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Purkinjezellen oder Purkyne Zellen sind die charakteristischen grossen multipolaren Nervenzellen mit stark verasteltem Dendritenbaum in der Rinde des Kleinhirns Cortex cerebelli deren Axone die Efferenzen der Kleinhirnrinde darstellen Zwei Purkinjezellen A und funf Kornerzellen B aus dem Kleinhirn einer Taube Zeichnung von Santiago Ramon y Cajal 1899 Schema von Verschaltungen im Kleinhirn Die Zellkorper von Purkinjezellen liegen in der nach ihnen benannten mittleren Schicht des Cortex cerebelli grau eingefarbt Analog dem Grosshirn ist im Kleinhirn ebenfalls eine Rinde Cortex ausgebildet mit nur dreischichtigem Aufbau In der mittleren Kleinhirnrindenschicht dem Stratum purkinjense liegen die Zellkorper Somata von Purkinjezellen Diese einschichtig im Abstand von 50 100 µm angeordneten Nervenzellen sind mit einem Perikaryon von rund 50 70 µm die grossten Zellen im Kleinhirn Sie zeichnen sich durch einen ausserst verzweigten Dendritenbaum aus der spalierartig nahezu plan in der ausseren Kleinhirnrindenschicht dem Stratum moleculare ausgerichtet ist Das menschliche Kleinhirn verfugt uber etwa 15 Millionen Purkinjezellen mit je einem Axon 1 Axone der Purkinjezellen die einzigen Ausgange der Kleinhirnrinde projizieren uberwiegend auf die Kleinhirnkerne daneben auf die lateralen Vestibulariskerne Sie bilden hier jeweils inhibitorische Synapsen und nutzen dafur g Aminobuttersaure GABA als Neurotransmitter 1 2 Dabei sind die Projektionen der Purkinje Efferenzen auf die Kleinhirnkerne somatotopisch organisiert 3 der Kopfbereich wird in den hinteren Anteilen der Bereich von hinteren Extremitaten bzw Schwanz in den vorderen Anteilen der Kerne reprasentiert Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Synaptische Verschaltung der Purkinjezellen 2 1 Erregende Eingange 2 2 Hemmende Eingange 2 3 Ausgang der Purkinjezelle 3 Dornenfortsatze 4 Rezeptoren und Ionenkanale in Purkinjezellen 5 Spontanaktivitat der Purkinjezellen 6 Einzelnachweise 7 Literatur Kapitel 8 WeblinksGeschichte BearbeitenBenannt sind diese Neurone nach ihrem Entdecker dem bohmischen Physiologen Jan Evangelista Purkyne 1787 1869 der sie ebenso wie die Rindenschichtung des Kleinhirns 1837 erstmals beschrieb 4 5 Synaptische Verschaltung der Purkinjezellen Bearbeiten nbsp Purkinjezellen in grun Calbindin und Korbzellen in rot Neurofilament Kerne in blau DAPI Kernfarbung Kleinhirn der Maus Vibratomschnitt Fluoreszenzmikroskopie Konfokales Laser Scanning Mikroskop Zeiss 510 META nbsp Purkinjezellen in einem sagittalen Kleinhirnschnitt Sie exprimieren den GFP Abkommling EGFP unter Kontrolle des Purkinjezell spezifischen Promotors L7 und fluoreszieren deswegen bei Anregung mit blauem Licht Der Cortex des Kleinhirns ist in drei Schichten gegliedert siehe Abbildung oben Ganz aussen in der Molekularschicht Stratum moleculare verzweigt sich der Dendritenbaum der Purkinjezellen darauf folgt die Purkinjezellschicht Stratum purkinjense mit deren Perikarya Zellkorpern Nach innen schliesst die Kornerzellschicht Stratum granulosum mit den sehr zahlreichen Kornerzellen an zwischen denen Axone von Purkinjezellen zu den im Kleinhirnmark gelegenen Kleinhirnkernen verlaufen 6 Erregende Eingange Bearbeiten Seine Afferenzen erhalt das Kleinhirn aus der Peripherie u a von Muskelspindeln dem Hirnstamm und der Grosshirnrinde die letztlich auf die Purkinjezellen konvergieren 3 Die Purkinjezellen erhalten zwei erregende Eingange und zwar von dem Kletterfaser System und dem Moosfaser Parallelfaser System diese sind exzitatorisch und glutamaterg Die Kletterfaser entspringt der unteren Olive einem Kerngebiet in der Medulla oblongata Ihren Namen bezieht sie daher dass sie den im Stratum moleculare befindlichen Dendritenbaum der Purkinjezelle aufsteigend umschlangelt Besonders zu primaren Dendriten im proximalen also naher zum Soma gelegenen Teil bildet sie besonders starke Synapsen mit der Purkinjezelle aus Im Gegensatz zum Parallelfaser Eingang der eine erhebliche raumliche Summation zur Auslosung eines Aktionspotentials AK benotigt ist die Wahrscheinlichkeit der Transmitterfreisetzung an den prasynaptischen Endigungen bei Eintreffen eines AK sehr hoch schon ein einzelnes Kletterfaser Aktionspotenzial erregt die Purkinjezelle uberschwellig 6 Eine Purkinje Zelle hat synaptische Kontakte mit nur einer Kletterfaser hingegen konvergieren auf sie etwa 100 000 Parallelfasern 6 Kurz nach der Geburt sind die meisten Purkinjezellen zunachst noch von mehreren Kletterfasern innerviert Durch Elimination uberzahliger Synapsen bildet sich wahrend der Entwicklung die typische Monoinnervation der Purkinjezellen durch jeweils eine Kletterfaser heraus Die Moosfasern Axone von Neuronen in Hirnstammkernen und Ruckenmark und Parallelfasern Axone der Kornerzellen in der Kornerzellschicht Die Moosfasern ca 50 Millionen sind Axone von Neuronen in Hirnstammkernen und Ruckenmark Sie vermitteln Information aus Grosshirnrinde und aktivieren die Kornerzellen deren Axone die Parallelfasern sind die wiederum die Purkinje Zellen erregen Eine Parallelfaser hat jeweils nur eine Synapse pro Purkinje Zelle 6 Diese steigen in die Molekularschicht auf und gabeln sich dort im rechten Winkel Der Teil des Kornerzellaxons nach der Gabelung wird als Parallelfaser bezeichnet Diese Fasern durchziehen in paralleler Anordnung daher der Name die Molekularschicht und treffen im rechten Winkel auf den Dendritenbaum der Purkinjezellen Jede Parallelfaser innerviert viele Purkinjezellen bildet dabei aber selten mehr als eine nie mehr als zwei Synapsen Das heisst das Axon endet nicht am Ort der Synapse Diese Art der Innervation wird auch als en passant Synapse bezeichnet Jede Purkinjezelle besitzt mehr als 100 000 je nach Quelle bis zu 200 000 Parallelfasersynapsen Die einzelne Parallelfasersynapse ist schwach im Vergleich zur Kletterfasersynapse Die Wahrscheinlichkeit fur Transmitterfreisetzung im prasynaptischen Teil ist also gering Hemmende Eingange Bearbeiten Die Purkinjezelle wird in der Molekularschicht wesentlich von zwei Interneurontypen hemmend innerviert den Korbzellen und den Sternzellen 1 Im proximalen Teil des Dendritenbaums der Purkinjezellen sind das besonders die Korbzellen mehr distal vor allem die Sternzellen In der Kornerzellschicht finden sich die Golgi Zellen multipolare Ganglienzellen vom Typ Golgi die als grosse Kornerzellen der Kleinhirnrinde imponieren als weiterer Interneurontyp Die Synapsen dieser drei Interneuronen sind GABAerg das heisst sie benutzen GABA als Transmitter Vor kurzem wurde entdeckt dass entgegen bisherigen Annahmen auch die Lugarozellen in der Kornerzellschicht Synapsen mit der Purkinjezelle hat Diese sind allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiv Zum Beispiel brauchen sie die Anwesenheit des Neurotransmitters Serotonin 7 8 Ausgang der Purkinjezelle Bearbeiten Allein die Axone von Purkinjezellen stellen die Ausgange der Kleinhirnrinde dar Aktionspotentiale einer Purkinjezelle werden im Axon am ersten Ranvierschen Schnurring generiert ca 75 µm vom Soma entfernt Die Axonterminalen schutten GABA als Transmitter aus und wirken damit hemmend auf die ihnen nachgeordneten Neuronen inhibitorisches PSP Diese liegen uberwiegend im Komplex der Kleinhirnkerne im Mark der Kleinhirnhemisphare jeder Seite Nucleus fastigii Nucleus emboliformis sowie Nucleus globosus Nucleus dentatusund daruber hinaus im Nucleus vestibularis laleralis 6 Dornenfortsatze BearbeitenDer Dendritenbaum der Purkinjezellen ist wie auch der mancher anderer zentraler Neuronen mit Dornenfortsatzen im Englischen spines besetzt und dies etwa funfmal dichter als bei Pyramidenzellen Auf einem Dornenfortsatz an Dendriten von Purkinjezellen befindet sich die postsynaptische Membranregion einer erregenden Synapse Die GABAergen hemmenden Synapsen enden nicht an Dornen Die Dornenfortsatze einer Purkinjezelle unterscheiden sich darin ob sie von der Kletterfaser oder den Parallelfasern innerviert werden Kletterfaser Dornen befinden sich vor allem im proximalen naher zum Soma gelegenen Teil des Dendritenbaumes wahrend Parallelfaser Dornen vor allem die dunnen distalen weiter vom Soma entfernten Bereiche des Dendritenbaumes besetzen Dornenfortsatze fur Kletterfasern entwickeln sich anders als die fur Parallelfasern Die Anlage der Parallelfaser spines braucht keine synaptische Aktivitat Sie ist wahrscheinlich in der Entwicklung des Neurons intrinsisch vorgegeben Das Wachstum von Kletterfaser spines dagegen benotigt die Anwesenheit und Aktivitat funktioneller Parallelfasersynapsen und wird andererseits durch die Aktivitat der Kletterfaser gehemmt Rezeptoren und Ionenkanale in Purkinjezellen BearbeitenAn den erregenden glutamatergen Kletter und Parallelfasersynapsen exprimieren Purkinjezellen Glutamatrezeptoren Bemerkenswerterweise verfugen reife Purkinjezellen nicht uber NMDA Rezeptoren Die einzigen ionotropen Glutamatrezeptoren in Purkinjezellen sind AMPA Rezeptoren Da letztere uber die GluR2 Untereinheit verfugen ist ihre Calcium Permeabilitat gering Purkinjezellen exprimieren als einzige Neuronen im ZNS den GluRd2 Rezeptor Die Aminosauresequenz dieses Rezeptors lasst vermuten dass es sich um einen ionotropen Glutamatrezeptor handelt Trotzdem wurde bisher weder eine direkte Bindung von Glutamat an diese Untereinheit noch ihr Einbau in einen bekannten Glutamatrezeptor nachgewiesen GluRd2 Rezeptoren befinden sich vor allem an den Parallelfasersynapsen der Purkinjezellen Bei Fehlen des Rezeptors kommt es zu Storungen der synaptischen Plastizitat auf zellularer Ebene und zu Storungen der motorischen Kontrolle und des motorischen Lernens auf Verhaltensebene Viele andere postsynaptische Proteine stehen in Wechselwirkung mit der GluRd2 Untereinheit Der GluRd2 Rezeptor hat also eine Schlusselrolle fur die Funktion des Kleinhirns auch wenn seine Funktion und sein Wirkungsmechanismus noch ungeklart sind Sowohl an Parallelfaser als auch an Kletterfasersynapsen sind in Purkinjezellen perisynaptisch also am Rand nicht im Zentrum der Synapse metabotrope Glutamatrezeptoren lokalisiert und zwar uberwiegend der Subtyp mGluR1 Wie in allen Neuronen sind auch in Purkinjezellen spannungsaktivierte Natriumkanale fur die Entstehung und Weiterleitung von Aktionspotentialen zustandig Sie werden in erster Linie im Soma und Axon der Purkinjezelle exprimiert Im Dendritenbaum nimmt ihre Dichte mit zunehmendem Abstand vom Soma schnell ab Aus diesem Grund dringt im Gegensatz zu anderen Neuronentypen wie zum Beispiel Pyramidenzellen im Hippocampus das Aktionspotential in Purkinjezellen nicht stark in den Dendritenbaum ein In den Purkinjezellen von Saugetieren sind vor allem die Natrium Kanale Nav1 1 Nav1 2 und Nav1 6 exprimiert Im Dendritenbaum und Soma der Purkinjezellen finden sich spannungsabhangige Calciumkanale die zum grossten Teil zum P Q Typ gehoren Diese bewirken bei starker Depolarisation wie zum Beispiel einem Aktionspotential oder synaptischer Aktivitat von Kletter und oder Parallelfasern einen Einstrom von Calciumionen in die Zelle In der Membran des endoplasmatischen Retikulums ER von Purkinjezellen befinden sich ligandenaktivierte Calciumkanale und zwar sowohl IP3 Rezeptoren als auch Ryanodin Rezeptoren Beide setzen bei ihrer Aktivierung Calcium Ionen aus dem ER Calciumspeicher in das Cytosol frei und erhohen dort die Konzentration sogenannter freier Calcium Ionen Von den verschiedenen IP3 Rezeptoren wird in Purkinjezellen in erster Linie der Subtyp 1 IP3R1 exprimiert und zwar im Vergleich zu anderen Zelltypen in mindestens 10 facher Menge Spontanaktivitat der Purkinjezellen BearbeitenPurkinjezellen zeichnen sich durch eine hohe Spontanaktivitat aus Darunter versteht man dass sie Aktionspotentiale unabhangig davon generieren ob sie von Kletter oder Parallelfasern erregt werden Sie feuern mit einer Frequenz von ca 50 150 Hz Als Rhythmusgeneratoren dienen dabei vor allem Calcium aktivierte Kaliumkanale die sogenannten BK Kanale 9 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Theodor H Schiebler Horst W Korf Anatomie Histologie Entwicklungsgeschichte makroskopische und mikroskopische Anatomie Topographie 10 vollst uberarb Auflage Steinkopff 2007 ISBN 978 3 7985 1770 7 S 786 Robert F Schmidt Florian Lang Manfred Heckmann Hrsg Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie mit Pathophysiologie mit Repetitorium 31 neu bearb u aktual Auflage Springer Berlin Heidelberg 2010 ISBN 978 3 642 01650 9 S 167 168 a b Florian Lang Philipp Lang Basiswissen Physiologie 2 vollstandig neu bearb und aktual Auflage Springer Berlin 2008 ISBN 978 3 540 71401 9 S 359 Stanley Finger Origins of Neuroscience A History of Explorations Into Brain Function Reprint Oxford University Press 2001 ISBN 0 19 514694 8 S 43 Walter Kirsche Jan Evangelista Purkyne 1787 1868 Ein Beitrag zur 200 Wiederkehr seines Geburtstages Akademie Verlag Berlin 1989 Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR Jahrgang 1988 Nr 5 N ISBN 3 055 00520 1 S 28 f a b c d e Rainer Klinke Hans Christian Pape Armin Kurtz Stefan Silbernagl Physiologie Lehrbuch 6 vollstandig uberarbeitete Auflage Thieme Stuttgart 2009 ISBN 978 3 13 796006 5 S 769 770 Funktionelle Architektur der Kleinhirnkerne der Ratte PDF 1 7 MB Dissertation Uni Tubingen The Neuroscientist The Lugaro Cell Is a Major Effector for Serotonin in the Cerebellar Cortex PDF 1 2 MB Artikel gehostet bei princeton edu BK Channels Control Cerebellar Purkinje and Golgi Cell Rhythmicity In Vivo Artikel bei plosone orgLiteratur Kapitel BearbeitenTheodor H Schiebler Horst W Korf Anatomie Histologie Entwicklungsgeschichte makroskopische und mikroskopische Anatomie Topographie 10 vollst uberarb Auflage Steinkopff 2007 ISBN 978 3 7985 1770 7 S 786 791 Rainer Klinke Hans Christian Pape Armin Kurtz Stefan Silbernagl Physiologie Lehrbuch 6 vollstandig uberarbeitete Auflage Thieme Stuttgart 2009 ISBN 978 3 13 796006 5 S 769 770 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikibooks Topographische Anatomie Neuroanatomie Kleinhirn Lern und Lehrmaterialien Eintrag zu Purkinje Zelle im 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