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Wilhelm Schmidt SVD 16 Februar 1868 in Horde heute Dortmund 10 Februar 1954 in Freiburg im Uechtland war ein deutsch osterreichischer romisch katholischer Priester Religionswissenschaftler Sprachwissenschaftler und Ethnologe Er war Begrunder der Wiener Schule der Kulturkreislehre die eine Universalgeschichte der Kultur zu erstellen versuchte und gleichzeitig der bedeutendste weltweit vergleichende Sprachwissenschaftler der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts Pater Wilhelm Schmidt SVD Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Politische Ansichten und NS Widerstand 3 Forschungsinteresse 4 Auszeichnungen 5 Werke 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenWilhelm Schmidt war Sohn eines Huttenarbeiters Der Pfarrer seiner Heimatgemeinde bewog ihn 1883 nach Beendigung der Volksschule in die Schule der 1875 gegrundeten Missionsgesellschaft der Missionare vom Gottlichen Wort Societas Verbi Divini in Steyl Niederlande einzutreten Dort machte Schmidt 1888 sein Abitur und trat anschliessend in den Orden ein Die Priesterweihe erfolgte am 22 Mai 1892 in Steyl Von 1893 bis 1895 studierte er orientalische Sprachen sowie die islamische Theologie bei Martin Hartmann am Seminar fur Orientalische Sprachen der Universitat Berlin Schmidts Ordensobere bestimmten ihn fur eine Professur am osterreichischen Ausbildungshaus des Ordens dem Missionshaus St Gabriel in Modling Von hier aus entwickelte Schmidt in der Folgezeit seine Aktivitaten und pragte die Wiener Schule der Ethnologie In St Gabriel unterrichtete Schmidt ab 1895 zunachst Griechisch spater auch Hebraisch und Rhetorik 1896 begann die missionarische Tatigkeit des Ordens in Papua Neuguinea Der Briefwechsel mit Missionaren in Neuguinea und Togo weckten sein Interesse fur Sprache und Kultur von Naturvolkern Gleichzeitig knupfte er Kontakte zu Wiener Orientalisten und Ethnologen so dass sich seine autodidaktisch erworbenen Kenntnisse auf weite Gebiete Asiens Afrikas Polynesiens und Melanesiens ausdehnten Seine sprachvergleichenden Studien fanden bald Beachtung in den wissenschaftlichen Kreisen Wiens Wie andere seiner Mitbruder nahm Schmidt 1902 die osterreichische Staatsangehorigkeit an 1906 begrundete er am Missionshaus St Gabriel die Zeitschrift ANTHROPOS Internationale Zeitschrift fur Volker und Sprachenkunde wobei ihn besonders Ferdinand Hestermann unterstutzt hat Am 27 September 1906 hielt er bei der Jahresversammlung der Gorres Gesellschaft in Bonn einen Vortrag mit dem Thema Der Entwicklungsgedanke in der Religionswissenschaft Der Vortrag wurde zum Ausgangspunkt fur sein vom Krieg unterbrochenes am Ende zwolfbandiges Werk Der Ursprung der Gottesidee Im Ersten Weltkrieg war er Feldkaplan des Kaisers Karl I Seit 1921 war Schmidt Dozent am Lehrstuhl fur Anthropologie und Ethnographie der Universitat Wien Von 1924 bis 1927 leitete Otto Reche dieses Institut unter dem Primat der Rassenforschung Nach Reches Wechsel nach Leipzig wurden in Wien die Forschungsfelder Ethnografie und physische Anthropologie getrennt 1929 initiierte Schmidt das Institut fur Volkerkunde das von seinem Mitbruder Wilhelm Koppers geleitet wurde Die Wiener Kulturkreislehre war an diesem Institut die vorherrschende Lehrmeinung 1925 wurde Schmidt beauftragt die Bestande des damaligen der Congregatio de Propaganda Fide zugeordneten vatikanischen Missionsmuseums zu sichten sowie zu dokumentieren und daraus die Dauerausstellung eines neuen dem Stande der ethnologischen Forschung entsprechenden Museums aufzubauen Dabei unterstutzte ihn sein Mitbruder Martin Gusinde 1 Das Pontificio Museo Missionario Etnologico Lateranense konnte im Dezember 1927 eroffnet werden Schmidt leitete es bis 1939 als Direktor Ende 1931 wurde er auch Direktor des neuen Anthropos Instituts in Modling Im Zusammenhang mit Universitatsgrundungen in Asien konnte Schmidt 1935 seine einzige grossere Auslandsreise unternehmen die ihn uber die USA nach Japan und China fuhrte Nach dem Anschluss Osterreichs wurde Schmidt von den Nationalsozialisten kurz verhaftet und unter Hausarrest gestellt Sein langjahriger Mitbruder Ferdinand Hestermann der inzwischen in Munster lehrte hatte rechtzeitig Freunde am Museo Missionario Etnologico in Rom benachrichtigt und Schmidt kam durch Intervention des Papstes wieder frei Schmidt emigrierte im April 1938 zunachst nach Rom und im November 1938 schliesslich in die Schweiz Das Anthropos Institut wurde im selben Jahr von Modling ins Chateau Froideville ein Patrizierhaus in Hauterive verlegt 2 1941 erhielt Schmidt einen Ruf an die Universitat Freiburg Schweiz Bis 1948 war er hier tatig umgeben von Mitgliedern seines Ordens wie Paul Schebesta Georg Holtker Wilhelm Koppers und Joseph Henninger Am 10 Februar 1954 starb Wilhelm Schmidt in Freiburg im Uechtland im Alter von 85 Jahren 3 Er wurde in St Gabriel in Modling beigesetzt Politische Ansichten und NS Widerstand BearbeitenSchmidt publizierte unter anderem in der katholischen Zeitschrift Schonere Zukunft Er unterstutzte den spateren Burgermeister von Wien Karl Lueger und dessen Christlichsoziale Partei Schmidt war ein erklarter Gegner des franzosischen Religionsgeschichtlers Salomon Reinach 1858 1932 und von Materialismus und Kommunismus Schmidt war ein erklarter Antisemit 4 Zu Weihnachten 1933 rief er dazu auf nicht in judischen Geschaften zu kaufen 5 Hans Waldenfels verweist dagegen auf Schmidts Entschluss nach dem Anschluss Osterreichs in die neutrale Schweiz umzusiedeln 6 Im Verlauf des Krieges war er im Widerstand gegen das Dritte Reich aktiv er forderte eine katholisch monarchistische Zelle namens Patria mit vatikanischen Geldzuweisungen und vermittelte in zahlreichen Briefen Kontakte zwischen konservativen katholischen Regimegegnern britischem Geheimdienst und Wehrmacht Deserteuren 7 Forschungsinteresse BearbeitenSchmidts Methode bestand aus der Verbindung von konstruktiv synthetischer Theoriebildung mit dem Bemuhen um deren historisch empirischer Verifizierung Er war bestrebt den christlichen Glauben zu rechtfertigen und mit Hilfe seiner Forschungen wissenschaftlich zu fundieren Dabei versuchte er nachzuweisen dass es zwischen den verschiedenen Kulturen und ihren Religionen eine ursprungliche Einheit gibt Schmidt war im Gegensatz zu Leo Frobenius nicht nur ein Vertreter des Diffusionismus sondern auch der Kulturkreis Konzeption Von der Existenz eines ursprunglichen Monotheismus uberzeugt machte er sich auf die Suche nach dem Ursprung der Gottesidee So beauftragte er seine Ordensbruder wahrend ihrer Missionsreisen empirisches Material zur Untermauerung der Theorie eines idealen Urzustandes der Menschheit der in fruher Zeit geherrscht haben soll heranzuschaffen So konnte er reichhaltiges Material verarbeiten das ihm zahlreiche Missionare und Mitarbeiter aus der ganzen Welt zusammentrugen Schmidts These eines Urmonotheismus wurde nicht von allen Wissenschaftlern geteilt weil sie dem Paradigma einer Hoherentwicklung widerspricht siehe auch Sackgassen der ethnologischen Religionsforschung Die von ihm begrundete Wiener Schule leitete ein ethnografisches Forschungsprogramm in die Wege das von Martin Gusinde SVD und anderen Patres unter anderem in Feuerland und Afrika durchgefuhrt wurde Sie spielt heute in der Forschung keine Rolle mehr Als Problem erwies sich nicht zuletzt dass die von Schmidt rekonstruierte Urkultur Urreligion und Uroffenbarung in einem nicht weiter lokalisierbaren angenommenen prahistorischen Stadium verbleiben Auch als Sprachwissenschaftler hat Schmidt Bedeutendes geleistet Er legte als erster eine wissenschaftliche Klassifikation der australischen Sprachen vor und war mit seinen Arbeiten zur Sprachtypologie insbesondere zur Wortstellungstypologie ein wichtiger Wegbereiter Joseph Greenbergs vgl Schmidt 1926 Entsprechend seinen ethnologischen und religionswissenschaftlichen Intentionen versuchte Schmidt uber verwandte Sprachkreise zu den Primarsprachen und uber diese zu einer gemeinsamen Ursprache vorzudringen Obwohl die Linguistik dadurch in der Folgezeit den nur oral zuganglichen Sprachen der Primitivvolker grossere Beachtung schenkte uberzeugte sie Schmidts sprachwissenschaftliche Grundthese nicht Auszeichnungen BearbeitenEhrendoktor der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universitat Bonn Ehrendoktor der Universitat Mailand Ehrendoktor der Universitat Peking Ehrendoktor der Universitat Uppsala Ehrendoktor der Universitat WienWerke BearbeitenDie moderne Ethnologie L Ethnologie moderne In Anthropos Band 1 Heft 1 1906 S 134 163 318 387 593 643 950 997 deutsch franzosisch Der Ursprung der Gottesidee Eine historisch kritische und positive Studie 12 Bande 1912 1955 Aschendorff Munster Die Sprachfamilien und Sprachkreise der Erde Kulturgeschichtliche Bibliothek Winter Heidelberg 1926 ISBN 3 87118 276 1 Handbuch der vergleichenden Religionsgeschichte zum Gebrauch fur Vorlesungen an Universitaten Seminaren usw und zum Selbststudium Aschendorff Munster 1930 mit Wilhelm Koppers Handbuch der Methode der kulturhistorischen Ethnologie Aschendorff Munster 1937 Das Eigentum auf den altesten Stufen der Menschheit 3 Bande 1937 1942 Aschendorff Munster Rassen und Volker in Vorgeschichte und Geschichte des Abendlandes Band 1 3 Stocker Luzern 1946 Das Mutterrecht Verlag der Missionsdruckerei St Gabriel Wien Modling 1955 Literatur BearbeitenErnest Brandewie When Giants Walked the Earth The Life and Times of Wilhelm Schmidt SVD University Press Fribourg Fribourg 1990 ISBN 3 7278 0712 1 Walter Gronemann Schmidt Wilhelm In Hans Bohrmann Hrsg Biographien bedeutender Dortmunder Menschen in aus und fur Dortmund Band 1 Ruhfus Dortmund 1994 S 131 ff Christian Pape Schmidt Wilhelm In Handbuch des Antisemitismus Band 2 2 Personen L Z de Gruyter Saur Berlin 2009 ISBN 978 3 598 24072 0 S 738f Werner Petermann Die Geschichte der Ethnologie Peter Hammer Verlag Wuppertal 2004 ISBN 3 87294 930 6 S 599 ff Joachim G Piepke The Significant Collaborators of Wilhelm Schmidt before 1931 In Stanislaw Grodz Sebastian M Michael Roger Schroeder Hrsg Giants Footprints 90th Anniversary of Anthropos Institute 1931 2021 Academia Baden Baden 2021 Collectanea Instituti Anthropos 53 ISBN 978 3 98572 014 9 S 39 80 Karl Josef Rivinius Wilhelm Schmidt In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 17 Bautz Herzberg 2000 ISBN 3 88309 080 8 Sp 1231 1246 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Peter Rohrbacher Volkerkunde und Afrikanistik fur den Papst Missionsexperten und der Vatikan 1922 1939 In Romische Historische Mitteilungen Jg 54 2012 S 583 610 Peter Rohrbacher Pater Wilhelm Schmidt im Schweizer Exil Interaktionen mit Wehrmachtsdeserteuren und Nachrichtendiensten 1943 1945 In Paideuma Mitteilungen zur Kulturkunde Jg 62 2016 S 203 221 Peter Rohrbacher Pater Wilhelm Schmidt und Sigmund Freud Gesellschaftliche Kontexte einer religionsethnologischen Kontroverse in der Zwischenkriegszeit In Cultura amp psyche Journal of Cultural Psychology Band 1 2020 Peter Rohrbacher Osterreichische Missionsexperten und das Ringen um den vatikanischen Standpunkt im 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