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Der Volksentscheid in Sachsen uber das Gesetz uber die Ubergabe von Betrieben von Kriegs und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes am 30 Juni 1946 war die erste Abstimmung in der Sowjetischen Besatzungszone und zugleich die erste direktdemokratische Abstimmung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Das Gesetz sah die entschadigungslose Enteignung von Grossgrundbesitzern Kriegsverbrechern und aktiven Nationalsozialisten vor Mit einer Mehrheit von 77 56 nahmen die Abstimmenden die Vorlage an Das dem Entscheid nach damals in Sachsen geltender Rechtslage eigentlich zwingend vorausgehende Volksbegehren wurde aufgrund der Verordnung uber Volksbegehren und Volksentscheid vom 4 April 1946 umgangen 1 Insofern handelte es sich bei dem Volksentscheid in Sachsen um kein direktdemokratisches Initiativverfahren sondern vielmehr um ein Referendum Der Volksentscheid selbst wurde hingegen nach demokratischen Grundsatzen korrekt durchgefuhrt Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zustandekommen 3 Ergebnis 4 Enteignungen in anderen deutschen Landern 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Sowjetische Militaradministration in Deutschland SMAD hatte mit dem Befehl Nr 124 Uber die Beschlagnahme und provisorische Ubernahme einiger Eigentumskategorien in Deutschland vom 30 Oktober 1945 2 das Vermogen zahlreicher Industriegesellschaften und Fabrikanten unter Zwangsverwaltung man sprach von Sequestrierung durch einen Treuhander gestellt Mit Befehl Nr 126 3 wurde zudem das Vermogen der Amtsleiter der NSDAP fuhrender Mitglieder und einflussreicher Anhanger sowie das von aufgelosten nationalsozialistischen Organisationen ebenfalls enteignet und mit Befehl Nr 154 181 uber Ubergabe des enteigneten und beschlagnahmten Eigentums in Besitz und Nutzniessung der deutschen Selbstverwaltungen vom 21 Mai 1946 4 in das Verfugungsrecht der Landes und Provinzialverwaltungen uberfuhrt Der am 30 Juni 1946 zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf legte im Artikel 1 fest diese Vermogen als enteignet zu erklaren 5 6 Der Artikel 2 des Gesetzentwurfs bestimmte es zum Eigentum der Landesverwaltung Sachsen oder der Selbstverwaltungen der Stadt und Landkreise sowie der Stadt und Dorfgemeinden oder auch der Genossenschaften oder Gewerkschaften nbsp Angenommenes Gesetz uber die Ubergabe von Betrieben von Kriegs und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30 Juni 1946In Vorbereitung der Abstimmung wurden Kommissionen aus Partei und Gewerkschaftsvertretern gebildet die uber die 4700 in Sachsen beschlagnahmten Betriebe zu befinden hatten Dabei wurden die Betriebe auf drei Listen verteilt Liste A Unternehmen deren Besitzer durch den Volksentscheid enteignet werden sollten Von den anfanglich 2169 in dieser Liste gefuhrten Betrieben standen am Tag des Volksentscheides 1861 Betriebe zur Abstimmung Liste B Unternehmen die an ihre Eigentumer zuruckgegeben werden sollten weil die Eigentumer als nicht in erheblichen Masse belastet galten Von den anfanglich 1931 Betrieben in dieser Liste standen am Tag des Volksentscheides 2239 Betriebe zur Abstimmung Liste C Unternehmen die vorlaufig meist fur Reparationsleistungen im Besitz oder unter Kontrolle der SMAD verbleiben sollten In dieser Liste standen 600 Betriebe zur Abstimmung Zahlreiche Mitglieder sowie die Parteispitzen von CDU und LDP kritisierten die Modalitaten des Enteignungsverfahrens vor allem versuchten sie sicherzustellen dass nur die wirklich Schuldigen bestraft wurden So konnten im Laufe des Monats Juni bis zum Tag des Volksentscheids noch 308 Betriebe von Liste A auf Liste B gesetzt werden 7 Zustandekommen BearbeitenDer Volksentscheid wurde von der sachsischen KPD Fuhrung initiiert Erstmals offentlich hatte Hermann Matern am 14 Februar 1946 auf der Konferenz der Sekretare der KPD des Landes Sachsen vorgeschlagen als Bestrafung der Nazi und Kriegsverbrecher die Enteignung als Volksentscheid zu betreiben Auf der ersten Reichskonferenz der KPD am 2 und 3 Marz 1946 unterstutzte Walter Ulbricht den Plan und signalisierte die Genehmigung der SMAD Nun konnte die KPD ab April 1946 die SED auch CDU und LDP vom Volksentscheid uberzeugen Ab Mai 1946 begann eine Volksentscheid Kampagne die vor allem durch die SED und den FDGB mit immensem Propagandaaufwand betrieben wurde Dabei vermied man konsequent die Begriffe Sozialismus und Verstaatlichung stattdessen propagierte man Friedenssicherung Verurteilung der Kriegsverbrecher und Ubergabe der Betriebe in Volkseigentum 7 Eine demokratische Legitimation fur den Volksentscheid umging man mit der auf den 4 April 1946 datierten und von der SMA Sachsen am 23 Mai 1946 bestatigten Verordnung uber Volksbegehren und Volksentscheid der Landesverwaltung Sachsen 8 9 10 die ein vorgeschaltetes Volksbegehren von mindestens einem Zehntel der Stimmberechtigten durch die gemeinsame Einbringung eines Volksbegehrens von allen Parteien des antifaschistisch demokratischen Blocks und dem FDGB die Entscheidung der Bevolkerung uberflussig machte 7 11 Ergebnis BearbeitenStimmberechtigt waren alle im Land Sachsen wohnenden Personen die das 21 Lebensjahr vollendet hatten inklusive der bis zum 31 Mai 1946 gemeldeten Umsiedler und heimgekehrten Kriegsgefangenen Die Zahl der Wahlberechtigten betrug 3 69 Millionen 14 228 Personen die den Gemeindebehorden auf Vorschlag der antifaschistisch demokratischen Parteien als mutmassliche Kriegsverbrecher Funktionare von NS Organisationen oder sonstige Aktivisten des Faschismus und Kriegsinteressenten benannt worden waren hatten kein Stimmrecht 7 Die Wahlbeteiligung betrug 93 7 Prozent 3 46 Millionen Die Frage Stimmen Sie dem Gesetz uber die Ubergabe von Betrieben von Kriegs und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes zu beantworteten 77 6 Prozent 2 69 Millionen mit ja und 16 6 Prozent 0 57 Millionen mit nein Ungultig waren 5 8 Prozent 0 2 Millionen der Stimmen 12 Enteignungen in anderen deutschen Landern BearbeitenEine Enteignung per Volksentscheid fand nur in Sachsen statt In Thuringen Sachsen Anhalt der Mark Brandenburg und Mecklenburg erliessen die Lander und Provinzialverwaltungen im Zeitraum vom 24 Juli bis 16 August 1946 Verordnungen uber die Enteignung von Kriegsverbrechern und Nationalsozialisten 13 In den westlichen Besatzungszonen gab es keine vergleichbaren Enteignungen Allein die Verfassung des Landes Hessen uber die am 1 Dezember 1946 eine Volksabstimmung erfolgte sah mit deren Inkrafttreten bei versorgungswichtigen Betrieben Montanindustrie Energiewirtschaft Schienenverkehr die Uberfuhrung in Gemeineigentum sowie bei Grossbanken und Versicherungsunternehmen eine staatliche Aufsicht oder Verwaltung vor Art 41 Verf HE sogenannter Sozialisierungsartikel was jedoch nicht verwirklicht wurde Literatur BearbeitenGunter Braun Der Volksentscheid in Sachsen am 30 Juni 1946 In Martin Broszat Hermann Weber Hrsg SBZ Handbuch Staatliche Verwaltungen Parteien gesellschaftliche Organisationen und ihre Fuhrungskrafte in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 1949 R Oldenbourg Munchen 1993 ISBN 3 486 55262 7 S 381 383 Stefan Creuzberger Klassenkampf in Sachsen Die Sowjetische Militaradministration in Deutschland SMAD und der Volksentscheid am 30 Juni 1946 In Konrad Adenauer Stiftung Hrsg Historisch Politische Mitteilungen Archiv fur Christlich Demokratische Politik Nr 2 1995 ISSN 0943 691X S 119 130 kas de PDF 1 2 MB Manfred Schneider Was des Volkes Hande schaffen soll des Volkes eigen sein Der Volksentscheid uber die Enteignung der Kriegs und Naziverbrecher am 30 Juni 1946 in Sachsen GNN Gesellschaft fur Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Verlagsgesellschaft fur Sachsen Berlin Schkeuditz 2006 ISBN 3 89819 215 6 Ute Bohme Die Enteignung von Grossbetrieben und der Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone SBZ 1945 bis 1949 am Beispiel der Firma Siemens Erlangen 2006 S 156 174 urn nbn de bvb 29 opus 4147 Erlangen Nurnberg Univ Diss 2006 Weblinks BearbeitenDeutsche Welle KalenderBlatt 29 6 1946 Sachsen vor dem Volksentscheid Erlauterungen zum ReferendumEinzelnachweise Bearbeiten Otmar Jung Direkte Demokratie Erfahrungen und Perspektiven PDF Vortrag gehalten am 11 Juni 2008 am Institut fur Politikwissenschaft der Technischen Universitat Dresden S 9 f SMAD Befehl Nr 124 SMAD Befehl Nr 126 SMAD Befehl Nr 154 181 Gesetz uber die Ubergabe von Betrieben von Kriegs und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 30 Juni 1946 Verordnung zur Durchfuhrung des Gesetzes vom 30 Juni 1946 uber die Ubergabe von Betrieben von Kriegs und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes a b c d Gunter Braun Der Volksentscheid in Sachsen am 30 Juni 1946 In Martin Broszat Hermann Weber Hrsg SBZ Handbuch R Oldenbourg Munchen 1993 ISBN 3 486 55262 7 S 382 Verordnung uber Volksbegehren und Volksentscheid vom 4 April 1946 Amtliche Nachrichten Sachsen Sonderausgabe vom 31 Mai 1946 Volksbegehren und Volksentscheid in Sachsen In Neues Deutschland 26 Mai 1946 S 1 Plakat Verordnung uber Volksbegehren und Volksentscheid vom 4 April 1946 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Protokoll 54 Prasidialsitzung Samstag 25 Mai 1946 In Andreas Thusing Hrsg Das Prasidium der Landesverwaltung Sachsen Die Protokolle der Sitzungen vom 9 Juli 1945 bis 10 Dezember 1946 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2010 ISBN 978 3 525 36916 6 S 344 ff Gunter Braun Dokumentation Volksentscheid in Sachsen 30 6 1946 In Martin Broszat Hermann Weber Hrsg SBZ Handbuch R Oldenbourg Munchen 1993 ISBN 3 486 55262 7 S 395 Karl Julius Ploetz Der grosse Ploetz Die Daten Enzyklopadie der Weltgeschichte Sonderausgabe Zweitausendeins Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 86150 733 1 S 1397 Wahlen zum Sachsischen Landtag 1946 DDR 1950 1990 1994 1999 2004 2009 2014 2019 2024Volksentscheide 1946 2001 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Volksentscheid in Sachsen 1946 amp oldid 236754489