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Schlingelbaude war die deutsche Bezeichnung zweier nahe beieinander gelegenen Bergbauden in Niederschlesien im heute polnischen Teil des Riesengebirges Beide Bauden trugen zeitweise andere Namen doch unterschied man hauptsachlich zwischen der Alten und Neuen Schlingelbaude Ab 1945 waren fur das neue Gebaude die polnischen Namen Izabella Schronisko na Starej Polanie und Schronisko Bronislawa Czecha gebrauchlich Schlingelbaude abgegangen Die Alte und Neue Schlingelbaude im Winter auf einer Postkarte um 1900 Im Hintergrund auf der Anhohe die Prinz Heinrich BaudeDie Alte und Neue Schlingelbaude im Winter auf einer Postkarte um 1900 Im Hintergrund auf der Anhohe die Prinz Heinrich BaudeLage Karpacz Krummhubel Niederschlesien PolenGebirgsgruppe Riesengebirge SudetenGeographische Lage 50 45 55 N 15 42 17 O 50 765278 15 704722 1067 Koordinaten 50 45 55 N 15 42 17 OHohenlage 1067 m n p m Schlingelbaude Polen Besitzer PTTK Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Geschichte 2 1 Touristische Entwicklung 2 2 Nach 1945 3 Touristische Erschliessung 4 Anmerkung 5 EinzelnachweiseLage BearbeitenDer Standort oberhalb der 1000 Meter Marke am Nordrand einer Lichtung auf etwa halber Hohe zwischen dem nordostlich gelegenen Krummhubel seit 1945 Karpacz und dem Gipfel der Schneekoppe ist seit jeher ein wichtiges Etappenziel bei der Besteigung der hochsten Erhebung in den Sudeten Geschichte BearbeitenMit dem Aufschwung der Metallverarbeitung im ausgehenden 16 Jahrhundert im sudlichen Hirschberger Tal stieg der Bedarf an Holzkohle fur Schmelzofen und Schmieden Infolge der nicht auf Nachhaltigkeit angelegten Forstwirtschaft entstand durch die Entwaldung eine der grossten unbewaldeten Flachen an den unteren Randern im Nordteil des Gebirges 1 Der Berghang unterhalb des Brunnbergs Studnicni hora mit dem bezeichnenden Namen Seifenlehne Anm 1 gehort zu den wasserreichsten Gebieten der Region und trotz der Steilheit des Gelandes begunstigte der Wasserreichtum auf der Lichtung das Entstehen einer grossflachigen Sumpfwiese Bereits in den dreissiger Jahren des 17 Jahrhunderts ist von einer Baude unterhalb des Grossen Teiches der spateren Schlingelbaude die Rede Demzufolge kann mit einiger Sicherheit angenommen werden dass ihre Grundung ahnlich wie bei der etwas hoher ebenfalls an der alten Handelsstrasse Schlesierweg Slaska Droga gelegenen Hampelbaude kurz nach 1600 liegen muss Sehr wahrscheinlich ist auch dass sie als Zuflucht vor den Graueln des Dreissigjahrigen Kriegs genutzt wurde Gesichert ist dass man hier im Jahre 1652 eine Unterkunft erbaute die als Schlafplatz fur die bis zu 60 Arbeiter diente die zum Bau der Laurentiuskapelle auf dem Gipfel der Schneekoppe tatig oder zum Hinaufschleppen des Materials beschaftigt waren 2 Den Namen Schlingelbaude trug sie schon sehr fruh und aus nicht ganz geklarten Grunden Eine erste urkundliche Erwahnung dieses Namens ist auf das Jahr 1690 datiert Zwanzig Jahre zuvor berichtet bereits der Theaterautor Christian Gryphius von seiner Wanderung zur Schneekoppe im Jahre 1670 bei der er in einer Baude da der Wirt Schlingel hiess eingekehrt sei 3 Von einem Verleger dieses Berichts Dietrich Krahn aus Hirschberg erfahrt man mehr als ein halbes Jahrhundert spater in einer Fussnote der Wirt habe den Namen nur zum Schimpf getragen und eigentlich Georg Gems geheissen Auf einer Landkarte aus dem Jahr 1798 entworfen von J F M Niedhart aus Hirschberg ist damit ubereinstimmend eine Baude am Gemsberg unterm Mittagsstein als Gemsbaude verzeichnet Langfristig durchgesetzt hat sich dann aber doch der Spitzname 4 Neben dem Handel auf dem Schlesierweg sicherte lange Zeit die Milchviehhaltung auf den ausgedehnten Wiesenflachen ringsumher den Lebensunterhalt ihrer Bewohner Als die Viehzucht weiter intensiviert wurde baute man bei der Felsformation Katzenschloss polnisch Kotkow im nordlichen Teil der Lichtung die Hasenbaude die hauptsachlich zur Almwirtschaft eingerichtet war Touristische Entwicklung Bearbeiten nbsp Die Baude mit den Felsgruppen Dreisteine links und Katzenschloss rechts auf einer kolorierten Lithographie von Carl Theodor Mattis aus den 1830er JahrenZweifellos war die Schlingelbaude neben der Hampelbaude schon damals die beruhmteste und geschichtstrachtigste Bergbaude auf der Nordseite der Berge Der aufkommende Fremdenverkehr erhohte zu Beginn des 19 Jahrhunderts die Bekanntheit und sorgte dafur dass die Bewirtung der Fremden bald zur wichtigsten Einnahmequelle der Baudenbewohner wurde Im gleichen Mass wie der Tourismus zunahm wurde die Vieh und Milchwirtschaft zuruckgedrangt Wahrend also der Bestand an Rindern abnahm stieg die Anzahl der Pferde an Diese wurden benotigt um mit dem Pferdegespann Lebensmittel Heizmaterial und sonstige Guter aus dem Tal hier hinauf und zu den anderen hoch gelegenen Bauden am Kleinen Teich und auf dem Silberkamm sowie zum Koppenplan zu transportieren Bei den Gasten erfreuten sich zudem Ausfluge mit Fiaker oder Pferdeschlitten grosser Beliebtheit In den Jahren 1888 1889 wurde mit Unterstutzung des Riesengebirgsvereins RGV die Prinz Heinrich Baude am Rand der Weissen Wiese als erste touristische Bergbaude im Riesengebirge erbaut Um dieselbe Zeit scheint Heinrich Einert Eigentumer der Schlingelbaude geworden zu sein 1891 wurde auf seinem Grundstuck eine eisenhaltige Quelle gefunden die mit den Stahlquellen Bad Flinsbergs vergleichbar eine medizinische Nutzung und einen Kurbetrieb erhoffen liessen 5 Die Plane mit den Heilquellen in Flinsberg konkurrieren zu konnen blieben aber ein Wunsch des ambitionierten Besitzers und wurden schliesslich aufgegeben Theodor Fontane der hier in der Gegend viele Urlaube verbracht und unter anderem zwischen 1885 und 1889 seinen Roman Quitt zu Papier gebracht hatte konnte den Baudenwirt aus welchen Grunden auch immer nicht ausstehen und schrieb an seinen Freund den Schmiedeberger Amtsgerichtsrat Friedlaender Schade dass die Stahlquelle nicht bei der Annakapelle springt aber Schlingelbaude das will mir nicht eingehen abgesehn von dem langen arroganten Schlaaks der jetzt da oben sein Wesen treibt In einem anderen Brief an denselben Adressaten in dem er von einer geplanten Wanderung berichtet klagt er Schade dass man immer an der entsetzlichen Schlingelbaude voruber muss Theodor Fontane Briefe an Georg Friedlaender Im Jahr 1894 liess Einert gegenuber der Schlingelbaude kaum einen Steinwurf entfernt ein neues Gastehaus hochziehen und nannte es Baude am Haideschloss Der Namen sollte an die Burg des Berggeistes Rubezahl erinnern die der Legende nach in der Gegend um die Rubezahlkanzel steht Doch auch dieser Name konnte sich nicht durchsetzen Das zweistockige Gebaude im Schweizer Baustil entstand nach Entwurfen von Alfred Dehmel aus Hirschberg und wurde als eines der schonsten seiner Art im Riesengebirge angesehen und verfugte uber 15 Fremdenzimmer auf sehr hohem Standard 6 In das Jahr 1898 fallt der Bau des vom Riesengebirgsverein in Auftrag gegebenen Wegs von der Schlingelbaude uber die Felsgruppe Dreisteine bis zur Einmundung in den Kammweg beim Mittagsstein Aus den Lebenserinnerungen des langjahrigen RGV Vorsitzenden Hugo Seydel aus Hirschberg wird erfahrbar dass der Weg durch sehr sumpfiges und mooriges Gelande fuhrt und Kosten von 1068 Mark und 65 Pfennigen verursachte 7 Einert war an der Investition nicht beteiligt wird sie aber begrusst haben nbsp Reklamemarke fur die Schlingelbauden des B d D i B Bund der Deutschen in Bohmen 1908 verkaufte Einert seinen Besitz an den Reichsgrafen Schaffgotsch aus Teplitz Teplice So wurde das Anwesen fortan ein Teil der Bergenklave Gebirgsbauden Budziska die am 15 November 1735 gegrundet worden war Als Pachter der Schlingelbaude wurde der Gastwirt Heinrich Scholz aus Baberhauser nach 1945 polnisch Borowice gefunden 8 Damit war auch die Zeit der Viehhaltung auf der Schlingelbaude endgultig vorbei und die Viehwirtschaft ausschliesslich in die Hasenbaude verlagert 9 Der Tourismus mit seinen wirtschaftlichen Auswirkungen veranderte das Leben der hiesigen Bevolkerung in nahezu allen Bereichen Vieles musste an die Wunsche und Bedurfnisse der standig wachsenden Zahl von Sommer und Wintergasten angepasst werden Wo einst ein paar in Sprungweite ausgelegte Steine die Richtung uber die morastigen Wiesen markiert und dabei den einfachen Anspruchen der Einheimischen durchaus genugt hatten waren nun gut befestigte Wege notwendig um den Fremden moglichst trockenen Fusses die Schonheiten der Natur nahebringen zu konnen Der Riesengebirgsverein hat sich in dieser Hinsicht auch in ahnlich gelagerten Fallen auf besondere Weise um die touristische Erschliessung des Gebirges verdient gemacht Auf Initiative des RGVs wurde zwischen den Junimonaten der Jahre 1903 und 1904 ein weiterer Weg angelegt der an der Schlingelbaude vorbeifuhrte Der nach dem Riesengebirgsforscher Joseph Carl Eduard Hoser benannte Hoserweg kostete im Ganzen 2775 71 Mark verband Bruckenberg mit der Prinz Heinrich Baude und wurde um Winter als Rodelbahn genutzt 1911 wurde der Fahrweg von Bruckenberg uber die Schlingel und Hampelbaude zum Koppenplan ausgebaut Damit konnte der gesamte Bedarf der Preussischen Baude auf der Schneekoppe von Pferdewagen zum neu errichteten Depot auf dem Koppenplan gebracht werden was die sogenannten Koppentrager ausserordentlich entlastete Freilich blieb noch genugend Arbeit fur die Trager denn der steile Aufstieg zum Gipfel konnte auch von den Pferden nicht bewaltigt werden 10 Der Dichter Alfred Henschke besser bekannt unter seinem Kunstlernamen Klabund der versuchte 1912 in Bad Bruckenberg der hochstgelegenen Sommerfrische Preussens seine Tuberkulose auszukurieren besuchte auch die Schlingelbaude In einem Brief nach Hause berichtete er Ich atme tief esse Eier trinke Milch friere und weide mich an den violetten Seidenstrumpfen und Lackschuhen der Ansichtskartendame auf der Schlingelbaude die aber keine weiteren Reize aufzuweisen hat Alle Frauen sehen hier entsetzlich aus 11 In der Folgezeit wurde die nun Neue Schlingelbaude mehrmals umgebaut sodass sie z B durch den Anbau von Balkonen und einer Veranda ihren ursprunglich alpinen Charakter verlor Als sich 1924 die Schlingelbaude endgultig zu einem Berghotel gewandelt hatte besass sie eine Kapazitat von 50 Betten und ein ausgezeichnetes Restaurant nbsp Die Schlingelbauden um 1940Uber die unheilvollen Jahre wahrend des Nationalsozialismus und besonders nach Annexion des Sudetenlandes liegen wenige Zeugnisse vor Auf der Aufnahme rechts ist vor der alten Schlingelbaude eine deutsche Reichs und Nationalflagge mit Hakenkreuz gehisst In der rechten Bildhalfte kann eine Personengruppe in militarisch anmutender Aufstellung bemerkt werden Nach 1945 Bearbeiten Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel zunachst von den polnischen Behorden ubernommen die den Namen auf Izabella anderten und hier eine Ferienunterkunft fur ehemalige Haftlinge der Konzentrationslager einrichteten Die Sumpfwiese tragt seither den Namen Stara Polana oder nur kurz Polana ubersetzt Alte Lichtung 1946 wurde die Hasenbaude verwustet und verlassen Nach wie vor existiert dort aber eine klimatologische Wetterstation die in den 1930er Jahren eingerichtet wurde Ab Juni 1946 gehorte die Schlingelbaude zum YMCA Polska zu deutsch CVJM Christlicher Verein Junger Menschen und trug zunachst den Namen Schronisko na Starej Polanie ubersetzt Herberge an der alten Lichtung Nach dem Verbot dieser Gruppe durch die kommunistischen Machthaber kam sie unter die Leitung der Polnischen Gesellschaft fur Tourismus und Heimatkunde PTTK Im Jahre 1951 wurde die Baude im Gedenken an Bronislaw Bronek Czech umbenannt Der beruhmte polnische Skispringer und Skilaufer der dreimal an den Olympischen Winterspielen teilnahm war als Mitglied der Polnischen Heimatarmee inhaftiert und im Konzentrationslager Auschwitz im Juni 1944 im Alter von 35 Jahren umgebracht worden Die alte Schlingelbaude wurde nicht mehr genutzt und ihrem Schicksal uberlassen bis sie zunehmend verfiel und 1954 abgerissen wurde Die neue Baude Schronisko im Bronka Czecha brannte am 11 Dezember 1966 bei einem Feuer bis auf die Grundmauern nieder weil die Loschaktion durch den tiefen Schnee auf den umliegenden Strassen behindert wurde 12 In den fruhen 1980er Jahren wurde die Ruine abgetragen doch die Wiederaufbauplane aus dieser Zeit wurden nie umgesetzt Seither erinnern nur ein Rastplatz und die Reste der Fundamente an diesen Ort Touristische Erschliessung BearbeitenDer Platz an dem die beiden Herbergen standen liegt an einer Kreuzung mehrerer gut beschilderter Wanderwege Grun gekennzeichnet fuhrt der Wanderweg mit Namen Droga Bronislawa Czecha ehemals Hoserweg aus Karpacz Gorny Bruckenberg kommend am Wasserfall Dziki Wodospad deutsch Lomnitzfall ubersetzt Wilder Wasserfall vorbei durchs Tal des Gebirgsbachs Plasawa Bruckenwasser zu der Wegkreuzung und von hier weiter auf den Hauptkamm des Gebirges Gelb markiert geht es uber Bohlen zu den Felsformationen Pielgrzymy Dreisteine und Slonecznik Mittagsstein in der Gegenrichtung zur Hochflache Rowienka Rubezahls Kegelbahn uber den Wasserfall Jodlowka Tannwasserfall nach Borowice Baberhauser Blau ist das Wegzeichen das von der Stabkirche Kosciol Wang in Karpacz Gorny uber die Weggabelung an der Polana zum Kar Kociol Malego Stawu Kleine Schneegrube fuhrt Anmerkung Bearbeiten Seifen werden im Riesengebirge alle kleinen Bache genannt die ehemals Goldsand mit sich gefuhrt haben sollen Einzelnachweise Bearbeiten Alte Lichtung im Riesengebirge polnisch Vesely Vylet Ein lustiger Ausflug Nr 34 Christiani Gryphii Beschreibung des von ihm selbst erstiegenen Riesen Gebirges Seite 15 Konrad Zacher Schneekoppe oder Riesenkoppe Riesengebirgstouristik vor zweihundert Jahren Namslauer Stadtblatt Zeitschrift fur Tagesgeschichte und Unterhaltung vom 11 August 1891 Ehemalige Herbergen im Schlesischen Riesengebirge polnisch Lebenserinnerungen des Geheimen Justizrat Dr h c Seydel Touristische Herbergen im Riesen und Isergebirge in Polen und Tschechien polnisch Hans Poser Geographische Studien uber den Fremdenverkehr im Riesengebirge S 159 Die Schneekoppe Biographie Klabunds Kulturregion Riesengebirge Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schlingelbaude amp oldid 241615856