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Martin Broszat bʀoˈʃaːtʰ 14 August 1926 in Leipzig 14 Oktober 1989 in Munchen war ein deutscher Historiker Seine Hauptarbeitsgebiete waren die Sozialgeschichte des Dritten Reiches und die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Bedeutung 1 2 Ehrungen 2 Publikationen Auswahl 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenDer Sohn eines Postinspektors besuchte von 1937 bis zu seinem Abitur 1944 das Konigin Carola Gymnasium in Leipzig 1 Broszat war Mitglied der Hitlerjugend in Grossdeuben Am 7 Februar 1944 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 20 April desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 9 994 096 2 3 4 Sein 1946 an der Universitat Leipzig begonnenes Studium der Geschichte Germanistik und Philosophie setzte er 1949 an der Universitat Koln fort Dort wurde er 1952 bei Theodor Schieder mit der Arbeit Die antisemitische Bewegung im Wilhelminischen Deutschland zum Dr phil promoviert 1955 ging Broszat als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut fur Zeitgeschichte in Munchen Hier redigierte er ab 1960 die Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 1972 ruckte er als Nachfolger von Helmut Krausnick an die Spitze des Instituts das er bis zu seinem Tod leitete Broszat war Honorarprofessor und Gastprofessor an der Universitat Konstanz der Ludwig Maximilians Universitat Munchen und der Universitat Oxford Martin Broszat wurde am 20 Oktober 1989 auf dem Munchner Nordfriedhof bestattet Bedeutung Bearbeiten Methodisch gehorte Broszat bei der Interpretation des Dritten Reiches zu den fuhrenden Funktionalisten die den Weg zum Holocaust nicht als planvolle intentionale Zielerreichung sondern verursacht durch Radikalisierung im Rahmen selbstgesetzter Sach und Mobilisierungszwange der NS Burokratie interpretierten siehe NS Forschung In Der Staat Hitlers 1969 gelang ihm die Darstellung einer umfassenden Strukturgeschichte des Nationalsozialismus Das von ihm geleitete Forschungsprojekt Bayern in der NS Zeit liess bislang kaum erschlossene Bereiche der Alltagswelt aufscheinen Bereits vor dem Historikerstreit trat er fur eine Historisierung des Nationalsozialismus ein So sprach er sich in dem 1985 erschienenen Essay Pladoyer fur eine Historisierung des Nationalsozialismus fur eine Normalisierung im Umgang mit der NS Vergangenheit in der Geschichtswissenschaft aus Eine Auseinandersetzung damit aus einer vor allem moralisch wertenden Perspektive wie es bisher in der Geschichtswissenschaft der Fall gewesen sei wurde einen wissenschaftlich differenzierten Zugriff auf den Nationalsozialismus erschweren 5 Erstrebenswert bei der Erforschung des Nationalsozialismus sei ein Pathos der Nuchternheit Das Historisierungs Pladoyer loste eine Diskussion zwischen Broszat und Saul Friedlander aus die vordergrundig uber einen Briefwechsel zwischen den beiden Historikern gefuhrt wurde Von vornherein zur Veroffentlichung bestimmt erschien dieser Briefwechsel 1988 in den Vierteljahrsheften fur Zeitgeschichte Saul Friedlander ausserte hierin seine Bedenken gegenuber Broszats Befund einer mangelnden Komplexitat der bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten um anschliessend nach dessen eigentlichen Motiven der Forderung nach Historisierung zu fragen Broszat distanzierte sich von einer Interpretation seiner Thesen als eine Relativierung des Nationalsozialismus Vielmehr wollte er diese als ein Pladoyer gegen die Verdrangung der Vergangenheit verstanden wissen Davon ausgehend dass eine zunehmende Verdrossenheit hinsichtlich der moralischen Bewertung des Nationalsozialismus einsetzen wurde musse sich das Augenmerk unter der Berucksichtigung wissenschaftlich analytischer Methodik auf den Anspruch der historischen Einsicht auch in diese Epoche richten Broszat forderte deshalb eine periodenubergreifende Beschaftigung mit dem Nationalsozialismus sowie eine differenziertere Betrachtung der Entwicklungsgeschichte dieser Epoche 6 2003 tauchten Erkenntnisse zur NSDAP Mitgliedschaft Broszats auf Norbert Frei diskutierte in Die Zeit ob Broszat seine Mitgliedschaft in der NSDAP bewusst verschwiegen oder von ihr gar nicht gewusst habe 3 Kritik an Broszat kam 2017 durch den Leiter des Instituts fur Zeitgeschichte Andreas Wirsching auf der dessen Objektivitatsverstandnis als Anmassung bewertete weil judische Historiker wie Raul Hilberg von Broszat als subjektiv befangen und vorbelastet diskreditiert wurden 7 Horst Moller verteidigte Martin Broszat gegen die Kritik von Gotz Aly 8 Zusammen mit Wolfgang Benz und Hermann Graml gab er die dtv Reihe Deutsche Geschichte der neuesten Zeit vom 19 Jahrhundert bis zur Gegenwart heraus Ehrungen Bearbeiten Bundesverdienstkreuz 1 Klasse 18 August 1986 9 Publikationen Auswahl Bearbeitenals Hrsg Rudolf Hoss Kommandant in Auschwitz Autobiographische Aufzeichnungen Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1958 zuletzt dtv 2008 ISBN 978 3 423 30127 5 10 Der Nationalsozialismus Weltanschauung Programm und Wirklichkeit Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1960 4 Auflage ebenda 1961 Digitalisat Nationalsozialistische Polenpolitik 1939 1945 Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1961 Google Books Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik Ehrenwirth Munchen 1963 Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933 1945 In Anatomie des SS Staates Band 2 dtv Munchen 1965 S 9 160 Der kroatische Ustascha Staat 1941 1945 Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1965 Der Staat Hitlers Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung Deutscher Taschenbuchverlag Munchen 1969 12 Auflage ebenda 1989 als Hrsg mit Elke Frohlich u a Bayern in der NS Zeit 6 Bande Munchen Wien 1977 1983 Die Machtergreifung Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstorung der Weimarer Republik dtv Munchen 1984 ISBN 3 423 04516 7 Nach Hitler Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte Beitrage von Martin Broszat Hrsg von Hermann Graml und Klaus Dietmar Henke Oldenbourg Munchen 1986 ISBN 3 486 53882 9 als Hrsg Zasuren nach 1945 Essays zur Periodisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte Schriftenreihe der Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte Band 61 Oldenbourg Munchen 1990 als Hrsg mit Gerhard Braas Hermann Weber SBZ Handbuch Staatliche Verwaltungen Parteien gesellschaftliche Organisationen und ihre Fuhrungskrafte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 1949 Oldenbourg Munchen 1993 2 Auflage ISBN 3 486 55262 7 Literatur BearbeitenKlaus Dietmar Henke Claudio Natoli Mit dem Pathos der Nuchternheit Martin Broszat das Institut fur Zeitgeschichte und die Erforschung des Nationalsozialismus Campus Frankfurt am Main 1991 Kurt Patzold Martin Broszat und die Geschichtswissenschaft in der DDR In ZfG 39 1991 S 663 676 Nicolas Berg Der Holocaust und die westdeutschen Historiker Erforschung und Erinnerung Moderne Zeit Neue Forschungen zur Gesellschafts und Kulturgeschichte des 19 und 20 Jahrhunderts Band 3 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2003 ISBN 3 89244 610 5 Norbert Frei Hrsg Martin Broszat der Staat Hitlers und die Historisierung des Nationalsozialismus Jena Center Geschichte des 20 Jahrhunderts Vortrage und Kolloquien Band 1 Wallstein Gottingen 2007 ISBN 978 3 8353 0184 9 Torben Fischer Historisierung der NS Zeit In Torben Fischer Matthias N Lorenz Hrsg Lexikon der Vergangenheitsbewaltigung in Deutschland Debatten und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 Transcript Bielefeld 2007 ISBN 978 3 89942 773 8 S 235 238 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Martin Broszat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Nachrufe auf Martin Broszat In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 38 1990 S 5 42 enthalt Nachrufe von Karl Dietrich Bracher Herbert Kiessling Ludolf Herbst Hans Peter Schwarz Christian Meier Stefan Reinecke Historisiert die NS Historiker In die tageszeitung 18 Dezember 2006 S 16 Otto Kohler Was die Akten sagen was sie nicht sagen In Freitag 19 September 2003 Einzelnachweise Bearbeiten Martin Broszat im Munzinger Archiv Artikelanfang frei abrufbar Bundesarchiv R 9361 IX Kartei 4640225 a b Norbert Frei Hitler Junge Jahrgang 1926 In Die Zeit 11 September 2003 Sven F Kellerhoff Verstehen heisst nicht verharmlosen In Die Welt 12 September 2003 Vgl Martin Broszat Pladoyer fur eine Historisierung des Nationalsozialismus zuerst in Merkur 1985 wieder in ders Nach Hitler Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte Munchen 1986 S 159 173 vgl auch Klaus Grosse Kracht Die zankende Zunft Historische Kontroversen in Deutschland nach 1945 Gottingen 2005 S 112 114 Vgl Um die Historisierung des Nationalsozialismus Ein Briefwechsel mit Martin Broszat In Saul Friedlander Nachdenken uber den Holocaust Munchen 2007 S 78 124 Suddeutsche Zeitung 21 22 Oktober 2017 S 3 Horst Moller Noch einmal zu Martin Broszat und Gotz Aly In Frankfurter Allgemeine Zeitung 11 Marz 2019 S 18 Auskunft des Bundesprasidialamtes Auszug aus dem Gesamtbestand in Polen Zu den Kriterien siehe seine Einleitung Normdaten Person GND 119019833 lobid OGND AKS LCCN n81089037 VIAF 108931012 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Broszat MartinKURZBESCHREIBUNG deutscher HistorikerGEBURTSDATUM 14 August 1926GEBURTSORT LeipzigSTERBEDATUM 14 Oktober 1989STERBEORT Munchen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Martin Broszat amp oldid 234006597