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Als Weistum bis 1901 Weisthum mit th Abk Weisth wird eine historische Rechtsquelle bezeichnet die in der Regel mundlich uberliefert oder nach Verhandlungen protokolliert wurde Das Deutsche Worterbuch der Bruder Grimm fuhrt den Begriff zuruck auf kollektive Aussage rechtskundiger Manner uber das bestehende Recht wobei hier in erster Linie der Vorgang der unmittelbaren Rechtsfindung gemeint ist und nicht die geschriebene Form 1 Das Weistum wird zum Teil auf Stammesrechte bis hin zum nordischen Thing zuruckgefuhrt Das Wort Weistum entstammt den Quellen nach aus dem Gebiet des mittleren Rheins und der Mosel In den Quellen anderer Regionen sind andere Bezeichnungen ublich in Suddeutschland beispielsweise Ehaft und Ehafttaiding im Elsass Dinghofrodel und in Niederdeutschland Willkur oder Beliebung In der Schweiz nannte man sie Offnung in Osterreich Banntaiding Die bauerlichen Weistumer waren vor allem in Sudwestdeutschland in der Schweiz und in Osterreich verbreitet Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung des Wortes Weistum aus dem Rechtsbrauch in den Zeiten der rein mundlichen Tradition 2 Eigenschaft und Bedeutung 3 Zwei Weistumer aus der Kurpfalz 3 1 Dorfweistum Schluchtern 3 2 Dorfweistum Dallau 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseUrsprung des Wortes Weistum aus dem Rechtsbrauch in den Zeiten der rein mundlichen Tradition BearbeitenVor Aufzeichnung der Weistumer wurden die mundlich uberlieferten Rechtssatze dadurch lebendig und in Erinnerung gehalten dass an festen jahrlichen Thing oder spater Gerichtstagen die Gesetzessprecher bzw Richter diese der Versammlung der Einwohner auswendig vortrugen Die Eingangsformel fur die Rechtssatze lautete in bestimmten Gebieten Wir weisen dem Herrn auf unseren Eyd oder Wir weisen der Gemeinde auf unseren Eyd Eid dieses oder jenes Recht zu Das waren z B das Recht des Grundherrn eine bestimmte Abgabe bestimmter Hohe von den Gemeindemitgliedern zu erhalten einschliesslich Bestimmungen uber die Art und Weise der Leistungserbringung Ein Beispiel Und soll man das Korn liefern uf zwo Meilen Wegs ohne Fels Berge und Schiffreiche Wasser uf unsere Kosten Daher wurden die Richter auch als Wisende oder Weisende bezeichnet also als das Recht weisende nicht wissende 2 Eigenschaft und Bedeutung Bearbeiten nbsp Gedenkstein fur die Gefallenen der Holmer Beliebung 1920 Das Weistum ahd wistuom Weisheit ahd wisen belehren ist in seiner Grundsatzbedeutung die Auskunft rechtskundiger Manner uber das geltende Recht Nach mittelalterlicher Auffassung war das Recht kein in Satzungen festgehaltenes erlassenes Recht sondern das durch Ubung innerhalb einer Gemeinschaft entstandene Gewohnheitsrecht Das in einem Rechtsfall anzuwendende Recht musste von den Schoffen mhd schaffen gestalten anordnen aus dem uberkommenen Recht geschopft entnommen und gewiesen werden Weistumer sind uberwiegend landliche Rechtsquellen des Mittelalters und der Neuzeit die durch eine Weisung zustande gekommen sind durch die Auskunft rechtskundiger Personen uber einen bestehenden Rechtszustand in einer hierzu einberufenen Versammlung Die entsprechenden Aufzeichnungen sind daher als standardisiertes Artefakt anzusprechen das fur einen umschriebenen Kreis legitimer bzw angesprochener Rezipienten namlich die Herrschaft und die bauerlichen Grundholden Gerichtsinsassen bestimmt ist 3 Weisungen im weiteren Sinn erscheinen am fruhesten in den sogenannten germanischen Volksrechten Weisungen im engeren Sinn sind landliche Rechtsquellen des spaten Mittelalters und der Fruhen Neuzeit Sie dienten vorwiegend zur Klarung strittiger Fragen im Rechtsverhaltnis von Grundherren und Bauern Der Anlass zur Bildung von Weistumern war nach Ort und Zeit verschieden Er stand beispielsweise im Zusammenhang mit der Aufgabe des herrschaftlichen Eigenbaus oder einer Anderung der Gerichtsverfassung Die Herstellung der inneren Ordnung in der Grundherrschaft war Anlass aber manchmal auch die Auseinandersetzung mit konkurrierenden Herren Weistumer entstanden uberwiegend auf Verlangen der Herrschaft durch die Weisung bauerlicher Schoffen im Dorfgericht Auch die Weistumer im engeren Sinn haben keinen einheitlichen Inhalt Die Regelung des Verhaltnisses von Grundherr und Gemeinde steht nach der Anzahl der Bestimmungen an erster Stelle Abgaben und Dienste werden geregelt und die Nutzung von Wald Weide und Wasser Die Besetzung Zustandigkeit und Strafgewalt des dorflichen Gerichts ist ein Thema Weistumer dienten vor allem aber auch der Regelung des dorflichen Lebens und der bauerlichen Wirtschaft Weistumer sind wichtige Quellen fur die Wirtschafts und Sozialgeschichte und fur die Rechts und Verfassungsgeschichte In Deutschland gibt es keine zeitgenossischen uberregionalen sondern nur raumlich begrenzte Weistumer Sammlungen Ein fruhes Weistum aus dem Jahr 1386 ist fur Koln Deutz dokumentiert 4 Aus Nordfriesland stammt die 1426 formulierte Siebenhardenbeliebung Als Reichsweistum wird eine von mittelalterlichen Herrschern urteilsartig gegebene Entscheidung bezeichnet 5 Bereits Otto der Grosse erliess 938 oder 942 ein Reichsweistum uber das Eintrittsrecht der Enkel 1 Das Rhenser Reichsweistum von 1338 fuhrte 1356 zur Goldenen Bulle die die Konigswahl und die Stellung der Reichsfursten regelte 6 Aus einem Weistum entstand somit ein Grundgesetz das im gesamten Reich Gultigkeit hatte Zwei Weistumer aus der Kurpfalz BearbeitenSeit Beginn des 15 Jahrhunderts hat die kurpfalzische Verwaltung durch Befragung der Untertanen Weistumer aufgestellt diese gesammelt und gelegentlich auch erneuert Es ging ihr darum sich uber die bestehenden Rechtsverhaltnisse in einem erworbenen Gebiet Klarheit zu verschaffen Dorfweistum Schluchtern Bearbeiten Schluchtern ist heute Teilort der Gemeinde Leingarten im Landkreis Heilbronn Neben den Herren von Neipperg und anderen Grundherren waren hier im 14 Jahrhundert auch die Herren von Weinsberg begutert Deren Gerichtsbarkeit Leibeigene Guter und Kelter kamen uber Pfalz Mosbach 1499 durch Erbfall an die Kurpfalz Im Schluchterner Weistum aus dem 16 Jahrhundert werden die geltenden Rechte formuliert 1 Hohe obrigkeit herrschaftliche Gewalt 2 Kirchensatz Besetzung der Pfarrstelle 3 Schatzung Steuer 4 Wein und fruchtzoll 5 Umgeld Verbrauchsteuer 6 Gemeine rays Kriegszug 7 Frondienst mit ross und hand Hand und Spanndienste der Bauern 8 Frevel und buess Geldstrafe und Bussgeld 9 Waldainung Genossenschaft 10 Wald und wildbahn Jagdrecht 11 Fischerey und wasserbech Nutzungsrecht an den Bachen 12 Abzug Abzugsgeld 13 Innzug Burgergeld 14 Keltern 15 Wein und fruchtzehenden Zehnt 16 Jahr und wochenmarck Markte 17 Oberhoff Obergericht 18 Mess mass und gewicht Masse und Gewichte 19 Stendige gefall Einkunfte 20 Volgen wass fremde vor gefall zu Schluchtern haben Einkunfte fremder Grundherren 21 Leibaigene leut und haubtrecht Abgabe beim Tod an den Leibherrn 22 Herdrecht Abgabe beim Tod an den Grundherrn 23 Volgende herrschaft haben leibaigene zu Schluchtern und sonsten nichts zu gebieten Rechte fremder Herrschaften 24 Schluchterer gemarkung 7 Dorfweistum Dallau Bearbeiten Dallau ist heute Teilort der Gemeinde Elztal im Neckar Odenwald Kreis Das Dorf kam 1330 unter pfalzische Landeshoheit Ab 1499 teilten sich der Deutsche Orden und die Kurpfalz die Ortsherrschaft je zur Halfte Je sechs Untertanen der Pfalz und sechs vom Deutschen Orden sassen als Urteiler im Dorfgericht Ein Abschnitt im Dorfweistum gibt Einblick in dessen Entstehung 1541 befragte der pfalzische Amtmann der zustandigen Kellerei Lohrbach die sechs altesten in Dallau geborenen inwoner Der Pfalzer Schultheiss von Dallau war neben seinen Kollegen aus Burckheim Neckarburken und Sulzbach und dem Forstknecht als Zeuge anwesend 8 Der Keller befragte in diesem Fall also die sechs altesten Einwohner des Ortes und nicht die sechs rechtskundigen Pfalzer Gerichtsmanner oder ausschliesslich die Untertanen der Pfalz Literatur BearbeitenDieter Werkmuller Weistumer In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Bd 5 Schmidt Berlin 1971ff Sp 1239 1250 ISBN 3 503 00015 1 Dieter Werkmuller Uber Aufkommen und Verbreitung der Weistumer nach der Sammlung von Jacob Grimm Schmidt Berlin 1972 ISBN 3 89688 255 4 9 Gerhard Kiesow Schluchtern Ein kurpfalzisches Dorf im 16 Jahrhundert PDF 14 MB BOD Norderstedt 2004 ISBN 3 7954 1957 3 Quellentexte bearbeitet und kommentiert Vgl auch Gerhard Kiesow Schluchtern Eine kurpfalzische Dorfgemeinde im Kraichgau PDF 2 MB Norderstedt 2006 ISBN 3 8334 4002 3 Simon Teuscher Kompilation und Mundlichkeit Herrschaftskultur und Gebrauch von Weistumern im Raum Zurich 14 15 Jahrhundert In Historische Zeitschrift Munchen 273 2001 ISSN 0018 2613 S 289 333 Simon Teuscher Erzahltes Recht Lokale Herrschaft Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spatmittelalter Campus Frankfurt am Main 2007 ISBN 3 593 38494 9 Karl Kollnig Bearb Die Weistumer der Zenten Eberbach und Mosbach Badische Weistumer und Dorfordnungen Bd 4 Kohlhammer Stuttgart 1985 ISBN 3 17 008405 4 Hans J Domsta Die Weistumer der julichschen Amter Duren und Norvenich und der Herrschaften Burgau und Gurzenich Dusseldorf 1983 ISBN 3 7700 7547 1 Peter Blickle Hrsg Deutsche landliche Rechtsquellen Stuttgart 1977 ISBN 3 12 910200 0 Jacob Grimm Hrsg Weisthumer 6 Bde Registerband von Richard Schroder Gottingen 1840 1878 Darmstadt 1957 Repr Winfried Becher Ein Hofgeding zu Oberembt 1668 Erneuerung eines im 30 jahrigen Krieg verlorengegangenen Weistums In Pulheimer Beitrage zur Geschichte Pulheim 2006 ISSN 0171 3426 Ignaz Vinzenz Zingerle Karl Theodor von Inama Sternegg Josef Egger Bearb Tirolische Weistumer Osterreichische Weistumer 2 5 5 Bande Wien 1875 1891 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Weistum Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Anne Marie Dubler Offnungen Weistumer In Historisches Lexikon der Schweiz 2 November 2011 Einzelnachweise Bearbeiten a b Dieter Werkmuller Uber Aufkommen und Verbreitung der Weistumer Erich Schmidt Verlag 1972 S 66 Online in der Google Buchsuche Journal von und fur Deutschland 1785 S 42 43 auf der Webseite der Universitat Bielefeld Hannes Obermair Soziale Produktion von Recht Das Weistum des Gerichts Salurn in Sudtirol von 1403 In Concilium Medii Aevi 4 2001 S 179 201 hier S 183 Paul Reucher Poller Geschichte n Verlag Dohr Koln 2000 S 99f Die uns bekannten Wegekreuze Universitat Innsbruck Reichsweistum Memento des Originals vom 31 Mai 2011 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot homepage uibk ac at Landeshauptarchiv Rheinland Pfalz Der 10 Januar 1356 Die Goldene Bulle wird verkundet Memento vom 7 April 2014 im Internet Archive Kiesow S 23 32 Kollnig S 227 Blick ins Buch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Weistum amp oldid 226140335