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Walter August Ludwig Schultze 1 Januar 1894 in Hersbruck 16 August 1979 in Krailling war ein deutscher Chirurg Medizinalbeamter Politiker NSDAP und nationalsozialistischer Multifunktionar unter anderem Reichsdozentenfuhrer Um 1940 war er Organisator des Massenmords an Behinderten in Bayern Er wurde gelegentlich mit dem Spitznamen Bubi bezeichnet Walter Schultze vor 1939 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Ausbildung und Erster Weltkrieg 1 2 Nationalsozialist in der Weimarer Republik 1 3 Zeit des Nationalsozialismus 1 4 Mitorganisator der nationalsozialistischen Krankenmorde 1 5 Gerichtsverfahren nach Kriegsende 2 Schriften 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAusbildung und Erster Weltkrieg Bearbeiten Walter Schultze wurde als Sohn eines Oberregierungsrates geboren und evangelisch getauft Er besuchte nach der Volksschule ein humanistisches Gymnasium und erlangte 1912 in Landshut das Abitur Nach der Schulausbildung begann er 1912 ein Medizinstudium an der Ludwig Maximilians Universitat Munchen LMU 1913 trat er dem Corps Isaria bei 1 Am Ersten Weltkrieg nahm er seit 1914 als Kriegsfreiwilliger teil Zunachst diente er im 2 Koniglich Bayerischen Schweren Reiter Regiment Erzherzog Franz Ferdinand von Osterreich Este spater als Flugzeugbeobachter 1917 schied er als schwerkriegsbeschadigter Oberleutnant aus Nach Kriegsende schloss er sich dem Freikorps Epp an Er beendete sein Studium an der LMU und promovierte 1919 zum Dr med Nationalsozialist in der Weimarer Republik Bearbeiten Als Mitglied einer rechtsgerichteten Studentenorganisation trat Schultze 1919 der Deutschen Arbeiterpartei bei die sich 1920 in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei umbenannte 1923 nahm er am Hitlerputsch teil Schultze stand direkt neben Adolf Hitler als die Bayerische Landespolizei das Feuer auf die Putschisten eroffnete Er verhalf dem verwundeten Hitler zur Flucht und versorgte ihn im Hause von Ernst Hanfstaengl medizinisch Noch im selben Jahr wurde Schultze zum stellvertretenden Reichsarzt der Sturmabteilung ernannt Im Jahr 1925 wurde Schultze Facharzt fur Chirurgie Von 1926 bis 1931 war er als Amtsarzt der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Pfalz in Speyer tatig Dort fungierte er auch als Stadtrat Vermutlich hatte seine Parteimitgliedschaft in der NSDAP nach dem Hitlerputsch bis 1929 geruht denn nach 1929 trat er wieder in die Partei ein Mitgliedsnummer 99 822 2 In Speyer avancierte er daraufhin schnell zum Ortsgruppenleiter 1929 war Schultze Grundungsmitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Arztebundes 1931 wechselte er als Amtsarzt der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Oberbayern zuruck nach Munchen 1932 33 wurde er als NSDAP Abgeordneter Mitglied des Bayerischen Landtages Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war Schultze zunachst von Marz bis November 1933 Staatskommissar fur das Gesundheitswesen im Bayerischen Staatsministerium des Innern Anschliessend wurde er zum Ministerialdirektor ernannt und leitete von November 1933 bis 1945 die Abteilung fur Gesundheitswesen im Bayerischen Staatsministerium des Innern 3 Im Jahr 1934 wurde er zum Honorarprofessor fur Volksgesundheitslehre an der LMU ernannt 1936 vollzog Schultze seinen Kirchenaustritt und bezeichnete sich fortan als gottglaubig Wohl erst danach trat er von der SA zur SS Mitglieds Nr 276 831 uber 2 Am 13 September 1936 wurde er SS Oberfuhrer am 12 September 1937 SS Brigadefuhrer und am 30 Januar 1943 SS Gruppenfuhrer Von 1938 bis 1945 war Walter Schultze Mitglied des in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutungslosen Reichstages Ein Wohnort war wie einer Doku des BR von seinem Sohn Wolf Schultze personlich berichtet wird unter anderem die Reichssiedlung Rudolf Hess in Pullach 4 Schultze leitete 1936 37 das Reichsdozentenwerk war Fachschaftsleiter im NS Lehrerbund und Landesgruppenfuhrer VII im Deutschen Roten Kreuz Von 1935 bis 1944 war Schultze als Reichsdozentenfuhrer Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes NSDDB einer nach dem Fuhrerprinzip organisierten Parteigliederung deren Aufgabe die politische Kontrolle und ideologische Beeinflussung der Hochschullehrer und damit die Kontrolle der institutionalisierten Wissenschaft war Wegen Amtsmissbrauch zu Ungunsten eines Parteigenossen wurde Walter Schultze im Juni 1944 durch das oberste Parteigericht der NSDAP von seinem NSDDB Amt enthoben In seiner Eigenschaft als Reichsdozentenfuhrer hielt Schultze am 23 November 1941 die Eroffnungsrede fur die Reichsuniversitat Strassburg Als Zielsetzung der Institution benannte er das Ausmerzen alles Undeutschen aus der Gedankenwelt unseres Volkes 5 Mitorganisator der nationalsozialistischen Krankenmorde Bearbeiten Als Staatskommissar im bayerischen Innenministerium war Schultze an der Organisation der Aktion T4 der Ermordung von etwa 70 000 psychisch Kranken und Behinderten beteiligt Nach Schultzes eigenen Angaben 6 wurden er und der Gauleiter von Oberbayern Adolf Wagner Ende 1939 oder Anfang 1940 von Philipp Bouhler uber die Aktion T4 informiert Schultze war zudem mit Viktor Brack Bouhlers Stellvertreter und einer der Hauptorganisatoren der Aktion T4 eng befreundet 7 Abteilungen wie die von Schultze im Munchner Innenministerium geleitete hatten die Rolle einer regionalen Zentralstelle fur die T4 Aktion die regional Verantwortlichen engagierten sich dabei unterschiedlich stark fur die Krankenmorde Schultze wird dem Kreis der uneingeschrankten Befurworter der Mordaktion zugerechnet 8 Schultze ordnete die Verlegung von Kranken aus den Heil und Pflegeanstalten in Erlangen und Kutzenberg in die Totungsanstalt Hartheim an Zudem war er an der Erweiterung der Kinderfachabteilung in der Anstalt Eglfing Haar beteiligt in der behinderte Kinder uberwiegend durch die Uberdosierung von Medikamenten ermordet wurden 9 Schultze beteiligte sich an den Bemuhungen von Funktionaren der Aktion T4 eine gesetzliche Grundlage fur die NS Euthanasie zu schaffen 10 Hitler lehnte es jedoch aus aussenpolitischen Grunden ab vor Kriegsende ein solches Gesetz zu erlassen Am 30 November 1942 unterzeichnete Schultze den so genannten Hungerkost Erlass mit dem offiziell eine bessere Ernahrung der arbeitsfahigen Patienten auf Kosten der nicht arbeitsfahigen Patienten festgeschrieben wurde 11 Die systematische Unterernahrung von Patienten wurde zu einer der Totungsmethoden in der zweiten Phase der nationalsozialistischen Euthanasie der Aktion Brandt Gerichtsverfahren nach Kriegsende Bearbeiten Walter Schultze wurde 1945 von der amerikanischen Militarregierung in Automatischen Arrest im Stammlager VII A bei Moosburg genommen 7 Am 16 November 1948 wurde Schultze vom Landgericht Munchen I wegen Beihilfe zum Totschlag zu drei Jahren Haft verurteilt Als Beihilfe zum Totschlag wurde die Anweisung zur Verlegung Kranker in die Totungsanstalt Hartheim gewertet Als strafmildernd wurde von den Richtern dabei angefuhrt er habe nicht aus niedrigen Beweggrunden gehandelt sondern sei als glaubiger Nationalsozialist den verderblichen Lehren Adolf Hitlers verfallen Freigesprochen wurde er hingegen von dem Vorwurf mit der von ihm 1942 erteilten Anweisung die Kranken auf Hungerkost zu setzen sei deren Tod zielgerichtet herbeigefuhrt worden Es konne nicht mehr nachgewiesen werden dass die Todesfalle tatsachlich auf Grund der Befolgung dieser Anweisung eingetreten seien Ebenfalls freigesprochen wurde Schultze vom Vorwurf der Beteiligung an Kindermorden obwohl er einraumte in vollem Bewusstsein von Funktion und Tragweite der Institution im Auftrag des Reichsinnenministeriums eine Kinderfachabteilung errichtet zu haben deren Zweck das Einschlafern von Kindern war Das Munchner Landgericht das dem Nationalsozialisten der ersten Stunde eine bisherige einwandfreie Vergangenheit bescheinigte begrundete diesen Freispruch damit Schultze habe weder mit der Auswahl der in die Totungsanstalt zu verlegenden Kinder direkt zu tun gehabt noch sei er an der Durchfuhrung direkt beteiligt gewesen Das Urteil von 1948 wurde schliesslich nicht rechtskraftig weil Anklager und Angeklagter Revision einlegten Nach zwolf Jahre wahrender Prozessverschleppung offiziell begrundet mit Verhandlungsunfahigkeit kam es 1960 zu einer erneuten Verurteilung durch ein Munchner Schwurgericht diesmal zu vier Jahren Haft wegen der Beteiligung an der Euthanasie von uber 380 Erwachsenen und Kindern Das Urteil wurde von Schultze der keinerlei Reue und Unrechtsbewusstsein zeigte erneut angefochten wobei er mit Verbotsirrtum argumentierte Dem Revisionsbegehren wurde am 6 Dezember 1960 vom Bundesgerichtshof stattgegeben das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Munchner Schwurgericht zuruckverwiesen Das Vorliegen eines Verbotsirrtums wurde allerdings verneint Wegen Verhandlungsunfahigkeit des Angeklagten wurde das Verfahren eingestellt so dass es nicht zu einer rechtskraftigen Verurteilung kam Schriften BearbeitenWissenschaft und Volkwerdung Rede des Reichsdozentenfuhrers In Robert Wetzel Hermann Hoffmann Hrsg Wissenschaftliche Akademie Tubingen des NSD Dozentenbundes Band 1 1937 1938 1939 Tubingen Mohr 1940 S 5 16 Literatur BearbeitenWolfgang Benz Hermann Graml und Hermann Weiss Hrsg Enzyklopadie des Nationalsozialismus 3 Aufl DTV Munchen 1988 ISBN 3 608 91805 1 Heinz Bergschicker Deutsche Chronik 1933 1945 Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur Wiss Beratung Olaf Groehler Verlag der Nation Berlin 1981 2 dgs Aufl 1982 Abb S 162 Michael Gruttner Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik Studien zur Wissenschafts und Universitatsgeschichte Band 6 Synchron Heidelberg 2004 ISBN 3 935025 68 8 S 156 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 10 039309 0 Aktualisierte Ausg Fischer Taschenbuch Verl 2005 Fischer Tb 16048 ISBN 978 3 596 16048 8 bzw 3 596 16048 0 Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord Fischer Tb vlg Frankfurt a M 1986 Fischer Tb 4364 ISBN 3 596 24364 5 Joachim Lilla Martin Doring Andreas Schulz Statisten in Uniform Die Mitglieder des Reichstags 1933 1945 Ein biographisches Handbuch Unter Einbeziehung der volkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924 Droste Dusseldorf 2004 ISBN 3 7700 5254 4 Hermann Weiss Hrsg Biographisches Lexikon zum Dritten Reich S Fischer Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 10 091052 4 uberarb Neuausg Fischer Taschenbuch Verl 2002 ISBN 3 596 13086 7 Robert Wistrich Wer war wer im Dritten Reich Ein biographisches Lexikon Uberarb u erw von Hermann Weiss Fischer Frankfurt a M 1987 23 24 Tsd 1992 Fischer Tb 4373 ISBN 3 596 24373 4 Weblinks BearbeitenWalter Schultze in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten Joachim Lilla Schultze Walter in ders Staatsminister leitende Verwaltungsbeamte und NS Funktionstrager in Bayern 1918 bis 1945 Einzelnachweise Bearbeiten Kosener Corpslisten 1930 111 975 In den KCL 1960 und 1996 ist Schultze nicht aufgefuhrt a b Mitgliedsnummern und Beforderungsdaten in der SS bei Axis Biographical Research Memento vom 1 Januar 2008 im Internet Archive Joachim Lilla Schultze Walter In bavarikon Bayerische Staatsbibliothek abgerufen am 19 Juli 2021 Die Story Pullach Umzug der Spione Abgerufen am 13 September 2021 Zitat bei Klee Personenlexikon Seite 567f Affidavit von Walter Schultze Memento vom 20 Dezember 2015 im Internet Archive vom 11 April 1947 fur die Verteidigung von Viktor Brack im Nurnberger Arzteprozess englische Ubersetzung Siehe auch Peter Sandner Verwaltung des Krankenmordes Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Hochschulschriften Band 2 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 320 8 Seite 385 a b Affidavit von Walter Schultze Memento vom 14 Oktober 2012 im Internet Archive vom 28 April 1947 fur die Verteidigung von Viktor Brack im Nurnberger Arzteprozess englische Ubersetzung Sandner Verwaltung Seite 385 Zusammenfassung des Gerichtsverfahrens gegen Schultze bei Justiz und NS Verbrechen Memento vom 1 Dezember 2007 im Internet Archive Aussage von Hans Hefelmann vom 6 bis 15 September 1960 zitiert in Thomas Vormbaum Hrsg Euthanasie vor Gericht Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim OLG Frankfurt M gegen Dr Werner Heyde u a vom 22 Mai 1962 Heyde Anklage Berliner Wissenschafts Verlag Berlin 2005 ISBN 3 8305 1047 0 Seite 250 Siehe auch Sandner Verwaltung Seite 385 Der Hungererlass Nr 5236 abgedruckt bei Hans Faulstich Hungersterben in der Psychiatrie 1914 1949 Mit einer Topographie der NS Psychiatrie Lambertus Verlag Freiburg im Breisgau 1998 ISBN 3 7841 0987 X Seite 321 Normdaten Person GND 130557501 lobid OGND AKS VIAF 45412328 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schultze WalterALTERNATIVNAMEN Schultze Bubi Spitzname Schultze Walter August Ludwig vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt und Politiker NSDAP MdRGEBURTSDATUM 1 Januar 1894GEBURTSORT HersbruckSTERBEDATUM 16 August 1979STERBEORT Krailling Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Walter Schultze Mediziner amp oldid 232354597