagner thematisiert er mehrfach Am ausfuhrlichsten ist die Besprechung des Zarathustra den er in mehrerlei Hinsicht als den Hohepunkt seines Schaffens darstellt Im letzten Kapitel Warum ich ein Schicksal bin schreibt Nietzsche uber die vermeintlich weltbewegende Bedeutung seiner Spatphilosophie der Umwertung aller Werte Er bezeichnet sich selbst als Immoralisten dessen Einsichten zu grossen Umbruchen fuhren wurden Die Entdeckung der christlichen Moral ist ein Ereigniss das nicht seines Gleichen hat eine wirkliche Katastrophe Wer uber sie aufklart ist eine force majeure ein Schicksal er bricht die Geschichte der Menschheit in zwei Stucke Man lebt vor ihm man lebt nach ihm Der Blitz der Wahrheit traf gerade das was bisher am Hochsten stand wer begreift was da vernichtet wurde mag zusehn ob er uberhaupt noch Etwas in den Handen hat Alles was bisher Wahrheit hiess ist als die schadlichste tuckischste unterirdischste Form der Luge erkannt der heilige Vorwand die Menschheit zu verbessern als die List das Leben selbst auszusaugen blutarm zu machen Warum ich ein Schicksal bin 8 Abschnitt KSA 6 S 373 Mehrfach fragt Nietzsche Hat man mich verstanden Er schliesst mit dem symbolischen Gegensatz Dionysos gegen den Gekreuzigten Zwei weitere kurze Abschnitte mit den Titeln Kriegserklarung und Der Hammer redet liess Nietzsche nach Auffassung der heutigen Forschung kurz vor dem offenen Ausbruch seines Wahnsinns aus dem Manuskript nehmen Entstehung BearbeitenNietzsche entschloss sich an seinem 44 Geburtstag dem 15 Oktober 1888 eine Autobiographie zu schreiben Eine gewisse Neigung zu autobiographischen Betrachtungen hatte Nietzsche stets bereits mit 14 Jahren hatte er einen ersten solchen Text Aus meinem Leben verfasst 1888 hatte er die Gotzen Dammerung und den Antichrist abgeschlossen er war zumindest nach eigenen Aussagen in einer regelrecht euphorischen arbeitsamen Stimmung Anfang November war eine erste Version fertig und wurde seinem Verleger Naumann in Leipzig zugesandt In den folgenden zwei Monaten nahm Nietzsche aber umfangreiche Erganzungen und Anderungen vor er arbeitete bis zu seinem Zusammenbruch Anfang Januar 1889 an der Schrift In Nietzsches Briefen aus dieser Zeit lassen sich starker werdende Zeichen von Grossenwahn und andere Wahnvorstellungen erkennen wie auch aus einigen Stellen im Ecce homo Nietzsches ruckblickende Selbstbeschreibungen sind von der Forschung teilweise als erstaunlich genau teilweise wiederum als deutlich stilisiert oder schlicht irrig nachgewiesen worden Nietzsche war in jener Zeit wohl tatsachlich von seiner historischen Bedeutung uberzeugt und sah grosse Ereignisse kommen er rechnete auch in ungewohnlicher Scharfe mit Bekannten wie Hans von Bulow Malwida von Meysenbug und seiner Schwester Elisabeth Nietzsche ab Die genaue Entstehungsgeschichte des Textes ist recht kompliziert Im Dezember arbeitete Nietzsche ausserdem an Nietzsche contra Wagner und den Dionysos Dithyramben und wechselte beinahe taglich seine Meinung welche Abschnitte in welches Buch aufgenommen werden und welche uberhaupt gedruckt werden sollten Eine genaue Genese des Textes hat Mazzino Montinari vorgelegt 4 Nach Nietzsches Zusammenbruch wurde die Drucklegung des Werks abgebrochen Heinrich Koselitz besorgte sich das Material aus der Druckerei und fertigte im Februar Marz 1889 eine Abschrift an Diese Redaktionsversion Koselitz stimmt mit dem uberlieferten Manuskript uberein aber Koselitz schrieb Franz Overbeck freimutig dass er in seiner Abschrift Stellen welche selbst mir den Eindruck zu grosser Selbstberauschung oder gar zu weit gehender Verachtung und Ungerechtigkeit machen 5 ausgelassen habe Diese Stellen wie wohl auch einige von Nietzsche selbst wieder verworfene Entwurfe und Varianten etwa der erwahnte Abschnitt Kriegserklarung sind offenbar in spateren Jahren im Nietzsche Archiv vernichtet worden Literatur BearbeitenAusgaben Bearbeiten Siehe Nietzsche Ausgabe fur allgemeine Informationen In der von Giorgio Colli und Mazzino Montinari gegrundeten Kritischen Gesamtausgabe ist Ecce homo zu finden in Abteilung VI Band 3 zusammen mit Der Fall Wagner Gotzen Dammerung Der Antichrist den Dionysos Dithyramben und Nietzsche contra Wagner ISBN 978 3 11 002554 5 Ein Nachbericht d h kritischer Apparat hierzu liegt noch nicht vor Denselben Text liefert die Kritische Studienausgabe KSA in Band 6 zusammen mit denselben anderen Schriften Nietzsches Der Band KSA 6 erscheint auch als Einzelband unter der ISBN 978 3 423 30156 5 Der zugehorige Apparat befindet sich im Kommentarband KSA 14 S 454 512 1985 erschien eine von Montinari und dem damaligen Leiter des Goethe und Schiller Archivs Karl Heinz Hahn herausgegebene Faksimileausgabe des erhaltenen Druckmanuskripts mit Transkription und Kommentar Edition Leipzig Leipzig 1985 Lizenzausgabe beim Dr Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden 1985 ISBN 3 88226 225 7 Zu erwahnen ist die Ausgabe von Der Antichrist Ecce Homo sic und den Dionysos Dithyramben im Goldmann Verlag mit einem Nachwort und Anmerkungen von Peter Putz sowie einer Bibliographie ISBN 3 442 07511 4 Der Text folgt anscheinend der Schlechta Ausgabe und ist damit nicht dem heutigen Stand entsprechend besonders im Abschnitt An diesem vollkommnen Tage und Abschnitt 3 von Warum ich so weise bin Sekundarliteratur Bearbeiten Hans Martin Gauger Nietzsches Stil am Beispiel von Ecce homo in Nietzsche Studien 13 1984 S 332 355 Sarah Kofman Explosion I De l Ecce homo de Nietzsche Paris 1992 Heinrich Meier Nietzsches Vermachtnis Ecce homo und Der Antichrist Zwei Bucher uber Natur und Politik C H Beck Munchen 2019 ISBN 978 3 406 73953 8 Der Autor gibt eine textnahe und detaillierte Analyse von Ecce homo und Antichrist und weist beide Werke als anspruchsvolle und philosophisch hochst ernst zu nehmende Lekture aus die weder in Form noch Inhalt von Wahnsinn gekennzeichnet sind Andreas Urs Sommer Kommentar zu Nietzsches Der Antichrist Ecce homo Dionysos Dithyramben Nietzsche contra Wagner Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hg Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken Bd 6 2 Walter de Gruyter Berlin Boston 2013 ISBN 978 3 11 029277 0 Neuer Standardkommentar kommentiert jede einzelne Textstelle ausfuhrlich Friedrich Kittler Nietzsche Politik des Eigennamens Wie man abschafft wovon man spricht Merve Berlin 2000 ISBN 3 88396 157 4 Der Autor argumentiert diskurstheoretisch im Sinne Foucaults und sieht keinerlei Wahnsinn am oder in dem Werk sondern Methode Weblinks BearbeitenVollstandiger Text bei Nietzsche Source Colli Montinari Ausgabe Literatur zu Ecce homo Verzeichnis der Weimarer Nietzsche BibliographieEinzelnachweise BearbeitenWerke Nietzsches werden nach der Kritischen Studienausgabe KSA zitiert Menschliches Allzumenschliches Funftes Hauptstuck Aphorismus 263 KSA 2 S 219 Die frohliche Wissenschaft Drittes Buch Aphorismus 270 KSA 3 S 519 vgl etwa auch ebd Viertes Buch Aphorismus 335 KSA 3 S 563 KSA 3 S 367 Vorwort 2 Abschnitt KSA 6 S 258 Im Kommentarband der KSA und im Kommentar der Faksimileausgabe siehe Literatur Koselitz an Overbeck 27 Februar 1889 zitiert nach KSA 14 S 459 VFriedrich NietzscheWerke Die Geburt des tragischen Gedankens Die Geburt der Tragodie aus dem Geiste der Musik Uber das Pathos der Wahrheit Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen Uber Wahrheit und Luge im aussermoralischen Sinne Unzeitgemasse Betrachtungen Vom Nutzen und Nachteil der Historie fur das Leben Hymnus an das Leben Menschliches Allzumenschliches Morgenrote Gedanken uber die moralischen Vorurteile Idyllen aus Messina Die frohliche Wissenschaft Also sprach Zarathustra Der Freigeist Vereinsamt Jenseits von Gut und Bose Zur Genealogie der Moral Der Fall Wagner Gotzen Dammerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt Der Antichrist Ecce homo Dionysos Dithyramben Nietzsche contra Wagner Der Wille zur Macht Wahnbriefe nbsp Philosophische Konzepte Amor fati Apollinisch dionysisch Bejahung Ewige Wiederkunft Gott ist tot Herrenmoral Letzter Mensch Pathos der Distanz Perspektivismus Ressentiment Sklavenmoral Tschandala Ubermensch Umwertung aller Werte Weltratsel Wille zur MachtGedenkstatten Nietzsche Haus Naumburg Nietzsche Haus Sils Maria Normdaten Werk GND 4115395 9 lobid OGND AKS LCCN no2009081198 VIAF 179718335 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ecce homo Nietzsche amp oldid 225076662