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Dieser Artikel behandelt die Grosse Strafrechtsreform in Deutschland Zu jener in Osterreich 1975 siehe Strafgesetzbuch Osterreich Unter der Grossen Strafrechtsreform versteht man die grundlegende Umgestaltung des deutschen Strafgesetzbuches die in den 1950er und 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland betrieben wurde Inhaltsverzeichnis 1 Abgrenzung 2 Entwicklung 2 1 Bis zum Zweiten Weltkrieg 2 2 1950er Jahre bis 1969 2 3 Nach 1969 3 Inhalt 3 1 Strafe nur bei Rechtsgutverletzung 3 2 Form des Freiheitsentzugs 3 3 Alternativen zum Freiheitsentzug 4 Literatur 5 EinzelnachweiseAbgrenzung BearbeitenKeine Strafrechtsreform in diesem Sinne sind Gesetze die nach 1949 eventuell noch vorhandene Spuren des Nationalsozialismus aus der Strafprozessordnung oder dem Gerichtsverfassungsgesetz beseitigten wie z B das Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung der burgerlichen Rechtspflege des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12 September 1950 1 Auch die Neufassung von Normen die durch den Alliierten Kontrollrat aufgehoben wurden wird nicht als Strafrechtsreform in diesem Sinn verstanden wie beispielsweise die 1953 erfolgte Einfugung der Vorschrift uber den rauberischen Angriff auf Kraftfahrer nach Aufhebung der alten Vorschrift uber den Autofallenraub durch Kontrollratsgesetz Nr 55 im Jahr 1947 Entwicklung BearbeitenBis zum Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Eine Reform des Reichsstrafgesetzbuches RStGB von 1871 wurde bereits seit dessen Inkrafttreten diskutiert Reformarbeiten am Strafrecht vor allem am Allgemeinen Teil des RStGB sind schon wahrend des Kaiserreiches und in der Zeit der Weimarer Republik vorangetrieben und durch einige Gesetzesanderungen umgesetzt worden Es ging seit dem Aufbrechen des sogenannten Schulenstreits zwischen der klassischen dem Vergeltungsgedanken verpflichteten und der modernen dem Praventionsmodell verpflichteten Strafrechtsschule vor allem um die Frage ob mit der Strafe bessernde Zwecke gegenuber dem Tater verfolgt werden sollten und wie dem im Gesetz am besten Rechnung zu tragen sei Fraglich war insbesondere auch geworden ob das Strafrecht wegen vermeintlicher Fortschritte der psychiatrischen und psychologischen Wissenschaft auf der Willensfreiheit als Grund des Schuldvorwurfs aufgebaut werden konne Fuhrend in der Debatte war der Berliner Professor fur Strafrecht Franz von Liszt der mit der von ihm mitbegrundeten Internationalen Kriminalistischen Vereinigung IKV fur ein am effektiven Rechtsguterschutz orientiertes praventives Strafrecht eintrat Sein vornehmlicher Widersacher war der Leipziger Universitatsrektor Karl Binding Eine Vielzahl von Reformentwurfen wurden bereits wahrend des Kaiserreiches vom Reichsjustizamt erarbeitet die freilich samtlich nicht gesetzgeberisch abgeschlossen wurden Nach 1918 wurden Entwurfe erarbeitet diese scheiterten jedoch mit dem Ende der Weimarer Republik Vieles blieb hier der Strafvollzugspraxis in den einzelnen Landern uberlassen Erst mit dem Gesetz gegen gefahrliche Gewohnheitsverbrecher und uber Massregeln der Besserung und Sicherung vom 24 November 1933 kam die Reformdebatte zu einem vorlaufigen Abschluss Dieses Gesetz schloss die Reformarbeiten der Weimarer Zeit ab wurde jedoch vom NS Regime verscharft und an die nationalsozialistische Ideologie angepasst Wahrend dieser Zeit wurden dann zahlreiche Anderungen des RStGB in diesem Sinne vorgenommen so dass das RStGB als solches in der Grundstruktur ohne weitere Strafrechtsreform bis 1945 fortbestand 1950er Jahre bis 1969 Bearbeiten Im Jahr 1953 liess Bundesjustizminister Thomas Dehler Gutachten zu einer Reform des deutschen Strafrechts erstellen Sein Nachfolger Fritz Neumayer berief 1954 eine Kommission zur Erstellung eines neuen Strafgesetzbuches ein Diese Grosse Strafrechtskommission bestand aus 24 Mitgliedern u a aus Professoren Richtern und Bundestagsabgeordneten und tagte von 1954 bis 1959 Resultat waren mehrere Gesetzesentwurfe darunter der Entwurf aus dem Jahr 1962 2 1966 erschien der Alternativ Entwurf eines Strafgesetzbuches AE von mehreren deutschen und schweizerischen Professoren darunter Claus Roxin und Werner Maihofer der ebenfalls Einfluss auf die weitere Gesetzgebung hatte Beschlossen wurde die Reform schliesslich von der Grossen Koalition Der Sonderausschuss des Bundestags fur die Strafrechtsreform arbeitete die ersten beiden Strafrechtsreformgesetze aus die 1969 verabschiedet wurden Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts 1 StrRG vom 25 Juni 1969 3 in Kraft getreten am 1 September 1969 bzw am 1 April 1970 Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts 2 StrRG vom 4 Juli 1969 4 nach Massgabe des Gesetzes uber das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 30 Juli 1973 5 in Kraft getreten mit Ausnahme der Regelungen uber die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt am 1 Januar 1975 Nach 1969 Bearbeiten In den Folgejahren wurden durch weitere Strafrechtsreformgesetze insbesondere Anderungen am Besonderen Teil des StGB vorgenommen Drittes Gesetz zur Reform des Strafrechts 3 StrRG vom 20 Mai 1970 6 in Kraft getreten am 22 Mai 1970 Viertes Gesetz zur Reform des Strafrechts 4 StrRG vom 23 November 1973 7 Funftes Gesetz zur Reform des Strafrechts 5 StrRG vom 18 Juni 1974 8 in Kraft getreten am 22 Juni 1974 Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts 6 StrRG vom 26 Januar 1998 9 in Kraft getreten am 1 April 1998 Inhalt BearbeitenDas 2 StrRG gestaltet den Allgemeinen Teil des StGB neu Durch das 1 StrRG traten einige wichtige Neuerungen schon vorher in Kraft Daruber hinaus gab es auch Anderungen am Besonderen Teil Die wesentlichsten Anderungen im Einzelnen Strafe nur bei Rechtsgutverletzung Bearbeiten Taten sollen nur noch bestraft werden wenn durch sie ein Rechtsgut verletzt oder gefahrdet wurde Dass eine Tat unmoralisch sein soll genugt demnach nicht mehr Infolgedessen wurden unter anderem folgende Tatbestande abgeschafft entscharft oder verscharft Ehebruch 172 a F Unzucht zwischen Mannern 175 a F Widernaturliche Unzucht 175b a F Kuppelei 180 a F Verfuhrung Minderjahriger 182 a F Verbreitung unzuchtiger Schriften 184 a F Form des Freiheitsentzugs Bearbeiten Die Zuchthausstrafe wurde abgeschafft Statt der verschiedenen Formen des Freiheitsentzugs Haft Einschliessung Gefangnisstrafe und Zuchthaus wurde nun als einheitliche Strafe die Freiheitsstrafe eingefuhrt Die Massregel des Arbeitshauses wurde abgeschafft Alternativen zum Freiheitsentzug Bearbeiten Weiterhin wurden die Moglichkeiten erweitert lediglich eine Geldstrafe zu verhangen oder eine Strafe zur Bewahrung auszusetzen So sollen nun im Regelfall keine Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten verhangt werden 47 StGB Literatur BearbeitenFranz von Liszt Strafrechtsreform In Handbuch der Politik Berlin und Leipzig 1914 Niederschriften uber die Sitzungen der Grossen Strafrechtskommission Bd 1 14 1956 1960 Tobias A Beck Die Auswirkungen der Grossen Strafrechtsreform auf die Gesetzgebung im Kernstrafrecht seit 1975 Fortfuhrung oder Aufgabe der Reformgrundsatze 1 Auflage Logos Berlin 2016 ISBN 978 3 8325 4315 0 Jurgen Baumann DRiZ 70 2 Hartmuth Horstkotte Gunther Kaiser Werner Sarstedt Tendenzen in der Entwicklung des heutigen Strafrechts Verlag evangelischer Presseverbund fur Hessen und Nassau 1973 Hartmuth Horstkotte NJW 69 1601 Hubert Treiber Die ruckwartsgewandte Expertenreform Eine verwaltungswissenschaftliche Studie zur Grossen Strafrechtsreform der 1950er Jahre Halle Saale Universitatsverlag Halle Wittenberg 2021 Einzelnachweise Bearbeiten BGBl 1950 S 455 PDF E 1962 BT Drs 4 650 BGBl I S 645 PDF BGBl I S 717 PDF BGBl I S 909 PDF BGBl I S 505 PDF BGBl I S 1725 PDF BGBl I S 1297 PDF BGBl I S 164 PDFBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grosse Strafrechtsreform amp oldid 224424857 Nach 1969