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Der Theaterkulturverband Verband zur Forderung des deutschen Theaters TKV war eine deutsche Theaterreformvereinigung und bestand in den Jahren 1916 bis 1923 Kirchliche Kulturkreise Berufsgenossenschaften und Intendanten waren ebenso vertreten Politiker aus Reichstag Landtagen und Kommunen Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges gingen seine korporativen Mitglieder eigene programmatische Wege und begrundeten den Buhnenvolksbund den Verband der Volksbuhnenvereine und die Preussische Landesbuhne Werbeschrift Nr 1 des Theaterkulturverbandes nach seiner Grundung am 27 August 1916 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Grundung 3 Organisation 4 Wandertheater und Heimatfronttheater 5 Spaltung Konsolidierung und Ende 6 Publikationen 7 Literatur 7 1 Primarliteratur 7 2 Sekundarliteratur 8 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenReformansatze zur kunstlerischen und okonomischen Professionalisierung des Theaters hatte es im 19 Jahrhundert verschiedentlich gegeben vorbildlich durch Eduard Devrient und seine Schrift Das Nationaltheater des neuen Deutschland sowie die Immermann sche Musterbuhne Im Jahre 1869 wurden die Theater im Norddeutschen Bund dem 32 der Reichsgewerbeordnung und damit der volligen Gewerbefreiheit uberstellt Schlagartig stieg die Zahl der Buhnen um 90 an und nach 15 Jahren gab es in Deutschland nicht mehr 200 sondern 600 Theater die zu 80 lediglich um des Geschaftes willen betrieben wurden und sich willig dem niedrigsten Publikumsgeschmack beugten 1 Neben sentimentalen Kitsch Stucken meist importierte Stucke des Pariser Boulevards wurden auch die Dramen des Naturalismus mit ihren Elendsdarstellungen vom Burgertum als weiterer Verfall der Kunst bewertet Die Arbeitsbedingungen fur die Schauspieler waren uberaus prekar Die Buhnengenossenschaft forderten Normvertrage und die Ausarbeitung eines Reichstheatergesetzes und standen in fortlaufender Auseinandersetzung mit dem Deutschen Buhnenverein Die Reformansatze der Meininger und der Freien Volksbuhne in Berlin fanden hohe Beachtung Hingegen fielen die Spielplane des ersten Weltkriegswinters 1914 15 fielen durch billige hurra patriotische Gelegenheitswerke auf 2 Grundung BearbeitenErste Planungen zur Grundung eines Theaterkulturverbandes bestanden bereits im Sommer 1914 Im Rahmen einer Tagung des katholischen Augustinus Vereins im Berliner Abgeordnetenhaus wurde ein Programmentwurf zu einer Zentralstelle zur Interessierung der deutschen Katholiken am Theater erarbeitet 3 Initiator war Wilhelm Karl Gerst zu jener Zeit Chefredakteur in Hildesheim erscheinenden Hannoverschen Volkszeitung Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges kamen die Planungen vorerst zum Erliegen dennoch baute Gerst das Netzwerk von Intendanten sowie Kulturpolitikern von Zentrum und Kirchen SPD Liberalen und Alldeutschen aus Ein Grundungsausschuss verschickte im Juni 1916 einen Aufruf zum Beitritt Diese spiegelte den Geist der Burgfriedenspolitik und bezog sich mit seinem christlich katholisch gepragten Kultur Idealismus auf Schillers Konzept der Schaubuhne als moralische Anstalt Im Aufruf hiess es 4 Das Theater muss wieder den echten deutschen Sinn offenbaren es muss unser Ringen und Arbeiten unser Lachen und Weinen in kunstlerischer Lauterung widerspiegeln es muss von neuem Kraft und Freude unseres ganzen Volkes werden Mit solchen Zielen und Idealen sagen wir den Statten des Niederganges und Verfalls unter ihnen den Kampf an Wir wollen durch eintrachtiges kunstfrohes Zusammenwirken und frei von allen engherzigen Bindungen neues Leben auf Deutschlands Buhnen wecken und im Anschluss an die bestehenden Einrichtungen den Weg zu einer wahren deutschen Theaterkultur bereiten helfen Die Theaterkultur Bewegung muss eine Massenbewegung werden sie muss getragen werden von dem sittlichen Willen des ganzen Volkes War seither das Theater ein Mittel geworden unser Volk auf den gefahrlichen Weg gen Paris zu drangen so soll es nun helfen den neugeweckten deutschen Geist mit seinem sittlichen Ernst seiner Freude am Vaterland zu festigen durch die Pflege ernster und heiterer stets aber echter Kunst nbsp Hildesheimer Stadttheater Schauplatz der GrundungsversammlungNachdem dieser Aufruf von mehr als 1000 Personen des offentlichen Lebens unterzeichnet worden war luden die Initiatoren zu einem Grundungstreffen fur den 26 27 August 1916 nach Hildesheim Unter den Anmeldungen waren seitens des Theaters 30 Buhnenleiter und Dramaturgen sowie 128 dramatische und andere Schriftsteller seitens der Medien 117 Redakteure und Zeitungs Buchverleger aus dem Bildungsbereich 60 Hochschullehrer und Schuldirektoren aus der Politik 21 Reichstagsabgeordnete aller Fraktionen 19 Landtagsabgeordnete sowie 44 Burgermeister und Stadtabgeordnete 5 Auf dieser konstituierenden Versammlung wurde nach einer Reihe von Vortragen und Diskussionen die im Wesentlichen vom Rechtsanwalt Ludwig Seelig verfasste Satzung beschlossen in der es unter anderem hiess 2 Der Verein bezweckt den Zusammenschluss aller Deutschen zur Hebung und Forderung des deutschen Theaters als Pflegestatte der Kunst im Geiste deutscher Bildung und Gesittung Er will vor allem das Theater allen Schichten des Volkes zuganglich machen das Verstandnis fur die nationale Buhnenkunst und ihre Bedeutung wecken und Missstande im Theaterwesen bekampfen 6 Der Verein bezweckte einen Zusammenschluss von korporativen und kunstlerischen Kulturschaffenden Behorden Vereine Theater schaffende und ausubende Kunstler Einzelpersonen auf paritatischer Grundlage unter Wahrung der Freiheit kunstlerischen Schaffens und der Selbststandigkeit der angeschlossenen Korperschaften Hauptziele des Verbandes waren Forderung der staatlichen und stadtischen Theater Eigenbetriebe Stadttheater Stadtebundtheater Stadtorchester Volksbuhnen Verbands und Landschaftstheater Erarbeitung einer Theatergesetzgebung Vortrage und Veranstaltungen Veroffentlichung von Schriftenreihen Zur Grundlage der sozialpolitischen Arbeit wurde die vom GDBA Syndikus Dr Ludwig Seelig verfasste Schrift Geschaftstheater oder Kulturtheater 7 Die dramaturgischen Leitlinien beschrieb Ernst Leopold Stahl 1017 in seiner Schrift Wege zur Kulturbuhne Organisation BearbeitenEntsprechend der beschlossenen Satzung sollte jahrlich eine Mitgliederversammlung stattfinden Die Kontrolle lag bei einem Gesamtausschuss dessen 30 Mitgliedern je auf drei Jahre gewahlt wurden nach der Satzungsreform von 1917 ein Verwaltungsrat Der Gesamtausschuss wahlte zur operativen Leitung des Verbandes einen sechskopfigen Vorstand mit Vorsitzendem und Geschaftsfuhrer In Stadten mit mehr als 20 Mitgliedern sollten Ortsausschusse entstehen Der Vorstand bestimmte zu seiner Unterstutzung funf Unterausschusse Finanz Propaganda Organisations Musik und literarischer Ausschuss Pragende Mitglieder waren Wilhelm Karl Gerst Chefredakteur der Hildesheimschen Zeitung Hannoversche Volkszeitung und Generalsekretar des Verbandes Ernst Leopold Stahl Theaterkritiker der Neuen Badischen Landeszeitung in Mannheim und Vorsitzender des Literarischen Ausschusses spater Verwaltungsrat des TKV Ludwig Seelig Syndikus des Kartells der deutsch osterreichischen Buhnen und Orchestermitglieder und Leiter des Organisationsausschusses spater Verwaltungsrat des TKV Gustav Rickelt Prasident der Genossenschaft deutscher Buhnenangehoriger spater Verwaltungsrat des TKVZu den Unterstutzern zahlten auch Theaterintendanten wie Max Martersteig Ernst Immisch Ernst von Possart Alfred Reucker oder Carl Hagemann 8 Bis 1917 hatte der Verband bereits 22 Ortsvereine gegrundet und erreichte nach eigenen Angaben zehntausend Mitglieder Ortsvereine in weiteren 100 Stadten waren in Vorbereitung 9 Die aktivsten Ortsvereine die mit zahlreichen Veranstaltungen das kulturelle Leben der ortlichen Theaterszene bestimmten bestanden in Hannover Hildesheim Heidelberg Mannheim und Schwerin Wandertheater und Heimatfronttheater Bearbeiten nbsp Heimatfronttheater im RheinlandAbseits der Grossstadte existierte Theater nur in Form gelegentlicher Wanderbuhnen oder Gastspielen mit minderer Qualitat an ungeeigneten Orten Der TKV bemuhte sich um Abhilfe durch die Institutionalisierung von Wandertheatern mit festen Ensembles und grosseren Tourneen Das gleichzeitige Interesse der Heeresleitung an Unterhaltungsangeboten fur die Zivilbevolkerung und die Truppen hinter der Linie Kasernen Lazarette fuhrte zu einer Schnittmenge in Form der Heimatfronttheater Diese entstanden zunachst als Singspieltruppen im Bereich des X Armeekorps Hannover und des VII Armeekorps Westfalen weitere Ensembles entstanden im Bereich des IV Armeekorps Magdeburg und des VIII Armeekorps Koblenz Die Tourneen dieser Wanderspielgruppen boten eine Theaterversorgung in Mittel und Kleinstadten ohne Buhnenhauser und erweisen sich fur den Theaterkulturverband als grosser finanzieller Erfolg Wilhelm Gerst plante fur den Winter 1918 19 bereits den Aufbau von 8 weiteren Singspieltruppen im Rahmen einer eigenen GmbH geriet aber dabei in Konflikt mit der Leitung des Theaterkulturverbandes der ein Abweichen von den ursprunglichen Verbandszielen befurchtete Dennoch schuf der Theaterkulturverband damit die Voraussetzungen fur die Organisation gemeinnutziger Wanderbuhnen nach 1918 10 Spaltung Konsolidierung und Ende Bearbeiten nbsp Ernst Leopold Stahl Von der Theaterkulturbewegung In Flugblatter des Theaterkulturverbandes Nr 1 1921Die Heterogenitat der am Verband beteiligten Korporationen und Personen fuhrte Ende 1918 zu Spaltungstendenzen Auch Gersts Bemuhungen um eine finanzielle Bezuschussung durch das Land Preussen wurden vom Verwaltungsrat abgelehnt weil sich dessen sozialdemokratische Mitglieder in einen Interessenskonflikt zwischen ihrer politischen und kulturellen Arbeit gestellt sahen Die katholischen Initiatoren hingegen befurchtete einen erstarkenden Einfluss des Liberalismus und der Sozialdemokratie Als ein neuer Satzungsentwurf der den Verband unter die alleinige Tragerschaft der kirchlichen Kreise stellen sollte abgelehnt wurde begann Gerst im Winter 1818 19 mit der Ausgrundung eines eigenstandigen christlichen Verbandes dem Buhnenvolksbund als Theaterkonsumentenorganisation Eine eigene Linie verfolgten auch die sozialdemokratisch orientierten Mitglieder die ihre Planungen fur den Verband der Volksbuhnenvereine begannen Ludwig Seelig wechselte 1919 als Dezernent fur Theaterwesen ins preussische Kulturministerium und rief dort die Preussische Landesbuhne ins Leben Der Verwaltungsrat beauftragte im Mai 1919 Ernst Leopold Stahl mit der weiteren Geschaftsfuhrung des Theaterkulturverbandes Stahl konsolidierte den Verband trotz der weitreichenden Abwanderung von Mitgliedern zwischen 1920 und 1923 unter neuem Namen Zentralstelle fur Theaterkultur als uberparteiliche Beratungsstelle fur regionale Theaterrate Wenngleich die Grundung von Wanderbuhnen im Raum Schwaben Wurttemberg und dem Saarland recht erfolgreich verliefen verengte sich der Aktionsradius auf den west und sudwestdeutschen Raum und die Ortsverbande in Karlsruhe Mannheim und Konstanz Finanzielle Probleme verstarkten sich infolge der Inflation was zur Aufgabe der Dramaturgischen Berichte fuhrte Der Verband stellte daher 1923 seine aktive Arbeit ein im August 1926 wurde auf der letzten Vorstandssitzung die endgultige Auflosung des Verbandes beschlossen 11 Publikationen BearbeitenDer Verband begann mit einer Schriftenreihe fur Theaterkultur die vor allem die auf den Tagungen gehaltenen Reden und Vortrage publizierte Es folgten die von ernst Ludwig Stahl herausgegebenen Dramaturgischen Berichte mit Auffuhrungsberichten von Dramaturgen und Regisseuren Rezensionen aktueller Inszenierungen und Wiederentdeckungen vergessener Stucke Es gab Sonderpublikationen u a zum Freilichttheater und dem Kindertheater Daneben wurden uberwiegend Flugblatter und Richtlinien zur verbandsinternen Abstimmung publiziert Literatur BearbeitenPrimarliteratur Bearbeiten Ludwig Seelig Geschaftstheater oder Kulturtheater Herausgegeben von der Genossenschaft Deutscher Buhnen Angehoriger Berlin 1913 Der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Seine Grundlagen Werbeschrift Nr 1 Hildesheim 1916 Denkschrift uber den Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Hildesheim 1917 Ernt Leopold Stahl Wege zur Kulturbuhne Diederichs Jena 1917 Rudolf Karl Goldschmit Die Schaubuhne nach dem Kriege Darmstadt 1917 Wilhelm Karl Gerst Die deutschen Katholiken und der Theaterkulturverband Verlag der Volkskunst Monchen Gladbach 1918Sekundarliteratur Bearbeiten Konrad Dussel Die Kunst dem Volke Zur okonomischen sozialen und kulturellen Bedeutung der Theaterbesucherorganisationen 1889 1950 In LiTheS Zeitschrift fur Literatur und Theatersoziologie 10 2017 Sonderband 5 Musiktheater in Deutschland in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts S 219 247 http lithes uni graz at lithes 17 sonderbd 5 html Peter Stoltzenberg Ernst Leopold Stahl und der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Albertus Magnus Universitat zu Koln Dissertation Berlin 1958 Gregor Kannberg Der Buhnenvolksbund Aufbau und Krise des Christlich Deutschen Buhnenvolksbundes 1919 1933 Koln 1997Einzelnachweise Bearbeiten Peter Stoltzenberg Ernst Leopold Stahl und der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Hrsg Albertus Magnus Universitat zu Koln Dissertation Koln 1958 S 33 Stoltzenberg Koln 1958 S 41 Wilhelm Karl Gerst Die deutschen Katholiken und der Theaterkulturverband Verlag der Volkskunst Monchen Gladbach 1918 S 41 ff Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Hrsg Der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Seine Grundlagen Werbeschrift Nr 1 Hildesheim 1916 S 10 f Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Hrsg Der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Seine Grundlagen Werbeschrift Nr 1 Hildesheim 1916 S 19 Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Hrsg Der Verband zur Forderung deutscher Theaterkultur Seine Grundlagen Werbeschrift Nr 1 Hildesheim 1916 S 25 Ludwig Seelig Geschaftstheater oder Kulturtheater In Digitale Sammlung Friedrich Alexander Universitat Erlangen Nurnberg Genossenschaft Deutscher Buhnenangeboriger 1914 abgerufen am 24 Oktober 2023 Stoltzenberg Koln 1958 S 44 62 Stoltzenberg Koln 1958 S 62 und 64 Stoltzenberg Koln 1958 S 93 ff Stoltzenberg Koln 1958 S 109 131 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Theaterkulturverband amp oldid 239026641