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Die Volks und Kulturbodenforschung beschaftigte sich vor allem in der Zwischenkriegszeit mit ethnozentrischen und geopolitischen Fragen und volkstumspolitischen Gesichtspunkten im Deutschen Reich Sie diente vor allem der Umsetzung deutscher Macht und Kulturpolitik Institutionalisiert wurde sie in der Weimarer Republik mit der Stiftung fur deutsche Volks und Kulturbodenforschung in Leipzig Inhaltsverzeichnis 1 Wissenschaftliche Vertreter 2 Institutionsentwicklung 3 Unterorganisationen 4 Ziele 5 Projekte 6 Nach 1945 7 Siehe auch 8 Werke 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseWissenschaftliche Vertreter BearbeitenBereits im Kaiserreich wurden die Paradigmen der Kulturbodenforschung von den Herausgebern der Zeitschrift Deutsche Erde die gemeinsam vom Alldeutschen Verband und dem Deutschbund herausgegeben wurde vertreten Dazu gehorten Karl Lamprecht Friedrich Ratzel Gustaf Kossinna Albrecht Penck Paul Langhans und Dietrich Schafer Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Volks und Kulturbodenforschung als kampfende Wissenschaft gegen den Versailler Vertrag zur Begrundung revisionistischer Gebietsanspruche agitiert Geopolitische Vorstellungen wurden mit Lebensraum Konzepten verbunden Fur die Forderung nach einer kampferischen Wissenschaft traten sowohl zahlreiche Historiker ein wie Werner Conze Hans Rothfels Theodor Schieder oder Hermann Aubin als auch Agrarwissenschaftler wie Theodor Oberlander 1926 wurde die Stiftung fur deutsche Volks und Kulturbodenforschung in Leipzig und 1925 die Deutsche Akademie in Munchen als zentrale Institutionen gegrundet In beiden Einrichtungen arbeiteten Volkstumsforscher und politiker eng zusammen Sie waren bestimmend fur den ethnozentrischen Diskurs der Volkstumsforschung und politik in Deutschland Zu den Ostforschern dieser Einrichtungen gehorte dabei vor allem der auch als Wahlforscher und Ethnologe tatige Historiker Albert Brackmann der die masurischen Minderheiten und ihre germanophilen Abstimmungsverhalten analysierte Manfred Laubert Wilhelm Volz Karl Christian von Loesch und Hans Steinacher waren in Schlesien aktiv Sie propagierten dort das deutsche Volkstum ebenso wie Albrecht Penck fur die deutschen Volksgruppen im westlichen Polen und Max Hildebert Boehm im Baltikum Theodor Schieder forderte 1939 die Deportation von Juden aus Polen und den Aufbau einer gesunden Volksordnung in Osteuropa Institutionsentwicklung BearbeitenDie Stiftung fur deutsche Volks und Kulturbodenforschung in Leipzig ging 1931 in die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften VFG uber Eine der Hauptaufgaben zu Friedenszeiten war es fur landeskundliche Studien und den kulturellen Austausch ethnografische Dokumentationen Kartenmaterial Foto und Filmmaterial Statistiken und geografische Entwicklungsdaten zu sammeln zu erforschen und an interessierte Institutionen weiterzuleiten Doch ab 1935 waren die VFG massgeblich an der Ruckgliederung des Saarlandes und den Vorbereitungen fur das Munchener Abkommen beteiligt Mit der Annexion von Osterreich 1938 erhielt die bisherige Arbeit einen anderen Stellenwert und diente nunmehr zur gezielten Informationsbeschaffung fur Propagandazwecke der Vorbereitung von Annexionen und Okkupationen 1 Mit der Ernennung Heinrich Himmlers kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges zum Reichskommissar fur die Festigung des Deutschen Volkstums am 7 Oktober 1939 war der fur den Missbrauch der Volkstumsforschung zur nationalsozialistischen Eroberungs und Rassepolitik erforderliche Rahmen geschaffen Nicht unerheblich war die spatere Beteiligung der VFG am Raub von Archiven Bibliotheken Kunstgegenstanden und der nationalsozialistischen Rassentheorie dienende bevolkerungspolitische Bestandsaufnahme in den einzelnen Regionen Ab 1942 erfolgte die Eingliederung in und gezielte Instrumentarisierung der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften durch das Reichssicherheitshauptamt Die Hauptverantwortung dafur trug SS Hauptsturmfuhrer Wilfried Krallert vom Amt VI G Wissenschaftlich methodischer Forschungsdienst Unterorganisationen BearbeitenAlpenlandische Forschungsgemeinschaft AFG Nord und Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft NOFG Sudostdeutsche Forschungsgemeinschaft SODFG Uberseeische Forschungsgemeinschaft UFG Westdeutsche Forschungsgemeinschaft WFG Ziele BearbeitenUnter dem Schlagwort Volk und Raum lasst sich der ethnozentrische und geopolitische Diskurs der deutschen Volks und Kulturbodenforschung beschreiben Konstruiert werden sollten ethnische Grenzen um die nationalen Grenzziehungen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg angreifbar zu machen Die ethnozentrische Geopolitik der Kulturbodenforschung richtete sich dabei nach utopischen Vorstellungen eines Grossdeutschen Reiches wie sie vor allem von Arthur Moeller van den Bruck und Max Hildebert Boehm entwickelt wurden Mythische Vorlage fur ein deutsches Grossreich wurde dabei Karl der Grosse Fur den identitatsstiftenden Raum und Volksbegriff wurden folgende Konstrukte gebildet Das Konstrukt des sich uber Jahrhunderte beharrenden und expandierenden Volks bzw des Stamms Das Konstrukt eines naturlich erscheinenden Volkes als Gegenbegriff zur Nation der franzosischen Aufklarung und ein in Blut und Rasse homogener Volks oder Sprachraum Projekte BearbeitenZentrale Projekte der Volks und Kulturbodenforschung waren das Handworterbuch des Grenz und Auslandsdeutschtums zur Erforschung der deutschen Volksgruppen waren bei diesem Projekt 1933 ca 700 Wissenschaftler tatig 2 und der Atlas der deutschen Volkskunde Uber die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften hatten beide Projekte Bedeutung fur die Arbeit der SS Die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften VFG wurden im Nationalsozialismus zu einer kulturpolitischen Denkfabrik in der bis zu 1000 Wissenschaftler arbeiteten Neben Memoranden und Denkschriften wurden vor allem Statistiken gefertigt Ein neues Betatigungsfeld wurden beratende und mitwirkende Tatigkeiten bei den bevolkerungspolitischen Massnahmen der Besatzungsverwaltungen Qualitativ neu waren im Nationalsozialismus die Forschungen zur Gefahrdung des Deutschtums in Ost und Sudosteuropa als nationale Minderheiten Nach 1945 BearbeitenNach 1945 konnte die einschlagige Wissenschaft sich in Forschungsnetzwerken wie dem Johann Gottfried Herder Forschungsrat und dem Herder Institut neu organisieren Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands wahlte Aubin 1953 zu seinem Prasidenten Hans Joachim Beyer Heydrichs enger Mitarbeiter bildete in Flensburg im Auftrag der Landesregierung staatliche Lehrkrafte an Schulen aus und schrieb weiter unermudlich zu Volkstumsfragen zeitweise unter Pseudonym Begrifflichkeiten und Methoden dieser Protagonisten hatten bis in die 1990er Jahre Einfluss in der Volkskunde Ethnologie Geschichtswissenschaft und Soziologie Ein Grossteil dieser Wissenschaftler bewegte sich im Vertriebenen Milieu und orientierte sich dort politisch und ideologisch Siehe auch BearbeitenAktion Ritterbusch Emil Meynen Werner EssenWerke BearbeitenBeispiele Deutsche Hefte fur Volks und Kulturbodenforschung hrsg im Auftrag der Stiftung fur Deutsche Volks und Kulturbodenforschung Leipzig Adolf Rieth Die geographische Verbreitung des Deutschtums in Rumpf Ungarn in Vergangenheit und Gegenwart hrsg in Verbindung und mit Unterstutzung der Stiftung fur deutsche Volks und Kulturbodenforschung Ausland und Heimat Verlags AG 1927 Leipzig Stuttgart 1927 Schriften Deutsches Auslandsinstitut Max Hildebert Boehm Das eigenstandige Volk Volkstheoretische Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften Gottingen 1932 Albrecht Penck Deutscher Volks und Kulturboden in Karl Christian von Loesch Hrsg Volk unter Volkern Bd 1 Breslau 1925 S 62 73 3 Wilhelm Volz Hrsg Der westdeutsche Volksboden Aufsatze zu den Fragen des Westens Breslau 1925Literatur BearbeitenMichael Fahlbusch Wo der deutsche ist ist Deutschland Die Stiftung fur Deutsche Volks und Kulturbodenforschung in Leipzig 1920 1933 Brockmeyer Bochum 1994 Michael Fahlbusch Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik Die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften 1931 1945 Baden Baden 1999 Karen Schonwalder Historiker und Politik Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus Peter Lang Frankfurt 1992 ISBN 3 593 34762 8 Willi Oberkrome Volksgeschichte Methodische Innovationen und volkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918 1945 Gottingen 1993 bes S 28ff Peter Schottler Hrsg Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918 1945 Frankfurt 1997 Winfried Schulze Otto Gerhard Oexle Hrsg Deutsche Historiker im Nationalsozialismus Frankfurt 1999 Ingo Haar Historiker im Nationalsozialismus Deutsche Geschichtswissenschaft und der Volkstumskampf im Osten Gottingen 2000 Rudolf Jaworski Hans Christian Petersen Biographische Aspekte der Ostforschung Uberlegungen zu Forschungsstand und Methodik In BIOS 15 2002 Heft 1 Ulrich Prehn Die wechselnden Gesichter eines Europa der Volker im 20 Jahrhundert Ethnopolitische Vorstellungen bei Max Hildebert Boehm Eugen Lemberg und Guy Heraud In Heiko Kauffmann Helmut Kellershohn Jobst Paul Hrsg Volkische Bande Dekadenz und Wiedergeburt Analysen rechter Ideologie Unrast Munster 2005 Reinhard Blankner Nach der Volksgeschichte Otto Brunners Konzept einer europaischen Sozialgeschichte in Manfred Hettling Hg Volksgeschichten in der europaischen Zwischenkriegszeit Gottingen 2003 S 326 366 Holger Dainat Germanistische Literaturwissenschaft in Frank Rutger Hausmann Hrsg Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich 1933 1945 Munchen 2002 S 63 86 Norman Henniges Naturgesetze der Kultur Die Wiener Geographen und die Ursprunge der Volks und Kulturbodentheorie In ACME An International E Journal for Critical Geographies Band 14 H 4 2015 S 1309 1351 ACME Weblinks BearbeitenSudostforschung im Schatten des Dritten Reiches 1920 1960 Institutionen Inhalte Personen Tagungsbericht 2012 bei H Soz u Kult Veranstalter Sudostdeutsche Historische Kommission Tubingen Michael Fahlbusch Grundlegung Kontext und Erfolg der Geopolitik vor 1933 Thesenpapier dsb Fur Volk Fuhrer und Reich Volkstumsforschung und Volkstumspolitik 1931 1945 Vortrag 10 Mai 2000 in der Universitat Konstanz Ringvorlesung Deutsche Historiker im Nationalsozialismus und danach Die sudetendeutsche Geschichtsschreibung 1918 1960 Tagungsbericht 2004 bei H Soz u Kult Volkstumsforschung in der SS von Gerd Simon PDF 16 kB Archaologen als Ideologen in Die Zeit Nr 11 2013 Zur Ausstellung Graben fur Germanien Der Terminus Lebensraum in Hitlers Mein Kampf von Karl Lange in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 1965Einzelnachweise Bearbeiten Michael Fahlbusch Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik Die Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften 1931 1945 Baden Baden 1999 S 469ff Wissenschaft und Forschung 1933 1939 LeMO Lebendiges Museum Online DHM und HdG der Schlusseltext der Bewegung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Volks und Kulturbodenforschung amp oldid 236545067 Forschungsgemeinschaft