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Die Starfighter Affare als Teil des internationalen Lockheed Skandals war eine politische Affare in der Bundesrepublik Deutschland die sich aufgrund der Umstande der Beschaffung des Kampfflugzeugs Lockheed F 104 Starfighter fur die Bundeswehr entwickelte Im Kern betraf die Affare zwei miteinander verbundene Aspekte Einerseits wurde hinterfragt warum die Bundeswehr unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauss entgegen dem Rat einiger Experten ein offensichtlich unausgereiftes Flugzeug in grossen Stuckzahlen bestellt hatte und zum anderen stellte sich folgerichtig die Frage ob bei der Beschaffung wie in anderen Landern auch Korruption im Spiel war Strauss konnte keine Vorteilsannahme im Zusammenhang mit der Beschaffung des Starfighters nachgewiesen werden Lockheed F 104G Starfighter Ein weiterer Aspekt des Skandals war die extrem hohe Absturzrate des Starfighters Von den 916 von der Bundeswehr beschafften F 104 sturzte ein Drittel ab wobei 116 Piloten ums Leben kamen 1 Bereits bei der feierlichen Einfuhrung des Starfighters 1962 sturzte die aus vier Maschinen bestehende Kunstflugstaffel ab 1 Zum Hohepunkt des Skandals 1965 66 kam es innerhalb von 18 Monaten zu 44 Absturzen 1 1991 wurde der letzte Starfighter in Deutschland ausser Dienst gestellt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Mangel 3 Lockheed Skandal 4 Kunstlerische Rezeption 4 1 Film 4 2 Musik 5 Trivia 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Luftwaffe der Bundeswehr hatte 1957 bei der Suche nach einem modernen uberschallschnellen Abfangjager die Wahl zwischen den US amerikanischen Maschinen Lockheed F 104 Starfighter Hochstgeschwindigkeit der Rekordversion etwa 2260 km h der Grumman F11F Tiger Hochstgeschwindigkeit etwa 1170 km h der franzosischen Mirage III Hochstgeschwindigkeit etwa 2150 km h und der noch in der Planungsphase befindlichen britischen Saunders Roe SR 177 P177 Hochstgeschwindigkeit etwa 2400 km h Laut Generalleutnant Josef Kammhuber dem Inspekteur der Luftwaffe wurde ein Allwetter Jager benotigt der idealerweise mit einer sehr kurzen Startbahn auskommen und eine Mach Zahl von uber 2 erreichen sollte um uberschallfahige sowjetische Bomber wie die Mjassischtschew M 50 wirksam bekampfen zu konnen Ein derartiges Flugzeug existierte Ende der 1950er Jahre nicht 2 Im Auftrage Kammhubers fuhrte Walter Krupinski im Dezember 1957 Vergleichsfluge der beiden amerikanischen Muster in den USA und im Mai 1958 in Villaroche mit der Mirage durch 3 Krupinski empfahl aufgrund dieser Tests die Beschaffung der F 104 Auch Kammhuber favorisierte den Starfighter 4 Auf diese Empfehlung hin wurde gegen den Rat einiger Experten von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauss der Starfighter als zukunftiger Abfangjager vorgeschlagen Strauss zielte mit seiner raschen Entscheidung auch auf eine Forderung der Luftfahrtindustrie im Suden Deutschlands ab die den Grossteil der Kampfflugzeuge in Lizenz bauen sollte Weiterhin wollte er uber die im NATO Auftrag geplante Bewaffnung der Flugzeuge mit US Atombomben die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik sicherstellen Im Oktober 1958 informierte Strauss Lockheed dass er sich fur den Starfighter entschieden habe 5 Nach zweitagigen Beratungen stimmte der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages am 6 November 1958 einstimmig der Beschaffung des Flugzeugtyps F 104 Lockheed Starfighter vorbehaltlich einer befriedigenden Losung der preislichen und lizenzrechtlichen Fragen zu 6 Mangel BearbeitenSiehe auch F 104 Technische Probleme Bereits vor Indienststellung versuchte man bei den Prototypen aufgetretene gravierende Mangel zu beheben Dazu bekamen die Prototypen der deutschen Version einen verstarkten Rumpf ein anderes Triebwerk und eine komplett uberarbeitete Navigationsausrustung was die Maschine schwerer und komplizierter machte Obwohl von vornherein klar sein musste dass man hier viel Geld fur ein eigentlich nicht ausgereiftes Flugzeug ausgab kam es schliesslich zur Bestellung der F 104G G fur Germany Bei der Indienststellung der ersten F 104G im Februar 1960 zeigten sich eklatante Mangel hinsichtlich Fertigungsqualitat und elementarer Funktionen Die Mangel waren zum Teil durch Konstruktionsfehler bedingt einige konnten nie behoben werden und zogen sich durch die gesamte Betriebsdauer des Starfighters Als erstes stellte man fest dass einige Instrumente im Cockpit nicht funktionsfahig waren Dies wurde reklamiert und spater auch behoben Am 21 Februar 1962 uberfuhrte Oberleutnant Schultz die erste F 104F zum Jagdbombergeschwader 31 Boelcke auf den Fliegerhorst Norvenich Am 22 Mai kam es durch den Ausfall des Nachbrenners zum ersten todlichen Unfall in Deutschland Auch zuvor war es im Testbetrieb zu Triebwerksausfallen und zu einem Bruch des Bugfahrwerks gekommen was auf einem Konstruktionsmangel beruhte Bis zum Juni 1962 waren genugend F 104 beschafft um das erste Geschwader bilden zu konnen Aus diesem Anlass sollten in Norvenich am 20 Juni eine Feierstunde und ein Flugtag mit Kunstflugdarbietungen einer F 104F Staffel mit vier Flugzeugen stattfinden Am 19 Juni 1962 einen Tag vor der geplanten Veranstaltung kam es aufgrund eines Pilotenfehlers zum Unfall der vier F 104 bei dem alle vier Piloten der Kunstflugstaffel ums Leben kamen 7 Dieses war innerhalb weniger Wochen der zweite todliche Unfall mit Starfightern in Deutschland Die fur den 20 Juni geplante Flugschau wurde abgesagt Trotzdem erfolgte am 20 Juni die offizielle Indienststellung der F 104G beim Geschwader Boelcke Allein 1965 ereigneten sich 27 Starfighter Unfalle mit 17 Toten Nach weiteren teilweise todlichen Unfallen erhielt die gesamte F 104 Flotte der Luftwaffe im selben Jahr zweimal ein volliges Startverbot aircraft grounding Doch auch verschiedene Massnahmen hatten nicht den Erfolg den Jet in einen dauerhaft flugsicheren Zustand zu bringen zumindest nicht in der gelieferten Version mit amerikanischer Technik 8 9 10 Lockheed Skandal BearbeitenSiehe auch Lockheed Skandal Noch bevor weitere Unfalle geschahen ergaben sich fur den ehemaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauss ernsthafte Probleme aufgrund des Starfighters Nach Enthullungen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel 1966 interessierte sich die Offentlichkeit plotzlich fur die Umstande des Vertragsabschlusses mit Lockheed vor allem wurde die Frage gestellt warum nicht die technisch eindeutig bessere Mirage gekauft worden war 11 Es wurde bekannt dass Strauss als Verfechter der atomaren Aufrustung Deutschlands ein Flugzeug haben wollte das Atomwaffen bis zum Ural tragen konnte Jedoch war Paris nicht zu einem deutsch franzosischen atomaren Bundnis bereit Die Amerikaner dagegen versprachen Strauss im Ernstfall auch nukleare Sprengkopfe zur Verfugung zu stellen Es war ausserdem bekannt dass Lockheed beim Export des Starfighter in andere Lander Schmiergeld an hochste Regierungsvertreter gezahlt hatte Da auch Strauss vor seinem Besuch bei Lockheed noch die Mirage favorisierte und sich nach seiner Ruckkehr fur die F 104 aussprach kam schnell der Verdacht auf dass der deutsche Minister bestochen worden sei siehe Lockheed Skandal 12 13 Ein entsprechender Untersuchungsausschuss des Bundestags kam aber zu dem Schluss dass sich eine Bestechung nicht nachweisen liess Der Vorwurf wurde daher fallengelassen Am 25 August 1966 entliess Verteidigungsminister Kai Uwe von Hassel den Inspekteur der Luftwaffe Generalleutnant Werner Panitzki auf dessen Wunsch da dieser in einem Interview die Beschaffung des Kampfflugzeugs als eine rein politische Entscheidung kritisiert hatte Ebenso schied der Kommodore des Jagdgeschwaders 71 Richthofen Erich Hartmann aus der sich auch vehement gegen die Starfighter ausgesprochen hatte Grund fur die haufigen Absturze und den Tod zahlreicher Piloten blieben weiterhin Ausfalle und Defekte in allen Bereichen des Flugzeuges Vor allem Elektronik Triebwerk und damit verbunden die Hydraulik sorgten fur Probleme Mangel an der Rettungsausrustung wurden nicht umgehend beseitigt Als Ursachen hierfur sind mehrere Faktoren zu nennen Personalmangel Der Starfighter wurde innerhalb weniger Jahre bei der gesamten Luftwaffe und spater auch den Marinefliegern eingefuhrt Piloten wie auch Mechaniker waren einem enormen Umschulungsstress ausgesetzt Zudem war aufgrund des Wirtschaftswunders und des erst kurz zuruckliegenden Krieges die Bundeswehr kein attraktiver Arbeitsplatz weshalb rund 10 000 Mechaniker fehlten Seitens der Luftwaffe wurde teilweise sogar angeordnet spezielle Komponenten nicht mehr routinemassig zu warten sondern erst bei festgestellten Fehlern zu reparieren da die Mechaniker regelmassig Fehler bei der Wartung machten Unterschiedliche Versionen Die einzelnen Maschinen unterschieden sich bereits ab Werk in Bezug auf Elektronik Software und sonstige Ausrustung Durch die spater zur Behebung von Fehlern und Erhohung der Flugsicherheit durchgefuhrten Anderungen vergrosserten sich die Unterschiede und fuhrten zu noch mehr Verwirrung Infrastruktur Die meisten Fliegerhorste der Luftwaffe waren zum Zeitpunkt der Auslieferung des Starfighters noch im Bau Es gab vielerorts nur einen grossen Wartungshangar die so genannte Werft Die Flugzeuge standen so mehr oder weniger das ganze Jahr im Freien und waren Wind Wetter Hitze und Kalte ausgesetzt was die Elektronik stark belastete Falsche Bauteile Aus Kostengrunden wurden durch die europaischen Hersteller viele Bauteile anders gefertigt als von Lockheed vorgesehen Hydraulikleitungen wurden so beispielsweise nicht gebogen sondern geknickt oder geschweisst Vogelschlag schlechtes Wetter oder Grundberuhrung sowie Kollisionen mit anderen Flugzeugen waren ebenfalls fur viele Absturze verantwortlich Auslegung Der Starfighter wurde im Auftrag der US Air Force als Mach 2 schneller Tag Abfangjager fur grosse Hohen entwickelt Die Konstruktion war weder fur das mitteleuropaische Wetter noch die bei der Bundeswehr unter anderem vorgesehene Verwendung als Jagdbomber geeignet Dies zeigte sich auch bei dem kurzen Einsatz von Starfightern im Rahmen des Krieges in Vietnam zwischen 1965 und 1967 Rettungsausrustung See Beim Eintauchen ins Wasser konnte der aufgeblasene Kragen und das Rettungsboot von der Schwimmweste abreissen die Verschlusse zur Trennung vom Fallschirm waren nur schwer zu losen Zur Rettung auf See wurden die Piloten erst nach 1966 mit Seefunkgeraten und Notradio ausgerustet und das Uberleben auf See von allen Piloten trainiert 14 Anfang 1966 hatte der Luftwaffeninspekteur Panitzki zusammen mit dem Sonderbeauftragten fur das Waffensystem F 104 Generalmajor Dietrich Hrabak zahlreiche Einzelmassnahmen zur Verbesserung definiert Der Umsetzung stand jedoch die Burokratie im Wege Der Nachfolger als Luftwaffeninspekteur General Johannes Steinhoff erhielt im Herbst 1966 die erforderlichen Vollmachten fur einen Umbau der Luftwaffe Der umfasste unter anderem die Einfuhrung eines technischen Gefechtsstandes in den Geschwadern die Zentralisierung der Logistik auf Verbandsebene und die Verbesserung der Techniker Ausbildung 15 Bei manchen Piloten war das Flugzeug trotz der vielen Absturze aufgrund seiner Steig und allgemeinen Flugleistungen beliebt In der Offentlichkeit hingegen behielt die Maschine bis zur endgultigen Ausmusterung ihren schlechten Ruf und wurde u a als Witwenmacher bezeichnet Bis 1991 waren 916 Starfighter bei der Bundeswehr im Einsatz 300 gingen durch Unfalle verloren davon 269 durch Absturze 16 Einschliesslich des letzten Unfalls im Jahr 1984 verungluckten 116 Piloten todlich 108 Deutsche und acht US Amerikaner Der Anwalt Melvin Belli vertrat die Starfighterwitwen per Sammelklage in den USA und erstritt 7 Millionen US Dollar 17 Kunstlerische Rezeption BearbeitenFilm Bearbeiten Der Tod war schneller die Starfighter Affare NDR 1998 Starfighter Mit Hightech in den Tod ARTE 2008 Starfighter Sie wollten den Himmel erobern RTL 2015 Musik Bearbeiten Der britische Musiker Robert Calvert veroffentlichte 1974 eine LP unter dem Namen Captain Lockheed And The Starfighters auf der er sich ausgiebig mit dem Thema beschaftigte und die Affare als Aero Spaceage Inferno Songtitel bezeichnete Die deutsche Elektroband Welle Erdball hat in ihrem Song Starfighter F 104G dem Tod des Oberleutnants zur See Joachim von Hassel des Sohns von Kai Uwe von Hassel ein Denkmal gesetzt Trivia BearbeitenHauptmann Heltzels Notlandung in Norvenich von 1965 fand nachtraglich 1988 Eingang ins Guinness Buch der Rekorde da die Landegeschwindigkeit mit 435 km h die hochste Geschwindigkeit war mit der je ein Flugzeug erfolgreich aufgesetzt wurde Siehe auch BearbeitenListe von Korruptionsaffaren um Politiker in der Bundesrepublik Deutschland Mirage Affare in der SchweizEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Die Bundeswehr Das Starfighter Desaster ZDF Doku HD auf YouTube abgerufen am 25 Marz 2022 Bundeswehr Kammhuber Der kleine General In Der Spiegel Nr 50 1957 online Kurt Braatz Walter Krupinski Jagdflieger Geheimagent General 2010 S 211ff Rustung Wer ist eher am Feind In Der Spiegel Nr 36 1958 online Ein gewisses Flattern In Der Spiegel Nr 5 1966 online Rustungs Auftrage Kalifornische Preise In Der Spiegel Nr 6 1959 online zum Kunstflugstaffelabsturz Webseite der Luftwaffe Absturze von Bundeswehr Flugzeugen zur Sicherheit des Starfighters Memento vom 23 November 2009 im Internet Archive Der Starfighter wird zum Witwenmacher 60 x Deutschland Ein gewisses Flattern In Der Spiegel Nr 5 1966 online Arms Sales in Germany 6 Nov 1975 Aussenministerium der Vereinigten Staaten 6 November 1975 abgerufen am 3 April 2010 Arms Sales in Germany 6 Januar 1976 Aussenministerium der Vereinigten Staaten 6 Januar 1976 abgerufen am 3 April 2010 Julia Egleder Zu Tode gerettet In Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e V Hrsg loyal Das Magazin fur Sicherheitspolitik Nr 5 2016 S 25 ff Heiner Mollers General Steinhoff und die Luftwaffe In Militargeschichte Zeitschrift fur die Historische Bildung hrsg vom Militargeschichtlichen Forschungsamt Potsdam Heft 4 2006 S 14 17 Starfighter Unfalle Nicht mehr online verfugbar Archiviert vom Original am 26 April 2012 abgerufen am 1 Februar 2011 RECHT STARFIGHTER Versagen bzw In Der Spiegel Nr 39 1970 online 21 September 1970 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Starfighter Affare amp oldid 237664511