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Dieser Artikel behandelt die Variation einer Funktion Fur die Variation in der Masstheorie siehe Variation Masstheorie Totalvariationsnorm und Vektorielles Mass Fur Variationen in der Kombinatorik siehe Variation Kombinatorik In der Mathematik vor allem der Variationsrechnung und der Theorie der stochastischen Prozesse ist die Variation auch totale Variation genannt einer Funktion ein Mass fur das lokale Schwingungsverhalten der Funktion Bei den stochastischen Prozessen ist die Variation von besonderer Bedeutung da sie die Klasse der zeitstetigen Prozesse in zwei fundamental verschiedene Unterklassen unterteilt jene mit endlicher und solche mit unendlicher Variation Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Beispiel einer stetigen Funktion mit unendlicher Variation 3 Anwendung in der Variationsrechnung 4 Anwendung in der Stochastik 4 1 Quadratische Variation 5 Siehe auch 6 LiteraturDefinition BearbeitenSei f a b R displaystyle f colon a b to mathbb R nbsp eine Funktion auf dem reellen Intervall a b displaystyle a b nbsp Die Variation f a b displaystyle f a b nbsp von f displaystyle f nbsp ist definiert durch f a b sup k 0 n 1 f t k 1 n f t k n n N a t 0 n lt t 1 n lt t n n b displaystyle f a b sup left left sum k 0 n 1 left f left t k 1 n right f left t k n right right right n in mathbb N a leq t 0 n lt t 1 n dotsb lt t n n leq b right nbsp also durch die kleinste obere Schranke Supremum die alle Summen majorisiert die sich durch eine beliebig feine Unterteilung a t 0 n lt t 1 n lt t n n b displaystyle a leq t 0 n lt t 1 n dotsb lt t n n leq b nbsp des Intervalls a b displaystyle a b nbsp ergeben Falls sich keine reelle Zahl finden lasst die alle Summen majorisiert so wird das Supremum auf plus unendlich gesetzt Fur stuckweise monotone stetige Funktionen gilt der folgende Satz Ist f a b R displaystyle f colon a b to mathbb R nbsp in den Intervallen t 0 t 1 t 1 t 2 t n 1 t n displaystyle t 0 t 1 t 1 t 2 ldots t n 1 t n nbsp mit t 0 a t n b displaystyle t 0 a t n b nbsp jeweils monoton steigend oder fallend so gilt fur die Variation von f displaystyle f nbsp die Gleichung f a b k 0 n 1 f t k 1 f t k displaystyle f a b sum k 0 n 1 f t k 1 f t k nbsp Obige Definition der Variation lasst sich auf Funktionen ubertragen die auf unbeschrankten Intervallen definiert sind und auf solche die Werte in den komplexen Zahlen oder in normierten Vektorraumen annehmen Beispiel einer stetigen Funktion mit unendlicher Variation BearbeitenWir wollen zeigen dass fur die auf dem Einheitsintervall 0 1 displaystyle 0 1 nbsp stetige Funktion f t 0 falls t 0 t cos p 2 t falls t 0 1 displaystyle f t begin cases 0 amp mbox falls t 0 t cos frac pi 2t amp mbox falls t in 0 1 end cases nbsp f 0 1 displaystyle f 0 1 infty nbsp gilt Fur jedes n N displaystyle n in mathbb N nbsp seien t k n 0 falls k 0 1 n 1 k falls k 1 n displaystyle t k n begin cases 0 amp mbox falls k 0 frac 1 n 1 k amp mbox falls k in 1 dots n end cases nbsp Dann ist k 0 2 n 1 f t k 1 2 n f t k 2 n l 1 n 1 l displaystyle sum k 0 2n 1 left f t k 1 2n f t k 2n right dotsc sum l 1 n frac 1 l nbsp was wegen der Divergenz der harmonischen Reihe fur n displaystyle n to infty nbsp gegen unendlich strebt Anwendung in der Variationsrechnung BearbeitenIn der Variationsrechnung begegnet man haufig Optimierungsproblemen der folgenden Art min f C f a b displaystyle min f in mathcal C f a b nbsp wobei C displaystyle mathcal C nbsp eine vorgegebene Menge von Funktionen ist etwa alle zweimal stetig differenzierbaren Funktionen mit zusatzlichen Eigenschaften wie f a 0 f b 1 f 2 a b 3 f a 2 b 3 displaystyle f a 0 f b 1 f left frac 2a b 3 right f left frac a 2b 3 right nbsp Ahnliche Probleme fuhren beispielsweise zur Definition der Splines Ein weiterer Grund fur die Verbreitung der Variation in Optimierungsproblemen ist die folgende Feststellung Beschreibt die Funktion f displaystyle f nbsp den Verlauf eines Objekts in einem eindimensionalen Raum im Laufe der Zeit dann gibt f a b displaystyle f a b nbsp gerade die im Zeitraum a b displaystyle a b nbsp zuruckgelegte Strecke an Anwendung in der Stochastik BearbeitenIn der Theorie der stochastischen Prozesse spielt der Begriff der Variation eine besondere Rolle Eine wichtige Charakterisierung von Prozessen neben der Einteilung in Klassen wie Markow Levy oder Gauss Prozesse besteht in ihrer Eigenschaft uber endlichen Intervallen fast sicher endliche oder unendliche Variation aufzuweisen Beispiel fur einen Prozess fast sicher endlicher Variation Fur einen Poisson Prozess N t t 0 displaystyle N t t geq 0 nbsp mit Intensitat l displaystyle lambda nbsp gilt wegen der Monotonie N 0 t P o i l t displaystyle N 0 t sim mathrm Poi lambda t nbsp Beispiel fur einen Prozess fast sicher unendlicher Variation Der Wiener Prozess hingegen besitzt fast sicher unendliche Variation auf jedem Intervall 0 t t gt 0 displaystyle 0 t t gt 0 nbsp Fur die Anwendung des Wiener Prozesses in der Physik zur Erklarung der Brownschen Molekularbewegung hat diese Eigenschaft fatale Folgen Ein Partikel dessen Bewegung einem Wiener Prozess folgt wurde in jedem Zeitintervall eine unendliche Strecke zurucklegen im krassen Widerspruch zu den Gesetzen der Physik Ein solches Teilchen hatte keine definierte Momentangeschwindigkeit insbesondere nicht einmal eine Bewegungsrichtung und erst recht keine definierte Beschleunigung sodass es sinnlos ist uber auf das Teilchen wirkende Krafte zu sprechen vgl Zweites newtonsches Gesetz Quadratische Variation Bearbeiten Siehe auch Quadratischer Variationsprozess Eine weitere interessante Eigenschaft des Wiener Prozesses hangt ebenfalls mit dessen Variation zusammen Ersetzt man in der obigen Definition f t i 1 n f t i n displaystyle left f left t i 1 n right f left t i n right right nbsp durch f t i 1 n f t i n 2 displaystyle left f left t i 1 n right f left t i n right right 2 nbsp so gelangt man zum Begriff der quadratischen Variation X X t displaystyle X X t nbsp eines stochastischen Prozesses X displaystyle X nbsp auf dem Intervall 0 t displaystyle 0 t nbsp fur t 0 displaystyle t geq 0 nbsp X X t sup k 0 n 1 X t k 1 n X t k n 2 n N 0 t 0 n lt t 1 n lt t n n t displaystyle X X t sup left left sum k 0 n 1 left X left t k 1 n right X left t k n right right 2 right n in mathbb N 0 leq t 0 n lt t 1 n dotsb lt t n n leq t right nbsp Ein wichtiges Resultat das sich beispielsweise in der Itō Formel niederschlagt ist das folgende Ist W displaystyle W nbsp ein Standard Wiener Prozess so gilt fur dessen quadratische Variation fast sicher W W t t displaystyle W W t t nbsp Im Allgemeinen unterscheidet man zwei Formen der quadratischen Variation Kovariation 1 Es sei X t F t t 0 displaystyle X t mathcal F t t geq 0 nbsp ein L 2 displaystyle L 2 nbsp Martingal Dann heisst der eindeutig bestimmte wachsende Prozess A t t 0 displaystyle A t t geq 0 nbsp aus der Doob Meyer Zerlegung von X 2 displaystyle X 2 nbsp X t 2 X 0 M t A t displaystyle X t 2 X 0 M t A t nbsp mit M t t 0 displaystyle M t t geq 0 nbsp Martingal und A t t 0 displaystyle A t t geq 0 nbsp vorhersehbarer wachsender Prozess die vorhersehbare predictable quadratische Variation oder angle bracket von X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp Schreibweise X X t displaystyle langle X X rangle t nbsp oder kurz X t displaystyle langle X rangle t nbsp Die vorhersehbare quadratische Kovariation fur zwei L 2 displaystyle L 2 nbsp Martingale X t F t t 0 displaystyle X t mathcal F t t geq 0 nbsp und Y t F t t 0 displaystyle Y t mathcal F t t geq 0 nbsp wird definiert als X Y t 1 4 X Y X Y t X Y X Y t displaystyle langle X Y rangle t frac 1 4 left langle X Y X Y rangle t langle X Y X Y rangle t right nbsp 2 Die quadratische Kovariation zweier Semimartingale X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp und Y t t 0 displaystyle Y t t geq 0 nbsp bzw die quadratische Variation von X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp wenn Y X displaystyle Y X nbsp ist der folgende Prozess X Y t X t Y t X 0 Y 0 0 t X s d Y s 0 t Y s d X s displaystyle X Y t X t Y t X 0 Y 0 int 0 t X s rm d Y s int 0 t Y s rm d X s nbsp Beziehung zwischen den beiden Definitionen Es seien X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp und Y t t 0 displaystyle Y t t geq 0 nbsp zwei Semimartingale Dann gilt fur alle t 0 displaystyle t geq 0 nbsp X Y t X c Y c t 0 lt s t D X s D Y s displaystyle X Y t langle X c Y c rangle t sum 0 lt s leq t Delta X s Delta Y s nbsp wobei mit X c displaystyle X c nbsp und Y c displaystyle Y c nbsp die stetigen Martingalteile bezeichnet werden Siehe auch BearbeitenErste Variation Beschrankte VariationLiteratur BearbeitenPhilip Protter Stochastic Integration and Differential Equations 2 Auflage Springer Berlin 2003 ISBN 978 3 540 00313 7 Jean Jacod and Albert N Shiryaev Limit Theorems for Stochastic Processes Springer 1987 ISBN 3 540 17882 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Variation Mathematik amp oldid 239412691 Quadratische Variation