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Der vierstimmige Satz ist eine besonders haufige musikalische Satztechnik die auf die Beteiligung von vier Stimmen abzielt die nach den vier menschlichen Stimmlagen Sopran Alt Tenor und Bass genannt werden Der vierstimmige Satz strebt nach einem Ausgleich zwischen homophon vertikaler Ubereinstimmung als homophoner Satz damit das Gesamtklangbild nicht zu unruhig wird und die Textverstandlichkeit gewahrt bleibt und polyphon horizontaler Selbststandigkeit als polyphoner Satz um die Stimmen gesanglich interessant zu gestalten Die Stimmfuhrung unterliegt dabei den Regeln des Kontrapunkts Inhaltsverzeichnis 1 Anwendung 1 1 Vokalmusik 1 2 Instrumentalmusik 2 Komposition von Kantionalsatzen 2 1 Vorhalte 2 2 Durchgange und Wechselnoten 2 3 Besondere Akkorde 2 4 Standardisierte Wendungen 2 5 Siehe dazu auch 3 Geschichte 4 Literatur 5 WeblinksAnwendung BearbeitenVokalmusik Bearbeiten Haufiger Anwendungsfall des vierstimmigen Satzes ist die Schaffung eines Satzes zu einer gegebenen Melodie z B fur die Auffuhrung mit einem Chor Hierfur sollte zunachst das harmonische Potenzial der Melodie abgeschatzt und dann eine passende Basslinie konstruiert werden erst zuletzt sollen die beiden Mittelstimmen hinzugefugt werden Dabei ist auf den naturlichen Stimmumfang der Stimmen zu achten Der vierstimmige Satz hat einige aus seinen Pramissen erwachsende Stereotype hervorgebracht Da z B an Schlussen der Grundton meistens bereits von Sopran und Bass belegt wird fallt der Alt haufig obwohl dies recht unsanglich ist vom Leitton auf die Quinte um einen quintenlosen Schlussakkord zu vermeiden Der Tenor hingegen fallt an dieser Stelle oft von der Dominant Septime auf die Terz was sich wesentlich sanglicher ausnimmt Bei Satzen fur so genannte gleiche Stimmen also beispielsweise Mannerchor mit zwei Tenor und zwei Bassstimmen ist vom Komponisten Arrangeur starker auf die Auswirkungen entstehender Stimmkreuzungen zu achten da der abgedeckte Tonbereich geringer ist Instrumentalmusik Bearbeiten Das Generalbass Spiel ist in seiner Idealform eine instrumentale Anwendung des vierstimmigen Satzes Hier ist die Ausgangslage umgekehrt nur die Bassstimme ist gegeben die drei Oberstimmen mussen vom Spieler anhand der Bezifferung improvisierend erganzt werden Dieser Generalbass bildet eine Zusammenfassung des harmonischen Verlaufes einer Komposition Seine Vierstimmigkeit wurde zur Grundlage des Obligaten Accompagnements der nachbarocken Musik auch und vor allem der Instrumentalmusik insbesondere der Wiener Klassik Bereits die Reduzierung des ublichen Streicherkorpus von funf auf vier Stimmen im Spatbarock die zweite Bratsche entfiel bereitete diese Entwicklung vor Komposition von Kantionalsatzen BearbeitenGrundsatzlich verwendet man fur vierstimmige Satze im Kantionalstil die sich aus den sieben Stufen der zugrundeliegenden Tonleiter ergebenden Akkorde Bevor man mit der Komposition des Satzes beginnt muss man sich zu jedem Melodieton einen passenden Akkord aus den sechs moglichen heraussuchen in dem der jeweilige Melodieton enthalten sein muss An welcher Stelle der Ton im Akkord auftaucht ist egal Dann wird auf der Basis dieser Akkorde eine zur Melodie passende Basslinie konstruiert Die Quinte darf in dieser nur in Ausnahmefallen auftauchen dazu spater Idealerweise verlaufen Sopran und Bass gegenparallel um spater beim Ausformulieren der Mittelstimmen Parallelen zu vermeiden Danach werden die Mittelstimmen hinzugefugt Da vierstimmige Akkorde standardmassig aus dreistimmigen Akkorden entstehen muss ein Ton verdoppelt werden In der Regel ist dies der Grundton wo dies aufgrund von Parallelen nicht moglich ist wird zunachst die Quinte falls auch das nicht moglich ist die Terz verdoppelt Abweichend konnen einzelne Akkorde eines Satzes auch Septakkorde sein Nach der reinen Harmonielehre durfen die Stimmen von Akkord zu Akkord keine ubermassigen oder verminderten Sprunge machen ebenso keine Sprunge die grosser sind als eine Oktave Ausserdem durfen keine Quint oder Oktavparallelen auftauchen d h es durfen nicht zwei Stimmen im Abstand einer Quinte oder Oktave von einem Akkord zum nachsten parallel auf oder absteigend verlaufen Ein Komponist kann jedoch mit der Verletzung dieser Regeln gewunschte Effekte erzielen Besonderheiten bei der Komposition Vorhalte Bearbeiten Ein Vorhalt ist ein Ton der ein Bestandteil des vorhergehenden Akkordes ist als ubergebundene oder neu angeschlagene Note der im neuen Akkord dissonant ist und schrittweise in eine Konsonanz aufgelost wird Vorkommen konnen Septvorhalte die zur Oktave aufgelost werden Quartvorhalte die zur Terz aufgelost werden Sekund oder Nonvorhalte die zur Prime bzw Oktave aufgelost werden Am haufigsten kommen Quartvorhalte vor Durchgange und Wechselnoten Bearbeiten Bei einem Durchgang bricht ein Ton aus dem Akkord aus um schrittweise dissonant und dann im gleichen Akkord oder gegebenenfalls im nachsten ebenfalls schrittweise wieder konsonant zu werden Auch hier gibt es in erster Linie die drei unter 2 1 genannten Moglichkeiten Zu Wechselnoten siehe dort Besondere Akkorde Bearbeiten Vorhaltsquartsextakkord Er ist eine Konstruktion die eine Quinte im Bass erfordert und erlaubt Die vierte Stufe bildet hier einen Quartvorhalt zur Dominante die daraufhin in die Tonika aufgelost wird Der Vorhaltsquartsextakkord findet haufig Verwendung in Schlusskadenzen verkurzter Dominantseptakkord Hier wird der Grundton des Akkordes herausgelassen und uber der Septime eine weitere kleine Terz vom Grundton aus gedacht als die kleine None hinzugefugt Am Beispiel eines verkurzten G 7 displaystyle G 7 fallt also das G weg und wird durch ein As ersetzt Dieser Akkord wird zur Tonika aufgelost Durchgangsquartsextakkord Hierbei handelt es sich um einen Akkord der auf einem schrittweise gefuhrten Bass aufgebaut wird Die Quinte als Basston darf nur im Schritt erreicht und auch wieder verlassen werden Diese Konstruktion ist bei allen Haupt und Nebendreiklangen moglich Wechselquartsextakkord Ein Akkord in der Grundstellung wird durch schrittweise Erhohung der Terz und der Quinte zum Quartsextakkord Die veranderten Tone werden direkt wieder abwarts zu Terz und Quinte haben also einen parallelen Wechsel mit den oberen Nebennoten vollzogen Der Basston wird entweder uber diesen Zeitraum gehalten oder kann auch jeweils mit angeschlagen werden Sixte ajoutee und S 6 displaystyle S 6 Wendung Hierbei handelt es sich um kleine Varianten einer Kadenz die die Subdominante betreffen Bei der Sixte ajoutee wird schlicht kein Ton verdoppelt sondern die Sexte hinzugefugt In der S 6 displaystyle S 6 Wendung wird die Quinte durch die Sexte ersetzt und der Grundton verdoppelt da der Akkord sonst wie eine Subdominantparallele mit Quintverdoppelung aussahe Daruber hinaus werden beide Akkorde wie eine gewohnliche Subdominante gehandhabt sie verstarken in erster Linie die subdominantische Wirkung eines Akkordes und sind daher auch gut fur Modulationen geeignet Standardisierte Wendungen Bearbeiten Pachelbeltonleiter Eine beliebte Moglichkeit zum Harmonisieren einer Durtonleiter Die Bassstimme bewegt sich zu einer aufsteigenden Tonleiter wie folgt Quarte nach unten Quarte nach oben Quarte nach oben kl Sekunde nach unten Quarte nach oben gr Sekunde nach unten bzw Quinte nach unten Quarte nach oben bzw kl Septe nach oben Dazu wird harmonisiert T D T S Dp Tp D oder verkurzter D 7 displaystyle D 7 T Man kann das ganze auch umdrehen und fur fallende Tonleitern verwenden wobei dann die Variante mit verkurztem D 7 displaystyle D 7 keinen Sinn hat da dieser Akkord ausschliesslich zur Tonika fuhrt Entsprechend dem naturlichen menschlichen Stimmumfang mussen hier die Ausgangstone fur die Basslinie entsprechend gewahlt werden Schlusswendungen Authentischer Ganzschluss V I Dominante zur Tonika Plagaler Ganzschluss IV I Subdominante zur Tonika Halbschluss unvollstandiger Schluss ohne abschliessende Tonika bevorzugt auf der Dominante endend Trugschluss V VI Dominante zur Tonikaparallele Phrygischer Schluss eine spezielle Schlusswendung die z B bei der Harmonisierung phrygischer Chorale auftritt Ein Moll Dreiklang oder Sextakkord wird zu einem Dur Akkord in Grundstellung gefuhrt Dabei liegt der Grundton des Mollakkords einen Ganzton unter dem des Durakkords So ergibt sich in Ober oder Unterstimme ein Halbtonschritt nach unten der dem Halbtonschritt zu Beginn der phrygischen Skala entspricht Bei den Schlusswendungen ist der Unterschied zwischen Halb und Plagalschluss nur im Kontext zu erkennen da die Akkorde je nach Tonart gegebenenfalls identisch sind Hier ist eine eindeutige Benennung nur uber die Grundtonart des Liedes moglich Halb und Trugschluss sind nicht als Ende fur ein Stuck verwendbar Es handelt sich um Zwischenschlusse die vor Pausen oder am Ende von Zeilen verwendet werden Siehe dazu auch Bearbeiten Naheres zu den Schlusswendungen weitere StimmfuhrungsregelnGeschichte BearbeitenDer vierstimmige Satz entwickelte sich im 17 Jahrhundert als so genannter Kantionalsatz aus homophon gestalteten Lied und Instrumentalsatzen der Renaissance die Satze der Renaissance waren allerdings meistens funfstimmig und erlaubten daher nur eingeschrankte Beweglichkeit der Einzelstimmen Bekanntes Beispiel dieser Entwicklung ist der Beckersche Psalter von Heinrich Schutz 1628 rev 1661 Als musterhaft gelten heute die vierstimmigen Satze von Johann Sebastian Bach weil sie den o g Forderungen voll entsprechen Viele von Bachs Kantaten schliessen typischerweise mit einem vierstimmigen Choralsatz Seine Choral Harmonisierungen wurden allerdings bereits zu seinen Lebzeiten nicht nur geruhmt sondern auch kritisiert Ihre textbezogene Expressivitat stiess vor allem nach ihrer textlosen Veroffentlichung durch Carl Philipp Emanuel Bach auf Ablehnung Harmonisch sehr anspruchsvolle vierstimmige Satze von Volks und Kirchenliedern schuf spater Max Reger Literatur BearbeitenUlrich Kaiser Der vierstimmige Satz Kantionalsatz und Choralsatz Barenreiter Kassel u a 2002 ISBN 3 7618 1478 X Weblinks BearbeitenChoralsatz schreiben Tutorial auf musikanalyse netNormdaten Sachbegriff GND 4400064 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vierstimmiger Satz amp oldid 227948116