www.wikidata.de-de.nina.az
Als Stralsunder Kirchenbrechen oder auch Stralsunder Kirchensturm wird die umfassende Zerstorung von Kirchen und Klosterausstattungen in Stralsund im Fruhjahr 1525 im Ergebnis der Ausbreitung der Reformation vor dem Hintergrund sozialer und gesellschaftlicher Konflikte bezeichnet In der Folge stellte sich heraus dass die Mehrheit der Stralsunder Einwohner sich dem evangelischen Glauben zugewandt hatte Stralsund wurde darauf noch bevor die Reformation 1534 im Herzogtum Pommern eingefuhrt wurde zu einer evangelischen Stadt Geschichte BearbeitenUm 1520 bildete sich in Treptow an der Rega ein Kreis von Anhangern der Reformation heraus Nachdem der Koadjutor des Bistums Cammin Erasmus von Manteuffel den Herzog Bogislaw X dazu veranlasst hatte das Wormser Edikt bekannt machen zu lassen mussten die Treptower Reformationsanhanger Zwangsmassnahmen befurchten Die meisten verliessen Treptow und trugen das reformatorische Gedankengut in andere pommersche Stadte So gingen unter anderem Johann Kureke Georg von Ueckermunde und Christian Ketelhot nach Stralsund wo sie grossen Zulauf zu ihren Predigten hatten 1 Wie in anderen Stadten hatten sich in Stralsund die sozialen und wirtschaftlichen Konflikte zwischen Kirche und Burgerschaft zugespitzt Der von offentlichen Abgaben weitgehend befreite kirchliche Besitz trat mit seiner wirtschaftlichen Macht in Konkurrenz zur Stadt Immer wieder wurde die geistliche Betreuung bemangelt Wegen der Haufung kirchlicher Amter in einer Hand konnten die Inhaber oft nicht die zugehorigen Pflichten wahrnehmen Sie mussten Vertreter bestellen welche jedoch die Seelsorge nicht befriedigend ausuben konnten Besonders die Ablasse und deren Missbrauch erregten Missfallen So verkauften Arcimboldus und Johann Tetzel in Stralsund u a Ablassbriefe mit denen die Kaufer in der Fastenzeit vom Fasten befreit wurden Widerspruch gegen derartige Praktikten wurden mit dem Bann belegt wodurch die Betroffenen aus jeglicher Gemeinschaft ausgeschlossen wurden 2 In Stralsund hatte sich besonders der Archidiakon Zutfeld Wardenberg durch Ubergriffe der geistlichen Gerichtsbarkeit sowohl bei der Stadt als auch bei den Burgern viele Feinde gemacht und musste schliesslich die Stadt verlassen 3 Zwischen den reichen Patrizierfamilien die die Verwaltung der Stadt beherrschten und den aufstrebenden Handwerkern die an der Stadtverwaltung mitwirken wollten bestand ein weiterer Konflikt der in Stralsund wie in anderen Hansestadten zu Unruhen fuhrte In Stralsund kam hinzu dass Ratsmitglieder untereinander in langandauernden Rechtsstreitigkeiten lagen Der Danisch Hanseatische Krieg und der Niedergang der Hanse beeintrachtigten zusatzlich die wirtschaftlichen Verhaltnisse 4 Wahrend sich die Handwerker dem neuen Glauben zuwandten hielten viele Ratsfamilien am katholischen Glauben fest da sie mit einer Veranderung auch den Verlust ihres Einflusses befurchteten So kam es in der Pfingstwoche 1524 zu einem Aufruhr in dessen Folge dem Stralsunder Rat ein 48er Ausschuss an die Seite gestellt wurde der den Rat uberwachen und insbesondere die Finanzverwaltung kontrollieren sollte 5 Mit den wirtschaftlichen und sozialen Konflikten wuchsen auch die kirchlichen Beide Parteien verleumdeten und schmahten sich gegenseitig besonders in der Fastenzeit Reformationsanhangern wurde das Predigen untersagt Es kam zu gewalttatigen Ubergriffen insbesondere auf altglaubige Prediger die gegen die Reformatoren auftraten Schliesslich gipfelten die Konflikte am 10 April 1525 in einem Gewaltausbruch An diesem Montag nach Palmsonntag wurden die Armen und Bettler zu Mittag in die St Nikolai Kirche bestellt 4 Es sollten diejenigen Armen die von der Stadt Unterstutzung erhielten durch Mitglieder des Rates gemustert werden um die Fremden auszuweisen die die Stadt belasteten 6 Ausserdem hielten sich zahlreiche Knechte Magde und Handwerksgesellen in der Kirche auf die am Montag frei hatten Wegen der grossen und unruhigen Menschenansammlung befurchteten Privat wie auch Zunftleute dass ihre in Spinden in der Kirche gelagerten Heiligenbilder Reliquien und andere wertvolle Gegenstande geplundert werden konnten Als einige ihre Habe in Sicherheit brachten wurde das von anderen missverstanden Schliesslich kam es zu einem Aufruhr der das ganze Nikolaiviertel erfasste Wahrend die einen ihr Eigentum zu bergen versuchten begannen andere Altare Epitaphe Leichensteine Wappenschilde und Heiligenbilder zu zerstoren und zu plundern Danach zog die Menge zum Johanniskloster und setzte nach dem Aufbrechen der Tur die Zerstorung und Plunderung fort Auch das Brigitten und das Katharinenkloster wurden verwustet Neben zahlreichen Kunstwerke fielen Bucher und alte Handschriften der Zerstorung zum Opfer Vergeblich versuchte Christian Ketelhot der Menge Einhalt zu gebieten Die Monche und Chorherren waren geflohen oder versteckten sich Die Obrigkeit schritt erst spat abends ein Es wurde befurchtet dass sich der Mob in der Nacht den Burgerhausern zuwenden konnte Die Stadt bot etwa 800 bis 900 bewaffnete Burger auf die die Strassen mit Sperrketten abriegelten und Kirchen und Kloster besetzten Die Nacht blieb jedoch ruhig 4 Die Burgerschaft unterstellte sich nach diesen Ausschreitungen zunachst wieder den Anordnungen des Rates 5 Bald darauf wurden sechs Radelsfuhrer verhaftet Die Stadt ordnete an alles geraubte Gut bis zum Mittwoch in dem Rathaus abzuliefern Viele Plunderer brachten darauf tatsachlich die von ihnen gestohlenen Kleinodien zuruck Vor dem Rathaus versammelte sich eine grosse Menschenmenge Bewaffnete Katholiken hatten sich eingefunden und bedrohten die Reformationsanhanger Schliesslich forderte Ladewig Vischer die Menschen auf sich zwischen den beiden gegnerischen Seiten zu entscheiden Es zeigte sich dass sich eine deutliche Mehrheit auf die Seite der Reformationsanhanger stellte Diese erzwangen darauf eine Umbildung des Rates und liessen aus ihren Reihen Roloff Moller als Burgermeister und acht weitere Vertreter als Ratsherren einsetzen 1 4 Der neue Rat der Stadt und der 48er Ausschuss versammelten sich darauf und bestimmten dass kunftig in Stralsund die Lehre Luthers massgebend sei 4 Der Rat liess ein Verzeichnis des ubriggebliebenen Inventars der Kirchen und Kloster erstellen Bald wurden keine katholischen Gottesdienste mehr gehalten Die evangelischen Prediger wurden den einzelnen Kirchen zugeteilt Johannes Aepinus der die Schule des Johannisklosters leitete verfasste eine Kirchen und Schulordnung die am 5 November 1525 vom Rat und den 48 angenommen und veroffentlicht wurde Mit dieser zu den altesten Kirchenordnungen Norddeutschlands gehorenden Ordnung erklarte sich Stralsund zu einer evangelischen Stadt 4 Kirchenbrechen gab es in dieser Form nur in wenigen deutschen Stadten neben Stralsund und dessen Umgebung beispielsweise auch in Wittenberg 7 Einige gerettete Gegenstande wurden im Jahr 2017 in einer Ausstellung im Stralsunder Katharinenkloster gezeigt 8 Literatur BearbeitenRoxane Berwinkel Weltliche Macht und geistlicher Anspruch Die Hansestadt Stralsund im Mittelalter in der Google Buchsuche Abruf 30 Oktober 2019 Einzelnachweise Bearbeiten a b Joachim Wachter Die Reformation in Pommern In Beitrage zur Geschichte Vorpommerns Die Demminer Kolloquien 1985 1994 Thomas Helms Verlag Schwerin 1997 ISBN 3 931185 11 7 S 181 183 Hans Branig Geschichte Pommerns Teil I Vom Werden des neuzeitlichen Staates bis zum Verlust der staatlichen Selbstandigkeit 1300 1648 Bohlau Koln Weimar Wien 1997 ISBN 3 412 07189 7 S 86f Theodor Pyl Wardenberg Zutfeld In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 41 Duncker amp Humblot Leipzig 1896 S 166 f a b c d e f Hellmuth Heyden Kirchengeschichte von Pommern 1 Band Von den Anfangen des Christentums bis zur Reformationszeit Fischer amp Schmidt Stettin 1937 S 292f a b Hans Branig Geschichte Pommerns Teil I Vom Werden des neuzeitlichen Staates bis zum Verlust der staatlichen Selbstandigkeit 1300 1648 Bohlau Koln Weimar Wien 1997 ISBN 3 412 07189 7 S 88f Frank Johann Knipstro Ein Lebensbild aus der Pommerschen Reformationsgeschichte In 4 Programm des Gymnasiums der Stadt Pyritz Pyritz 1863 S 10f Google Books Bernd Ramm Stralsund Stadtgeschichte Goruma de abgerufen am 30 Oktober 2019 Die Reformation in Stralsund Ausstellung im Katharinenkloster Stralsund Museum 24 April 2017 abgerufen am 30 Oktober 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stralsunder Kirchenbrechen amp oldid 232519870